Diskussion zu führen, sondern darin könnten wir uns auch eine politische Definition leisten und sagen: Alles das, was wir für die Entwicklung unseres Landes - zu den teilungsbedingten Lasten gehört aus meiner Sicht auch die Beseitigung der hohen Arbeitslosigkeit - verwendet haben, zum Beispiel um Menschen von Anfang an bis in das Berufsleben hinein zu qualifizieren, gehört mit zur Beseitigung teilungsbedingter Lasten und sollte uns in diesem Bereich nicht vorgeworfen werden.
Aber diese Diskussion müssen wir noch führen und sie ist deswegen so bedeutsam, weil wir an anderer Stelle - bei einer völlig anderen Diskussion - über den Solidarpakt II und die Verwendung der Mittel des Korbes II beschließen. An dieser Stelle höre ich bei jeder Diskussion: Bevor wir das machen, müssen wir erst mal sehen, wie die neuen Länder die Mittel aus dem Korb I einsetzt und verwandt haben. Das Geld, das sie genommen haben, um Haushaltslöcher zu stopfen, das heißt im Klartext das, was sie nicht im investiven Bereich eingesetzt haben, sondern was sie beispielsweise für Bildung und Kinderbetreuung, Kultur und Theater und sonst was ausgeben haben, können wir ihnen nicht aus dem Korb II bezahlen.
Deswegen ist das zurzeit eine aktuelle Diskussion, in der es um die Finanzstrukturen - auch im Solidarpakt - geht und darum, wie wir den Korb II umsetzen wollen. Wir müssen aufpassen, dass wir bei diesen Diskussionen keine Entwicklung zulassen, die gegen uns läuft. Das müssen all diejenigen wissen, die in Haushaltsfragen mitentscheiden; das sind in erster Linie Sie.
Aber wenn wir jetzt ein haushaltsrelevantes Gesetz zum Volksentscheid führen, müssen wir diese Diskussion auch in der Öffentlichkeit führen, damit jeder weiß, welche Konsequenzen diese Entscheidung hat.
Ich will ein anderes Thema ansprechen. Wir sitzen zurzeit in der Föderalismuskommission, die heute Mittag um 13 Uhr weitergehen soll; deswegen bin ich etwas im Zeitdruck. Wir haben am Mittwoch bis weit in die Nacht hinein gesessen. Herr Stoiber und Herr Müntefering haben gestern noch einmal bis in die Nacht hinein verhandelt. Es scheint schwierig zu werden; mehr will ich dazu nicht sagen.
Aber in einer Frage gibt es ziemlichen Konsens. Diese Frage lautet: Muss die EU-Haftung von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden? Das heißt, wenn wir in irgendeinen Haftungstatbestand kommen, müssen Bund und Länder das gemeinsam tragen. Wir streiten uns noch, wie das dann verteilt wird. Aber eines ist sicher: Deutschland hat dreimal hintereinander die Maastrichter Konvergenzkriterien durch eine zu hohe Neuverschuldung überschritten. Wir in Sachsen-Anhalt waren daran beteiligt, das ist unstrittig.
Wenn es dazu kommt, dass dafür irgendeine Leistung erbracht werden muss, steht heute schon fest, dass wir beteiligt sind. Ich will noch gar nicht sagen, wie; das wird noch lange diskutiert. Der erste Vorschlag lautet: 75 % der Bund und 25 % die Länder; unter den Ländern aufgeteilt 50 % nach der Bevölkerungszahl und 50 % nach dem Verursacherprinzip. Aber das ist noch lange nicht Konsens. Die letzte Diskussion am Mittwochabend endete damit: 65 % der Bund und 35 % die Länder und um die restliche Aufteilung müssen sich die Länder kümmern.
Wenn das so käme - die Forderungssumme liegt zurzeit bei 10 Milliarden €; das hat das Finanzministerium Hessen umgerechnet -, käme im Hinblick auf den Haushalt 2003 auf das Land Sachsen-Anhalt eine Forderungssumme zwischen 98 Millionen € und 101 Millionen € zu. Können Sie sich das vorstellen? Der Haushalt 2005, den Sie gestern beschlossen haben, sieht nicht viel anders aus.
Wir können dann nicht Strafe zahlen durch Neuverschuldung. Das wäre eine chaotische Kette. Das muss man wissen. Aus dem Haushalt, den Sie gestern beschlossen haben, 100 Millionen € herauszuziehen, das würde ich mir kaum zutrauen. Trotzdem besteht diese Drohung; die muss man kennen, wenn man über haushaltsrelevante Sachentscheidungen spricht.
Die gegenwärtige Situation ist die, dass die Bundesministerin Frau Schmidt für die Bundesregierung, vor allen Dingen für die westlichen Länder einen Gesetzesvorschlag zur vorschulischen Kinderbetreuung vorgelegt hat, der den Vorstellungen, die wir schon längst verwirklicht haben, nahe kommt, aber nicht einmal so weit geht. Die Kollegin aus Schleswig-Holstein hat mir gestern gesagt: Herr Böhmer, ich möchte mal wissen, wie Sie das machen; selbst wenn wir das Bundesgesetz umsetzen, könnten wir das nicht bezahlen. - Deswegen fordert man dort von der Bundesregierung, dass der Bund das bezahlt, was mit Bundesgesetz beschlossen worden ist. Das ist eine grundsätzliche Diskussion in den westlichen Ländern.
Wenn wir jetzt sagen, wir leisten uns mit dem Geld, das wir von euch bekommen, trotzdem noch mehr und lassen uns das nicht nehmen, dann sage ich: Wir lassen uns das tatsächlich nicht nehmen, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht maßlos entscheiden. Sonst kommen wir in eine gesamtdeutsche Diskussion, die wir ganz schlecht aushalten.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von Herrn Kühn, SPD, und von Herrn Dr. Polte, SPD)
Herr Präsident, ich bitte Sie, es einfach auszuhalten, dass ich noch drei Sätze sage. Dann mache ich aber sicherlich Schluss.
Ich möchte Sie nur bitten, sich durchzulesen, was im Landtag in Schwerin dazu diskutiert wurde. Dort hat vor kurzem die Landesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem unsrigen sehr ähnlich ist. Bei uns sind es fünf Stunden Rechtsanspruch und mehr für alle, die berufsbedingt einen Kindergartenplatz in Anspruch nehmen müssen usw. In Mecklenburg-Vorpommern sind es sechs Stunden und ansonsten ist es fast die gleiche Regelung. Dort hat die Sozialministerin - PDS - wörtlich im Landtag gesagt: Mehr ist nicht finanzierbar.
Wer mehr finanzieren will, der muss sagen, wem er das Geld wegnimmt. Wer mehr fordert, muss dann auch bereit sein, höhere Elternbeiträge vor den Eltern zu vertreten; denn auch das ist die Konsequenz.
Herr Ministerpräsident, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Gallert zu beantworten?
Wenn eine Vertreterin dieser Partei dort, wo sie in der Regierungsverantwortung steht, die Sache auch nicht anders sieht, bin ich der Meinung, dass wir die Kritik der Opposition relativ gelassen aushalten sollten. Das ist das Thema. Wir haben das ja in anderer Besetzung schon hinter uns. Ich behaupte ja nicht - das will ich ganz ehrlich sagen -, dass wir besser waren. Aber ich bitte um Verständnis dafür, dass wir dort, wo wir in der Verantwortung sind, angemessen und die Proportionen untereinander abwägend entscheiden müssen.
Ich werde mich nicht zu einer Äußerung gegen die Volksinitiative hinreißen lassen. Ich will nur eines sagen - das muss unser politisches Prinzip sein und wir sollten versuchen, es in großer Gemeinsamkeit zu vertreten -: Die Zukunft unserer Kinder endet nicht, wenn sie aus dem Kindergarten heraus sind. Zur Zukunft unserer Kinder gehören nicht nur gute Kinderkrippen und Kindergärten.
Dazu gehören auch gute Schulen, die Geld kosten. Dazu gehören auch gute Berufsschulen, die Geld kosten. Dazu gehören ordentliche Gymnasien, die Geld kosten. Dazu gehören auch Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen, die alle Geld kosten. Bei uns gehört dazu auch eine Berufsausbildung, die uns ebenfalls Geld kostet; denn sonst würden wir nämlich das Lehrstellenproblem nicht jedes Jahr einigermaßen lösen können. Wir brauchen auch Geld für Arbeitsplätze, die wir im Land organisieren wollen. Alles das gehört zur Zukunft unserer Kinder und nicht nur die ersten vier, fünf, sechs Lebensjahre.
Deshalb habe ich bei dieser Diskussion die einzige Bitte, möglichst ruhig und möglichst sachlich darauf hinzuweisen und zu sagen, dass wir Prioritäten setzen müssen, weil die Zukunft unserer Kinder bis in die eigene Berufstätigkeit hinein gesichert werden muss und weil wir alle Etappen dieser Entwicklung in einigermaßen ausgewogener Weise auch finanziell begleiten müssen.
Ich bin bereit, diese Diskussion auch bundesweit überall zu vertreten und die Verwendung der Gelder, die wir dafür haben, auch bundesweit zu verantworten und dafür zu werben. Aber wir sollten uns nicht in eine einseitige Ecke drängen lassen, die auf jeden Fall auch in anderen Diskussionen gegen uns ausgewertet würde. Nur darum geht es. - Vielen Dank.
Herr Böhmer, eine Bemerkung und danach eine Frage. - Die Bemerkung: Wenn Sie auf die Diskussion im Land
tag von Mecklenburg-Vorpommern reflektieren, gehört es auch zur Fairness zu sagen, dass die Diskussion einen Anlass hatte. Dieser Anlass war, dass zu diesem Zeitpunkt das erste Mal - ich glaube, seit zehn Jahren - in den ostdeutschen Bundesländern ein Kinderbetreuungsgesetz verbessert worden ist.
- Ja, warten Sie. - Es war also so, dass dieses Kinderbetreuungsgesetz verbessert worden ist. MecklenburgVorpommern ist im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt von einer miserablen Ausgangslage aus gestartet, was die Kinderbetreuung anbelangt. Übrigens wurden beide Gesetze, sowohl das in Sachsen-Anhalt als auch das in Mecklenburg-Vorpommern, von CDU-Regierungen geschaffen, und zwar so, dass sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das muss man einfach wissen. In Mecklenburg-Vorpommern ist das erste Mal seit zehn Jahren in den ostdeutschen Bundesländern eine Verbesserung einer zugegebenermaßen miserablen Ausgangsbasis realisiert worden. - Das zu dieser Diskussion.
Jetzt aber meine Frage. Sie haben in Ihrem Diskussionsbeitrag eben den Begriff „Maßlosigkeit“ verwandt. Da wir im Moment über den Volksentscheid und über die Kinderbetreuung reden, frage ich Sie jetzt ganz deutlich: Ist der Begriff „Maßlosigkeit“ von Ihnen ausdrücklich im Kontext des Volksentscheides verwandt worden oder nicht? Anders gefragt: Würden Sie die Entscheidung der Bürger Sachsen-Anhalts für das Kinderbetreuungsgesetz der Initiative für eine maßlose Entscheidung halten?
Schön der Reihe nach. Die Debatte in Schwerin habe ich selbst im Protokoll nachgelesen. Das können Sie auch tun. Sie ist sogar aus dem Internet abrufbar. Ich weiß auch, was die CDU dort gesagt hat, und ich weiß inzwischen, dass man sich in der Opposition anders verhält als in der Regierungsverantwortung. Nur darauf wollte ich hinweisen, mehr nicht.
Zweitens. Maßlos wäre es, wenn wir die Probleme unseres Landes unentwegt mit Neuverschuldung lösen würden. Auch das muss ganz klar sein.
Was die Kinderbetreuung betrifft, habe ich nur gesagt, dass wir eine ausgewogene Verteilung der Finanzmittel für die unterschiedlichen Entwicklungsphasen brauchen, die für die Zukunft von Kindern notwendig sind. Das betrifft nicht nur den ersten Bereich, den vorschulischen Bereich, sondern endet letztlich erst mit der Eingliederung in das Arbeitsleben.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag der
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 23. Januar 2005 steht das im Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP verabschiedete Kinderförderungsgesetz erneut zur Abstimmung. Es ist ein in seinen Umfängen deutschlandweit unübertroffenes Leistungsgesetz, das durch die Initiatoren aufs Spiel gesetzt werden soll. Dieses Paradoxon ist wirklich schwer zu begreifen. Das wird dadurch noch gesteigert, dass die wortführende Bürgerinitiative das KiFöG als das angeblich innovativste Fördergesetz durch ein veraltetes Gesetz ablösen will.
Sie war offensichtlich nicht einmal in der Lage, ein eigenes Gesetz zu formulieren, und griff deshalb hilfsweise auf ein altes Gesetz zurück.
Die Bürgerinitiative führt das Wort „Zukunft“ im Namen und setzt doch auf eine Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, die unseren Kindern gerade diese Zukunft nimmt, meine Damen und Herren.