Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

Im Einzelplan 14 wurden im Kapitel Verkehr bei Titelgruppe 63 die Erläuterungen bezüglich der Verpflichtungsermächtigung beim Schienenpersonennahverkehr im Zusammenhang mit der Ausschreibung der Strecken geändert.

Im Einzelplan 15 wurde außer der bereits erwähnten Änderung beim Erschwernisausgleich die Zuführung zum Sondervermögen „Altlastensanierung“ aufgrund vorher nicht absehbarer Probleme bei Sanierungsvorhaben um 6 655 000 € verringert. Dementsprechend ändert sich der Wirtschaftsplan im Sondervermögen „Altlastensanierung“, wie Sie der Beschlussempfehlung entnehmen können.

Beim Sondervermögen „Grundstock des Landes Sachsen-Anhalt“ wurden ebenfalls Änderungen vorgenommen. Hier erhöht sich der Übertrag aus dem Jahr 2001 um 23 820 966 €, von denen wiederum 9 700 000 € zum Kauf von Grundstücken, und zwar für das Grundstück der neuen Polizeidirektion Halle und das Grundstück beim Waggonbau Ammendorf, benötigt werden.

Der Saldo zwischen Mehreinnahmen und -ausgaben von etwas über 14 Millionen € wurde nach einer sehr intensiven und zum Teil kontroversen Diskussion durch den Ausschuss folgender Verwendung zugeführt: 10 Millionen € werden, wie erwähnt, zur Verringerung der Schuldenaufnahme verwendet und damit dem Gesamthaushalt zugeführt; der Rest verbleibt im Grundstock.

Ein Antrag der Fraktion der PDS, den gesamten Saldo von über 14 Millionen € zur Verringerung der Nettokreditaufnahme zu verwenden, fand nicht die erforderliche Mehrheit.

Eine letzte Änderung betrifft das Sondervermögen „Förderfonds Sachsen-Anhalt“, wo ein neuer Leertitel ausgebracht wurde, um die Möglichkeit für die Gewährung von Zuschüssen im Hinblick auf Stadtentwicklungskonzepte zu eröffnen.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur Änderung des Haushaltsgesetzes, da außer den redaktionell notwendigen Änderungen hinsichtlich des formalen Haushaltsabschlusses in der Bereinigungssitzung durch die Vertreterinnen der Koalitionsfraktionen ein neuer Änderungsantrag eingebracht wurde. Dieser beinhaltet, dass die Landesregierung unter bestimmten Voraussetzungen zur Ausbringung neuer Planstellen im Zusammenhang mit der Altersteilzeit ermächtigt wird. Das betrifft nach Aussagen der Landesregierung einige wenige Stellen der Besoldungsgruppe B 5.

An diesen Änderungsantrag schloss sich eine sehr ausführliche Debatte im Ausschuss bezüglich der Problematik Personalstruktur und Stellenabbau an. In deren

Ergebnis stimmte der Ausschuss dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen mehrheitlich zu.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich den Mitgliedern des Finanzausschusses für die disziplinierte Beratung, dem Finanzministerium und den Vertreterinnen der anderen Ministerien, dem Landesrechnungshof und dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst Dank sagen. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle der Ausschusssekretärin Frau Kahl für die Vorbereitung der Sitzungen und den Mitarbeiterinnen vom Schreibdienst, die wahrlich keine leichte Aufgabe hatten.

Ihnen liegt nunmehr die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen in der Drs. 4/80 vom 11. Juli 2002 vor. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen bei sieben Ja- und sechs Neinstimmen, den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Nachtragshaushalt in der nunmehr vorliegenden Form anzunehmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS, bei der CDU und bei der SPD)

Ich danke Frau Dr. Weiher für die Berichterstattung und eröffne nun die Debatte der Fraktionen. Als erster Debattenredner erhält Herr Gallert für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf des Nachtragshaushaltsplans hat in den parlamentarischen Beratungen der letzten Wochen kaum Veränderungen erfahren. Die Unterschiede zwischen der Regierungsvorlage und der jetzt vorliegenden Beschlussempfehlung basieren fast ausschließlich auf von den Koalitionsfraktionen übernommenen Regierungsvorschlägen. Die Anträge der Opposition wurden im Finanzausschuss abgelehnt.

Trotzdem wird die parlamentarische Bewertung zumindest unsererseits andere Schwerpunktsetzungen erfahren als vor vier Wochen. Die erste zentrale Fragestellung in Bezug auf diesen Nachtragshaushalt ist die nach dem Zusammenhang zwischen dem Einsatz öffentlicher Mittel durch das Land und der gesamtwirtschaftlichen Lage in Sachsen-Anhalt. Auf den Punkt gebracht, beantwortet der vorliegende Haushaltsentwurf diese Frage mit einer eindeutigen Position: Wir brauchen die Stimulierung der Binnennachfrage durch die öffentlichen Haushalte.

Die Landesregierung hat in ihrer Begründung zur Überschreitung der verfassungsmäßigen Kreditobergrenze dieses typisch gewerkschaftliche oder auch linke, also nachfrageorientierte Argument nahezu überstrapaziert. Insofern dürfte es auch kaum verwundern, dass der von der Regierung eingeschlagene Weg unter anderem den Beifall des DGB-Landesvorsitzenden findet.

Es mag den einen oder anderen durchaus überraschen, wenn der FDP-Finanzminister in den Beratungen den Weg der Neuverschuldung mit den katastrophalen Auswirkungen der Alternative, nämlich von Haushaltskürzungen, begründet. Wenn man Kürzungen realisiert, würde man die hiesigen Märkte schocken und die Rezession noch vertiefen - völlig richtig, Herr Finanzminister, nur hätten ausgerechnet Sie diese Wahrheit nie aussprechen dürfen. Sie als Vertreter einer Steuersenkungspartei und als Staatsverschlanker hätten genau diesen Zusammenhang leugnen müssen.

Wo kämen Sie denn hin, wenn Sie diesen Weg weiter gingen? - Natürlich müssten Sie die Neuverschuldung, die der Preis für die Nachfragestimulation, für antizyklisches Krisenverhalten ist, durch Einnahmeerhöhungen vor allem auf dem Weg der stärkeren Kapitalbesteuerung ersetzen. Wir wissen jedoch, dass diese Konsequenz zu einer Krise der wirtschaftsliberalen Rhetorik führen würde. Insofern benutzt die Landesregierung den einzigen und letzten Ausweg, den sie hat: Man verlegt sich auf die Zukunft.

Also kommt die Argumentation: In diesem Jahr würden Ausgabereduzierungen in die Katastrophe führen; in einem halben Jahr, wenn man dann mit der Haushaltssanierung gewaltig loslegen will, würden diese Einsparungen heilsame Wirkungen entfalten können, denn - so die Argumentation - die Märkte könnten sich darauf einstellen.

(Herr Bischoff, SPD, lacht)

Wissen Sie, das ist in etwa so, als wenn man einem chronisch Unterernährten erzählt, er solle sich darauf einstellen, in einem halben Jahr ganz ohne Lebensmittel auszukommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Natürlich weiß auch die Landesregierung, dass diese Argumentation niemals aufgehen wird. Sie ist ja eigentlich auch nicht ernst gemeint.

Der Unterschied zwischen der Logik des Nachtragshaushaltes, Konjunkturbelebung durch öffentliche Nachfrage zu erreichen, und der angekündigten Ausgabenreduzierung in den Folgehaushalten resultiert mitnichten aus wirtschaftspolitischen, sondern eben aus parteitaktischen Überlegungen. Das eine findet vor dem 22. September und das andere danach statt.

Wir fragen uns nur, wie Sie innerhalb von vier Monaten Ihre jetzige nachfrageorientierte Argumentation vergessen machen wollen; dies ist jedoch nicht unser Problem.

So folgt die PDS durchaus einem Vorschlag seitens der Koalition von CDU und FDP, der darauf zielt, die investiven Darlehen für die Kommunen im laufenden Haushalt auch ab dem Jahr 2006 für diese im Wesentlichen belastungsfrei zu stellen. Auch wir haben in den letzten acht Jahren vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation besonderes Augenmerk auf die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen gelegt.

(Herr Schomburg, CDU: Oh, oh, oh!)

- Ja, jetzt müssten Sie einmal zuhören.

In den Jahren seit 1997 waren Sachsen-Anhalt und Brandenburg abwechselnd Spitzenreiter, was die Höhe der kommunalen Pro-Kopf-Investitionen in den ostdeutschen Flächenländern angeht. Im Vergleich zu Sachsen und Thüringen, die sich um den letzten Platz gekabbelt haben, macht das seit 1994, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, ein Plus von etwa 1 Milliarde DM an kommunalen Investitionen aus. Das hat nicht die PDS ausgerechnet, sondern das Statistische Bundesamt. Diese Differenz von 1 Milliarde DM ist fast ausschließlich landesfinanziert.

Mit Ihrem Vorschlag zur Belastungsfreistellung für die laufenden Investitionskredite führen Sie diesen Weg im Haushalt 2002 fort - dafür unsere Unterstützung -, verkünden aber gleichzeitig, dass ab 2006 keine neuen

Kredite mehr aufgenommen werden sollen, und dies in einer Regierungskonstellation, bei der zumindest ein Partner, nämlich die FDP, die Steuereinnahmen in Zukunft noch senken will. Das ist das wirkliche Dilemma.

Die reale Alternative für die Konjunkturpolitik in Sachsen-Anhalt liegt nicht in der angekündigten radikalen Haushaltskürzung ab dem nächsten Haushaltsjahr oder in einer uneingeschränkten Neuverschuldung; die wirkliche Alternative ist die Einnahmeerhöhung und die gerechtere Lastenverteilung in dieser Bundesrepublik, um die Ressourcen für eine echte Konjunkturpolitik erst einmal zu erlangen.

Wir mussten aufgrund der ablehnenden Position von CDU, SPD, FDP und Grünen auf Bundesebene leider den Weg der Neuverschuldung beschreiten, ein Weg, der hart kritisiert worden ist; aber nach diesem Nachtragshaushalt sollte die Koalition ihre Kritik bedeutend moderater formulieren.

Ein Beleg dafür ist das Desaster der Landesregierung im Hinblick auf das Einsparziel von 153 Millionen € in diesem Nachtragshaushalt. Was ist von der Ankündigung geblieben? - Es ist geblieben eine globale Minderausgabe, also eine Absichtserklärung, diese Summe einsparen zu wollen, und dies auf einem Weg, der noch bei der Einbringung des Haushalts durch den Finanzminister als Element des Systems Gallerjahn bezeichnet wurde und mit haushaltspolitischer Beliebigkeit im Gegensatz zum nunmehr echten Sparwillen der Landesregierung, die diese Minderausgabe gleich vertiteln könne, gleichgesetzt wurde.

Nun, vier Wochen später, sind wir fast genau an dem Punkt gelandet, an dem wir vorher mit der globalen Minderausgabe gewesen sind. Wie soll man das jetzt bezeichnen? Als Paqué-Variante des Systems Gallerjahn?

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Als ich vor vier Wochen sagte, dass Sie Ihre Rede zur Einbringung des Nachtragshaushaltes in spätestens 24 Monaten bereuen würden, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass das an einigen Stellen bloß ein paar Tage gekostet hat.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Aber wir wollen fair sein. Es war nicht nur der Finanzminister, der von einer genauen Untertitelung und Untersetzung der 153 Millionen € Einsparsumme sprach. Es war der Ministerpräsident, der Mitte Juni eine Pressekonferenz zum Nachtragshaushalt verschob, weil die Minister ihre Einsparvorschläge nicht öffentlich nachvollziehbar erbringen konnten.

Ja, Herr Ministerpräsident, das haben sie bis heute nicht getan. Diejenigen, die es getan hatten, mussten es aufgrund des dreifachen Rittbergers des Finanzministers wieder zurücknehmen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Am Ende haben Sie sogar vergessen, die Erläuterungen mit der so genannten Untersetzungsprognose aus dem Haushalt herauszunehmen. Aber die sollen wir doch gar nicht zu Gesicht bekommen! - Schwierig, schwierig.

Dieses Chaos - das wissen wir sehr genau - ist jedoch nicht Ergebnis irgendwelcher Startschwierigkeiten der

Landesregierung, sondern es ist Symptom eines Grundproblems, und zwar eines sehr ernsten Grundproblems: der Differenz zwischen Ihrer Konsolidierungs- und Sanierungsrhetorik einerseits und dem politisch verantwortbaren Einsparpotenzial andererseits. Das Problem ist nämlich, wenn Einsparpotenziale in der Größenordnung, wie Sie sie ankündigen, politisch verantwortbar wären, dann würden Sie das auch schon vor der Bundestagswahl machen. Da Sie es aber nicht machen, wissen Sie, in welche Kalamitäten Sie sich damit hineinbegeben.

Abschließend noch einige Bemerkungen zu der Frage der Überschreitung der verfassungsmäßigen Grenze der Neuverschuldung in diesem Haushalt. Unsere Vermutung hat sich bestätigt: Sie ist nicht zwingend erforderlich, sie ist parteipolitisch gewollt. Die PDS hat Wege aufgezeigt, um die zweifellos schwierige Situation innerhalb der Verfassungsgrenze zu bewältigen. Wir werden heute wieder einen Antrag in das Plenum einbringen und zur Abstimmung stellen, der diesen Weg aufzeigt.

Die Koalition hat unsere Anträge aber bisher mit einem einzigen Argument abgelehnt: Alle Risiken sollen so hoch wie möglich in diesem Jahr abgedeckt werden, koste es, was es wolle. Sowohl die vollständige Begleichung des Defizits aus dem Jahr 2001 in diesem Jahr als auch die künstliche Erhöhung des Kreditbedarfs durch die Umstellung auf die längerfristige Vorfinanzierung von EU-Mitteln, der vollständige Verzicht auf Kostendämpfung im Personalbereich, das Einstellen von Ausgabetiteln, die voraussichtlich erst im nächsten Jahr anfallen, zum Beispiel bei Einzelplan 09, die komfortable Ausweisung von Ausgabenresten und die Schaffung von zusätzlichen Polstern im Grundstock, die zwar auf Antrag der PDS um 10 Millionen € reduziert, aber nicht gänzlich abgeschafft wurden, all das fügt sich fest zu einem Bild: Die Verfassungsgrenze musste überschritten werden, sie sollte überschritten werden, um erstens die Bilanz der Vorgänger zu diskreditieren und zweitens Polster für dieses und weitere Jahre zu schaffen.

Ohne auch nur einen Euro im nächsten Jahr real einsparen zu müssen, wird man die Ausgabenseite im Haushaltsjahr 2003 um 300 Millionen € senken können. Dann hat man aber noch nicht einen Euro eingespart - weil man die Polster, die man sich in diesem Jahr schafft, natürlich im nächsten Jahr aufbrauchen kann. Ich kann mir die Pressemeldung des Finanzministers dazu jetzt schon vorstellen.

(Herr Kühn, SPD: Verantwortungslos!)

Wir bleiben bei unserer Bewertung: Mit diesem Schritt wollen Sie sich einen parteipolitischen Vorteil verschaffen. Die Botschaft nach innen und außen ist Ihnen dabei egal, sie lautet: Sachsen-Anhalt - rote Laterne; außer Berlin das einzige Land, das diesen Schritt gehen muss. - Sie ignorieren dabei die vielen produktiven Ansätze, die es auch in Sachsen-Anhalt gegeben hat, und Sie ignorieren die extrem schwierigen Rahmenbedingungen.

Die bewusste Ignoranz des in Sachsen-Anhalt Geleisteten mit der einseitigen Schuldzuweisung an PDS und SPD, die in der Überschreitung der Verfassungsgrenze ihren Ausdruck findet, ist der Grund für die Ablehnung dieses Nachtragshaushaltes durch die PDS. Es ist genau diese Ignoranz, die Sie sehr bald einholen wird. Wenn Sie dann immer wieder nur auf die Vorgänger zeigen, nutzt sich dies sehr schnell ab. Insofern eine letzte

Bitte. Denken Sie in Zukunft an das alte Sprichwort: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.