Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es gibt eine Frage des Abgeordneten Herrn Wolpert. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Gerne.

Bitte schön, Herr Wolpert.

Frau Ministerin, Sie sprachen davon, dass die Einräumigkeit der Verwaltung das Prinzip dieses Gesetzes ist und dieses Gesetz für die Struktur der Gerichte keine präjudizierende Wirkung haben soll. Wenn das so ist, wie können Sie dann zu dem Schluss kommen, dass die Durchbrechung der Einräumigkeit der Verwaltung bei Zerbst notwendig ist, weil dieses Gericht sonst geschlossen werden müsste? Wenn Sie beim Gericht in Zerbst diese Ausnahme aus diesem Grund zulassen, dann stellt sich die Frage, warum Sie sie nicht bei den Arbeitsgerichten in Naumburg und Halberstadt zulassen, bei denen die Verkleinerung der Gerichtsbezirke dazu führt, dass diese Gerichte geschlossen werden müssen.

Ich glaube, wir beide wissen, dass die Ausgangssituation in Zerbst und die in Halberstadt bzw. in Naumburg in keiner Weise vergleichbar ist. Wir bewegen uns auf der einen Seite im Bereich der Fachgerichtsbarkeiten und auf der anderen Seite im Bereich der Amtsgerichte. Wir haben diesen Gesetzentwurf nun einmal zu einem Zeitpunkt erarbeitet, zu dem, aufgrund einer Reihe von Bürgerentscheiden, noch nicht ganz klar war, wie sich die Strukturen im Landkreis Anhalt-Zerbst und gerade im Bereich der Zuständigkeit des Amtsgerichtes Zerbst in der Zukunft entwickeln werden.

Darüber hinaus haben wir das Problem, dass vor zwei Jahren ein neues Gebäude eingeweiht worden ist. Wir sind im Wege des Investorenmodells in der Pflicht, die hierfür anfallenden Zahlungen in Höhe von 2 Millionen € auch in der Zukunft zu leisten. Für den Fall, dass wir das Gebäude nicht auslasten, wäre Geld investiert worden, ohne dass die Bürger davon einen Nutzen hätten. Aufgrund der räumlichen Situation wäre zum Beispiel eine Unterbringung beim Amtsgericht Wittenberg nicht zu realisieren, weil dort die Aufnahmemöglichkeiten nicht vorhanden sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank für die Antwort. - Jetzt kommen wir zu den Beiträgen der Fraktionen. Zunächst erteile ich für die FDP-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt diskutieren wir also die erste Stufe der Neuordnung der Gerichtsstruktur in Sachsen-Anhalt, wobei allerdings nur über den zukünftigen Zuschnitt der Gerichtsbezirke entschieden werden soll.

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade gehört, was die Prinzipien dieses Gesetzes sein sollen. Zunächst wird behauptet, man müsse zur Anpassung an die Kreisgebietsreform die Einräumigkeit der Verwaltung herstellen, weil ansonsten ein völliges Zuständigkeitschaos vorhanden wäre und sich der Bürger nicht mehr ohne anwaltliche Hilfe zurechtfinden würde. Ausnahmen dabei sind Halle und Zerbst. Halle behält den Saalkreis als Gerichtsbezirk, während in Zerbst trotz der Vierteilung dieses Kreises eine Zuständigkeit beim Gericht bleibt und dies auch noch von eventuellen Bürgerentscheiden, die in der Zukunft kommen, abhängig gemacht wird.

Ich frage Sie: Welcher Bürger in Roßlau soll verstehen, dass er nicht in Dessau zum Amtsgericht geht, sondern in Zerbst? Wenn er dies doch verstehen kann und deswegen die Ausnahme zulässig ist, dann stellt sich die Frage, warum die Bürger des anderen Teils des Landes nicht genauso mit dem bisherigen Zuschnitt der Gerichte leben können. Diese Argumentation erscheint uns nicht schlüssig; zumindest erscheint sie nicht ausreichend, um eine solche Strukturreform zu rechtfertigen.

Die andere Begründung, die heute nicht so deutlich geworden ist, lautet: Durch die Konzentration von Gerichten ist auch eine Spezialisierung der Richter möglich und damit ist für die Bürger eine bessere Justiz vorzuhalten. - Meine Damen und Herren! Bei den Arbeitsgerichten, bei denen diese Spezialisierung stattfindet, ist das relativ unsinnig, da die Arbeitsgerichte Spezialisten sind und nicht mehr weiter zu spezialisieren sind.

Die Begründung, dass eine Präjudizierung nicht stattfinden soll, ist natürlich Unsinn. Denn, meine Damen und Herren, wer ein Grundsätzegesetz macht, überlegt sich sehr genau, wie sich diese Grundsätze im Land auswirken. Deswegen haben wir auch gehört, dass in Zerbst eine Ausnahme gelten muss, weil man, sofern dort die Einräumigkeit der Verwaltung durchgesetzt würde, das Gericht schließen müsste. Also denkt man durchaus dahin gehend voraus, was infolge der Grundsätze ge

schieht, wenn man sie einhält. Im Übrigen ist der Hinweis auf die Unterschiedlichkeit zwischen dem Amtsgericht in Zerbst und dem Arbeitsgericht in Naumburg falsch, weil nämlich die anderen Amtsgerichte auch dem Prinzip der Einräumigkeit unterliegen sollen.

Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass im Rahmen der Anhörung Stimmen laut wurden, die sagten, das Gesetz sei in Ordnung. Explizit kamen diese Stimmen von der Präsidentin des Amtsgerichtes Halle, die im Übrigen die Präsidentin eines Amtsgerichtes mit Ausnahme und somit nicht betroffen ist, und vom Vorsitzenden des Notarbundes, der gesagt hat, er sei Ärger gewöhnt und könne mit jedem Gesetz umgehen. Der Richterbund hat ausdrücklich gesagt, dass es für die Einräumigkeit der Verwaltung keinerlei fachliche Begründung und keine Notwendigkeit gibt.

(Herr Stahlknecht, CDU: Weil er pro domo ge- sprochen hat!)

- Ja, Herr Schwarz mag pro domo gesprochen haben, Frau Jaspers vielleicht auch. Von daher stellt sich die Frage nach der Bewertung einer solchen Aussage in einer Anhörung natürlich immer. Wir laden den Notarbund ja ein, damit er pro domo spricht. Wir wollen ja die Meinung hören. Wenn jeder frei von Zweifeln wäre, dann ergäbe sich die Frage, ob wir überhaupt noch jemanden anhören müssten.

Ein weiterer Aspekt ist mir wesentlich wichtiger. Es geht um die Verordnungsermächtigung. - Meine Damen und Herren! Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit weiche ich ein wenig von meinem Skript ab.

Eine solche Verordnungsermächtigung zielt auf den gesetzlichen Richter ab. Für diejenigen im Haus, die keine Juristen sind, möchte ich Folgendes klarstellen: Das Gebot des gesetzlichen Richters beinhaltet, dass der Gesetzgeber und nicht die Exekutive bestimmt, welchem Richter der Bürger gegenübertritt. Deswegen bestimmt auch der Gesetzgeber und nicht die Exekutive, an welchen Standort welches Gericht seinen Sitz hat.

Das als Argument für die Änderung der Verordnungsermächtigung, wie sie der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vorgeschlagen hat, zitierte Urteil besagt, dass dies grundsätzlich der Gesetzgeber bestimmt und es ausnahmsweise auch möglich ist, diese Befugnis zu übertragen. Für eine solche Ausnahme liegen überhaupt keine Begründungen, keine Tatsachen vor. Die Begründung zu dem Gesetzentwurf, die die Landesregierung aufgeschrieben hat, lautet - ich zitiere -:

„Die Regelung dient allein der Entlastung des Parlaments.“

Vielen Dank für diese Fürsorge. Meine Damen und Herren! Wenn es nur noch darum geht, das Parlament zu entlasten, dann können wir auch heimgehen. Meines Erachtens ist es einfach wichtig, dass sich das Parlament bei der Frage des gesetzlich geschuldeten Richters, einem Verfassungsgebot, nicht das Heft aus der Hand nehmen lässt und sich nicht einfach so lax seine eigene Zuständigkeit aus der Hand nehmen lässt.

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

Herr Stahlknecht, Sie haben damals in der Pressemitteilung ausgeführt, Sie hätten da mit der Laubsäge angesetzt. Bei der Verordnungsermächtigung haben Sie die Axt benutzt, und zwar ungern. Ich habe Ihre Reaktion im Ausschuss ja gesehen. Sie hätten beinahe für unseren

Änderungsantrag gestimmt. Ich fordere Sie auf, das heute zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Dr. Brachmann das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alles, was zu diesem Gesetzentwurf zu sagen ist, hat die Ministerin hier vorgetragen. Wiederholungen will ich mir deshalb ersparen. Aber der Beitrag von Herrn Wolpert und auch der heute vorgelegte Änderungsantrag erfordern doch noch die eine oder andere Reaktion.

Wir hatten im Ausschuss - das ist wiederholt gesagt worden - eine Anhörung, die zu diesem Gesetzentwurf nicht nur Zustimmung, sondern auch kritikwürdige Punkte erbracht hat. Zwei Dinge möchte ich hier benennen.

Das eine ist: Der Grundsatz der Einräumigkeit der Verwaltung sei ein Grundsatz der Verwaltung und nicht der Judikative. Gerichtsbezirke könnten durchaus auch Landkreisgrenzen zerschneiden; Hauptsache, bei den Gerichten bleibt alles so, wie es ist. Dabei ging es insbesondere um Bernburg. Bernburg gehört ja bislang zum Landgerichtsbezirk Dessau und wird künftig als Bestandteil des Salzlandkreises zu Magdeburg gehören. Entsprechendes gilt für die Fachgerichtsbarkeiten.

Frau Ministerin hat hier schon ein Plädoyer für die Einräumigkeit der Verwaltung gehalten. Ich kann mich dem nur nachdrücklich anschließen. Frau Paschke hat vorhin die Frage gestellt, welche Bedeutung man dem Organisationsprinzip der Einräumigkeit der Verwaltung beimisst. Für die Justizstrukturen jedenfalls messen wir diesem Organisationsprinzip eine große Bedeutung bei, und das ist auch gut so.

Ein zweiter Kritikpunkt - darauf zielt der Änderungsantrag der FDP - betrifft die im Gesetzentwurf enthaltene Verordnungsermächtigung. Dazu wurden verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen. Sie waren berechtigt und haben dazu geführt, dass an dieser Stelle eine Änderung vorgenommen worden ist. Das Anliegen dieser Verordnungsermächtigung ist es ja, die Landesregierung zu ermächtigen, bei den Gerichtsbezirken in Zukunft Anpassungen vorzunehmen.

Dabei handelt es sich, Herr Wolpert, schon um Ausnahmen. Es ist richtig, dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, Gerichtsbezirke festzulegen. Aber es ist verfassungsrechtlich ebenso zulässig, Regelungsbefugnisse an die Exekutive zu übertragen, soweit eine solche Verordnungsermächtigung dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entspricht. Dem wird durch die nunmehr vorgeschlagene Formulierung Rechnung getragen.

Es geht um zwei Problemkreise. Bei künftigen Gebietsänderungen innerhalb bestehender Gerichtsbezirke ändert sich nur der Name und sonst gar nichts. Dabei geht es darum, das lediglich zu berichtigen.

Bei dem zweiten Fall geht es darum, dass es in der freiwilligen Phase auch - das ist jedenfalls die Vorstellung der Koalition - zu Änderungen der Gebietsstruktur kommen kann. Um die Gerichtsbezirke zeitnah anpassen zu können, ist eine entsprechende Verordnungsermächtigung sowohl sachgerecht als auch verfassungsrechtlich

zulässig. Deswegen wird meine Fraktion dem Änderungsantrag der FDP nicht zustimmen.

Soweit der Gesetzgeber Gebietszuschnitte selbst gesetzlich regelt, bleibt es ihm natürlich unbenommen, eine Anpassung der Gerichtsbezirke vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird ein erster Schritt vollzogen; das ist hier gesagt worden. Ich war in der letzten Woche - wie andere aus dem Hohen Hause auch - in Dessau zu der Veranstaltung „15 Jahre Justiz“. Die Justiz hat sich gefeiert, weil es in der Tat 15 Jahre her ist, dass die Gerichtsstrukturen, wie wir sie heute haben, errichtet worden sind. Die Frage aber, ob wir uns diese Strukturen heute noch leisten können und wollen, ob sie angesichts der Veränderungen, die wir in den 15 Jahren in diesem Land erlebt haben, zukunftsfähig sind, ist noch unbeantwortet. Wir werden sie uns bald hier im Parlament stellen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herzlichen Dank. Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Wolpert. Herr Dr. Brachmann, sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Bitte.

Herr Brachmann, ich möchte Sie nach Ihrem letzten Satz fragen, in dem Sie ausführten, dass das eine Frage sei, der wir uns werden stellen müssen: Was machen wir eigentlich heute? Heute ändern wir die Gerichtsstrukturen. Wir stellen diese Frage heute, und Sie sagen, die Antwort ist noch nicht gegeben. Das finde ich erstaunlich. Ist das so?

Herr Wolpert, weil hier das rote Lämpchen geleuchtet hat, das mir das Ende der Redezeit anzeigte, musste ich mich bei meinen Ausführungen beschränken. Sie haben aus meiner Sicht das Grundanliegen des Entwurfes, der hier heute zur Beschlussfassung ansteht, nicht so richtig aufgenommen.

(Lachen bei der FDP)

Es geht eben nicht darum, Gerichtsstrukturen zu verändern. Alle Gerichte, die wir heute haben, bleiben, wenn das Gesetz beschlossen wird, bestehen. Wir ändern die Gerichtsbezirke der bestehenden Gerichte; denn wir werden ab dem 1. Juli 2007 - das haben Sie mit beschlossen, Herr Wolpert - veränderte Landkreise im Lande haben. Da nun wiederum die Gerichtsbezirke auf die Landkreise abstellen, bedarf es in diesem Punkt einer Anpassung. Das ist im Grunde genommen mehr Technik.

Ich gebe Ihnen Recht: Wenn man Oschersleben jetzt dem Arbeitsgericht Halberstadt wegnimmt und Bernburg künftig Magdeburg zuordnet, dann hat das Folgerungen für die bestehenden Gerichte; damit tritt auch eine Sub

stanzschwächung ein. Aber der Gerichtsstandort als solcher wird mit diesem Gesetz noch nicht infrage gestellt.

(Zuruf von der FDP: Aber bald!)

Es gibt noch eine weitere Nachfrage. Herr Wolpert, bitte schön.