Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

Diese Anforderungen betreffen nicht nur den Freistaat Bayern und auch nicht nur die Sportwetten. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze gelten auch für weitere in einem Monopol veranstaltete Glücksspiele. Ich denke, darüber ist derzeit viel zu lesen.

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts haben auch bundesweite Bedeutung. Auch von daher war das mit dem März-Urteil entschiedene Verfahren als ein Musterverfahren ausgestaltet, dessen Folgewirkungen den gesamten Sportwetten- und Glücksspielsektor der Bundesrepublik Deutschland betreffen sollten. Insofern besteht für die einzelnen Länder das Gebot, das Glücksspielrecht zu überprüfen und einen verfassungsgemäßen Zustand in diesem Regelungsbereich bis Ende des Jahres 2007 sicherzustellen.

Meine Damen und Herren! Die Ministerpräsidenten der Länder haben im Juni 2006 eine Arbeitsgruppe mit der

Ausarbeitung eines neuen Staatsvertrages beauftragt, der die Veranstaltung von Sportwetten im Rahmen des staatlichen Monopols entsprechend den Anforderungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts regelt. Die Bundesregierung hat hierzu erklärt, die Länder in ihrer Entscheidung unterstützen zu wollen, das staatliche Wettmonopol aufrechtzuerhalten und das Glücksspielrecht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Derzeit wird geprüft, ob und inwieweit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts auch für den Lotteriebereich Rechnung zu tragen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat neben der konsequenten Ausrichtung am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ins Einzelne gehende Vorgaben für eine gesetzliche Neuregelung gesetzt. Diese betreffen insbesondere Beschränkungen der Vermarktung und Werbung sowie eine aktiv ausgerichtete Suchtprävention. Beispielsweise seien Vertriebswege so auszuwählen und einzurichten, dass Möglichkeiten zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt werden.

Meine Damen und Herren! Schließlich möchte ich kurz auf alternative Modelle eingehen, die in der Begründung zu dem Staatsvertragsentwurf ebenfalls Berücksichtigung finden. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Neuordnung des Sportwettenrechts auch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Sportwettenangebote durch private Wettunternehmen als verfassungsrechtlich möglich bewertet.

In ihrer Sitzung, die am 18. bis 20. Oktober 2006 stattfand, haben die Ministerpräsidenten das Vorsitzland Niedersachsen beauftragt, unverzüglich eine Anhörung zu einem von der Arbeitsgruppe vorgelegten Staatsvertragsentwurf durchzuführen. Entsprechende Unterlagen sind derzeit auf den Internetseiten der niedersächsischen Staatskanzlei abrufbar.

Nach Ablauf der Frist zur Anhörung am 17. November 2006 wird der derzeitige Entwurf überarbeitet. Derzeit geht man nicht davon aus, dass bereits im Dezember 2006 eine Unterzeichnung des Staatsvertrages durch die Ministerpräsidenten erfolgen kann. Sobald sich die Regierungschefs der Länder auf einen gemeinsam getragenen Entwurf verständigen, wird eine Kabinettsbefassung erfolgen, die die Unterrichtung des Landtages entsprechend der Landtagsinformationsvereinbarung vorbereitet, Herr Kosmehl.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich wird die Möglichkeit einer eingehenden Beratung in sämtlichen von dem Staatsvertragsentwurf inhaltlich betroffenen Ausschüssen möglich sein. Das Parlament wird im Zuge der fachlichen Diskussionen noch weiter gehend informiert und an der inhaltlichen Gestaltung des beabsichtigten Glücksspielstaatsvertrages der Landesregierung umfassend beteiligt werden. - Ich danke Ihnen und bin froh darüber, dass ich Finanzminister bin.

Herr Scharf, bitte sehr.

Herr Minister, ich habe eine kurze Frage.

Das finde ich ein bisschen gemein.

Sie müssen sie nicht beantworten, aber mir ist sie wichtig.

In der ganzen Begründung ist sehr darauf aufgehoben worden, dass man Suchtgefahren vermeiden will. Meinen Sie nicht auch - ich meine das zumindest -, dass bei allem, was das organisierte Glücksspiel betrifft, ganz streng darauf geachtet werden muss, dass man nicht der organisierten Kriminalität Vorschub leistet?

Ich schließe das nicht aus. Ich will nur vorsichtig sein. Ich weiß, dass dieses Thema - jetzt haben sich mich doch darin verwickelt - sehr unterschiedlich diskutiert wird.

(Herr Tullner, CDU: Ja, so auch bei uns!)

Innenpolitiker, Rechtspolitiker oder auch Finanzpolitiker diskutieren manchmal mit anderen Gewichtungen und Wertungen. Wichtig ist aber auch, dass man am Leben nicht vorbei diskutiert. Dinge, die man stark reglementieren will, werden ihren Weg anders finden. Deshalb muss man sehen, dass man es nicht mit zu starken gesetzlichen Vorgaben und Reglementierungen in einen Bereich drückt, in dem man es gar nicht haben möchte und den man nicht mehr los wird.

Auf der andern Seite muss man dazu stehen, dass man sagt: Es gibt auch ein finanzielles Interesse des Staates - nicht seine Haushaltskasse zu füllen, sondern solche Möglichkeiten zu nutzen, wie wir es gemeinsam im Beirat gemacht haben.

Ich denke, das ist ein Thema, welches uns immer wieder umtreibt. Ein Blick in die Koalitionsvereinbarung hat mich gelehrt, man muss aufpassen, dass man am Ende eine gemeinsam Linie zwischen den politischen Parteien hinbekommt.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Oh ja!)

Danke sehr, Herr Finanzminister. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Rothe. Bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass der Herr Finanzminister, wenn auch in Vertretung des Innenministers, den Aspekt der Gefahrenabwehr hervorgehoben hat.

Mit dem neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland reagieren die Landesregierungen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006, in dem die momentane Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols als verfassungswidrig eingestuft wurde. In den Stellungnahmen zur Beratung der Verfassungsbeschwerde wurde deutlich, dass neben Bund und Ländern unter anderem der Deutsche Sportbund eine Monopolisierung des Glücksspiels zur Kanalisierung des Spieltriebs und zur Vermeidung glücksspielimmanenter Gefahren für erforderlich hält.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil nicht gegen ein staatliches Wettmonopol ausgesprochen. Es hält die Suchtbekämpfung und die Begrenzung

der Wettleidenschaft für legitime Ziele, welche ein Wettmonopol grundsätzlich rechtfertigen.

Zur Erreichung dieser Ziele sowie zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes muss sich die Werbung für Wettangebote auf die Information und Aufklärung über die Möglichkeit des Wettens beschränken. Es müssen auch Maßnahmen zur Abwehr von Suchtgefahren ergriffen werden, die über das bloße Bereithalten von Informationsmaterial hinausgehen.

Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die finanziellen Vorteile, die das Gemeinwesen beispielsweise in der Kultur- und Sportförderung hat, ein Festhalten am staatlichen Wettmonopol allein nicht rechtfertigen. Deshalb muss der Gesetzgeber die Erreichung der oben erwähnten Ziele durch geeignete Kontrollinstanzen sicherstellen, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen.

(Herr Tullner, CDU: Na ja!)

Meine Damen und Herren! Bei allem Verständnis für die erfreulichen finanziellen Folgen für die Kultur- und Sportförderung sowie für soziale Projekte hält die SPD-Fraktion den ordnungspolitischen Aspekt der Suchtbekämpfung im Sinne der Gefahrenabwehr für wesentlich wichtiger.

In diesem Zusammenhang ist auch der Schutz von Spielern vor betrügerischen Machenschaften von Glücksspielanbietern zu nennen. Herr Scharf, dort ist in der Tat die organisierte Kriminalität involviert, zum Beispiel indem ausländische Anbieter durch unerwünschte Postsendungen, durch Gewinnmitteilungen per Telefon usw. nach Deutschland hereinwirken.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Auch wenn noch nicht alle Formen und Folgen von Spielsucht umfassend untersucht worden sind, halte ich ein restriktiveres Vorgehen, wie es der Entwurf des Staatsvertrages vorsieht, für notwendig. Schließlich hat der Staat die Aufgabe, seine Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren so weit wie möglich zu schützen.

In dem vorliegenden Entwurf eines Staatsvertrages wird auch von Lotterien mit einem geringeren Gefährdungspotenzial gesprochen. Diese Differenzierung macht deutlich, dass die Landesregierungen bei der Ausarbeitung des Entwurfes des Staatsvertrages sehr sorgfältig vorgegangen sind und nicht pauschal das staatliche Glücksspielmonopol um des Monopols willen festschreiben wollen.

Zur Bekämpfung von Suchtgefahren gehören auch die Bekämpfung der Spielsucht und die Einschränkung von möglichen Gefährdungen von Spielern. Aus diesem Grund kann und soll der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in den Ausschüssen des Landtages erläutert werden. Deshalb unterstützt die SPD-Fraktion den Antrag der FDP-Fraktion, allerdings mit der kleinen Korrektur bezüglich des Datums der Unterzeichnung des Staatsvertrages.

Mit diesem Antrag der FDP sollen nicht nur die Informationsrechte des Landtages gewahrt werden; wir erhalten vielmehr auch die Gelegenheit, in den Ausschüssen darüber zu diskutieren, warum es aus Gründen der Gefahrenabwehr wichtig ist, am Glücksspielmonopol festzuhalten und welche Maßnahmen im Entwurf des Staatsvertrags dazu geplant sind.

Ich hoffe, dass der Vertragsentwurf ungeschmälert Realität wird und dass insbesondere den Einwendungen des Verbandes der Lottovermittler nicht nachgegeben wird. Das Wettmonopol ist ein ordnungspolitisches Instrument und dient nicht dem Füllen der staatlichen Kassen.

Letzter Satz: Ich selbst befriedige meine Spielsucht in der Parteipolitik. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Herr Steinecke, CDU: Wow!)

Danke sehr, Herr Rothe. - Für die Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Herr Grünert.

(Unruhe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Anhaltende Unruhe)

Einen kleinen Moment. - Den Austausch darüber, wie das Herr Rothe handhabt, müssen wir auf später verschieben. - Herr Grünert, Sie haben das Wort.

Ob das immer ein Glücksgewinn ist, das weiß ich auch nicht.

(Frau Weiß, CDU, lacht)

Mit dem vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion soll die Landesregierung aufgefordert werden, einen Bericht darüber zu erstatten, welche Positionen und Intentionen die Landesregierung unter Berücksichtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Bereich Glücksspiel, Sportwetten und Lotterien in Vorbereitung der Unterzeichnung des neuen Staatsvertrages vertritt.

Das liest sich erst einmal gut und wäre so verkehrt nicht, wäre nicht in der Begründung des Antrages die eigentliche Stoßrichtung erkennbar. Sie, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, bleiben Ihrer Linie treu, indem Sie einer Liberalisierung des Glücksspielwesens in Deutschland offensichtlich zumindest ein Stück weit den Weg bereiten wollen.

Nun zu einigen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Gegenstand. Das in Bayern bestehende staatliche Wettmonopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar, weil es in einer Art und Weise ausgestaltet ist, die eine effektive Suchtbekämpfung, die den Ausschluss privater Veranstalter rechtfertigen könnte, nicht sicherstellt. Dies führt jedoch nicht zu einer Nichtigkeit der angegriffenen Rechtslage insgesamt.

Ein verfassungsgemäßer Zustand kann sowohl durch die konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die die legitimierten Gemeinwohlinteressen, nämlich die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, den Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter - das betrifft auch die Frage der organisierten Kriminalität - sowie den Schutz vor irreführender Werbung, zum Inhalt hat, als auch durch eine normierte kontrollierte Zulassung gewerb

licher Veranstalter in Form privater Unternehmen. Diesbezüglich hat sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Begründung eindeutig für die Beibehaltung und bessere Kontrolle über ein staatliches Monopol ausgesprochen.

Nicht dass jetzt die CDU kommt und sagt, wir wollten zentralistische Strukturen. Das hat das Bundesverfassungsgericht so ausgelegt.