Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

(Herr Tullner, CDU: So ein Quatsch!)

- Da können Sie erzählen, was Sie wollen, Herr Tullner.

(Herr Tullner, CDU: Oh!)

- Ich kann Ihnen das auch noch klar definieren. Das können wir aber gern in einer Pause außerhalb des Plenarsaales machen; anderenfalls würde es den zeitlichen Rahmen dieser Beratung hier sprengen.

(Herr Tullner, CDU: Sie behaupten hier Dinge, die einfach nicht wahr sind!)

- Herr Tullner, bitte schön. - Zu den Punkten im Einzelnen. Die Aufhebung der 25%-Grenze bei der Erhebung einer Mindestgebühr für verbrauchsabhängige Kostenbestandteile widerspricht nicht nur dem Umweltrecht und dem Wassergesetz für das Land SachsenAnhalt - insbesondere der darin enthaltenen Vorgabe zum schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen -, er nimmt auch den Gebührenzahlern die Möglichkeit, durch Sparmaßnahmen aktiv auf die Gebührenentwicklung Einfluss zu nehmen.

Bereits jetzt wird in den meisten Abwasserzweckverbänden ein Mindestverbrauch von 23 Kubikmetern Wasser pro Jahr festgelegt. Das hat zur Folge, dass Bürger, die weniger verbrauchen, keinerlei Einfluss auf die Gebührenentwicklung nehmen können. Damit haben die Verbände die Möglichkeit, betriebswirtschaftliche Missstände ohne Nachweis zu kaschieren. Das kann ich Ihnen beweisen. Rentnerhaushalte und Alleinstehende werden massiv benachteiligt.

Die bisherige Beitragserhebungspraxis für übergroße Grundstücke ist auf die Grundstücksgröße, nicht auf die tatsächliche Abwasserverursachung ausgerichtet. Neben den Anschlussbeiträgen für Abwasser werden diese Grundstücke auch überproportional bei Straßenausbaubeiträgen in die Verantwortung genommen. Wenn eine Verbesserung des Abgabenrechts gewünscht wird, sollte es nach der tatsächlichen Nutzung bzw. nach dem tatsächlich anfallenden Abwasseraufkommen ausgerichtet werden.

Die im Kommunalabgabengesetz vorgeschriebene Bürgerbeteiligung beim Straßenausbau wurde und wird in vielen Gemeinden in der Praxis auch dank des Runderlasses des MI vom 6. Juni 2001 immer wieder unterlaufen.

Aufgrund der Auslegungsmodalitäten wird nicht die Beschlussfassung des Gemeinderates bezüglich der Ausbaumaßnahme zugrunde gelegt, sondern die Beschlussfassung zu der Vergabe.

Dies sieht der Text des Gesetzes anders vor. Durch diese Vorgehensweise wird es faktisch keine Verfristung der Bürgerinformation geben, sodass die Sanktionen des § 6d Abs. 1 Sätze 3 bis 6, die damals bewusst aufgenommen worden sind, tatsächlich ins Leere laufen.

Jetzt - nachdem man im Prinzip die Handlungsempfehlung für die Verwaltung erlassen hat - die Sanktionsmöglichkeit abzuschaffen, ist schon eine Unverfrorenheit und ist durch nichts zu toppen. Auch hieran wird die Ziel

bestimmung der Landesregierung sichtbar, die Bürgerbeteiligung als verwaltungshemmend zu deklarieren.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS lehnt auch diese Regelung entschieden ab. Sie fordert die Landesregierung auf, diese Änderung des KAG und weitere Regelungswünsche, die wir der Presse entnehmen konnten, gesondert in einer Gesetzesnovelle in Angriff zu nehmen. Wir regen an, dazu einen Unterausschuss zu schaffen, um der Problemlage tatsächlich Herr werden zu können.

Die Linkspartei.PDS spricht sich für eine Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Soziales aus. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Nun spricht für die CDUFraktion Herr Kolze. Bitte, Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften ist meines Erachtens geradezu prädestiniert dafür, in den jeweiligen Ausschüssen weiter beraten zu werden.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Der Gesetzentwurf besteht aus sieben Artikeln, durch die sechs Gesetze geändert werden sollen, wobei die Änderungen nicht lediglich redaktioneller Art sind.

Zu Artikel 1 - Änderung der Gemeindeordnung. Hierin ist eine Ermächtigung für die Landesregierung vorgesehen, per Verordnung die Nutzung von Sportstätten zu regeln. Nicht nur dies soll sie regeln dürfen. Nein, auch die Gebühren- und Entgeltbemessung, die Maßgaben im Fall einer Übertragung der Unterhaltung und Bewirtschaftung oder des Eigentums an der kommunalen Sportstätte an Dritte sollen in die Hände der Landesregierung gelegt werden.

Dies, meine Damen und Herren, bedeutet, dass die Gemeinden nicht wie bisher über die Sportstätten entscheiden und frei verfügen dürfen. Die kommunale Gestaltungsfreiheit hinsichtlich dieses auch für die Gemeinden wichtigen Treffpunktes kommt nicht mehr zum Tragen.

Die Frage, ob in diesem Fall, wie bereits durch die kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung geäußert, wegen eines Eingriffes in die kommunale Selbstverwaltung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter erörtern, sondern dazu eine Beratung im Ausschuss abwarten. Gleiches gilt für die geplante Änderung der Landkreisordnung.

Zu Artikel 3 - Änderung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit. Danach soll in dem Gesetz § 1 Nr. 4 - das muss nach meinem Dafürhalten Nr. 3 heißen - Buchstabe b geändert werden. Hierzu muss ich meine Meinungsbildung von einer näheren und umfangreicheren Beratung abhängig machen.

Durch die Neuregelung werden den Gemeinden einige Aufgaben entzogen. Entscheidungen, die zum Teil Gewerbeangelegenheiten und Spezial- bzw. Jahrmärkte betreffen, sprich Aufgaben, die mit der Organisation in einer Gemeinde, mit Freizeitgestaltung und mit dem Bedarf im Gemeindebereich zu tun haben, werden weggenommen. Das könnte für einzelne Gemeinden fatale Folgen haben.

Artikel 4 - Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Die Änderung des § 5 Abs. 3 Satz 5 entzieht den Gemeinden die Variabilität hinsichtlich der Kostenfestsetzung bei den Grundgebühren. Bisher war eine verbrauchsabhängige kostenanteilig zu berechnende Mindestgebühr festgelegt, und zwar in Höhe von bis zu 25 v. H. der verbrauchsabhängigen Kostenanteile. Der Passus soll gestrichen werden. Damit ist der Festsetzung der Grundgebühr keinerlei Grenze gesetzt. Nach oben hin ist alles offen.

Zu § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG ist vorgesehen, die bisherige Sollvorschrift in eine Kannvorschrift umzuformulieren. Übergroße Grundstücke können dann demnächst begrenzt veranlagt oder herangezogen werden. Zurzeit kann eine solche Regelung in der Beitragssatzung festgeschrieben werden.

Eigentümer von großen Grundstücken haben demnächst Nachteile. Das trifft gerade diejenigen, die im ländlichen Raum große Grundstücke zu bewirtschaften haben, und zwar nicht nur gewerblich, sondern auch im privaten Bereich. Kann das zielführend sein?

§ 6d Abs. 1 Sätze 3 bis 6 sollen aufgehoben werden. Warum, frage ich mich. Die bisherige Regelung sah vor, dass für den Fall, dass eine Gemeinde die ihr obliegenden Pflichten verletzt hat, dies dem Beitragspflichtigen in der Form zugute kommt, dass die zu erhebenden Beiträge bei vergessener Anhörung bei diesem geringer ausfallen konnten.

Artikel 5 - Änderung des Kinderförderungsgesetzes - sieht zunächst eine Beschneidung der Befugnisse des Trägers einer Kindertageseinrichtung vor. § 14 ermöglicht es jedoch über § 19 - diese Regelung erfährt ebenfalls eine Änderung - dem Träger, gemeinsam mit einem Kuratorium über dieselbe und andere Thematiken zu beschließen.

Die Änderung des Ausführungsgesetzes zum TierischeNebenprodukte-Beseitigungsgesetz soll eine Kostenentlastung der Kommunen herbeiführen und bis zum 1. Januar 2014 das Verursacherprinzip umsetzen. Entstehende Kosten werden dann generell vom Verursacher zu tragen sein.

Sie sehen, meine Damen und Herren, diese differenzierten Regelungen bedürfen zwingend einer weiteren Beratung in den Ausschüssen für Inneres, für Soziales und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Daher plädiere ich für eine Überweisung des Gesetzentwurfes in diese Ausschüsse. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung der kommunalrechtlichen Vorschriften

(Minister Herr Bullerjahn ruft Abgeordneten der Fraktion der CDU etwas zu)

- ach so, wollen Sie sprechen, Herr Minister? - kommt in dem Pelz einer harmlosen Begründung dahin gehend daher, dass mit diesem Gesetz Deregulierung und finanzielle Erleichterung für die Kommunen geschaffen werden würde. Sieht man genauer hin, ist man versucht, an das Bild vom Wolf im Schafpelz zu denken. Zum einen steht meines Erachtens nicht fest, dass tatsächlich eine spürbare finanzielle Erleichterung für die Kommunen erreicht wird, zum anderen werden andere beachtenswerte Interessen einfach unter den Tisch gekehrt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf die Artikel im Einzelnen eingehen. Aufgrund der Artikel 1 und 2 wird eine Verordnungsermächtigung gegeben, in deren Ergebnis die bisherige Sportstättensicherungsverordnung aufgehoben wird. Dabei wird geregelt, dass Gebühren und Entgelte erhoben werden sollen. Davon sollen aber wiederum gemeinnützige Sportvereine und Schulen ausgenommen werden.

Abgesehen davon, dass der Landkreistag zu Recht moniert, dass auf der einen Seite eine Beschränkung der kommunalen Selbstverwaltung aufgehoben wird, dieselbe auf der anderen Seite aber sofort wieder eingeschränkt wird, fehlt es meines Erachtens auch an der Praktikabilität.

Eine solche Regelung wird nämlich deshalb nicht praktikabel sein, weil die Kommunen in jedem Einzelfall die Nutzung der Sportstätte dahin gehend prüfen müssten, wer in welcher Weise gerade eine Nutzung durchführt. Es dürfte auch wahrscheinlich sein, dass bei der gegenwärtigen Haushaltssituation der Kommunen eine Pflicht zur Entgelterhebung gegeben sein dürfte.

Herr Minister, zu dem Erlass, den Sie herauszugeben beabsichtigen, sage ich: Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

(Zuruf von Minister Herrn Hövelmann)

Denn wenn man die einschlägigen Urteile in unserem Land mit in Betracht zieht, dann stellt man fest, dass ein Erlass das KAG nicht außer Kraft setzen kann.

(Beifall bei der FDP)

Im Ergebnis wird der Sport aus den Sportstätten vertrieben werden. Übrigens ist die Abstimmung mit dem Landessportbund mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Der Artikel 3 soll eine Rechtsbereinigung darstellen, wobei eine Doppelregelung aufgehoben werden soll. Ob dem wirklich so ist, bleibt derzeit noch umstritten. Fest steht aber, dass zum Beispiel die Aufnahme der Namen aller Beteiligten eines Betriebs als Zusatz gemäß § 15a Abs. 4 der Gewerbeordnung leichter von den Städten und Gemeinden als von den Kreisen zu erledigen ist, weil die Gewerbeanzeigen selbst schon von den Städten und Gemeinden entgegengenommen werden. Eine Übertragung der Aufgabe der Zusatzeintragung an die Landkreise ist völlig widersinnig, wenn man vereinfachen will.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Zu Artikel 4. Die angestrebten Veränderungen bringen mehrere Interessenkollisionen mit sich. Die Aufhebung der Begrenzung der Mindestgebühr führt zu einer Stärkung der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr. Das bewirkt auf der einen Seite eine bessere betriebswirtschaftliche Ausgangsposition der Verbände und führt zu einer objektiv größeren Kostengerechtigkeit. Auf der anderen Seite aber verliert der Anreiz zum sparsamen Umgang mit Ressourcen an Kraft, weil Geringverbraucher stärker zur Zahlung herangezogen werden. Die sozialpolitische Auswirkung, dass Einzelhaushalte und damit auch Rentner zu höheren Zahlungen herangezogen werden, muss hierbei sorgfältig abgewogen werden.

(Beifall bei der FDP)

Die Aufhebung der Privilegierung der übergroßen Grundstücke wird zementiert, weil der Grundsatz der gleichen Veranlagung allein mit einer Kannvorschrift nicht ausgehebelt werden kann. Die Folge, dass insbesondere für das Land, ohne eine größere Ursache festzustellen, größere Belastungen festgesetzt werden, ist ein problematisches Signal.