Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

schlag zustimmen, die Beratung um 13 Uhr fortzusetzen? - Ja. Ich bitte Sie aber darum, nicht erst um 13.30 Uhr zu erscheinen.

(Heiterkeit)

Unterbrechung: 12.21 Uhr.

Wiederbeginn: 13.05 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Sitzung fort, auch wenn die Reihen noch etwas gelichtet sind.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/396

Ich bitte nun Herrn Minister Hövelmann, den Gesetzentwurf einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine wenigen Damen und Herren! Ich hoffe, es kommen noch einige kurz nach der Mittagspause. Sehr geehrte Mitglieder des Landtages! Im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Aufstellung des Landeshaushaltes 2007 hat die Landesregierung das Innenministerium beauftragt, in Abstimmung mit den anderen Ressorts Vorschläge zu erarbeiten, die die Kommunen von Aufgaben und Ausgaben entlasten. Im Folgenden gestatten Sie mir einige grundsätzliche Ausführungen zu den Artikeln des Gesetzentwurfs, den die Landesregierung in den Landtag eingebracht hat.

Durch Artikel 1 - hierin geht es um die Änderung der Gemeindeordnung - und Artikel 2 - er betrifft die Änderung der Landkreisordnung -, welche in der Zuständigkeit des Ministeriums für Gesundheit und Soziales erarbeitet worden sind, wird die Landesregierung ermächtigt, die Sportstättennutzungsverordnung zu überarbeiten. Insbesondere sollen die Nutzung kommunaler Sportstätten durch Schulen und gemeinnützige Sportvereine, die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Festlegung von Gebühren sowie Maßgaben im Falle einer Übertragung von Sportstätten an Dritte geregelt werden.

Mit der neuen Verordnung soll sichergestellt werden, dass die Zweckbindung öffentlicher Sportstätten unter Berücksichtigung des vorhandenen Bedarfes erhalten bleibt und diese dem gemeinnützigen Sport vorrangig zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt auch im Zusammenhang mit erfolgten Schulschließungen und der weiteren Nutzung von Schulsporthallen. Hauptnutzungszwecke sollen der Übungs-, Trainings- und Wettkampfbetrieb der gemeinnützigen Vereine sowie der Lehrbetrieb der Schulen sein.

Auch eine angemessene Beteiligung der Nutzer an den laufenden Betriebskosten einer Sportstätte im Rahmen einer Gebühr soll möglich sein. Hierzu bestehen bereits jetzt zumindest lokal einige entsprechende Vereinbarungen zwischen Kommunen und Sportvereinen.

Darüber hinaus wird das Ministerium des Innern im Wege eines Erlasses regeln, dass ein Gebührenverzicht oder die Erhebung niedrigerer Gebühren auch bei unausgeglichenen Haushalten von den Kommunalaufsichtsbehörden regelmäßig zu akzeptieren ist und nicht zum Kriterium der Haushaltskonsolidierung gemacht werden darf.

Die neue Sportstättennutzungsverordnung soll als Rahmenvereinbarung dienen. Die Einzelheiten werden in gesonderten Vereinbarungen zwischen Kommunen und Sportvereinen zu regeln sein. Ich darf darauf hinweisen, dass es bereits in der Vergangenheit entsprechende Gespräche zwischen dem Landessportbund und dem Ministerium für Gesundheit und Soziales gegeben hat, worin man sich auf die wesentlichen Dinge schon hat einigen können.

Die Änderung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit hingegen dient ausschließlich der Rechtsbereinigung. Dies erfolgte auf Vorschlag des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit.

Das Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften beinhaltet auch Änderungen des Kommunalabgabengesetzes. Mit der Änderung von § 5 soll es auf Initiative des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt den Aufgabenträgern im Rahmen der Erhebung von Mindestgebühren ermöglicht werden, auch die Bezieher sehr niedriger Leistungsmengen in einem angemessenen Umfang an den Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtungen zu beteiligen.

Das Gebührenrecht lässt schon heute bei der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung sowie bei der Abfallentsorgung die Erhebung von Mindestgebühren zu. Allerdings dürfen hierbei nur bis zu 25 % der verbrauchsabhängigen Kostenanteile zugrunde gelegt werden. Auf diese Einschränkung soll künftig verzichtet werden, denn das mit der Mindestgebühr erzielbare Gebührenaufkommen ist derzeit im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand so gering, dass diese Gebührenart für die Aufgabenträger praktisch ohne Bedeutung ist.

Darüber hinaus soll nach dem Gesetzentwurf auf Initiative meines Hauses hin die beitragsrechtliche Behandlung übergroßer Wohngrundstücke neu geregelt werden. Nach den bisherigen Regelungen des § 6c Abs. 2 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes sind übergroße Grundstücke, die nach der tatsächlichen Nutzung überwiegend Wohnzwecken dienen oder dienen werden, nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen. Als übergroß gelten solche Wohngrundstücke, die 30 v. H. oder mehr über der Durchschnittsgröße liegen. Der Umgang mit dieser Vorschrift hat in der Praxis jedoch zu Schwierigkeiten geführt. Die Norm ist sehr streitanfällig und schon oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen.

Auch ergibt sich ein Änderungsbedarf aus der Tatsache, dass wegen der verwaltungsgerichtlichen Auslegung der Vorschrift Beitragsausfälle bei den Aufgabenträgern entstanden sind, die der Gesetzgeber - also Sie - in diesem Umfang nicht beabsichtigt hatte. So gilt diese Bestimmung zum Beispiel nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt für alle Wohngrundstücke unabhängig von der Ausnutzung der Grundstücksfläche, also für das Einfamilienhaus genauso wie für den Mehrfamilienplattenbau.

Mit der nunmehr geplanten Neuregelung soll den Aufgabenträgern die Möglichkeit eröffnet werden, auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmte Regelungen zu schaffen. Ihnen, den Aufgabenträgern, bleibt damit einerseits die Möglichkeit erhalten, übergroße Grundstücke, die nach der tatsächlichen Nutzung vorwiegend Wohnzwecken dienen oder dienen werden, nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen. Sie können damit unter Inkaufnahme von Einnahmenausfällen die Beitragsbelastung für die Eigentümer übergroßer Grundstücke beschränken.

Des Weiteren soll die Vorschrift des § 6d KAG eine Änderung erfahren. Die Rechtsnorm regelt die frühzeitige Unterrichtung der später beitragspflichtigen Grundstückseigentümer durch die Verwaltungen über ein beabsichtigtes Vorhaben, dessen Durchführung eine Beitragspflicht auslöst. Die beabsichtigte Änderung berührt nicht die Beteiligung der Beitragspflichtigen dem Grundsatz nach. Das heißt, dass eine entsprechende Bürgerinformation auch weiterhin stattfinden soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den wiederum vom Ministerium für Gesundheit und Soziales vorgeschlagenen Änderungen des Kinderförderungsgesetzes beabsichtigt die Landesregierung zu einer Entlastung der Kommunen beizutragen. Sie sind als ein weiterer Schritt zum Bürokratieabbau zu bewerten, der von den Kommunen zu Recht gewünscht und gefordert wird.

Künftig wird es nicht mehr erforderlich sein, dass der Träger einer Kindertagesstätte für Festlegungen zur baulichen Beschaffenheit und Ausstattung einer Einrichtung den Landkreis oder die kreisfreie Stadt als örtlichen Träger der Jugendhilfe anhören muss.

Die Landesregierung sieht darin keinen Widerspruch zum Sicherstellungsauftrag des örtlichen Trägers gemäß § 10 des Kinderförderungsgesetzes. Der Sicherstellungsauftrag regelt die Verantwortung der Landkreise und der kreisfreien Städte für das Vorhalten von an den Bedürfnissen von Familien und Kindern ausgerichteten Tageseinrichtungen in konzeptionell vielfältigen, leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Strukturen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierische-Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz, welche auf einem Beitrag des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt beruht, ergibt sich für die Landkreise und kreisfreien Städte eine erhebliche Kostenentlastung. Für die Beseitigung von so genannte Falltieren wurden in Sachsen-Anhalt im Jahr 2005 Kosten in Höhe von 4,8 Millionen € geltend gemacht, wovon die Landkreise und kreisfreien Städte 2,4 Millionen € zu tragen hatten.

Neben der Kostenentlastung für die Landkreise und kreisfreien Städte wird durch die beabsichtigte Gesetzesänderung das strikte Verursacherprinzip schrittweise eingeführt, um die Tierhalter langsam an die volle Kostentragung heranzuführen. Bei einer weiteren Beteiligung des Landes an den Kosten in Höhe von 25 % bis zum 31. Dezember 2013 haben die Tierhalter ab dem 1. Januar 2007 insgesamt 50 %, ab dem 1. Juli 2010 insgesamt 75 % und ab dem 1. Januar 2014 die vollen Beseitigungskosten zu tragen. Der von den Landkreisen und kreisfreien Städten zu tragende Kostenanteil wird folglich schrittweise reduziert, zum 1. Januar 2007 von 50 % auf 25 % und ab 1. Juli 2010 von 25 % auf null.

Weiterhin wird durch die Änderung des Ausführungsgesetzes die Möglichkeit eröffnet, Entgelte für die Beseitigung von Tierkörpern im Wettbewerb zu ermitteln. Damit wird die Vergabe der Beseitigungspflicht im Wege der Ausschreibung ermöglicht, wie sie in Sachsen-Anhalt durchgeführt werden soll. Diese Verfahrensweise, meine sehr verehrten Damen und Herren, entspricht den Regelungen des Gemeinschaftsrahmens der Europäischen Union zur Gewährung von staatlichen Beihilfen bei der Tierkörperbeseitigung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Gesetzesinitiative der Landesregierung ist nicht der große Wurf. Ich sage das hier ganz selbstkritisch. Aber ich will auch deutlich machen: Die von uns erarbeiteten Vorschläge konnten wir an vielen Stellen nicht in den Gesetzentwurf hineinschreiben, weil die unterschiedlichen Interessengruppen im Lande SachsenAnhalt auf den verschiedensten Wegen, sowohl auf außerparlamentarischem als auch auf parlamentarischem Weg, dafür gesorgt haben, dass Vorschläge zur Entlastung der Kommunen im Verfahren wieder verloren gegangen sind.

Insofern darf ich Sie bitten und dazu einladen, gemeinsam mit der Landesregierung dafür Sorge zu tragen, dass die Aufgaben einer Deregulierung auch für die Kommunen im Land Sachsen-Anhalt, dass die Fragen der Verwaltungsvereinfachung und der Entlastung von Aufgaben und damit von Kosten für die Kommunen in Sachsen-Anhalt ein dauerhaftes Thema, eine dauerhafte Aufgabe bleiben, sowohl für die Landesregierung als auch für das Parlament.

In diesem Sinne bitte ich Sie, den Gesetzentwurf der Landesregierung als einen ersten richtigen und wichtigen Schritt zu betrachten. Wir sollten uns gegenseitig zusichern, dass wir in der Arbeit gemeinsam weitere Anstrengungen unternehmen, um weitere Entlastungsvorschläge zu erarbeiten und im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Wir kommen nun zu den Beiträgen der Fraktionen. Aber zunächst habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler der Borlach-Sekundarschule aus Bad Kösen auf der Südtribüne begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erteile ich Herrn Grünert für die Linkspartei.PDSFraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offensichtlich scheint die Landesregierung die Vorgängerregierung in Bezug auf die permanente Veränderung kommunalrechtlicher Vorschriften und die Verkürzung der Beratungszeiten - die Drucksache wurde am 6. Dezember 2006 vorgelegt und das Gesetz soll am 1. Januar 2007 in Kraft treten - in den Schatten stellen zu wollen. Ich glaube, das ist nicht gerade ein günstiger Weg.

Unter dem Deckmantel des Abbaus überflüssiger bürokratischer Anforderungen und Ihrer Vorstellung von Deregulierung wird mit dem vorliegenden Artikelgesetzent

wurf einerseits massiv in die kommunale Selbstverwaltung und in Bürgerrechte eingegriffen. Andererseits sollen den Kommunen neue Einnahmequellen als Ersatz für die Reduzierung des allgemeinen Finanzausgleichs durch das Land eröffnet werden. Dass die Bürger für eine verfehlte Haushaltspolitik der Landesregierung zahlen sollen, halten wir für den falschen Ansatz.

(Herr Gürth, CDU: Was ist daran verfehlt?)

- Das kann ich Ihnen sagen. Sie hätten gestern einmal zuhören müssen, Herr Gürth. Offensichtlich haben Sie das nicht richtig getan.

(Herr Gürth, CDU: Gestern haben Sie daneben gelegen!)

Die Linkspartei.PDS-Fraktion lehnt die Artikel 1 und 2 des vorgelegten Artikelgesetzes ab.

Die Verordnung zur Sicherung und Nutzung von Sporteinrichtungen im öffentlichen Eigentum hat den allgemeinen und kostenfreien Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur sportlichen Betätigung zum Inhalt. In den Kommunen wurden mit den Sportvereinen und -verbänden Lösungen gefunden, sich angemessen an den anfallenden Betriebskosten zu beteiligen. Dies war und ist für manche Vereine schon mit erheblichen Aufwendungen verbunden, die zulasten des eigentlichen Sportbetriebes gehen. Mittlerweile kommen die meisten Vereine sogar für die Unterhaltung und Pflege der Sporteinrichtungen unentgeltlich auf.

Das Ziel der Verordnung war es, durch die sportliche Betätigung einen Beitrag zur Gesundheit und Gewaltprävention zu leisten. Das entsprach bisher dem öffentlichen Interesse. Mit der Abkehr von der unentgeltlichen Nutzung von Sportstätten in der nunmehr vorgeschlagenen Regelung wird die Absicht, Einnahmen zu erzielen, als öffentliches Interesse postuliert. Dies lehnt die Linkspartei.PDS-Fraktion ab. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der kommunalen Spitzenverbände teilen wir.

Die in Artikel 5 zu § 14 Abs. 2 KiFöG vorgeschlagene Streichung des Anhörungsverfahrens der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist aus unserer Sicht abzulehnen. Diesbezüglich teilen wir die Auffassung des Landkreistages uneingeschränkt. Offensichtlich geht es um die ungeminderte Verteilung von Investitionszuschüssen durch das Landesjugendamt unter Ausschluss der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Aus unserer Sicht ist ein demokratisches Beteiligungsverfahren ein hohes Gut und nicht als Ballast aufgrund eines höheren Verwaltungsaufwandes zu diffamieren.

In Artikel 6 wird von der Landesregierung vorgeschlagen, eine Marktöffnung der Kalkulation der Entgelte, derzeit über die Anwendung der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) geregelt, vorzunehmen.

Bei der Ermittlung der LSP waren in der Vergangenheit jedoch die Erzeuger bzw. Beseitigungspflichtigen nicht involviert. Eine Offenlegung der Kalkulationsunterlagen des Entsorgenden und deren nach betriebswirtschaftlichen Grundlagen zu definierenden Preise würde diesem Ziel gerecht werden. Bisher wurde die Aufgabe ausgeschrieben, die betriebswirtschaftliche Berechnung der Entgelte jedoch nicht geprüft.

Die Regelung nach § 3 Abs. 3 lehnt die Fraktion der Linkspartei.PDS ab. Sie wird die Gründe dafür im Rahmen der Beratungen im Fachausschuss darstellen.

Werte Damen und Herren! Nun zu Artikel 4. Hieran wird die Sicht der Landesregierung sehr deutlich, dass Bürgerbeteiligungsrechte das Verwaltungshandeln offensichtlich nur behindern und dass sie folglich abzuschaffen sind.

(Herr Tullner, CDU: So ein Quatsch!)