Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

Es gibt noch eine weitere Nachfrage. Herr Wolpert, bitte schön.

Wenn das Folgen hat, dann frage ich Sie, wie die Ministerin die Auffassung vertreten kann, es hätte keine präjudizierende Wirkung.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Die muss das so machen! - Heiterkeit bei der FDP)

Nein, nein. - Herr Wolpert, wenn Sie den Projektbericht des Ministeriums zur Kenntnis nehmen - ich weiß nicht, ob Sie das gemacht haben; das ist ein dicker Stoß -, dann wissen Sie, dass diese Untersuchungen auf die jetzige Situation ohne dieses Gesetz abstellen. Die Frage also, ob ein Standort geschlossen werden soll oder nicht, wird nicht auf der Grundlage des heute zu beschließenden Gesetzes, mit Gerichtsbezirken, wie sie sich ab 1. Juli dieses Jahres darstellen, sondern auf der Grundlage des Status quo beantwortet. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Bevor ich der Abgeordneten Frau Tiedge das Wort erteile, begrüße ich Damen und Herren vom Kolpingwerk Hettstedt. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Abgeordnete Tiedge, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Brachmann, es ist schon sehr blauäugig von Ihnen, behaupten zu wollen, dass das heute zu beschließende Gesetz keine Auswirkungen auf die Amtsgerichtsstrukturen haben wird;

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und bei der FDP)

denn es ist schon in der Öffentlichkeit gesagt worden, dass sehr wohl zwei Arbeitsgerichtsstandorte zur Disposition stehen. Ich komme im Weiteren noch dazu.

Obwohl ich bereits in der dritten Legislaturperiode Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt bin, bin ich immer noch bekennende Optimistin. So bin ich immer noch der festen Überzeugung, dass Anhörungen nicht nur ein lästiges Anhängsel im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren sind und dass das, was dort von Fachfrauen und Fachmännern erklärt und kritisch vorgetragen wird, von den Abgeordneten nicht bloß wohlwollend zur Kenntnis genommen wird, sondern sich auch in dem zu beratenden Gesetz inhaltlich verändernd niederschlägt.

Nun gut, ich habe das in den vergangenen Jahren in der Praxis kaum oder überhaupt nicht erlebt. Aber, wie gesagt, Optimistin, wie ich bin, gehe ich immer wieder fro

hen Mutes in Anhörungen, so auch in die zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.

(Herr Tullner, CDU: Kommen Sie einmal in den Finanzausschuss!)

Von der überwiegenden Mehrheit der Angehörten wurde übereinstimmend insbesondere die in dem Gesetzentwurf festgeschriebene Verordnungsermächtigung kritisiert. Hauptsächlich wurde darauf hingewiesen, dass diese Regelung verfassungsrechtlich äußerst problematisch sei, da dem Landtag im Hinblick auf das verfassungsrechtlich festgelegte Prinzip des gesetzlichen Richters die Möglichkeit einer Entscheidung genommen wird, insbesondere auch deshalb, weil bei der Beurteilung der Standorte Kriterien wie Bürgernähe, Infrastruktur, Personalkosten sowie die Immobiliensituation herangezogen werden sollten. Diese Kriterien finden sich in dem Gesetzentwurf nun aber gerade nicht wieder. - Also alles so wie immer.

Dieses Problem wird aus unserer Sicht auch durch die neue Formulierung in dem Gesetzentwurf nicht gelöst; denn nach wie vor wird das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht hinreichend bestimmen. Es wird insbesondere auf die Einräumigkeit der Verwaltung hingewiesen, die dann allerdings in dem Gesetzentwurf selbst durchbrochen wird. So spielt die Einräumigkeit aus unserer Sicht zum Beispiel für die Arbeitsgerichtsbarkeit oder auch für die Zivilgerichtsbarkeit keine vorrangige Rolle. Maßgeblich sollten vielmehr zum Beispiel die Erreichbarkeit und die Bürgernähe sein.

Das Gesetz hat sehr wohl Auswirkungen auf die Frage, welche Gerichte geschlossen werden sollen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden unter dem Deckmantel der Einräumigkeit künstlich Tatsachen geschaffen, die dazu führen, dass Gerichtsstandorte mit der Begründung, sie seien nunmehr zu klein, aufgelöst werden können.

Von Anfang an waren die Bestrebungen, die Arbeitsgerichte in Halberstadt und in Naumburg aufzulösen, in dem Entwurf des Konzepts über die Justizstrukturreform verankert. Sachliche oder fachliche Gründe für die Schließung beider Gerichtsstandorte gibt es jedoch nicht. Beide Arbeitsgerichte arbeiten sehr gut. Das Arbeitsgericht Naumburg hat sogar die landesweit höchste Arbeitsbelastung.

Nun greift man aber zu dem folgenden Mittel oder - sollte ich es besser so sagen? - zu dem folgenden Trick: Der bisher zum Gerichtsstandort Naumburg gehörende Kreis Merseburg-Querfurt wird dem Arbeitsgericht Halle und der bisher zum Arbeitsgerichtsbezirk Halberstadt gehörende Bördekreis wird dem Arbeitsgericht Magdeburg zugeordnet. Schon hat man die Tatsachen geschaffen, die bewirken, dass eine große Anzahl von Gerichtseingesessenen wegfallen, die Fallzahlen damit natürlich drastisch zurückgehen und eine Schließung zumindest aus diesem Grund begründet ist. Das heißt, mit diesem Gesetz werden die Grundlagen für die Begründung der Justizstrukturreform gelegt und fundamentiert.

Deshalb ist die Frage der Beschäftigten des Arbeitsgerichts Naumburg an die Landesregierung doch wohl berechtigt, ob das Arbeitsgericht Naumburg dem nicht gelösten Stadt-Umland-Problem der Stadt Halle geopfert werden solle. Das Gleiche könnte auch für den Arbeitsgerichtsstandort Halberstadt und die damit verbundene Stadt-Umland-Problematik der Stadt Magdeburg gesagt werden.

Der Landkreistag hat in seiner Stellungnahme gefordert, dass es im Interesse einer ausgewogenen raumordnerischen und strukturpolitischen Betrachtung eines Gesamtkonzepts bedarf, in das alle Überlegungen zur Neuordnung zum Beispiel der Gerichte, zur Polizeistrukturreform und zur Zusammenlegung von Finanzämtern eingeschlossen werden müssen. Dieser Forderung wird der vorliegende Gesetzentwurf in keiner Weise gerecht.

Wir werden den Gesetzentwurf aus diesem Grund und aus den zuvor genannten Gründen ablehnen. Dem Änderungsantrag der FDP-Fraktion werden wir zustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank, Frau Tiedge. - Als letztem Redner in der Debatte erteile ich jetzt für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Stahlknecht das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wolpert, ich bedanke mich für die Einladung, Ihrem Änderungsantrag zuzustimmen. Es gab Zeiten, in denen wir das gern gemacht hätten. Wir sind aber koalitionstreu und das fällt uns an dieser Stelle noch nicht einmal schwer, Herr Wolpert.

(Herr Bischoff, SPD: Dass Sie das unterstreichen! - Heiterkeit bei der SPD und bei der FDP)

- Ja, das unterstreiche ich gern von hier vorn. Das fällt uns an dieser Stelle aber auch gar nicht schwer.

Zu dem Bereich Ermächtigungsgrundlage. Herr Wolpert, Sie haben gesagt, das wäre sozusagen mit dem Vorschlaghammer gemacht. Es ist ein kleiner Bereich. In der Beschlussempfehlung steht: „Gebietsänderungen von Gemeinden innerhalb eines Amtsgerichtsbezirkes“. Ich habe es mir noch einmal herausgeschrieben. Das sind Marginalien, die passieren, die letztlich nur homöopathische Dosen aus der Kompetenz des Parlaments nehmen. Ich glaube, im Interesse eines relativ guten und schnellen Ablaufs, auch um Festigkeit in den Justizstrukturen zu haben, kann man damit sehr gut leben.

Ich sehe auch nicht das Recht des gesetzlichen Richters verletzt. Das wäre dann der Fall, wenn wir jede Änderung im Wege einer Verordnungsermächtigung in die Hände von Frau Kolb gelegt hätten. Das wäre sicherlich ein Verstoß gegen das Grundgesetz gewesen.

Insofern sage ich an dieser Stelle zu Ihrem Änderungsantrag: Die Botschaft verstehen wir. Aber unsere Bedenken sind nicht so schwerwiegend, dass wir dem Änderungsantrag zustimmen müssten. Wir werden den Änderungsantrag ablehnen.

Die anderen Punkte sind gesagt worden, sowohl von meinem Partner Herrn Brachmann als auch von Ministerin Frau Kolb. Gerichtsbezirke müssen an die Landkreisgrenzen angepasst werden. Tun wir das nicht, dann haben wir ab dem 1. Juli 2007 keine funktionstüchtige Justiz mehr.

Die Einräumigkeit der Verwaltung wurde grundsätzlich beachtet. Die Ausnahmen, Zerbst, sind beschrieben worden: Kostengründe. Hätten wir das nicht gemacht, hätten Sie als Opposition heute reflexartig genau über

die Kosten geredet. Insofern war das für Sie eine charmante Gelegenheit. Sie konnten so oder so schimpfen. Dafür habe ich Verständnis, Herr Wolpert.

(Herr Wolpert, FDP: Hätten Sie das nicht gemacht?)

In Bezug auf Halle, denke ich, ist es eine Frage der Bürgernähe, was den Bürgern zugemutet werden soll, wie weit sie fahren sollen. Auch diesbezüglich ist mit Augenmaß, eben mit der Laubsäge gearbeitet worden. Ich denke, wir beschließen hiermit ein gutes Gesetz.

An der einen Stelle muss ich, ohne meinem Kollegen Herrn Brachmann abweichend in die Parade fahren zu wollen, allerdings sagen: Richtig ist, dass wir mit dem Koalitionspartner die Justiz nach 16 Jahren reformieren wollen. Das hängt mit der demografischen Entwicklung, mit Kostenstrukturen und auch damit zusammen, wie wir Justiz künftig organisieren werden. Natürlich spielt dabei auch dieses Gesetz in gewisser Weise ein Rolle. Das muss man auch gar nicht verleugnen.

Wir werden die zweite Stufe machen. Wir werden den Gesetzentwurf im Mai einbringen und in erster Lesung beraten. Dann werden wir das vernünftig diskutieren. Dann wird es Streit ähnlich wie bei den Finanzämtern geben, weil der eine oder andere Standort auf der Strecke bleiben wird, und der Lokalmatador wird sagen, dass er das gar nicht lustig findet. Ich habe in meiner zweiten Legislaturperiode mittlerweile gelernt, dass das Geschäft so läuft. Wir werden das aber mit Augenmaß machen und wir müssen über bestimmte Dinge nachdenken. Heute ist aber nicht der Zeitpunkt, um darüber zu reden.

Ich bitte um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf und um Ablehnung des Änderungsantrages der FDP.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Stahlknecht, es gibt eine Nachfrage von Herrn Wolpert. Möchten Sie diese beantworten?

Gern. Alles andere hätte mich gewundert.

Sie beantworten sie. - Bitte schön, Herr Wolpert, Ihre Frage.

Herr Wolpert (FDP)

Herr Stahlknecht, auch wenn Sie Ihrem Partner, dem Vorredner der SPD, nicht abweichend in die Parade fahren wollen, gehe ich aber recht in der Annahme, dass Sie ihm in die Parade fahren wollen?

(Heiterkeit bei der FDP)

Herr Wolpert, das war nun wenig zur Sache. Ich fahre ihm nicht in die Parade. Ich habe freundschaftlich ergänzt. Ich denke, dass Herr Brachmann das Grundsätzliche gesagt hat. Ich habe freundschaftlich ergänzt, was wir beide wollen und denken

(Herr Bischoff, SPD: Partnerschaftlich!)

- partnerschaftlich wollen und denken -, koalitionstreu wollen und denken.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir machen hier eine Reform. Das kommt doch richtig nett bei Ihnen an, sehen Sie einmal. - Ich bedanke mich für diese Frage, Herr Wolpert, sehr schön.