Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur kommunalen Zusammenarbeit im Stadt-Umland-Bereich der kreisfreien

Städte Halle (Saale) und Magdeburg und zur Änderung weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/395

Der Einbringer ist Herr Minister Hövelmann. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, Sie haben vor der Mittagspause noch Luft für einen solchen wichtigen Gesetzentwurf.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung schafft die gesetzlichen Grundlagen für eine verstärkte Zusammenarbeit im Stadt-Umland-Bereich der kreisfreien Städte Halle an der Saale und Magdeburg. Der Gesetzentwurf arbeitet damit die Vorgaben des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes ab. Ziel ist es, die beiden namentlich genannten Oberzentren unseres Landes zu stärken und in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben gemäß Landesentwicklungsplan und ihre Funktion als Kerne wirtschaftlichen Wachstums und Schwerpunkte öffentlicher Daseinsvorsorge auch künftig wirksam wahrnehmen zu können.

Wir haben das Gesetz als Artikelgesetz ausgestaltet. Lassen Sie mich den Gesetzentwurf näher vorstellen.

Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist der Artikel 1 mit dem Entwurf eines Stadt-Umland-Verbandsgesetzes. Er beruht auf § 2 des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes vom 11. Mai 2005.

Fakt ist, dass die gesetzlich angestrebte Bildung von Zweckverbänden auf freiwilliger Basis zwischen den kreisfreien Städten Magdeburg und Halle an der Saale und ihren jeweiligen Umlandgemeinden für die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung der Flächennutzungsplanung bis zum 30. Juni 2006 nicht erfolgreich vollzogen wurde. Daher ist der Gesetzgeber in der Pflicht, die Bildung von Zweckverbänden im StadtUmland-Bereich der kreisfreien Städte Halle an der Saale und Magdeburg auf der Grundlage des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes vorzunehmen.

Dieser Pflicht kommt man mit dem Gesetzentwurf wie folgt nach: Das Gesetz nimmt die gesetzliche Bildung der Stadt-Umland-Verbände, denen die Aufgabe der vorbereitenden Bauleitplanung übertragen wird, vor. Kraft Gesetzes werden also die Stadt-Umland-Verbände künftig die Flächennutzungsplanung für die ihnen angehörenden Kommunen einheitlich wahrnehmen und einen gemeinsamen Flächennutzungsplan für das jeweilige Verbandsgebiet aufstellen.

Ziel ist es, im Verflechtungsraum der Oberzentren eine abgestimmte Entwicklung in der vorbereitenden Bauleitplanung zu erreichen und dadurch die weiteren Planungsprozesse zu vereinfachen. Die Übertragung weiterer Aufgaben des eigenen Wirkungskreises auf den Zweckverband steht im Ermessen der jeweiligen Verbandsmitglieder, ist also grundsätzlich möglich.

Gegenstand des Artikels 2 des Gesetzentwurfs ist die gebotene Anpassung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit an die Vorschriften des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens.

Artikel 3 des Gesetzentwurfs nimmt die Anpassung der Anlage zu dem Kommunalneugliederungs-Grundsätze

gesetz an die derzeitige Sachlage vor und vollzieht mittlerweile eingetretene Veränderungen nach.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Hinweise zum Verfahren geben. Die Anhörung des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes unseres Landes ist innerhalb einer kurzen Frist erfolgt. Die kommunalen Spitzenverbände haben zu den beabsichtigten Regelungen der Artikel 2 und 3 ihre ausdrückliche Zustimmung erklärt.

Hervorzuheben ist die grundsätzliche Unterstützung des Ziels, die Stadt-Umland-Verhältnisse über eine Organisationsform kommunaler Zusammenarbeit zu regeln, durch den Landkreistag Sachsen-Anhalt. Diese Stellungnahme kam nicht überraschend.

Die Bedenken und Anregungen der kommunalen Spitzenverbände zu dem Stadt-Umland-Verbandsgesetz haben wir geprüft. Ihnen wurde, soweit sie aus der Sicht der Landesregierung berechtigt waren, Folge geleistet. Aufgegriffen wurde vor allem die Anregung, dass das Stimmenverhältnis in der Verbandsversammlung unabhängig davon gelten soll, ob alle Verbandsmitglieder in der Verbandsversammlung vertreten sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche dem Landtag eine erfolgreiche Beratung zu dem Gesetzentwurf. Ich möchte allerdings schon jetzt, bevor es der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages tut, darauf hinweisen, dass die von der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt geforderte Anhörung der von dem Gesetzentwurf betroffenen Städte und Gemeinden durch den Landtag noch erfolgen muss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister, für die Einbringung. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Als erster Debattenredner wird Herr Wolpert für die FDP-Fraktion sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stadt-Umland-Problematik in Halle und in Magdeburg ist ein drängendes Problem, das einer baldigen Lösung bedarf. In den letzten Jahren hat eine starke Abwanderungsbewegung von den kreisfreien Städten Magdeburg und Halle in das Umland stattgefunden, was zu einer deutlichen wirtschaftlichen Schwächung der kreisfreien Städte geführt hat.

Dieser Problematik hatte sich schon die letzte Landesregierung, die von den Fraktionen der CDU und der FDP getragen wurde, angenommen. Mit dem Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz sollte eine Entwicklung hin zur Stärkung der Oberzentren eingeleitet werden.

Es wurde die Marschroute ausgegeben, dass zunächst eine Freiwilligkeitsphase vorgesehen ist, in der sich die Gemeinden freiwillig zusammenschließen können und in der auch der Umfang der Zusammenarbeit von den Gemeinden bestimmt werden kann. Erst wenn von dieser Option bis zum 30. Juni 2006 nicht Gebrauch gemacht worden wäre, sollte Zwang bei der Bildung eines Zweckverbandes angewendet werden.

Diese Zweistufigkeit mit einer vorgeschalteten Freiwilligkeitsphase findet im Zusammenhang mit der StadtUmland-Problematik die Zustimmung der Liberalen. Bei

Artikel 1 des nunmehr vorliegenden Gesetzentwurfs handelt es sich also um das Durchführungsgesetz der zweiten Stufe der Lösung des Stadt-Umland-Problems, da weder in Halle noch in Magdeburg eine freiwillige Lösung gefunden werden konnte. Dieser kontinuierlichen Verfolgung des bisherigen Ziels des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes stimmen wir zu.

Als dritte Stufe sieht das KommunalneugliederungsGrundsätzegesetz auch die Möglichkeit von Eingemeindungen vor. Nach der Auffassung der Liberalen kommt diese Option aber nur als Ultima Ratio in Betracht.

Der Pressemitteilung der Landesregierung vom 5. Dezember 2006 kann entnommen werden, dass die Landesregierung im Rahmen des Zeitplans zur zwangsweisen Einführung von flächendeckenden Einheitsgemeinden schon bis zum 1. Juli 2007 prüfen möchte, ob die Zweckverbände ausreichend zur Stärkung der kreisfreien Städte beigetragen haben oder ob Eingemeindungen vorzunehmen sind.

Dieser Zeitplan, meine Damen und Herren, ist nach der Auffassung der Liberalen deutlich zu eng gehalten. Selbst wenn der Gesetzentwurf bereits im JanuarPlenum mitsamt der angekündigten Anhörung aller Gemeinden verabschiedet würde, hätten die Zweckverbände noch nicht einmal ein halbes Jahr Zeit, mit der Zusammenarbeit im Bereich der Flächennutzungsplanung und der Diskussion über weitere Aufgabenübertragungen auf den Zweckverband zu beginnen.

Allein die Gründungsphase dürfte das erste Quartal einnehmen. Wer jemals mit einem Flächennutzungsplan beschäftigt war, weiß, dass drei Monate zum Abgleich, geschweige denn zur Erstellung eines neuen Plans nicht ausreichen würden. Die Wirkung einer gemeinsamen, abgestimmten Planung tritt auch nicht schon mit dem Beschluss ein.

Meine Damen und Herren! Der in dem Gesetzentwurf gewählte Zeitraum für die Evaluierung bis zum 1. Juli 2007 ist für eine umfassende und gründliche Prüfung deutlich zu kurz. Es beschleicht einen sogar der Verdacht, dass dieser Gesetzentwurf nur ein Placebo sein soll: Man erfüllt eine Aufgabe aus der letzten Legislaturperiode, nimmt sie aber nicht ernst, weil man den Zweckverbänden ohnehin keine Chance zubilligt. Deshalb geht man gleich nach deren Gründung zur Eingemeindung über.

Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der Liberalen ist allein die Eingemeindung auch kein Garant dafür, dass die Stadt-Umland-Problematik gelöst wird. Die kreisfreien Städte haben sicherlich das Problem der Abwanderung und des Speckgürtels zu bewältigen. Allein die Eingemeindung des Speckgürtels ändert allerdings nichts an den Problemen. Es dürfte sich dann um den Speckgürtel herum ein neuer bilden. Es geht vielmehr darum, was innerhalb der kreisfreien Städte passiert. In dieser Beziehung ist in der letzten Zeit - mit unterschiedlicher Wirkung - offensichtlich nicht die richtige Politik gemacht worden.

Meine Damen und Herren! Die FDP steht zu diesem Gesetzentwurf, weil er der Ausfluss dessen ist, was wir in der letzten Legislaturperiode mitberaten und mitgetragen haben. Wir sind gespannt auf die Ausführungen im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss. Dorthin soll der Gesetzentwurf nach unserer Auffassung überwiesen werden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Wolpert. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Madl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit im Stadt-Umland-Bereich der kreisfreien Städte Halle und Magdeburg und zur Änderung weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften ist letztlich nur eine Konsequenz aus der Nichterfüllung des § 2 Abs. 1 - Zweckverband - des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes vom 11. Mai 2005.

Im § 1 dieses Gesetzes sind die Ziele fixiert worden. Und zwar ging es darum, die Kerne wirtschaftlichen Wachstums und die Schwerpunkte der Daseinsvorsorge einer Region - das sollen die kreisfreien Städte sein - zu stärken. Dazu hatte der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt mit dem Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz ein dreistufiges Verfahren eingeführt.

Bis zum 30. Juni 2006 sollten in den Oberzentren Halle und Magdeburg freiwillig Zweckverbände geschaffen werden. Das ist aber nicht zustande gekommen. Das ist bedauerlich. Ich weiß von den Aktivitäten, die insbesondere im Saalkreis gelaufen sind. Dort haben sich bis zum 30. Oktober 2006 sieben Gemeinden zu einem solchen Zweckverband zusammengeschlossen, möglicherweise ohne Wirkung; denn viele Gemeinden, die in der Anlage 1 zu dem jetzigen Gesetz genannt werden, haben diesen Schritt nicht getan. Also muss nunmehr nach § 2 Abs. 3 des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes der Pflichtverband greifen, um die Effekte, die wir uns zum damaligen Zeitpunkt in der Diskussion zum Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz vorgestellt haben, zu zeitigen.

Herr Wolpert hat die Problematik der Erprobungsphase bzw. der Phase bis zum 1. Juli 2007 angesprochen. Dieses zeitliche Ziel ist natürlich unrealistisch, wenn man die Entwicklung der Flächennutzungsplanung insgesamt betrachtet. Diejenigen, die heute noch keine genehmigte Flächennutzungsplanung haben, müssen gemäß Bundesgesetz noch einmal in das komplette Verfahren eintreten.

Das ist möglicherweise nicht einmal in dem Zeitraum zu schaffen, den wir uns damals gemeinsam mit der FDP vorgestellt haben. Damals sind wir von einer Erprobungsphase von zwei Jahren ausgegangen. Das wird noch eine interessante Sache. Wichtig ist nur, dass dieser Zweckverband jetzt relativ schnell zum Laufen kommt.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte noch einmal das aufgreifen, was ich schon gestern im Zusammenhang mit der Beratung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS in der Drs. 5/122, dem Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Stadt-Umland-Beziehungen der Stadt Halle (Saale) und die Bildung eines Landkreises Region HalleMerseburg, gesagt habe:

§ 3, der die zweite Stufe des KommunalneugliederungsGrundsätzegesetzes darstellt, wäre dann die notwendige Konsequenz, wenn der Zweckverband seine Aufgabe zumindest bei der Flächennutzungsplanung nicht erfüllt, wobei die Flächennutzungsplanung nicht das Einzige sein soll, was in diesem Zweckverband geregelt werden

sollte; vielmehr sollten sich die lokalen Akteure darauf verständigen, auch weitere sinnvolle Aufgaben in diesem Verband zu erledigen, um die so genannte StadtUmland-Problematik in den Oberzentren zu meistern.

Erst danach kommt die Stufe 3. Wenn also auch die Teileingemeindungen nicht greifen, kommt es dazu, dass sich das Damoklesschwert hernieder senkt: zu den Eingemeindungen. Die Eingemeindungen sind wirklich der letzte Schritt. Dann wird es interessant.

Ich hoffe, dass sich die lokalen Akteure sowohl der Umlandgemeinden in den Bereichen Magdeburg und Halle wie auch der kreisfreien Städte dieser Etappen bewusst sind und mit der Einführung des Pflichtverbandes jetzt wirklich die Brisanz erkennen und sich zusammenraufen. Ich habe das gestern schon im Zusammenhang mit der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS gesagt. Darin gab es eine tolle Formulierung, die ich gestern schon zitiert habe: Es geht nur, wenn man gemeinschaftlich den Willen hat, auch etwas für die Region zu tun. Nur so kann es funktionieren.

(Beifall bei der CDU)

Es nützt nichts, wenn sich - jetzt spreche ich einmal „meine“ Saalkreis-Gemeinden an - einige dieser Gemeinden querstellen und sagen, dass sie nicht in diesen Zweckverband wollen. Es nützt auch nichts, wenn sich im Landkreis Merseburg-Querfurt einige Gemeinden querstellen und sagen, sie wollen nicht in den Zweckverband. Und es nützt auch nichts, wenn die Stadt Halle möglicherweise sagt: Dieses Problem sitzen wir aus, bis wir die drei Stufen durchexerziert haben, und dann bekommen wir die Gemeinden trotzdem. - So wird es nicht funktionieren. Das muss man klipp und klar sagen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Wolpert, FDP)

Unter diesem Aspekt darf ich empfehlen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)