Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Im Interesse unseres Landes und der künftigen Generationen bitte ich Sie, den eingeschlagenen Sparkurs der Landesregierung zu unterstützen. - Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister, Sie wollten noch zwei Fragen beantworten. Zuerst bitte ich Herrn Dr. Eckert, seine Frage zu stellen.

Herr Minister, es sind gleich drei Fragen. - Die erste Frage: Könnten Sie bestätigen, dass das Landesblindengeld nicht einfach nur eine Sozialleistung ist, sondern eine Leistung zum Ausgleich von Nachteilen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können?

Die zweite Frage: Ist es richtig, dass es, wie ich dem Gesetzentwurf entnommen habe, nicht nur um eine Kürzung in Höhe von 96 € pro Monat geht, sondern um eine 25-prozentige Kürzung?

Die dritte Frage: Könnten Sie mir eine Gruppe nennen, die in ähnlicher Weise durch Ihren Haushaltsplanentwurf in ihren Lebensbedingungen eingeschränkt wird? - Danke.

Das Blindengeld ist zweifellos ein Ausgleich von Nachteilen. Das habe ich in keiner Weise bestritten.

(Herr Dr. Eckert, PDS: Sie sagten „Sozialleistun- gen“! Das ist etwas anderes!)

Die eigentliche Blindenunterstützung wird nach dem Bundessozialhilfegesetz gezahlt. Das Blindengeld ist ein Ausgleich - diesbezüglich gebe ich Ihnen völlig Recht - für einen schweren Nachteil, den Menschen haben. Das ist überhaupt nicht bestritten worden. Insofern gebe ich Ihnen hinsichtlich dieses Punktes Recht. Ich bestätige ihn auch so.

Der zweite Punkt: die Kürzung. Ob das genau 25 % sind - - Ich habe keinen Taschenrechner dabei. Aber es ist klar: Wir gehen auf das Niveau von Sachsen, Bremen und Brandenburg zurück.

Aber ich stelle die grundsätzliche Frage - und die bleibt erhalten -: Können wir uns in einem Land höhere Sozialleistungen leisten, das im Bereich des Pro-Kopf-Einkommens deutlich hinter dem Land Bremen liegt und leicht hinter den Ländern Brandenburg und Sachsen? - Meines Erachtens nicht, und ich halte die Höhe des Blindengeldes, die in Sachsen und in Brandenburg gezahlt wird, für vertretbar.

Ich sage aber ganz klar: Das sind die bittersten Punkte, an die man kommt, wenn man einen Sparprozess durchführen muss. Aber das muss uns eben eine Mahnung sein, in Zukunft die Situation gar nicht erst entstehen zu lassen, dass wir in weiten Bereichen Kürzungen vornehmen müssen.

Ich hoffe, dass ich damit Ihre Frage beantwortet habe. Dass wir einen Dissens bei der Bewertung haben, das nehme ich hin.

(Herr Dr. Eckert, PDS: Es gibt keine weitere Be- völkerungsgruppe, die in ihren Lebens- und Teil- habemöglichkeiten durch Ihren Haushaltsplanent- wurf derart eingeschränkt wird wie die blinden Menschen!)

Herr Gallert, Sie haben die Möglichkeit, eine Frage zu stellen.

Ich will nur darauf hinweisen, Herr Paqué, dass wir in den Haushaltsberatungen sehr wohl alternative Einsparvorschläge bzw. Umschichtungsvorschläge zugunsten der Kinderbetreuung und des Blindengeldes einbringen werden. Das werden wir in den Haushaltsberatungen machen. Sie haben es heute von uns verlangt. Das ist heute so kurz nach dem Erhalt des Haushaltsplanentwurfs unmöglich.

Ich will Ihnen aber trotzdem eine Frage stellen: Wissen Sie, dass Ihr jetziger Ministerpräsident genau diese For

derung, die damals an ihn als Fraktionsvorsitzenden der größten Oppositionsfraktion bzw. als Oppositionsführer herangetragen worden ist, immer abgelehnt und gesagt hat: Das genau ist keine Aufgabe der Opposition?

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Das nehme ich zur Kenntnis.

(Unruhe bei der PDS und bei der SPD)

Vielen Dank. - Weitere Fragen sehe ich nicht. Herr Minister, ich bedanke mich für die Einführung.

Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Debatte eintreten, möchte ich auch in Ihrem Namen sehr herzlich auf der Tribüne Gäste von der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalts begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Da wir beim Begrüßen sind, möchte ich es nicht unterlassen, auf der Tribüne auch den Landtagspräsidenten a. D. Herrn Wolfgang Schaefer, den Präsidenten des Landesrechnungshofes Herrn Schröder und den Staatssekretär a. D. Herrn Dr. Eichler zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne nun die Debatte zu beiden Beratungsgegenständen. Wie ich eingangs bereits erwähnte, wurde im Ältestenrat eine Debattendauer von 180 Minuten vereinbart. Dem entspricht die Redezeitstruktur G in der Redezeittabelle. Es wurde folgende Reihenfolge mit folgenden Redezeiten vereinbart: PDS 39 Minuten, FDP 27 Minuten, SPD 39 Minuten und CDU 75 Minuten. Der Landesregierung stehen 75 Minuten zur Verfügung.

Zuerst erteile ich der Abgeordneten Frau Dr. Sitte für die PDS-Fraktion das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Sitte.

Danke. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Geld hört ja bekanntlich die Freundschaft auf. Diese Erfahrung haben die Koalitionäre von CDU und FDP offensichtlich ganz konkret durchlebt. Der Schulterschluss aus dem Wahlkampf mit dem Ziel der Machtübernahme hat sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eingenistet. Die versprochenen Gestaltungsalternativen, die leichtfüßigen Aufbruchsszenarien für das Land verkümmern zu einem einzigen Prinzip: Sparen, sparen auf Kosten künftiger Generationen.

(Zustimmung bei der PDS)

Was dieses Vorgehen politisch zu bedeuten hat, lässt sich in einem Satz zusammenfassen. Dieser Haushalt bietet dem Land keine Zukunft. Er bietet nicht einmal den Hauch einer Vision. Er verfolgt keinen eigenständigen Ansatz für eine aktive Gestaltung von Landesentwicklung. Die Potenziale und Ressourcen erfahren keine spezifische Förderung.

Ich weiß, das ist ein hartes Urteil. Aber Sie haben es sich redlich verdient; denn Sie müssen sich an Ihren eigenen Wahlaussagen messen lassen. Das ist die eine Seite der Medaille.

(Beifall bei der PDS)

Die andere Seite sind die Vorstellungen, die die PDS in Bezug auf die haushalts- und landespolitischen Entwicklungen zu ihren Maßstäben erhoben hat. Dazu komme ich im dritten Teil meiner Rede.

Bewerten wir also diesen Haushalt zunächst unter dem Blickwinkel von CDU und FDP. Welche drei Hauptvorwürfe haben Sie der vorigen Landesregierung und ihrer Tolerierungspartnerin im Wahlkampf gemacht?

Ich darf Sie daran erinnern: Erstens hieß es, das Land sei im Vergleich zu anderen Bundesländern viel zu hoch verschuldet. Zweitens sagten Sie, das Land habe im Vergleich zu anderen Bundesländern eine viel zu geringe Investitionsquote. Drittens meinten Sie, das Land habe im Vergleich zu anderen Bundesländern viel zu hohe Personalkosten und zu viele Beschäftigte.

Ich lasse diese Vorwürfe unkommentiert, auch wenn es mir zugegebenermaßen etwas schwer fällt. Es soll zunächst nicht darum gehen, ob die Vorwürfe überhaupt zutreffen. Sie haben mit diesen Hauptangriffspunkten selbst die Bewertungsmaßstäbe geliefert. An diesen wird sich die Einschätzung des Haushaltsplanentwurfes messen lassen müssen. Bleiben wir bei Ihrer Logik.

Sie haben uns nun, nach vielen Wochen der Vorankündigung und der Terminverschiebung, nach Wochen selektiver Informationen und politischer Dementis, am vergangenen Donnerstag endlich Ihren Haushaltsplanentwurf zukommen lassen.

(Herr Scharf, CDU: Was ist verschoben worden?)

Angesichts der Tatsache, dass Ihre Vorwürfe gegen die PDS und die SPD ausgesprochen grundsätzlicher Natur waren, sind wir zugegebenermaßen schon neugierig darauf gewesen, was Ihnen als Lösungsansatz zu Ihren eigenen Grundkritiken letztlich eingefallen ist.

Wir fassen zunächst zusammen: Erstens. Das Land bleibt bei einer deutlich höheren Nettoneuverschuldung als andere Bundesländer. Im Jahr 1994, dem letzten Regierungsjahr von CDU und FDP, lag die Verschuldung des Landes bei ca. 1,92 Milliarden €, im Jahr 1998 bei ca. 937 Millionen € und im Jahr 2001 bei ca. 713 Millionen €. Im Jahr 2002 erreichte die Nettoneuverschuldung nach der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes einen Betrag von ca. 1,526 Milliarden €. Letztlich sieht der Haushaltsplanentwurf für 2003 - der Finanzminister hat es ausgeführt - eine Kreditaufnahme von rund 750 Millionen € vor.

Sicherlich können Steuermindereinnahmen in den Größenordnungen, wie sie Länder wie Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt getroffen haben, nicht im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden. Insofern hatte die erste Lesung zum Haushaltsplanentwurf 2003 bereits einen Prolog in Gestalt des Nachtragshaushalts. Das kann und soll nicht ausgeblendet werden. Der Nachtragshaushalt als ein Mittel, die Haushaltswahrheit und die Wirklichkeit abzubilden, ist von der Fraktion der PDS auch nicht infrage gestellt worden.

(Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

- Nein, nein. - Infrage gestellt haben wir aber sehr wohl, warum über die Defizite aus den Steuermindereinnahmen des Jahres 2001 und nach der Steuerschätzung im Mai 2002 sowie über die ungedeckten Risiken hinaus der Kreditbetrag zusätzlich aufgebläht wurde. Das hat letztlich zu einer Überschreitung der verfassungsmäßigen Grenze der Kreditaufnahme geführt. Die Notwen

digkeit, diesen Betrag zusätzlich bereitzustellen, konnte bis heute inhaltlich nicht schlüssig erklärt werden.

Aber selbst mit dieser dubiosen Summe wäre die verfassungsmäßige Grenze zu unterschreiten gewesen, wenn das Defizit des Jahres 2001 schrittweise, beginnend mit dem Haushalt 2003, abgetragen worden wäre. Das war unser Vorschlag im Finanzausschuss.

Mit dem Abschluss des Haushaltes 2002 wird es hoffentlich Klarheit über die Verwendung der zusätzlich aufgenommenen Kredite in Höhe von 200 Millionen € geben. Unter Umständen decken diese Mittel auch nichts weiter als Teile des Defizits aufgrund der jüngsten Steuermindereinnahmen.

Zweitens. Das Land hat im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht nur immer noch die geringste Investitionsquote, sondern es senkt diese nun von 21,3 % auf 20,3 %. Der stärkste Rückbau ist bei dem Einzelplan des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu verzeichnen. Es bleibt also bei der Kernkritik, die die CDU und die FDP der rot-roten Wirtschaftspolitik angelastet haben. Diesmal bezieht es sich allerdings auf die schwarz-gelbe Variante.

Sie haben Ihre Kritik stets damit verknüpft, dass erst eine wesentliche Steigerung der Investitionsquote die Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ermöglichen könnte. Die Frage ist: Gilt das alles nicht mehr? Soll die Wirtschaft, soll der Mittelstand jetzt schon zusehen, wie er auskommt?

Wir haben immer gesagt, dass allein die Erhöhung der Investitionsquote und das Ausreichen von Bewilligungsbescheiden quasi auf pauschaler Basis noch lange keine Garantie für zusätzliche Beschäftigungseffekte ist. Das haben Sie allerdings immer bestritten. Jetzt sind Sie offensichtlich zu anderen Einsichten gekommen. Wenn dies so ist, würde mich doch die Begründung dafür interessieren.

Drittens zu den Personalkosten und zu den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Der Ministerpräsident kündigte nach der Kabinettsklausur an - der Finanzminister hat dies heute nochmals aufgegriffen -, dass die Landesregierung im Personalbereich gegenüber dem Ansatz für das Jahr 2002 Einsparungen von insgesamt 118,1 Millionen € plant. Weiterhin heißt es: Die Personalausgabenquote fällt damit im Vergleich zum Vorjahr von 26,8 % auf 25,5 %.