Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Ich bitte Sie deshalb herzlich, den Gesetzentwurf im Innenausschuss zügig zu beraten und die Stiftung in ihrer Arbeit zu unterstützen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. Möchten Sie eine Frage von Herrn Reck beantworten?

Ja.

Bitte.

Herr Minister, ich begrüße die Gründung dieser Stiftung sehr. Meine Frage bezieht sich auf Bestrebungen der Stadt Gardelegen, die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe ebenfalls in diese Stiftung aufzunehmen. Der Innenausschuss hat sich damit schon beschäftigt. Meine Frage lautet: Gibt es einen neuen Sachstand dazu und wie sehen Sie die Chancen dafür?

Wir richten eine Stiftung ein und führen in diese zunächst die Gedenkstätten des Landes Sachsen-Anhalt über. Die Feldscheune Isenschnibbe gehört nicht zu den Gedenkstätten des Landes Sachsen-Anhalt, wobei wir als Land Gardelegen immer, auch finanziell, unterstützt haben, um diese Gedenkstätte zu erhalten. Ob und wann eventuell auch die Gedenkstätte Isenschnibbe in Gardelegen in Landesträgerschaft und damit auch in die Stiftung übergeht, ist eine Entscheidung, die heute nicht zu treffen ist und über die im Moment im Innenausschuss noch beraten wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Nun für die Linkspartei.PDS bitte Herr Gärtner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lange haben wir darauf gewartet, dass dieser Gesetzentwurf von der Landesregierung erarbeitet und in das Parlament eingebracht wird. Vor über einem Jahr hat Justizminister Becker in diesem Hohen Haus im Rahmen einer Aktuellen Debatte zur Schließung der KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin die Gründung einer Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt und die Eingliederung der Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in eine solche Gedenkstättenstiftung angekündigt. Der entsprechende Gesetzentwurf sollte zeitnah erarbeitet werden. Ich denke, das Wort „zeitnah“ hätte bedeutet, dass dies in einem Halbjahresfenster passiert. Dies ist leider nicht geschehen.

Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Wir sind über den heutigen Stand der Umsetzung dieses Vorhabens seit der damaligen Debatte ausgesprochen enttäuscht. Die Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf in der vorletzten - ich wiederhole: in der vorletzten - Sitzungsperiode des Hohen Hauses vor Ablauf der Legislaturperiode in das Plenum eingebracht wird, lässt Zweifel daran aufkommen, ob eine ernsthafte und tiefgründige Beratung dieses Gesetzentwurfes überhaupt gewollt ist.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Es ist angesichts des sehr engen Zeitfensters so gut wie unmöglich, eine Anhörung zu dieser Problematik durchzuführen, obwohl das aus unserer Sicht dringend erforderlich ist. Ich will darauf verweisen, dass im Herbst letzten Jahres Vertreter verschiedener Fraktionen im Innenausschuss darauf gedrängt haben, dass der Entwurf noch im Jahr 2005 in den Landtag eingebracht wird.

So viel zu den formalen Fragen. Nunmehr möchte ich auf einige inhaltliche Aspekte des Gesetzentwurfes eingehen.

Einer der Hauptkritikpunkte unsererseits ist, dass die angekündigte Übernahme der Gedenkstätte Schloss Lichtenburg nicht in dem Entwurf enthalten ist. Meine Damen und Herren! Dieses Thema beschäftigt das Hohe Haus seit nunmehr fast acht Jahren, doch bis zum jetzigen Zeitpunkt sind außer vielen verbalen Zusagen keine wirklich praktischen Schritte erfolgt. Das ist für alle betroffenen Seiten enttäuschend.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine und unsere Befürchtung ist: Was einmal im Gesetz nicht unmittelbar verankert ist, wird mittelfristig nicht in die Stiftung übernommen werden. Da hilft aus unserer Sicht auch keine so genannte Öffnungsklausel. Aus diesem Grunde plädieren wir dafür, dass die Gedenkstätte Schloss Lichtenburg schon mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfes in die Stiftung aufgenommen wird.

Ein zweiter Aspekt: Aus unserer Sicht findet in § 2 Abs. 1 - Stiftungszweck - eine Gleichsetzung der Zeit von 1933 bis 1945 und der Zeit von 1945 bis 1989 statt. Das halten wir für außerordentlich problematisch. Das ist eine aus unserer Sicht historisch abwegige Gleichsetzung und Gleichstellung und absolut nicht hinnehmbar. Auch aus diesem Grunde wäre eine fundierte Anhörung im Innenausschuss diesbezüglich erforderlich.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Wir halten zum jetzigen Zeitpunkt § 2 Abs. 1 für vollständig verzichtbar. Im Übrigen kann man sich diesbezüglich

an das Brandenburger Stiftungsgesetz anlehnen, das auf eine solche Formulierung verzichtet.

Ein weiterer Punkt ist die in § 11 geregelte Frage der Stiftungsbeiräte. Aus unserer Sicht erschließt sich nicht, weshalb die entsendenden Institutionen und Organisationen ihre Vertreterinnen und Vertreter einer Überprüfung auf der Grundlage des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik unterziehen lassen sollen. Wir sehen darin einen aus unserer Sicht unzulässigen Eingriff in die Rechte der Organisationen und Institutionen. Insbesondere stellt sich mir die Frage, mit welchem Ziel dies erfolgen soll. Dazu ist im Gesetz nichts erwähnt.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Meine Damen und Herren! Entscheidend für die Arbeit der Stiftung ist, dass diese auf einer soliden finanziellen Basis erfolgt. Der Landtag und die Landesregierung stehen im Sinne einer qualifizierten Gedenkkultur im Land Sachsen-Anhalt in der Verantwortung, die Grundlagen dafür zu schaffen. Ich will an dieser Stelle in Auswertung des Besuches des Innenausschusses in der Gedenkstätte Marienborn und der Außenstelle in Hötensleben anregen, dass das Land Sachsen-Anhalt so schnell wie möglich die entsprechenden Grundstücke in Hötensleben käuflich erwirbt, um sie in die Stiftung einfließen zu lassen.

Herr Gärtner, möchten Sie eine Frage von Herrn Borgwardt beantworten?

Ich würde gern meine Rede zu Ende führen und danach antworten.

Gut. Eine Minute haben Sie noch.

Ja. - Nach mir vorliegenden Informationen ist hierfür ein Betrag von 40 000 bis 50 000 € notwendig. Dieser Betrag sollte in den kommenden Haushalt eingestellt werden, damit auch in Hötensleben die Arbeit qualifiziert fortgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend: Die Grundinhalte, die Aufgaben und die Zielsetzungen des vorliegenden Gesetzentwurfes entsprechen in keiner Weise den Vorstellungen meiner Fraktion hinsichtlich eines künftigen Stiftungsgesetzes. Diese Kritik wird von Gedenkstätten selbst, von Opferverbänden und von den Betroffenen geteilt sowie durch die Erfahrungen anderer Bundesländer untermauert.

Meine Fraktion wird sich aufgrund der von mir vorgetragenen Kritikpunkte am heutigen Tag bei der Überweisung des Gesetzentwurfes der Stimme enthalten, aber trotzdem aktiv an der Gestaltung des Gesetzes in dem entsprechenden Ausschuss mitarbeiten, auch wenn die Zeit dafür sehr, sehr eng bemessen ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Nun bitte Herr Borgwardt.

Herr Kollege Gärtner, weil Sie vorhin auf Brandenburg eingegangen sind: Wissen Sie, dass das Land Brandenburg in seine Stiftung auch nur die Gedenkstätten aufgenommen hat, deren Träger es ist?

Lieber Kollege Borgwardt, das ist völlig richtig. Nur, ich sage es noch einmal, wir reden seit acht Jahren - seit acht Jahren - über das Thema Lichtenburg.

(Herr Kosmehl, FDP: Während vier Jahren haben Sie die Verantwortung getragen!)

Das Ergebnis, das nach acht Jahren auf dem Tisch liegt, ist de facto null. Damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Ich denke, hier müssen wir gemeinsam Druck machen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Herr Schom- burg, CDU: Warten Sie ab!)

Das gemeinsame politische Interesse ist doch vorhanden. Wir müssen nur endlich den Druck entwickeln, dass auch etwas passiert. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Nun bitte Herr Kosmehl für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Gärtner, ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, wie Sie bei der Vergangenheitsbewältigung Ihre eigenen Verantwortlichkeiten vergessen oder zumindest nicht erwähnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Acht Jahre sind ein Zeitraum - Sie meinen sicherlich von der ersten Befassung in diesem Hohen Haus bis zum heutigen Tag -, in dem Sie eine große Zeit lang Verantwortung mitgetragen haben. Das hätte man erwähnen müssen.

Meine Damen und Herren! Der Kollege Borgwardt hat mit seiner Frage auf einen durchaus wichtigen Punkt hingewiesen, nämlich dass es uns trotz der intensiven Verhandlungen mit dem Bund nicht gelungen ist, die Lichtenburg bzw. Teile des Geländes der Lichtenburg in Landesträgerschaft zu überführen, damit wir - das ist das Ziel; der Minister hat darauf hingewiesen - auch den Teil der Lichtenburg, den wir letztendlich als Gedenkstätte nutzen können, in diese Gedenkstättenstiftung integrieren können. Diese Verhandlungen laufen noch, und bevor sie nicht beendet worden sind, können wir die Lichtenburg oder Teile der Lichtenburg nicht in das Gesetz aufnehmen.

Die Öffnungsklausel, Herr Kollege Gärtner, ist aber vorhanden. Ich glaube, es besteht kein Zweifel mehr daran, dass, sobald das Land Träger geworden ist, diese Überführung passieren kann und wird.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Herr Kollege Gärtner, vorweg eine zweite Bemerkung zu § 2. Vielleicht hätte man sich das denken können,

vielleicht aber auch nicht. Ich glaube, es gehört nach 16 Jahren der deutschen Einheit dazu, dass auch die Linkspartei.PDS die Geschichte anerkennt

(Frau Bull, Linkspartei. PDS: Vorsichtig!)

und an der Aufarbeitung der Geschichte zwischen 1945 und 1989 ein Interesse hat.

(Frau Bull, Linkspartei. PDS: Das ist nicht Ihr Ernst! - Weitere Zurufe von der Linkspartei. PDS)

Das soll auch bedeuten, dass man in eine solche Stiftung, die die Gedenkstätten des Landes konzentriert, natürlich auch die Gedenkstätten integriert, die an die Opfer erinnern, die während Ihrer, nicht Ihrer persönlichen Verantwortlichkeit, aber in der Verantwortlichkeit der Deutschen Demokratischen Republik verursacht wurden. Auch derer müssen wir gedenken, meine sehr geehrten Damen und Herren.