Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

Diese Position könnten wir einnehmen; das machen wir aber nicht, meine Damen und Herren. Deshalb haben wir mit dem Ministerium des Innern und mit dem Ministerium der Finanzen abgestimmt, dass sie ihre Ergebnisse in den jeweiligen Ausschüssen vorstellen werden. - So viel erst einmal vorweg, damit wir nicht in eine scharfe Diskussion kommen. Ich wollte es nur noch einmal deutlich machen: Es ist exekutives Handeln; trotzdem wer

den wir in den Ausschüssen über das Ergebnis der Exekutive berichten.

Ein zweiter Punkt. Die eventuelle Schließung von Gerichtsstandorten im Rahmen der Gerichtsstrukturreform ist durch den Landtag zu beschließen. Dieser Gesetzentwurf wird nach Auskunft des MJ - meine Kollegin Frau Kolb ist jetzt anwesend; ich hatte aufgeschrieben: in Abstimmung mit dem MJ, aber jetzt können wir es direkt machen - nicht vor dem Frühjahr 2007 in den Landtag eingebracht werden können.

Über das weitere Verfahren brauchen wir uns nicht zu unterhalten; denn es ist geregelt, dass wir in den Ausschüssen über dieses Thema sprechen werden. - So viel erst einmal, meine Damen und Herren, zu dem Weg, den wir gehen wollen.

Jetzt zur Situation. Sie möchten, dass wir im Parlament ein Gesamtkonzept mit Abwägungskriterien bei Behördenstrukturierungen darstellen. Die Regierung ist seit sieben, acht Monaten im Amt. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- jetzt wollte ich Sie gerade einmal loben, Herr Kosmehl - zusammen mit der FDP eine Kreisgebietsreform auf den Weg gebracht. Die Koalitionsvereinbarung sagt deutlich aus, dass wir in dieser Legislaturperiode mit der einen Änderung, die wir beschlossen haben, daran festhalten als Ausgangspunkt für eine kommende Funktionalreform.

Die Funktionalreform erarbeiten wir jetzt. Wir sind genau in dem Stadium, dass wir sagen: Wir müssen die Funktionalreform erarbeiten. Das machen wir nun, nachdem die Kreisgebietsreform abgeschlossen ist.

Hierzu muss ich namens der Landesregierung deutlich feststellen, dass der Funktionalreform ein gesetzliches Konzept zugrunde liegt. Sie sagten es schon, das ist zum einen das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz und zum anderen der Landesentwicklungsplan für das Land Sachsen-Anhalt.

Meine Damen und Herren! Bei Punkt 2 wird schon deutlich, wie kritisch und schwierig es sein wird. Nehmen wir noch den alten Landesentwicklungsplan als Grundlage für die Funktionalreform mit all den zentralen Orten, mit all den Begehrlichkeiten innerhalb der zentralen Orte? Oder machen wir alles aus einem Guss und sagen: Wir wollen für die Zukunft, auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, einen Landesentwicklungsplan mit einer Gültigkeit bis 2020? Müssen wir uns dann den Anforderungen stellen?

Das bedeutet aber auch, meine Damen und Herren, dass wir uns die Frage nach den zentralen Orten insgesamt noch einmal stellen müssen, und zwar nicht die Frage, warum eine bestimmte Stadt im Moment noch Mittelzentrum ist, sondern die Frage, welche Aufgaben die Städte erledigen bzw. daraus ableiten. Das wird eine schwierige und spannende Frage sein. Darüber müssen wir miteinander diskutieren.

Deswegen bin ich der Meinung, dass wir von einer umfassenden Aufgabenkritik unter Beachtung der Rahmenbedingungen ausgehen müssen. Dabei müssen wir ganz offen miteinander umgehen. Wir haben bestimmte Standorte von Gerichten oder von Finanzämtern - ich könnte eine ganze Menge von Behörden aufzählen -, für die es Mietverträge gibt, die so langfristig abgeschlossen

worden sind, dass sie teilweise als Gesetz gelten können.

Man würde vielleicht aus raumordnerischen, strukturpolitischen Gründen sagen, um Gottes Willen, das kann doch eigentlich gar nicht sein. Aber wenn wir uns dann von dem einen oder anderen Standort verabschiedeten, aber bis zum Jahr 2015 oder bis zum Jahr 2020 noch Miete zahlen müssten, würde das auch keiner verstehen. Das heißt, die reine Lehre ist das eine, aber das andere, die Praxis, holt uns bei diesen Standortentscheidungen ganz schnell ein.

Vorrangiges Ziel dieser Landesregierung ist es, Landesliegenschaften zu nutzen. Das ist das vorrangige Ziel. Deshalb werden wir in dem einen oder anderen Fall sicherlich nicht nur von der reinen Lehre der Raumordnung, sondern auch von den Vorstellungen des einen oder anderen Fachministeriums in diesem Bereich abweichen müssen.

Dann haben wir die rückläufige Entwicklung der Zahl der Einwohner bis zum Jahr 2020 zu berücksichtigen. Gott sei Dank sieht die neue Prognose, die wir in den nächsten Tagen bekommen werden oder die wir eigentlich schon haben, nicht mehr ganz so düster aus. Die Schere geht ein bisschen zu, längst noch nicht so weit, wie wir es gern hätten, aber wir nähern uns diesem Ziel zum Beispiel bei der Geburtenrate an, die von 1,28 auf 1,4 leicht gestiegen ist. Lichter am Horizont sind also zu sehen. Trotzdem müssen wir diese Entwicklung auch bei den gesetzlichen Vorgaben berücksichtigen.

Wir müssen bei der Kommunalisierung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sowie bei der Stärkung der zentralen Orte als Versorgungskerne für die Bevölkerung die Entfernungen berücksichtigen. Das ist genau die Frage, die heute schon einmal kam - ich glaube von Frau Dr. Hüskens -: Was verstehen wir denn unter einer vertretbaren Entfernung? - Das ist eine ganz spannende Frage. Wie definieren wir das? Dann müssen wir wiederum definieren, worauf wir diese Zentralörtlichkeit beziehen: auf Gesundheit, auf Bildung, auf Schule? - Wir können das nicht auf alle Funktionen beziehen. Das können wir uns, denke ich, nicht leisten.

Das muss jetzt alles gemeinsam erarbeitet werden. Natürlich sind dabei erst einmal die Ressorts gefordert. Da macht der Innenminister zunächst einmal seine Polizeistrukturreform. Darüber kann man trefflich streiten und das soll ja auch so sein. Das ist seine Vorstellung. Die Justizministerin bringt ihre Vorstellungen ein. Der Kultusminister wird das wohl jetzt auch abgeschlossen haben, damit wir wissen, wie viele Schulen wir haben und wie groß die Standortsicherheit für die einzelnen Schulen ist. Der Finanzminister hat die Verteilung seiner Finanzämter definiert, die Landwirtschaftsministerin die ihrer Ämter. Ich will jetzt keinen vergessen. Das muss erst einmal auf dem Tisch liegen.

Nun hat die Landesregierung eine Lenkungsgruppe berufen. Das ist ja bekannt. Das sind Herr Bullerjahn, Herr Hövelmann, der Staatsminister und meine Wenigkeit. Jetzt versuchen wir, für das Kabinett - nicht als Entscheidungsträger, sondern nur als Vorbereitung für das Kabinett, damit wir uns hier richtig verstehen - einen Entwurf zu erarbeiten, der dann durch das Kabinett geht. Wenn er durch das Kabinett gegangen ist, dann werden wir ihn natürlich nicht nur dem Parlament vorstellen, sondern auch der Öffentlichkeit. Dann werden wir sehen, inwieweit wir eine weitreichende Konsolidierung erreicht haben.

Nur, eines ist auch klar - das darf ich den Damen und Herren Abgeordneten jetzt sagen; ich war ja selbst 16 Jahre lang Abgeordneter -: Wenn wir eine Funktionalreform durchführen wollen, geht es nicht, dass jeder der Meinung ist, sein Standort darf nicht betroffen sein. Das funktioniert nicht. Das genau wird die spannende Herausforderung sein.

Wir haben heute Morgen über das eine oder andere diskutiert. Nachher waren die Reihen dann doch etwas gelichtet. Ich sage Ihnen: Wenn wir eine Reform durchführen, dann müssen wir auch in der einen oder anderen Stadt schmerzhafte Eingriffe vornehmen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und aufgrund vieler anderer Sachen muss auch einmal ein Standort geschlossen werden.

Wir sind gern bereit, darüber in den Ausschüssen mit Ihnen zu diskutieren. Wir hatten uns vorhin schon darüber abgestimmt, auch mit den regierungstragenden Fraktionen, dass wir das machen. Aber ich stelle mich hier nicht hin und sage, dass wir mit unserem Konzept schon so weit sind, dass wir das morgen aufschlagen können und es jeder nachlesen kann. Die Funktionalreform ist ein schwieriger Prozess, der jetzt nach der Kreisgebietsreform einsetzt.

Deswegen noch einmal: Lassen Sie uns exekutives und legislatives Handeln nicht durcheinander bringen, aber trotzdem die Prämissen so setzen, dass wir das Hohe Haus informieren und Sie an den Stellen einbeziehen, an denen Sie ein Mitspracherecht haben. Wir wollen kein Geheimnis daraus machen. Sie können innerhalb von 24 oder 48 Stunden sowieso erfahren, was wir eventuell diskutiert haben. Für exekutives Handeln aber müssen wir, die Minister, das Kabinett, die Verantwortung übernehmen und dafür stehen wir dann auch gerade.

Wir sind gut beraten, das mit Ihnen gemeinsam zu machen; denn auch wir wollen ja in dem wunderschönen Land Sachsen-Anhalt zwischen Salzwedel und Zeitz unterwegs sein und uns nicht noch zusätzlichen Stress durch die Abgeordneten einholen. - Herzlichen Dank.

(Herr Tullner, CDU: Wir machen doch keinen Stress! Wir fragen nur nach! - Heiterkeit und Bei- fall bei der CDU)

- Das ist positiver Stress, den ihr macht!

Herr Minister, es gibt eine Frage von Frau Dr. Paschke. Möchten Sie diese beantworten?

Ja.

Herr Minister, ich kann Sie in weiten Teilen total verstehen. Was aus meiner Sicht ein Problem darstellt, ist, dass Sie sagen, Sie könnten jetzt kein Gesamtkonzept vorlegen, natürlich nicht detailliert, sage ich einmal, aber nicht einmal Eckpunkte des Gesamtkonzeptes könnten Sie jetzt vorlegen. Für jedes Ministerium werden aber - wir haben schon einige durch - Kabinettsbeschlüsse gefasst, werden konkrete Standorte im Land - ich sage einmal - verteilt.

Wollen Sie das dann noch einmal aufmachen, wenn Sie die Gesamtsicht auf die Funktionalreform und auf die

Verwaltungsreform haben? Ich verstehe das, was im Moment abläuft, so, dass de facto jeder seins macht. Dann wird noch einmal in der Lenkungsgruppe geguckt, aber auch nur im Detail, und dann wird es irgendwann zugemacht. - Das ist meine erste Frage, weil ich darin einen Widerspruch sehe.

Die zweite Frage ist, Herr Minister Daehre: Wer ist der konkrete Ansprechpartner für den Innenausschuss?

Bitte, Herr Minister.

Also, wer der konkrete Ansprechpartner für den Innenausschuss ist - - Wenn ich jetzt etwas anderes sagen würde als „der Innenminister“, dann hätten wir morgen eine Schlagzeile. Zunächst einmal ist der Innenminister der Ansprechpartner. Oder habe ich Sie jetzt akustisch falsch verstanden?

(Frau Dr. Paschke, Linkspartei.PDS: Als Quer- schnittsausschuss, meine ich!)

Dann kommen wir der Sache schon ein bisschen näher; aber für den Innenausschuss ist zunächst einmal der Innenminister zuständig. Das ist eindeutig. Ich komme gleich zu der eigentlichen Beantwortung Ihrer ersten Frage.

Wir haben das konkrete Beispiel der Finanzämter. Dazu hat der Finanzminister seinen Vorschlag gebracht. Wir haben jetzt noch zwei Punkte, über die wir noch einmal nachdenken müssen, und zwar aus bestimmten Gründen, die ich jetzt hier gar nicht erläutern muss, damit das auch mit dem Gesamtkonzept, mit der Justizreform und meinetwegen auch den anderen Ämtern, die wir noch haben, übereinstimmt, einschließlich der Immobilien, die wir auch immer im Kopf haben müssen.

Das heißt, wir haben aus den anderen Ressorts schon die Vorschläge, wie die Struktur aus ihrer Sicht aussehen soll. Das gleichen wir ab. Wir haben eine riesengroße Landkarte. Für jede Stadt sind die Ämter mit einem entsprechenden Punkt gekennzeichnet, sodass wir wissen, in Stendal sind so und so viele Ämter und in Halberstadt sind so und so viele Ämter. Daneben kommt jetzt die Karte zum Beispiel vom Finanzminister. Dann sehen wir, wie sich das im Land ändert. Dann versuchen wir auch abzuschätzen, wie sich das auf die nächste Struktur auswirkt. Wir gehen schon - ich sage einmal: nach menschlichem Ermessen - so vor, dass wir es am Ende nicht wieder korrigieren müssen.

Ich weiß, dass am Ende nicht alle damit zufrieden sein werden, weil es ganz einfach so ist, dass immer jemand irgendwo enttäuscht sein wird und ein anderer wieder sagt, mein Gott, bei mir ist es hervorragend gelungen. Es ist unsere Aufgabe, das zu machen.

Es wird koordiniert. In der Lenkungsgruppe wird dann mit entschieden und zum Beispiel bei den Finanzämtern gesagt, jawohl, wir haben die Standorte zu 90 % sicher, aber über die anderen zwei offenen Standorte müssen wir noch diskutieren. Dann geht es ins Kabinett. Dann wird im Kabinett darüber beschlossen und gesagt, das ist jetzt die Struktur. So wollen wir uns Stück für Stück daran herantasten.

Ich sage Ihnen aber auch, dass wir schon auf der ersten Karte, zum Beispiel bei den Finanzämtern, natürlich

schon die Struktur X oder das Ministerium Y mit ihren Vorstellungen mit dabei haben, damit das einigermaßen klappt.

Ich sage jetzt einmal als verantwortlicher Minister für die Raumordnung: Ich muss aufpassen, dass wir zwischen Salzwedel und Zeitz eine Ausgewogenheit auch von Landesämtern haben. Das wird nicht immer gelingen. Wir können aber nicht im Prinzip eine Konzentration in bestimmten Städten haben, sondern müssen auch den Ausgleich schaffen. Das müssen wir gemeinsam versuchen.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Herr Kosmehl, im vergangenen Jahr haben Sie nicht abgewunken, als wir über die Kreisstädte diskutiert haben. Jeder spielt jetzt seine Rolle. Jetzt sind Sie in der Situation, dass Sie sagen können, das wird nicht klappen. Wenn wir zusammen regiert hätten, dann hätten Sie es auch anders gesehen. Das kennen wir alles und wir wollen es nicht weiter strapazieren.

Ich sage nur eines: Zum Beispiel Bitterfeld-Wolfen als Doppelstadt spielt eine positive Rolle in diesem Land Sachsen-Anhalt. Und wem haben Sie das zu verdanken?

(Herr Kosmehl, FDP: Ihnen!)

- Danke, das wollte ich nur gehört haben. - Meine Damen und Herren, in diesem Sinne: ein schönes Wochenende! - Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Köck. Wollen Sie diese auch noch beantworten?

Aber gern.