Bitte. Denken Sie in Zukunft an das alte Sprichwort: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Gallert, es wird Ihnen sicherlich verständlich sein, dass meine Beurteilung der Sachlage vollkommen anders ausfallen wird.
(Lachen bei der SPD und bei der PDS - Herr Gallert, PDS: Alles andere hätte mich auch über- rascht!)
Ich nehme das zumindest an. Vielleicht stimmen Sie mir aber auch manchmal insgeheim zu; das wird sich zeigen.
Ich habe leider nicht so viel Zeit wie Sie, Herr Gallert. Das bedauere ich außerordentlich. Wir müssen bei den nächsten Wahlen doch noch ein paar Prozent mehr holen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Die FDP hat im Wahlkampf immer wieder gefordert, endlich eine verlässliche und nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik im Land Sachsen-Anhalt zu betreiben.
Wie wichtig und richtig diese Forderung war und ist, bestätigte nicht zuletzt das Statement des Präsidenten des Landesrechnungshofes am 27. Juni 2002 vor dem Finanzausschuss, der von einer - ich sage es ganz deutlich - dramatischen finanziellen Lage sprach.
Lieber Herr Gallert, das haben Sie leider in Ihrem heutigen Redebeitrag ausgelassen. Ich sage es einmal sehr trocken und im Interesse der Redezeit sehr verkürzt: Die abgewählte Regierung um Ministerpräsident Dr. Höppner hat über Jahre eine falsche Finanzpolitik und eine fahrlässige Haushaltspolitik in Sachsen-Anhalt betrieben.
Ich darf hinzufügen: mit der Folge, dass die Wirtschafts- und Finanzdaten seit Jahren und mit Abstand das Ende in Deutschland bestimmen.
Wir müssen - so schmerzhaft das auch ist - eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in SachsenAnhalt feststellen, ob uns das gefällt oder nicht. Das heißt, aufgrund dieser Erbmasse steht der Koalition aus CDU und FDP bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen ein unglaublich schwerer Weg bevor - ich sage das sehr deutlich -, der mehr als steinig sein wird. Es wird begleitet sein - das sage ich sehr verantwortungsbewusst - von Schweiß, Blut und Tränen,
Ich lege außerdem Wert auf folgende Bemerkung: Der vorliegende Nachtragshaushalt ist innerhalb des Gesamtzieles der Konsolidierung ein erster Schritt, sozusagen ein Prolog im Sinne dessen, was wir haushaltspolitisch ab dem Jahr 2003 für viele Jahre zu leisten verpflichtet sein werden. Zumindest ist mit dem Nachtragshaushalt eine saubere, belastbare Ausgangslage geschaffen worden, meine Damen und Herren. Auf diese Bemerkung lege ich besonders viel Wert.
Lieber Kollege Bullerjahn, Sie haben in der ersten Lesung unter anderem eine sehr prosaische, vielleicht auch mit einer gewissen Drohgebärde begleitete Bemerkung gemacht. Ich darf sie bitte wiederholen. Sie sagten: „Ich gönne Ihnen heute dieses Hochgefühl des Sommers, aber ich sage Ihnen, es wird ein ganz kalter Winter für Sie!“ - Dafür bekamen Sie verständlicherweise viel Beifall aus Ihren Reihen und auch von ganz links. Die erste Aussage, lieber Herr Bullerjahn, ist meines Erachtens nicht nur falsch und unangemessen, sie ist vor allem bar jeglicher Selbstkritik, die möglicherweise auch gut ins Bild gepasst hätte.
Ich frage Sie: Welcher verantwortungsbewusste Politiker - unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit - sollte bei der vorgefundenen Haushaltslage ein Hochgefühl des Sommers entwickeln können? - Sie vielleicht, Herr Scharf, oder Sie, Herr Ministerpräsident? Ich glaube das bei weitem nicht. Meinen persönlichen Zustand jedenfalls beschreibe ich mit einer gewaltigen Gänsehaut.
Der zweite Teil der Aussage ist nach meinem Verständnis der Lage auch falsch: Der kalte Winter muss nicht erst kommen, meine Damen und Herren. Das ganze Land Sachsen-Anhalt befindet sich dank der vorangegangenen Regierungsarbeit seit Jahren in einem kalten Winter. Wir, die FDP, wissen, die Erwärmung wird nur langsam stattfinden. Dazu werden alle Verantwortungsträger beizutragen haben, sowohl die Koalition als auch die Opposition, wenn wir den Menschen in diesem Land in den nächsten Jahren noch ins Gesicht sehen wollen.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich - um die Polemik beiseite zu lassen - mit Finanzminister Karl-Heinz Paqué für den Nachtragshaushalt 2002 von vornherein auf eine klare konzeptionelle Linie geeinigt. Ich darf feststellen, dass diese klare konzeptionelle Linie durch die Regierung in konsequenter Weise umgesetzt worden ist.
(Beifall bei der FDP - Herr Bullerjahn, SPD: Wen meinen Sie jetzt, Herr Lukowitz? - Herr Dr. Pü- chel, SPD: Jetzt muss es kommen!)
Ich will diese konsequente Linie nur in einigen Grundsätzen benennen; ich mache das jetzt sehr schnell: Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit im Sinne der aktuellen Erkenntnisse muss unbedingt hergestellt werden. Es muss wieder, wie es das Haushaltsrecht fordert,
Die Personalausgaben sind auf der Basis der vorgefundenen Istwerte ehrlich in den Haushalt einzustellen. Die Risiken bei der Entwicklung der steuerlichen Mindereinnahmen, 354 Millionen €, sind ungeschönt im Haushalt darzustellen. Das gilt im Übrigen auch für das Haushaltsjahr 2003.
Das nunmehr bekannte korrekte Kassendefizit aus dem Jahr 2001 von rund 200 Millionen € ist zeitnah, also jetzt zu aktivieren und damit auch zu finanzieren; denn das sind klare Altlasten, meine Damen und Herren. Das ist unser Verständnis des § 25 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung.
Die Deckungsmittel zur Finanzierung der Ausgabenreste, rund 86 Millionen €, sind im Nachtragshaushalt zu veranschlagen. Die erforderlichen Leistungen im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungsausgaben sind entsprechend zu berücksichtigen; das sind 120 Millionen €. Die zu erwartenden Zinsausgaben sind realitätsnah zu berechnen und im Haushalt geltend zu machen.
Damit ist auch die Antwort der FDP-Fraktion auf die Änderungsanträge von PDS und SPD, die sicherlich noch eingebracht werden, schon gegeben.
Zwei zusätzliche Punkte aus den Verhandlungen im Finanzausschuss möchte ich noch kurz anfügen. Herr Gallert ist teilweise schon darauf eingegangen. Der erste ist die Veränderung des Investitionsprogramms für Kommunen und das Umswitchen des Kreditprogramms auf ein Zuschussprogramm. Wir denken, dass das die Investitionsbereitschaft der Kommunen enorm stärkt und damit auch die Investitions- und die Leistungsbereitschaft der mittelständischen Wirtschaft vor Ort. Es war uns eine Genugtuung, dass die Opposition, insbesondere die PDS, diesen Antrag von CDU und FDP zustimmend begleitet hat.
Zum anderen haben wir im Gegenzug über den Vorschlag der Opposition nachgedacht und ihn positiv aufgenommen, 10 Millionen € aus dem Sondervermögen Grundstock des Landes Sachsen-Anhalt in den allgemeinen Haushalt zu überführen und die Neuverschuldung um diese Summe zu reduzieren.
Diese beiden letztgenannten Beispiele, meine Damen und Herren, könnten ein Vorbote sein, auch im Finanzausschuss hin und wieder einen gemeinsamen Blick in die Notwendigkeiten des Landes entstehen zu lassen und das Parteiengezeter nachzuordnen.
Trotzdem bleibt eine erdrückende Schuldenlast. Die aufgelaufenen Schulden - das wird jedem, der sich einigermaßen auskennt, klar sein - kann die neue Regierung in diesem Jahr nicht mehr durch Einsparungen auch nur annähernd ausgleichen. Der überwiegende Teil der Mittel ist rechtskräftig gebunden. Einsparen können wir in diesem Bereich nicht mehr. Damit ist dem Sparschwein, meine Damen und Herren, eine reichhaltigere Kost zumindest in diesem Nachtragshaushalt versagt.
Ich bemerke trotzdem sehr anerkennend: Das Ergebnis der Sparbemühungen der Landesregierung insgesamt kann sich sehen lassen.
Das Kabinett hat - gerade einmal acht Wochen im Amt, Herr Bullerjahn - unter diesen unglaublich angespannten Bedingungen das ehrgeizige Ziel, ca. 150 Millionen € einzusparen. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Bullerjahn, SPD: Das glauben Sie doch selber nicht, Herr Lukowitz, was Sie hier vorlesen!)
Insgesamt möchte ich sagen: Wenn ich mir die hohe Schuldenlast und den zusätzlichen Finanzierungsbedarf für das Jahr 2002 in Höhe von 930 Millionen € ansehe, dann meine ich, dass das ein Sachverhalt ist, der niemandem ein Hochgefühl des Sommers, Herr Bullerjahn, bescheren kann; ich glaube, weder Ihnen noch uns. Im besten Falle - ich sage das ganz deutlich - bilanziert dieser Nachtragshaushalt die Ergebnisse der Vorgängerregierung und egalisiert zeitnah die erkennbaren Risiken. Es ist mir völlig klar: Er korrigiert noch nicht die gewaltigen Strukturdefizite oder Sündenfälle der letzten Jahre.
Ich gehe davon aus, dass zukünftig in alle Bereiche, auch in Leistungsgesetze zwangsläufig und schmerzhaft eingegriffen werden muss. Deshalb wird es notwendig sein - das fordere ich hier auch -, dass die Regierung begleitend zum Haushaltsplanentwurf 2003 dem Landtag ein Haushaltssanierungsgesetz und eine belastbare mittelfristige Finanzplanung vorlegt.
Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bullerjahn, es ist eher mit einem sehr heißen Winter zu rechnen als mit einer Eiszeit, die Sie prophezeit haben. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Dienstag dieser Woche fand ein Festakt anlässlich des zehnten Jahrestages der Verkündung unserer Verfassung statt. Alle Redner, unter ihnen auch der Ministerpräsident, betonten die Bedeutung der Verfassung für unser demokratisches Gemeinwesen. Heute, gerade einmal zwei Tage nach diesem für unser Land so denkwürdigen Ereignis, zeigt sich allerdings, was Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, diese Verfassung tatsächlich wert ist. Sie legen diesem Hohen Hause einen verfassungswidrigen Haushalt vor.
(Beifall bei der SPD - Herr Kolze, CDU: Das ist ja wohl ein Witz! - Herr Laaß, CDU: Durch wen verschuldet?)