Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Dr. Paschke von der Linkspartei.PDS. Für die Landesregierung wird Herr Minister Dr. Daehre sprechen und anschließend folgt die Fünfminutendebatte. - Frau Dr. Paschke, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Danke sehr, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung des Landtages hatten wir die Landesregierung aufgefordert, eine Regierungserklärung zur Darstellung der Eckpunkte ihres Reformkonzeptes abzugeben. Diese Forderung wurde von den Koalitionsfraktionen nicht aufgegriffen. Das ist natürlich ihr gutes Recht.
Mit dieser Ablehnung droht nun aber auch der geforderte Inhalt der Erklärung über das Gesamtkonzept gänzlich auszubleiben. Der wiederum ist hochaktuell. Dies zeigen die letzten Tage und Wochen. Die SPD-Minister machen Dampf unter dem Kessel des Reformprozesses. Das ist zunächst Fakt und kein Lob. Es ist die geradezu verfassungsmäßige Pflicht der Opposition, nicht nur weinend mit dem Taschentuch hinterherzuwinken.
Das Parlament, die Betroffenen, die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf zu wissen, wie der Fahrplan in seiner Gesamtheit aussieht. Daran krankt es eben. Deshalb erwarten wir die Vorlage eines Gesamtkonzeptes. Mit dieser Erwartung sind wir übrigens nicht allein; das hat auch der Landkreistag mehrmals gefordert. Die durch den Koalitionsvertrag fixierten Einzelteile, manchmal Splitter einer Reform sind doch in keiner Weise ein belastbares Konzept. Wir werden an dieser Stelle nicht locker lassen.
Die Linkspartei.PDS hat sich über die Grundzüge einer ersten Bewertung des Reformprozesses verständigt. Unverzichtbare Bestandteile eines solchen Gesamtkonzeptes sind klare Festlegungen für das Personal, und dies so zeitig wie möglich, sowie ein belastbares Immobilenkonzept.
Nach den uns derzeit vorliegenden Fakten haben wir den Eindruck, dass die Abwägung von Vor- und Nachteilen der Reduzierung von Behörden zu sehr auf fiskalische Aspekte abhebt. Oftmals steht eine angenommene eher geringe Einsparsumme - Finanzamt Bitterfeld-Köthen ca. 2,7 Millionen € bei der günstigeren Variante - einem erheblichen Verlust für ein Mittelzentrum, für den ländlichen Raum und Belastungen für das Personal gegenüber.
Auch fehlt uns eine spezifische Sicht zum Beispiel - ich kann nur Bruchteile unserer Bewertung anbringen - auf den im Harz entstehenden Landkreis in Regionalkreisgröße. Dort könnte etwas Modellhaftes entstehen. Daran müsste doch gerade die SPD interessiert sein. An dieser Stelle bedarf es doch einer Gesamtschau, der Ausgestaltung mindestens des Status quo, nämlich ein Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums. Zudem sollten neue Formen, wie die Bildung von Städtenetzwerken, bei Standortentscheidungen bedacht werden.
Es ist also tatsächlich danach zu fragen, ob aus der heutigen Sicht und bei dem derzeit erreichten Stand des Konzentrationsprozesses von Behörden eine weitere drastische Reduzierung aktuell sinnvoll wäre, wenn die Qualität der Dienstleistung gesichert ist bzw. nicht wesentlich verbessert wird und die Einsparpotenziale nicht erheblich sind.
Das Parlament muss seine Sichtweisen in die Diskussion einbringen. Dafür sollten wir uns bei so wichtigen Themen auch Gelegenheit geben.
Für kurze Zeit nährte sich bei uns die Hoffnung, dass wir dafür nunmehr auch etwas bessere Voraussetzungen im parlamentarischen Raum geschaffen haben. Denn seit
der letzten Landtagssitzung sind wenn auch nicht revolutionäre, so doch ein paar deutliche Fortschritte in der Herangehensweise an die Funktional-, Verwaltungs- und kommunale Strukturreform geschaffen worden. Die Mitglieder des Innenausschusses haben es geschafft, sich auf eine Lesart für den von den Koalitionsfraktionen eingebrachten und verabschiedeten Alternativantrag zu verständigen. Diese Lesart lautet im Kern:
Der Innenausschuss ist der Querschnittsausschuss für den gesamten Komplex Funktional-, Verwaltungs- und kommunale Strukturreform. Zum Zeitpunkt der Sitzung des Innenausschusses am 8. November 2006 mangelte es uns aber an einer adäquaten Querschnittsstelle innerhalb der Exekutive. Das Innenministerium wollte es jedenfalls nicht sein. Bei der Berichterstattung über die Reform hat Herr Staatssekretär Erben ausdrücklich hervorgehoben, nur für das Innenressort aussagefähig zu sein. Wir teilten dann einstimmig im Wesentlichen die Vermutung, dass das Staatsministerium zuständig ist.
Da der Innenausschuss anders als in der vierten Legislaturperiode offensichtlich entschlossen war, die zeitraubende, politisch und konzeptionell sehr anspruchsvolle Herausforderung anzunehmen, den Querschnittsausschuss für das Reformenpaket zu repräsentieren, muss die Frage des exekutiven Ansprechpartners alsbald geklärt werden. Herr Madl versprach, einen Brief an das Staatsministerium zu richten. Hoffentlich ist er schon abgeschickt, damit wir keine Zeit versäumen.
Ja, es keimte wirklich die Hoffnung bei uns auf, dass nach Jahren des Fastens eine intensive parlamentarische Diskussion geführt wird. Es kam sogar aus den Reihen einer Koalitionsfraktion der Vorschlag, sich einzelne Minister zur Berichterstattung einzuladen, zum Beispiel Frau Wernicke zum Thema ALF. Nun kam allerdings vor zwei Tagen die Einladung für die Sitzung des Ausschusses für Inneres am 30. November 2006. Dort steht das Thema nicht einmal auf der Tagesordnung.
Was für ein Elend. Soll zukünftig alles im Rahmen der Selbstbefassung beraten werden? In diesem Fall müsste der Finanzausschuss erst den Finanzminister auffordern, doch einmal über seine Finanzamtsreform zu berichten.
Es kann bei derart einschneidenden Prozessen der Umstrukturierung wohl nicht im Interesse des Ansehens des Parlaments liegen, dass wir die Vorlage des erarbeiteten Daten- und Faktenmaterials erst über ein Ersuchen zur Akteneinsicht realisieren müssen. Zudem ist das mit diesen Papieren so, wie es immer mit diesen Papieren ist. Mann hat sie, Frau hat sie auch. Das ist aber kein Stil im Umgang mit dem Parlament.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nunmehr kurz unsere Sicht auf die Presseveröffentlichung von heute darlegen. Zunächst möchte ich eines an den Anfang stellen: Wir haben nicht gesagt, dass wir nach Dessau gehen. Dazu gibt es noch gar keinen Beschluss. Wir haben gesagt, wir werden das prüfen, dann wird es einen Beschluss und eine Abwägung dazu geben.
Insbesondere die Auffassung der Landesregierung, man müsse erst umstrukturieren und dann könne man ein Landeorganisationsgesetz verabschieden, aber auch die
Einwände des Juristen Wolpert, vor dessen fachlicher Meinung ich Respekt habe, bewogen uns, uns noch einmal sehr intensiv mit der Frage zu beschäftigen, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt ein Gesetzesvorbehalt bei Umstrukturierungen greift.
Herr Wolpert fragte mich, warum ich mir so sicher wäre, dass es unbedingt ein Gesetz sein muss, nämlich das Landesorganisationsgesetz, welches die Kriterien und die Zuständigkeiten bei den Verwaltungsmodernisierungsprozessen regelt. Meine Antwort muss ich korrigieren: Artikel 86 Abs. 2 der Landesverfassung schreibt nicht zwingend vor, es in nur einem Gesetz zu regeln. Deshalb ist die Begründung des Antrages auch nicht ganz exakt, wenngleich nicht alle Kriterien bisher geregelt wurden. Solange kein LOG da ist, greifen Grundsatzgesetze und Einzelgesetze.
Im Jahr 2003 wurde das bis heute gültige Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz verabschiedet. Es ist derzeit nach unserer Lesart das gültige Mini-Landesorganisationsgesetz Sachsen-Anhalts. Dieses Gesetz bildete auch den rechtlichen Rahmen für das kurz danach folgende Gesetz zur Neuordnung der Landesverwaltung. Hierbei wurde das Grundsätzegesetz noch ganz stringent zugrunde gelegt. In diesem Gesetz wurden in einem eigenständigen § 3 die Landeskassen detailliert geregelt.
Jetzt soll sich das Parlament damit abfinden, dass es selbst bei so einschneidenden Umstrukturierungen mehrmals um Auskunft ersuchen muss. - Nein, wir halten das nicht nur für politisch, sondern auch für rechtlich untragbar.
Zu den Fakten: Im geltenden Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz wird eindeutig geregelt, wann ein Gesetz vorzulegen ist.
Erstens ist das nach § 4 Abs. 3 bei der Kommunalisierung von Aufgaben der Fall. Daran ist nichts strittig. Darüber haben wir schon oft geredet.
„Auch bei Zuordnung der Verwaltungsaufgaben innerhalb der Landesverwaltung ist dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend zu verfahren. Dabei ist die Einräumigkeit der Verwaltung zu gewährleisten. Das Nähere regelt ein Gesetz.“
- also die Landesbehörden, die nicht kommunalisiert werden können und die nicht in das Landesverwaltungsamt eingegliedert werden können -
Diesen Willen des Gesetzesvorbehaltes hat die damalige Koalition von CDU und FDP als Änderungsantrag zum Regierungsentwurf eingebracht und dementsprechend wurde diese Änderung so verabschiedet. Sie folgte damit einem Vorschlag des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 24. Oktober 2003, der auch, aber
nicht nur auf Artikel 86 Abs. 2 der Landesverfassung Bezug nahm, um den Gesetzesvorbehalt zu begründen.
Ich zähle diese Entscheidung der damaligen Regierungskoalition im Nachhinein zu den besten Leistungen zur Ausgestaltung des Wechselverhältnisses zwischen Legislative und Exekutive. Hier wurde eine Regelung getroffen, die weit über die Regelungen anderer Länder hinausgeht.
Meine Damen und Herren! Für uns ist die Lesart derzeit wie folgt: Wenn bei der Reduzierung verbleibender oberer und unterer Landesbehörden das Nähere ein Gesetz regelt und der allgemeine Verwaltungsaufbau auch in seiner räumlichen Gliederung geregelt wird, dann kann dieser Grundsatz nicht durch die Nutzung der eingeräumten Möglichkeit von Rechtsverordnungen wieder ausgehöhlt werden. - Die Ministerien des Innern und der Finanzen widersprachen dieser Auffassung energisch.
Da wir uns seit Jahren in einer Grauzone der Auslegung und Anwendung des Artikels 86 Abs. 2 der Landesverfassung und der darauf basierenden Gesetze befinden, gilt es, an dieser Stelle Klarheit zu schaffen; übrigens auch Klarheit darüber, inwiefern die nach dem Jahr 2003 vorgenommenen Behördenumstrukturierungen dem Grundsätzegesetz entsprachen.
Bis diese Klarstellung erfolgt, werden wir nicht nachlassen, wenigstens eine fundierte Information von der Landesregierung einzufordern. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke sehr.
Ich danke Frau Dr. Paschke. - Ich erteile jetzt der Landesregierung das Wort. Herr Dr. Daehre, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kollegin Paschke, wir befinden uns in dieser Legislaturperiode nicht in einer Grauzone, sondern in einer schwarz-roten Zone.
Das darf ich zunächst einmal mitteilen. Ich hoffe, dass Sie diesen Einstieg nicht für eine weitere parlamentarische Diskussion nutzen.
Meine Damen und Herren! Wir müssen erst einmal klären, was die Exekutive und die Legislative zu leisten haben und wofür sie stehen. Deshalb darf ich einmal zitieren:
„Die Änderungen im Rahmen der Polizeistrukturreform sowie der Finanzstrukturreform müssen nicht durch den Landtag beschlossen werden und auch nicht zwangsläufig durch die Ressorts in den Landtagsausschüssen diskutiert werden.“
Diese Position könnten wir einnehmen; das machen wir aber nicht, meine Damen und Herren. Deshalb haben wir mit dem Ministerium des Innern und mit dem Ministerium der Finanzen abgestimmt, dass sie ihre Ergebnisse in den jeweiligen Ausschüssen vorstellen werden. - So viel erst einmal vorweg, damit wir nicht in eine scharfe Diskussion kommen. Ich wollte es nur noch einmal deutlich machen: Es ist exekutives Handeln; trotzdem wer