Protokoll der Sitzung vom 07.10.2005

Ich frage mich, was hat die SPD geritten, hier als Junkerjäger aufzutreten und diejenigen zu beleidigen, die sich wie die Stiftung in Ilsenburg engagieren.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Wir können Folgendes festhalten: Dass bei der PDS bei Fragen der Bodenreform Unruhe aufkommt und LPGKrause ganz besonders nervös wird, wissen wir. Das erschreckt uns aber nicht.

Aber Fakt ist: Warum diskutieren wir im Landtag, im Gesetzgebungs- und Verfassungsorgan, über diese Angelegenheit, wenn wir mehrere Hundert Versteigerungen im Quartal im Land haben? Ich vermute persönlich, es ist schlichtweg der verletzte Stolz eines SPD-Bürgermeisters in Ilsenburg, der jemanden gesucht hat, der ihn unterstützt und das transportiert. Der Abgeordnete Metke, der sowieso nicht mehr kandidiert, hat gesagt, damit kannst du dich noch einmal in Erinnerung bringen, bevor du aus dem Landtag ausscheidest. Genau das ist passiert.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ich würde an Ihrer Stelle nicht so argumentieren!)

Was sind die Fakten? Fakt ist, dass das Schloss Ilsenburg privatisiert wurde, das Privatisierungskonzept gescheitert ist und es in der Insolvenz endete. Fakt ist, dass Leerstand und drohender Substanzverlust anstanden, sodass sowohl der gescheiterte Unternehmer als auch die Gläubiger weitere Verluste zu befürchten hatten, weil vier Versteigerungstermine keinen Verkauf und keine Lösung geboten haben.

Fakt ist, dass es in Ilsenburg eine gemeinnützige Stiftung gibt, die der Stiftungsaufsicht unterliegt, die in den zurückliegenden Jahren bewiesen hat, dass sie enorme Beträge akquiriert und vor Ort im Ostharz in die Ziele der Stiftung investiert hat, und dass im Stiftungsrat, wo nach der Satzung der Stiftung der Bürgermeister der Gemeinde Ilsenburg vertreten ist, ein Beschluss gefasst wurde, wie man die gemeinnützigen Ziele der Stiftung am besten umsetzen kann.

Ein Ziel aller Beteiligten, auch des hier schon öfter genannten SPD-Bürgermeisters von Ilsenburg, Herrn Obermüller, war es, alle Liegenschaften rund um das ca. 1000-jährige Kloster zusammenzuführen und in eine Hand zu bekommen, damit man in den nächsten Jahren eine Entwicklung vorantreiben kann, die an den Zielen der Stiftung und am Gemeinwohl orientiert ist.

Fakt ist auch, dass Herr Obermüller genau diesem Ziel im Stiftungsrat zugestimmt hat. Als er sich aber persönlich mit der Fürstin überworfen hat, hat er den Bettel hingeschmissen und fing an zu stänkern. Dann hat er jemanden gesucht, der ihn unterstützt, und dann kam Herr Metke.

(Frau Budde, SPD: Das ist zu einfach!)

Was aber ungeheuerlich ist, ist die Art und Weise des Vorgangs, die uns die SPD hier präsentiert. Ohne Prüfung des Sachverhaltes, ohne ein vernünftiges Verfahren hat der Abgeordnete Metke versucht, im Vorwahlkampf zu skandalisieren und ein Mitglied der Landesregierung zum Rücktritt aufzufordern und zu beleidigen. Das halte ich für einen so schlechten Stil, dass er in diesem Hause gerügt gehört.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Wir haben am 21. September, nachdem die SPD in Ilsenburg unter Federführung von Herrn Metke schon ungeheuerliche Pressemitteilungen abgegeben hat, im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag der SPD den Sachverhalt besprochen. Die SPD bestand darauf, obwohl bekannt war, dass der Minister nicht im Lande war und zu dem Termin nicht anwesend sein konnte. Die Sitzung des Ausschusses war noch nicht einmal zu Ende, da konnten wir über die dpa eine Pressemitteilung des Abgeordneten Metke lesen, worin er sich darüber beklagt hat, dass er zu wenig Informationen bekommen habe. Er hat also keine ausreichenden Informationen bekommen, aber er wusste schon, der Minister ist zu rügen und er soll zurücktreten.

(Frau Budde, SPD: Seien Sie vorsichtig mit dem Glashaus, Herr Gürth!)

Das war das Verfahren von Herrn Metke. Wir haben am 21. September beschlossen, dass sich am 13. Oktober der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie der Ausschuss für Finanzen mit dem Sachverhalt befassen. Der Minister für Wirtschaft und Arbeit hat sich von sich aus bereit erklärt, zu dieser Sitzung der beiden Ausschüsse

selbstverständlich zur Verfügung zu stehen. Wir wollen in der Sitzung der Ausschüsse auch die NordLB und dritte Beteiligte hören.

Die Frage, die sich nach der heutigen, wie ich finde, ungeheuerlichen Debatte stellt, ist,

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

ob wir nicht vielleicht auch den Abgeordneten Metke in den Zeugenstand rufen sollten und den Bürgermeister Herrn Obermüller gleich mit; denn das, was hier abgeht, muss Hintergründe haben, die vielleicht wirklich noch aufgedeckt werden müssen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nur noch eine Zahl nennen. Die Stiftung, die heute leider Gottes durch Ihr Engagement unrühmlich in aller Munde ist, hat inzwischen 1,7 Millionen € akquiriert und investiert, und das ist eine ganz enorme Leistung. Ich und viele andere würden sich wünschen, dass noch mehr Menschen bereit wären, sich mit ihrem Engagement für das Land Sachsen-Anhalt ehrenamtlich einzusetzen und Ähnliches zu vollbringen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Ich hoffe sehr, dass die SPD mit diesem Schuss in den Ofen nicht viel privates Engagement zunichte gemacht hat.

(Zuruf von Frau Dr. Hein, Linkspartei.PDS)

Ich persönlich würde dazu neigen, den Mitgliedern der Stiftung ein Schreiben zuzusenden, in dem deutlich wird, dass das, was die SPD und Herr Metke hier ablassen, nicht Meinung des Landes und schon gar nicht des Landtages von Sachsen-Anhalt sein kann.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Herr Abgeordneter Metke, ich will schließen und vielleicht noch eines sagen: Sie haben sich vergaloppiert. Die wahren Hintergründe wissen wir noch nicht. Aber das kann jedem mal passieren.

(Frau Budde, SPD: Das ist ja unglaublich! - Zuru- fe von Herrn Bullerjahn, SPD, und von Herrn Reck, SPD)

Nehmen Sie sich ein Herz, entschuldigen Sie sich für die Art und Weise des Vorgangs, wie Sie ihn hier vorgetragen haben. Dann haben Sie vielleicht die Chance, dass Ihnen, wenn Sie den Landtag verlassen, zwar keiner eine Träne nachweint, aber dass man zumindest sagt, im Ganzen war er vielleicht ein ordentlicher Kerl. Aber einen solchen Abgang haben Sie nicht verdient. Entschuldigen Sie sich für diese Vorwürfe, die Sie hier geäußert haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Meine Damen und Herren! Damit ist das zweite Thema der Aktuellen Debatte beendet. Sie wissen, Beschlüsse werden gemäß § 46 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst.

Meine Damen und Herren! Ich rufe nunmehr das dritte Thema der Aktuellen Debatte auf:

Jugendarrest ist eine wirksame Erziehungsmaßnahme straffällig gewordener Jugendlicher und Heranwachsender

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 4/2420

Die Debattenreihenfolge ist CDU, SPD, FDP und Linkspartei.PDS. Ich bitte zunächst den Abgeordneten Herrn Borgwardt von der CDU-Fraktion, das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Ausgabe der „Volksstimme“ schildert einen weiteren Fall von Gewalt unter Jugendlichen. Aber lassen Sie mich noch einmal kurz den Sachverhalt schildern, der für uns Anlass gewesen ist, eine Aktuelle Debatte zur Frage des Jugendarrestes zu beantragen. Ich glaube nämlich, dass der Sachverhalt an sich schon in erheblichem Maße für sich selbst spricht.

In der vergangenen Woche wurde eine 15-jährige Schülerin einer Sekundarschule in Gardelegen auf dem Weg zur Schule Opfer eines äußerst brutalen Gewaltdeliktes. Eine 16-jährige Mitschülerin lauerte ihr auf dem Schulweg auf, schlug ihr zunächst ohne Ankündigung mit einem Schlagring mehrfach ins Gesicht; danach wechselten sich Fußtritte in den Rücken und weitere Schläge ins Gesicht ab. Das gesamte Geschehen - das ist das Gravierende - wurde von mehreren herumstehenden Jugendlichen beobachtet, die Beifall klatschten, lachten und vor Begeisterung johlten. Keiner der Umstehenden schritt ein und sorgte dafür, dass dem 15-jährigen Mädchen geholfen wurde. Erst durch das spätere Eintreffen einer Lehrerin wurden weitere Misshandlungen beendet.

Das Opfer musste im Krankenhaus behandelt werden, sie erlitt Prellungen am ganzen Körper, die Schmerzen begleiteten sie noch mehrere Tage nach dem Geschehen.

Die Täterin wurde vor dem Jugendgericht in einem vereinfachten Verfahren zu Jugendarrest verurteil, der sofort am nächsten Tag vollzogen wurde. Gemäß der geltenden Rechtslage haben sich alle Verfahrensbeteiligten verständigt, den Jugendarrest als vierwöchigen Dauerarrest zu akzeptieren, womit das Urteil sofort rechtskräftig werden konnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Linkspartei.PDS erhobene Vorwurf, die CDU-Fraktion würde sich mit diesem Antrag mit Umständen einer nichtöffentlichen Gerichtsverhandlung beschäftigen, entbehrt jeder Grundlage.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist offensichtlich, dass der gesamte Vorgang durch die in den Medien veröffentlichte Berichterstattung bekannt geworden ist. Und nur allein diese Umstände, die in der Öffentlichkeit ohnehin diskutiert werden, haben wir unserem Antrag zugrunde gelegt. Im übrigen brauchen wir auch keine Belehrung von der PDS-Fraktion. Ich erinnere an dieser Stelle nur an den Kollegen Gärtner, der

im Hohen Haus von Ergebnissen nichtöffentlicher Ausschusssitzungen berichtet hat.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Wie immer sollte man zuerst vor der eigenen Haustür kehren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Übrigen hat sich der Erlass der neuen Diversionsrichtlinien, mit denen eine zurückhaltende Anwendung von Diversionen nach § 45 des Jugendgerichtsgesetzes zugunsten einer vermehrten Anklagepraxis angeordnet wurde, positiv auf die Kriminalitätsentwicklung bei Jugendlichen ausgewirkt.

Zunächst einmal ist auf der Grundlage der Feststellung des Generalstaatsanwaltes davon auszugehen, dass im Lande Sachsen-Anhalt die Kinder- und Jugendkriminalität stark rückläufig ist. Auch die Zahl der jugendlichen Untersuchungshäftlinge ist zurückgegangen. Beides ist nach den Erkenntnissen zumindest auch auf die Änderung der Diversionsrichtlinien zurückzuführen. Denn durch zügiges Einschreiten und frühzeitiges Aufzeigen von Konsequenzen durch den Jugendrichter in der Hauptverhandlung wird der Entstehung krimineller Karrieren zeitnah entgegengewirkt.

Meine Damen und Herren! Das heute hier zur Debatte stehende Thema des Jugendarrestes hat auch sehr viel mit unserer grundsätzlichen Vorstellung davon zu tun, wie mit straffällig gewordenen Jugendlichen umzugehen ist. Von diesem Verständnis war auch die Überarbeitung der Diversionsrichtlinien im Jahr 2002 bestimmt. Sie war von dem Anliegen getragen, kriminellen Karrieren Jugendlicher und Heranwachsender bereits im Ansatz vorzubeugen.

Diversion bedeutet für uns nicht folgenlose Reaktionen, sondern die notwendige, aber zugleich verhältnismäßigste prozessuale und materiellrechtliche Rechtsfolge, um auf die Straffälligkeit Jugendlicher reagieren zu können. Sie ist insofern von wesentlicher Bedeutung, als der Jugendliche sich erstmals mit der Verantwortung für sein Handeln und der Reaktion des Staates auseinander setzen muss. Für ihn wird dadurch erkennbar, dass ein Überschreiten von Grenzen spürbare Konsequenzen nach sich ziehen muss.

In diesem Kontext muss auch die Erziehungsmaßnahme des Jugendarrestes gesehen werden. Wir glauben, dass damit den Jugendlichen deutlich die Grenzen ihres Tuns aufgezeigt werden, und dies halten wir auch für erforderlich. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Bei Körperverletzung bzw. wie im vorliegenden Fall bei schwerer Körperverletzung ist für uns die Grenze ganz klar überschritten. Wir akzeptieren keine körperliche Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung.

Angesichts der ersten Erkenntnisse über die Änderung der von mir mehrfach zitierten Diversionsrichtlinien bin ich mir auch sicher, dass ein solcher „Warnschuss“ zu einer weiteren Reduzierung der Jugenddelinquenz führen wird.