Protokoll der Sitzung vom 23.03.2007

Es ist auch - und das ist noch wichtiger - politisch inakzeptabel. Mit fadenscheinigen Argumenten wird ein Reformschritt verhindert, offenbar nur um die Bundesagentur für Arbeit vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen.

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

Wir Liberale sagen deshalb ganz klar: Sinnvolle Reformen dürfen nicht deshalb scheitern, weil eine wissenschaftliche Evaluierung im Gange ist. Wo sind wir denn, meine Damen und Herren?

(Zustimmung bei der FDP und von Herrn Gürth, CDU)

Wir betreiben hier Politik, machen aber keine ständigen Evaluierungen mit dem Ziel, Politik zu verhindern.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Meine Damen und Herren! Wir freuen uns natürlich darüber, dass sich die PDS unserem Antrag anschließt. Ich schaue aber auch zu den Regierungsfraktionen hinüber. Ich glaube, die sehr formalistische Darstellung des Wirtschaftsministeriums, das die Argumente geliefert hat, bzw. des Kultusministers, des vorübergehenden Superministers, der für zwei Ressorts zuständig war, für Bildung und Wissenschaft und für Wirtschaft und Arbeit - das hat mir übrigens sehr gefallen; das hört sich gut an -, zeigt eigentlich eine gewisse Hilflosigkeit. Man ist sich des Problems bewusst, aber man verschanzt sich hinter irgendwelchen Beschlüssen, die gefasst wurden,

als die Detailkonsequenzen der Angelegenheit möglicherweise noch nicht absehbar waren.

(Frau Budde, SPD, zeigt auf die Uhr)

- Frau Budde, erlauben Sie mir doch bei dieser Gelegenheit, meine Redezeit einmal ein klein wenig zu überziehen. Machen Sie nicht so ein böses Gesicht dazu! Wir haben in der Diskussion mehrfach - -

(Frau Budde, SPD: Es wird nicht besser! - Herr Tögel, SPD: Das kann nur der Präsident geneh- migen! - Unruhe bei der SPD)

Lieber Herr Professor - -

Herr Präsident, der letzte Satz.

Das ist lieb.

Wir haben in der Diskussion mehrfach betont, dass es nicht um eine Kuriosität geht, sondern um eine ganz wesentliche Frage der Arbeitsvermittlung in Deutschland und des Abbaus der Arbeitslosigkeit in unserem Land. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Herzlichen Dank, Herr Professor Paqué. Das haben wir gern getan. - Für die CDU-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Take das Wort. Bitte schön, Frau Take.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verhehle nicht, dass Ihre Anträge meine Sympathie haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich sehe durchaus die Notwendigkeit, darüber ausführlich zu sprechen. Die Erfahrungen seit Bestehen der drei Modelle, also Optionsmodell, Arbeitsgemeinschaft und getrennte Trägerschaft, haben gezeigt, dass die kommunale Arbeitsvermittlung um einiges erfolgreicher ist als die beiden anderen Modelle.

Sie als Antragsteller beklagen nicht zu Unrecht unkonforme Strukturen bei der Bundesanstalt für Arbeit nach der Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt. Dabei sehe ich die Gefahr von Überschneidungen und Schnittstellenverlusten bei den entsprechenden Institutionen vor Ort in der Zusammenarbeit mit den Arbeitsgemeinschaften und den optierenden Landkreisen.

Frau Dirlich, Sie führten schon die Problematik im künftigen Salzlandkreis an. Wir haben uns vor Ort umgesehen und festgestellt, dass Arbeitsgemeinschaften durchaus auch erfolgreich sein können. Ich gebe Ihnen aber Recht: Die Koordination der Aufgaben dürfte nicht gerade einfacher werden. Im schlechtesten Fall könnten die Schwierigkeiten bei der Koordination zu einer Verlangsamung der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt führen.

Das darf natürlich auf gar keinen Fall passieren. Daher ist auch die CDU-Fraktion für möglichst einheitliche Organisationsstrukturen bei der Bundesagentur für Arbeit nach der Gebietsreform in Sachsen-Anhalt.

Der Minister sprach soeben an, dass jeder Neukreis die Möglichkeit erhalten soll, sich für ein einheitliches Modell zu entscheiden. Leider sieht der Bund im SGB II keine Veränderungen im Zuge einer Kreisgebietsreform vor. Dazu müsste das SGB II geändert werden, was aus verfassungsrechtlichen Gründen problematisch ist. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist noch anhängig. Nach dem heutigen Stand der bundesstaatlichen Ordnung, nach der Föderalismusreform, wäre das Modell der Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen ohnehin nicht verfassungsgemäß gewesen. Man darf also auf das Urteil gespannt sein.

Auf das Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeit sind Sie schon eingegangen, Herr Professor Dr. Paqué. Deswegen möchte ich mir Ausführungen darüber ersparen. Wenn jetzt zum Beispiel der gesamte Landkreis Anhalt-Bitterfeld, aus dem ich komme, das Optionsmodell anwenden würde, würde eine viel größere Anzahl von Anspruchsberechtigten zu betreuen sein und dadurch würden sich die Ergebnisse der Studie verändern. Also: Eine Neugliederung der Arbeitsamtsbezirke würde dieses Forschungsprojekt gefährden, wird gesagt, da sich damit auch die Datenlage ändern würde. - Ich lasse das einmal so im Raum stehen.

Meine Damen und Herren! Der Minister und mein Vorredner sind bereits sehr ausführlich auf die Fortführung der bestehenden Optionsmodelle und auf den Zusammenschluss der Arbeitsgemeinschaften eingegangen. Ich möchte das alles hier nicht wiederholen.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang jedoch der Hinweis, dass es in den anstehenden Zusammenschlüssen zu keinem Bruch in der Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen und Hilfebedürftigen kommen darf. Dies setzt eine rechtzeitige Koordination und regionale Strategie für den Zusammenschluss voraus.

Bezogen auf die aktuelle Situation ist es sicherlich bedauerlich, dass zum 1. Juli 2007 ohne eine gleichzeitige Aufgabe des Optionsmodells keine einheitlichen Organisationsformen möglich sein werden. Bedauerlich ist auch, dass in absehbarer Zeit kaum deckungsgleiche Strukturen mit den neuen Kreisgebietsgrenzen erreicht werden können. Ein Beinbruch ist das aber dennoch nicht.

Im Finanzbereich der Landkreise wird es administrative Aufwendungen geben, die auf der Ebene der Verwaltung ausgeglichen werden müssen. Das ist klar. Das betrifft auch die Stadt Falkenstein. Der Landkreis Salzland muss dann mit spitzem Bleistift entsprechend aufrechnen.

Im Mittelpunkt stehen aber die Arbeitsuchenden. Für diese wird sich nach dem 1. Juli 2007 nichts ändern. Sie werden ihre Ansprechpartner behalten. Diejenigen, die auf die Grundsicherung angewiesen sind, werden auch ihren Anspruch unverändert behalten.

Ab dem Jahr 2011 wird sich der Gesetzgeber dann ohnehin zwischen dem Optionsmodell und den Arbeitsgemeinschaften entscheiden müssen. Wenn es nach mir ginge, würden wir dann das Optionsmodell haben - darüber würden wir sicherlich glücklich sein -, aber im Moment sehe ich einfach nicht die Grundlagen dafür.

Ich möchte Sie daher bitten, die Anträge der FDP-Fraktion und der Linkspartei.PDS-Fraktion zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen. Ich bitte hierfür um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Herzlichen Dank, Frau Take, für Ihren Beitrag. - Ich erteile jetzt noch einmal Frau Dirlich für die Linkspartei.PDS-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Paqué, ich bin überhaupt nicht erschrocken darüber, dass wir an dieser Stelle eine Übereinstimmung haben. Ich bin davon überzeugt, dass der nächste Sozialismus ein libertärer sein wird

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Lachen bei der CDU und bei der SPD)

oder aber nicht stattfinden wird, weil er kein libertärer ist.

(Herr Scharf, CDU: Das ist ein schwarzer Schim- mel!)

- Nein, das passt.

Meine Damen und Herren! Richtig ist, dass das Thema nun wirklich nicht neu ist. Umso unverständlicher ist - es tut mir leid, aber diese Kritik muss ich an dieser Stelle doch noch los werden -, dass dieses Chaos, das wir jetzt vorfinden, nicht bereits bei den Planungen zur Kreisgebietsreform eine Rolle gespielt hat. Die Ursachen, über die wir gerade diskutieren, liegen in der Kreisgebietsreform, und diese ist nicht wie ein Unwetter über uns gekommen, sondern diese haben wir uns selbst ausgedacht; ich persönlich vielleicht nicht, aber Sie.

Insofern wäre es interessant gewesen, wenn nicht der Kultusminister, sondern der Innenminister zu diesem Thema gesprochen hätte, weil die Probleme aus unserer Sicht genauso auf seinem Tisch liegen wie auf dem Tisch des Wirtschaftsministers.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich finde es aus dieser Sicht interessant und wichtig, dass die Fraktionen der SPD und der CDU vorschlagen, diese Anträge auch in den Innenausschuss zu überweisen. Ich bin damit sehr einverstanden. Ich mache der Einfachheit halber den Vorschlag, dass zunächst über den Antrag der FDP-Fraktion abgestimmt wird, um eine Verhandlungsgrundlage zu haben. Danach kann die Ausschussüberweisung erfolgen.

(Herr Scharf, CDU: Das geht doch nach der Ge- schäftsordnung gar nicht!)

- Wir können auch beide Anträge überweisen und uns im Ausschuss darüber einigen, welches die Arbeitsgrundlage sein soll.

(Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

- Ja, tut mir leid, das ist in Ordnung. - Ich spreche mich ebenfalls für die Überweisung der Anträge in die genannten Ausschüsse aus. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Wir sind damit am Ende der Debatte angelangt. Ich sehe große Übereinstimmung. Es ist beantragt worden, den Antrag in der Drs. 5/579 und den Änderungsantrag in der Drs. 5/604 in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Gibt es noch andere Wünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich darüber abstimmen.

Wenn Sie damit einverstanden sind, dass die Anträge in die genannten Ausschüsse überwiesen werden, dann bitte ich Sie um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Wer stimmt dagegen? - Keine Gegenstimmen. Wer enthält sich der Stimme? - Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Ausschussüberweisung einstimmig zugestimmt worden. Damit verlassen wir den Tagesordnungspunkt 13.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: