Protokoll der Sitzung vom 23.02.2007

Ich kriege ja gelegentlich aufgeregte Anrufe, was diese Landesregierung wieder an Unfug beschlossen habe. Meistens weiß ich das noch gar nicht, weil es sich um irgendwelche Referentenentwürfe handelt, die in einem Vorbereitungsstadium sind und die - wie auch immer - zu dem einen oder anderen Abgeordneten durchgedrungen sind und die dann als Beschluss der Landesregierung interpretiert und uns vorgeworfen werden. Weil die Gefahr groß ist, dass so etwas bei diesem sehr heiklen Thema öfter einmal vorkommt, wollte ich wenigstens darauf hingewiesen haben.

Aber in das, was substanziell wichtig ist, - darauf lege ich großen Wert - sollen alle Landtage, auch Sie bei uns, mit eingebunden werden. Denn das eigentliche Ziel ist, dass wir nicht weiter unsere Probleme zulasten künftiger Generationen lösen. Das ist ein Grundziel aller, die in dieser Kommission zusammensitzen.

Wir sagen: Wir müssen es in Deutschland hinbekommen, dass jede Generation wenigstens das, was sie sich leisten will, selbst erarbeitet und dass wir unsere Probleme nicht zulasten künftiger Generationen lösen. Das heißt im Klartext: Das Aufnehmen von Krediten muss erschwert werden, wie auch immer.

Das Zweite ist, dass jede Gebietskörperschaft - das sind die Landtage in den Ländern, das sind aber auch die Kommunen - mit den ihr zustehenden Finanzen eigenverantwortlich umgehen und auskommen muss und dass nicht eine Ebene zulasten der anderen das Problem lösen kann.

Was die Kommunen betrifft, gibt es jetzt - ich will das schnell noch los werden - die Vorstellung, dass man im Grundgesetz eine dritte Ebene einzieht, dass man die Steuerverteilung auf drei Ebenen vornimmt, auf Bundesebene, Länderebene und Kommunalebene, damit die Kommunen eine höhere Selbständigkeit in der Verfassung bekommen.

Ich will Sie ausdrücklich davor warnen. Schon auf der Länderebene ist ja die Wirtschafts- und Steuerkraft so unterschiedlich, dass wir einen ausdrücklich komplizierten horizontalen Länderfinanzausgleich aufgebaut haben. Der müsste sich dann auf der kommunalen Ebene

wiederholen. So würden die Probleme unendlich größer werden.

Das alles sind Sachen, die aus meiner Sicht hier mit diskutiert werden sollten. Sie kennen ja die tagespolitischen Probleme, die sich dann vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Probleme abspielen. Deswegen bin ich ausdrücklich dankbar dafür, dass Sie sich in die Diskussion dieser Reform mit einbringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Jetzt gibt es noch zwei Fragen. - Herr Kosmehl verzichtet auf seine Frage. - Herr Gallert.

Herr Böhmer, Sie haben am Anfang die Zusammensetzung der Kommission erläutert, wer Stimmrecht hat und wer nicht. Dazu sagten Sie, die Mitglieder des Landtages hätten dort Rede- und Antragsrecht, aber kein Stimmrecht, weil sie aufgrund des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland keine gesetzgebende Institution auf Bundesebene vertreten. Das ist wohl wahr.

Vorher haben Sie allerdings gesagt, die 16 Vertreter der Bundesebene unterteilten sich in zwölf des Bundestages und vier der Bundesregierung. Nun dürften ja auch die Mitglieder der Bundesregierung demzufolge kein Stimmrecht in dieser Kommission haben. Aber sie haben wohl eines. Wie erklären Sie denn diesen Widerspruch?

Ich muss das nicht erklären. Das hat der Bundestag für seine Seite so beschlossen. Wenn der Bundestag sagt, die von uns gewählte Exekutive beziehen wir dort mit ein, dann ist das eine Sache, die der Bundestag in eigener Zuständigkeit zu entscheiden hat.

Aber unlogisch ist es trotzdem.

Das fragen Sie mal die Verfassungsjuristen; ich muss ja nicht alles verstehen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Vielen Dank. - Bevor wir nun die Beiträge der Fraktionen hören, haben wir die Freude, auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler der Francke-Sekundarschule aus Magdeburg begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Fischer. - Es kann auch etwas anderes vereinbart sein; aber nach dem, was mir vorliegt, ist das so. Aber Sie können auch tauschen. Dann spricht für die CDU-Fraktion jetzt Herr Tullner.

(Heiterkeit - Frau Bull, Linkspartei.PDS: Er hat sich durchgesetzt!)

Gemeldet war für die CDU allerdings Herr Gürth. Bitte schön.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte jetzt nicht der Kollegin den Vortritt verwehren, aber da Sie mich aufgefordert haben, komme ich dem natürlich gern nach, hier als Erster zu diesem spannenden Thema Föderalismusreform zu reden.

Meine Damen und Herren! Sie werden von mir als CDUVertreter sicherlich erwarten, dass ich, da ich aufgrund der Choreografie nach dem Ministerpräsidenten rede, natürlich auch sage, ich stimme mit dem, was der Ministerpräsident gesagt hat, überein.

(Zuruf: Oh!)

Das sage ich nicht nur aus formalen oder Erwartungshaltungsgründen, sondern auch deshalb, weil das, was Professor Böhmer gesagt hat, den Kern der Problemlagen trifft, weil wir einfach vor der Notwendigkeit stehen, mit der Finanzsituation des Landes, wie sie nun einmal ist, umzugehen und weil wir ein Stück weit Sorge haben, dass uns die Rahmenbedingungen, mit denen wir ja planen, aus dem Ruder laufen könnten aufgrund der Diskussionslage, wie wir sie in Deutschland im Moment haben.

Bevor ich darauf näher eingehe, wollte ich noch zwei Punkte zu Frau Klein sagen. Ich denke, Sie hoben in Ihrem etwas durchmischten Beitrag ein bisschen auf die Erfahrungen der ersten Föderalismuskommission ab. Man darf natürlich keine übersteigerten Erwartungen haben.

Was ist denn damals passiert? - Alle waren von der Sehnsucht befallen, ein einfaches, transparentes, für jeden Bürger klar ersichtliches System von Verantwortung organisieren zu können, und haben dabei ein bisschen aus dem Blick verloren, dass einfache Lösungen nicht immer die besten sind.

Ich glaube, in einem politischen System, wie wir es in Deutschland haben, kann es auch keine einfachen Lösungen geben. Und ich denke, einfache Lösungen sind auch keine guten Lösungen für unser Thema. Deswegen, denke ich, sollten wir auch etwas nüchterner daran gehen, diese Erwartungen zu formulieren, was die NBO II angeht.

Dann kommt noch ein zweiter Punkt hinzu. Das kann ich mir jetzt nicht verkneifen, Frau Dr. Klein. Ich habe ein paar Zweifel, wenn Sie den Föderalismus so hoch heben,

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Das steht Ihnen frei!)

dass bei Ihnen nicht doch der Zentralismus ein bisschen durch die Poren lugt, weil es bei Ihnen einfach, glaube ich, keine Herzenssache ist. Das ist ein grundlegender Unterschied zur CDU-Fraktion als einer durchweg dem föderalen Prinzip positiv gegenüberstehenden politischen Organisation. Das kann ich bei Ihnen so nicht erkennen.

Aber natürlich haben wir alle die Sorge, wenn wir diese Diskussion von außen verfolgen, dass wir an der Bekanntgabe der Ergebnisse nicht richtig beteiligt oder dass wir nicht richtig informiert werden.

Aber die Regelungen, die wir mit dem Landtagsinformationsgesetz und der Landtagsinformationsvereinbarung

beschlossen haben, sind doch, glaube ich, ausreichend und auskömmlich, um dieser Sorge ein Stück weit zu begegnen. Natürlich kann man immer die Befürchtung haben, dass es wie bei einem Überschallflugzeug ist: Wenn wir den Knall hören, ist die Realität schon weiter gegangen. Aber ich denke, diese Sorgen brauchen wir an dieser Stelle nicht zu haben, weil wir aufgrund der Kommunikations- und Informationsstrukturen - die Regierung hat das zugesichert - zeitnah in alle Entscheidungen einbezogen werden.

Dann kommt als Letztes - damit will ich dann auch zum Punkt kommen, obwohl ich wahrscheinlich ein bisschen mehr Zeit hätte; aber über die Inhalte, denke ich, werden wir an anderer Stelle noch sprechen - die Frage: Mehr Wettbewerb im Föderalismus? Das ist an sich eine sehr spannende Frage und ist auch systemtheoretisch für uns, denke ich, durchaus zu bejahen.

Nur, wir als Land haben unsere Interessen dezidiert dahin gehend formuliert, dass wir gesagt haben: Wir wollen unsere finanziellen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2020 nicht infrage stellen. Denn wir können sie schlichtweg nicht infrage stellen und die Haushaltsberatungen - auch das hat der Ministerpräsident schon gesagt - holen uns an dieser Stelle wieder ein.

Deswegen meine ich, dass wir diese Debatte heute als Auftakt in einem Prozess der Willensbildung betrachten sollten. Ich denke, wir sollten als Landtag dazu kommen, uns auch inhaltlich ein Stück weit zu positionieren, wohin es aus unserer Sicht gehen soll. Das können wir der Regierung dann mit auf den Weg geben. Dann, denke ich, sind wir alle miteinander auf einem guten Weg, NBO II zu einer zukunftsorientierten und auch positiveren Angelegenheit zu machen, als es vielleicht bei NBO I der Fall war.

Jetzt blinkt die Lampe für das Ende der Redezeit, deswegen höre ich auf. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Frau Fischer, sehen Sie sich jetzt imstande zu sprechen?

(Heiterkeit)

Dann erteile ich Ihnen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich wollte mich eigentlich an die Tagesordnung halten, die uns vorliegt. Daher war ich überrascht, dass ich als Erste reden sollte.

Gleichwohl mache ich das natürlich gern, wenn auch nicht sehr ausführlich, weil es einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen mit der gleichen Intention gibt, nämlich in der Frage der Föderalismusreform recht schnell informiert zu werden, aber nicht nur im Nachhinein informiert zu werden, sondern, wie wir in der Landtagsinformationsvereinbarung festgeschrieben haben, auch im Vorfeld die Möglichkeit zu haben, uns über die Beratungen informieren zu lassen, vor allen Dingen über den Stand, in welche Richtung sich die Kommission verständigen will und welche Rolle wir als Land Sachsen-Anhalt dort spielen und ob wir künftig eher unter die Rubrik der

Verlierer oder doch unter die Rubrik derer fallen, die damit auch gut zu Rande kommen. Wir müssen sowieso mit dem zu Rande kommen, was die Föderalismuskommission II beschließen wird.

Ich kann auf mein vorbereitetes Manuskript verzichten, weil die ausführlichen Informationen vom Ministerpräsidenten Professor Böhmer, denke ich, klar gemacht haben, worum es geht. Wir werden über den Inhalt dieses Antrages im Finanzausschuss und in den beiden anderen Ausschüssen beraten. Ich bin mir sicher, dass wir die Informationen zeitig genug erhalten und auch über Details im Finanzausschuss oder in den anderen Ausschüssen gut diskutieren können.

Denn es ist eine sehr wichtige Kommission, eine sehr wichtige Reform - das haben wir alle jetzt schon ein paar Mal gehört -, die wir begleiten sollten und die die Beziehungen von Bund, Land und Kommunen bedeutend auf die Füße stellen wird. Von daher werden wir das Thema in den Ausschüssen beraten und ich danke noch einmal allen Fraktionen dafür, dass ein gemeinsamer Antrag zustande gekommen ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Fischer. - Nun erteile ich Herrn Kosmehl das Wort, um für die FDP-Fraktion zu reden. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ein bisschen verwirrt darüber, dass die Kollegen der regierungstragenden Fraktionen es so kurz gemacht haben, obwohl dieses Thema eigentlich eine ausführliche Debatte verdient hätte und der Herr Ministerpräsident dankenswerterweise, was ihm durchaus zusteht, länger geredet hat, sodass wir dann eine längere Redezeit haben. Ich werde mich trotzdem bemühen, in meinen fünf Minuten zum Ende zu kommen. Aber wenn ich darüber hinausgehe, werden Sie mir das sicherlich nachsehen, Herr Präsident.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der „Mutter aller Reformen“, wie es Edmund Stoiber in Bezug auf die Föderalismusreform I gesagt hat, kommen wir jetzt also zum Geld, zu den Finanzbeziehungen.