Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte, Herr Madl, sprechen Sie.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rothe, ich habe zufällig das Verfassungsschutzgesetz in der geltenden Fassung hier; ich kann aber nicht erkennen, dass in § 2, den Sie angeführt haben, eine Verletzung des Trennungsgebotes durch die mögliche Einrichtung des GIAZ vollzogen worden ist. Darüber könnten wir vielleicht, wenn Sie richtig darüber diskutieren wollen, im Ausschuss sprechen.

Im Übrigen teile ich Ihre Auffassung, dass es Zeit ist, diese Gesetzesanpassung vorzunehmen. Ich wiege mich in der Hoffnung, dass Sie möglicherweise bereit sind, die Beratungen in den Ausschüssen, die Sie beantragt haben, auch zügig durchzuziehen, damit wir rechtzeitig zu diesen Änderungen kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Demokratie muss sich schützen. Dazu gehört natürlich auch der Schutz gegen Terrorismus und Extremismus. Die Anschläge vom 11. September 2001 in New York haben gezeigt, dass sich die Welt verändert hat. Der damalige Bürgermeister Rudolph Giuliani hat gesagt:

„Die Welt wird nach dem 11. September nicht mehr die Welt sein, die wir vor dem 11. September kannten“.

Die Bedrohungen durch Terrorismus und Extremismus sind eine sicherheitspolitische Gefahr für die ganze Welt. Der Anschlag von Madrid im März 2004 hat gezeigt, dass auch Europa im Visier des Terrorismus ist und dass Deutschland, wie die Erkenntnisse vom 11. September 2001 zeigten, zum Vorbereitungsraum terroristischer Anschläge gehörte und gehört. Diese Tatsachen muss man zur Kenntnis nehmen und man muss darauf reagieren.

Der Bundesgesetzgeber hat bereits reagiert und die Sicherheitsbehörden mit weiteren gesetzlichen Befugnissen ausgestattet. Dabei kommt dem Verfassungsschutz eine wichtige Aufgabe zu. Aus diesem Grunde befassen wir uns heute mit dem Gesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften.

Das derzeit geltende Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt legt in § 1 den Zweck des Verfassungsschutzes fest. Ich darf - mit Ihrer Genehmigung - zitieren:

„Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherung des Bundes und der Länder.

Er hat die Landesregierungen und andere Stellen nach Maßgabe dieses Gesetzes über Gefahren für diese Schutzgüter zu unterrichten. Dadurch sollen diese Stellen rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können.

Er hat auch die Öffentlichkeit über diese Aufgabenfelder zu unterrichten.“

In § 4 dieses Gesetzes sind die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde beschrieben.

Mit dem Gesetz zur Änderung der verfassungsschutzrechtlichen Vorschriften soll die Verfassungsschutzbehörde mehr Befugnisse und damit Möglichkeiten und Instrumente erhalten, um diese Aufgabe zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfüllen zu können. Die CDU-Fraktion begrüßt dies ausdrücklich.

Da die Änderungen sehr umfangreich sind und eine Fünfminutendebatte nicht ausreicht, um alle Änderungen zu erläutern, beschränke ich mich auf einige wesentliche Punkte.

Artikel 1 passt das Verfassungsschutzgesetz des Landes an das Bundesverfassungsschutzgesetz an, welches im Januar 2002 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz geändert wurde. Hierzu gehört, dass der Verfassungsschutz die Aufgabe erhalten soll, Bestrebungen zu beobachten, die gegen den Gedanken der Völ

kerverständigung und insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die CDUFraktion begrüßt auch dies ausdrücklich.

Weiterhin soll der Verfassungsschutz die Befugnis erhalten, Auskünfte von Kreditinstituten und Finanzdienstleistern, von Luftfahrtunternehmen, von Postdienstleistern, Telekommunikationsdienstleistern und Teledienstleistern zu erhalten. Die Befugnis erstreckt sich unter anderem auf Geldbewegungen, Geldanlagen, Transportleistungen, Umstände des Luft- und Postverkehrs sowie Verbindungs- und Dienstedatenerkennung, und zwar wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren vorliegen. Auch das begrüßt die CDU ausdrücklich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im Übrigen muss von diesen Befugnissen auch über die Terrorismusbekämpfung hinaus Gebrauch gemacht werden, wenn Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Straftaten im extremistischen Bereich und auch im Bereich des Hochverrats, der Volksverhetzung und schwerer Kapitaldelikte vorliegen.

Zu möglichen Argumenten der Unverhältnismäßigkeit und der Überzogenheit sei angemerkt, dass die Erweiterung von Befugnissen durchgängig mit den entsprechenden Festlegungen von Kontrollrechten parlamentarischer Gremien verknüpft ist. Der Vorwurf überzogener Überwachung kann nicht gelten.

Mit Artikel 2 des Gesetzes werden die gesetzlichen Grundlagen für Sicherheitsüberprüfungen aus Gründen des Geheimschutzes oder des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes geschaffen. Im Übrigen ersetzt dieses Gesetz die untergesetzlichen Sicherheitsrichtlinien vom Oktober 1992.

Mit Artikel 3 wird das Ausführungsgesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes entsprechend den Vorgaben des Artikel-10-Gesetzes des Bundes neu gefasst. Die Kontrollbefugnis obliegt der G10-Kommission, die als unabhängiges Gremium von der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages bestellt wurde.

Ein Punkt, der mir noch wichtig ist und den auch Herr Rothe schon angesprochen hat, ist die Befugnis zum Speichern, Nutzen und Verarbeiten von Daten von Minderjährigen von der Vollendung des 14. bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres. Die CDU hält diese Befugnis für nicht unverhältnismäßig. Es ist bedauerlich, dass im islamistischen Spektrum bereits Kinder - ich möchte nicht das Wort „rekrutieren“ verwenden - benutzt und zu Kriegern ausgebildet werden. Im Übrigen ist auch im Bereich des Extremismus eine deutliche Verjüngung von aktiven Anhängern festzustellen. Die CDU-Fraktion unterstützt diese Befugnisse für den Verfassungsschutz ausdrücklich.

Da meine Redezeit vorbei ist, bitte ich jetzt um Überweisung an den Innenausschuss. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Madl. - Nun bitte für die PDS-Fraktion Herr Gärtner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf hat uns der Innenminister aus unserer Sicht ein wahrlich dickes nachösterliches Ei

ins Nest gelegt. Die darin enthaltenen Verschärfungen haben es aus unserer Sicht in sich. Es erweckt ein wenig den Eindruck, als ob Herr Martell im Innenministerium einmal all das aufschreiben konnte, was er schon immer gern haben wollte.

Aber ganz im Ernst, meine Damen und Herren: Wer noch ein kleines Maß an Bürgerrechtsverständnis hat, der muss aus unserer Sicht dieses Gesetz ablehnen.

(Beifall bei der PDS - Zurufe von der CDU)

Das sage ich insbesondere in Richtung der FDP, die dieses Thema neuerdings wieder für sich erkannt hat. Es wäre gut, wenn die FDP in der ganz konkreten Praxis an die Tradition der Baums oder der Schnarrenbergers anknüpfen könnte. Ich empfehle übrigens, die Ex-Bundesjustizministerin Frau Schnarrenberger zur Anhörung zu diesem Gesetzentwurf einzuladen. Ich denke, sie kann uns den einen oder anderen sachdienlichen Hinweis geben.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Die PDS-Landtagsfraktion - die FDP-Landtagsfraktion hoffentlich auch; das werden gleich hören - lehnt das Ansinnen des Innenministers ohne Wenn und Aber ab. Wir erleben erneut den Versuch, unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung eine gläserne Gesellschaft zu schaffen.

Fluggesellschaften, Kreditinstitute sowie Post- und Telefongesellschaften sollen für den Verfassungsschutz offenbar zu offenen Büchern werden. Register von Firmen und Einrichtungen sowie private Datensammlungen sollen ihm zugänglich sein. Bereits Jugendliche ab 14 Jahren könnten in das Raster des Verfassungsschutzes geraten. Die Fristen für das Löschen von Daten sollen verlängert werden.

Ich muss an dieser Stelle eigentlich nur auf die Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten verweisen, der dieses Gesetz in seinen einzelnen Artikeln deutlich kritisiert. Herr Minister, ich habe den Eindruck, Sie haben eine andere Stellungnahme gelesen als die, die dem Gesetzentwurf beigefügt ist; denn ich habe aus dieser herausgelesen, dass der Datenschutzbeauftragte insbesondere in den zentralen Bereichen deutliche Kritik an diesem Gesetzentwurf übt.

(Minister Herr Jeziorsky: Ich habe gesagt, dass wir dem nicht gefolgt sind!)

Begründet wird es damit, dass bereits 14-Jährige als islamistische Kämpfer geworben werden.

Meine Damen und Herren! Wer sich die Verfassungsschutzberichte des Landes Sachsen-Anhalt - und darüber reden wir - aus den letzten Jahren etwas genauer angeschaut hat, der wird festgestellt haben, dass alle Berichte im Kapitel Ausländerextremismus aussagen, dass dieser in Sachsen-Anhalt keine erhebliche Rolle spielt. Insofern ist die Begründung an dieser Stelle sehr dünn. Das macht deutlich, dass es gar nicht um die Bekämpfung von Terrorismus geht, sondern einfach darum, Leute noch früher beim Verfassungsschutz registrieren zu können. Ich schließe mich voll und ganz der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten an, der das Prinzip der Verhältnismäßigkeit an dieser Stelle außer Kraft gesetzt sieht.

Meine Damen und Herren! Es erhebt sich auch die Frage, wer wie zu den erhobenen Daten Zugang erhalten kann. Die PDS kritisierte bereits die Schaffung einer

Zentralstelle von Polizei und Verfassungsschutz zum islamistischen Terrorismus in Sachsen-Anhalt, da hierin die große Gefahr besteht, dass das Gebot der Trennung von Polizei und Verfassungsschutz aufgeweicht wird.

(Zustimmung von Herrn Gallert, PDS, und von Herrn Rothe, SPD)

Der Kollege Rothe hat mir dankenswerterweise einen Auszug aus dem geltenden Verfassungsschutzgesetz zugesandt. Darin heißt es in § 2 Abs. 2 - ich darf zitieren -:

„Die für den Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Ministerium des Innern nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr.“

Meines Erachtens ist diese Zentralstelle gesetzlich nicht gedeckt und momentan gegen das Gesetz gerichtet. Meines Erachtens muss man dagegen auch vorgehen.

(Zustimmung bei der PDS)

Aus der Sicht der PDS ist das vorhandene Instrumentarium zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten völlig ausreichend. Es gibt keinen Grund, Persönlichkeitsrechte mit der Begründung der Terrorismusabwehr immer weiter einzuschränken.

Wie der Innenminister wehrt sich auch die PDS gegen Bestrebungen, die sich gegen die Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker richten; allerdings mit einem Unterschied: Die PDS setzt hierbei vor allem auf Prävention, nicht dagegen auf obrigkeitsstaatliche Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten oder Geheimdienste.

Meine Damen und Herren! Mit ihrem Abstimmungsverhalten macht die PDS deutlich, dass sie den Gesetzentwurf aus ganz grundsätzlichen Erwägungen ablehnt. Wir werden auch einer Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss nicht zustimmen, sondern diese ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Nun spricht zum Abschluss der Debatte Herr Kosmehl für die FDP-Fraktion. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gärtner, Sie können noch so oft hier vorn an das Pult treten und dem Hohen Haus weismachen wollen, Sie würden für die Bürgerrechte eintreten - solange Sie am Ende solche Gesetze wie das Verfassungsschutzgesetz ablehnen, das die Wehrhaftigkeit der Demokratie sichern will, sichern Sie keine Bürgerrechte, sondern gefährden die Bürgerrechte.