Alles dies - das wissen Sie - kostet Geld. Die Steuerung der Haushaltspolitik ist deshalb von entscheidender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Unsere Haushaltssituation ist - darüber müssen wir uns, auch wenn es schmerzlich ist, klar werden -, beurteilt nach einem innerdeutschen Ländervergleich, einfach bedrückend. Unsere Zins-Steuer-Quote ist mit mehr als 19 %, ja fast 20 % im Jahr 2004 die höchste aller deutschen Flächenländer. Nur Bremen und Berlin schneiden noch schlechter ab. Das bedeutet, dass wir bereits jetzt rund ein Fünftel unserer Steuereinnahmen für Zinsen ausgeben müssen. Alle anderen Länder liegen darunter. Mit reichlich 9 % ist diese Quote in Sachsen nicht einmal halb so hoch wie bei uns.
Jährlich gibt Sachsen aus dem Landeshaushalt rund 400 € pro Einwohner weniger aus als wir. Die Entwicklung dort ist keinesfalls schlechter als bei uns. Alle ande
ren neuen Länder liefern den Beweis dafür, dass man mit weniger Geld mindestens ebenso gut sein kann. Der Unterschied liegt eindeutig im nichtinvestiven Bereich und wird bei uns über die höhere Neuverschuldung finanziert. Die Steuerdeckungsquote ist in Brandenburg, Thüringen und Sachsen bereits besser als bei uns. Dass die Schuldenlast pro Einwohner inzwischen bei uns am höchsten ist, hatte ich bereits erwähnt.
Die so genannte Schuldenstandsquote - das ist der Schuldenstand in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt - war schon im Jahr 2003 mit 37,7 % höher als die in allen anderen Flächenländern. Nur Bremen und Berlin lagen auch in diesem Bereich darüber und auch der Bund selbst, aber nur dann, wenn man beim Bund die gesamten Schulden aus dem Fonds „Deutsche Einheit“ hinzurechnet.
Meine Damen und Herren! Das ist die ungeschminkte gegenwärtige Situation. Die jetzige Legislaturperiode ist die letzte, in der ein Umsteuern überhaupt noch möglich ist. Die gegenwärtige Koalition entscheidet damit über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Dessen sind wir uns bewusst.
Am 12. Mai dieses Jahres fand im Sächsischen Landtag eine Aktuelle Debatte über eine eventuelle Länderfusion in Mitteldeutschland statt. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich einmal die Wortprotokolle durchzulesen, damit Sie wissen, was andere von uns und unserer bisherigen Haushaltspolitik denken.
Wir müssen unsere Haushaltspolitik ändern und auf Schwerpunkte für die Zukunftsfähigkeit konzentrieren. Wenigstens gedanklich-konzeptionell - ich weiß, dass das methodisch schwierig ist - müssen die Entscheidungen in einem dreistufigen Verfahren getroffen werden. Darum bitte ich vor allen Dingen die Kollegen aus dem Finanzausschuss.
Erstens muss gewährleistet sein, dass alle regelmäßigen durch Rechtsverpflichtungen gebundenen Ausgaben möglichst durch regelmäßige auf Rechtsverpflichtungen gründende Einnahmen gedeckt werden. Es muss sichergestellt werden, dass regelmäßige Ausgaben nicht durch befristete Finanzhilfen gedeckt werden. An die schon fast peinliche öffentliche Diskussion über eine vorsätzliche enge Interpretation der jährlichen Fortschrittsberichte soll an dieser Stelle nur noch einmal erinnert werden.
In einem zweiten gedanklichen Schritt muss die Finanzierung zeitlich befristeter Projekte mit den angebotenen auch zeitlich befristeten und degressiven Fördermitteln und Aufbauhilfen entschieden werden. Die Kofinanzierung dieser Mittel zu erleichtern, wird unser Hauptanliegen an die nächste Runde der Föderalismusreform sein. Diese Projekte sollen die Infrastruktur verbessern und die eigene Wirtschaftskraft fördern. Sie dürfen nicht auf Dauer angelegt sein.
Der vorhersehbare Konflikt besteht darin, dass wir nicht wenige gegenwärtige projektfinanzierte Maßnahmen haben, die gut laufen und die mit einer auf Dauer angelegten institutionellen Förderung rechnen. Wir müssen wissen, dass wir uns dies nicht alles werden leisten können. Die Träger dieser Maßnahmen müssen wir dann über das programmierte Auslaufen der Projektfinanzierung informieren oder versuchen, sie in neue Strukturen solidarischer Zusammenarbeit zu integrieren.
Erst in einem dritten gedanklichen Schritt muss entschieden werden, ob es noch Finanzierungsnotwendigkeiten gibt, die so unverzichtbar sind, dass wir sie mit Krediten finanzieren dürfen, von denen wir wissen, dass unsere Enkel oder spätere Generationen noch dafür werden arbeiten müssen. Es wird viele Jahrzehnte dauern, bis die Schulden abgearbeitet sind, die wir in weniger als zwei Jahrzehnten aufgenommen haben. Insofern bedeutet der jetzt aufzustellende Haushaltsplan für das Jahr 2007 eine grundsätzliche Weichenstellung.
Die Aufgaben und die Schwierigkeiten sind groß, aber sie sind lösbar. Die wirtschaftliche Entwicklung hat sich im vergangenen Jahr wieder deutlich gebessert; die Konjunkturberichte für das erste Quartal 2006 weisen optimistische Konjunkturprognosen aus. Mit Ausnahme der Bauindustrie wird durchweg von einer guten Auftragslage berichtet. Die Ernährungsgüterbranche, die chemische Industrie und andere Bereiche des verarbeitenden Gewerbes berichten über überdurchschnittliche Wachstumszahlen. Als logische Konsequenz haben sich die Steuereinnahmen verbessert. Durch die innerdeutsche Finanzausgleichsarithmetik wird davon einiges allerdings wieder nivelliert. Auch das müssen wir berücksichtigen.
Wenn wir uns durch steigende Einnahmen nicht gleich zu steigenden Ausgaben verleiten lassen, sondern konsequent die Neuverschuldung reduzieren und alte Schulden versuchen abzubauen, hat unser Land alle Chancen für eine stabile Zukunft. Ob wir unsere Potenziale und Chancen richtig nutzen, wird allein von uns abhängen.
Wir haben echte Wachstums- und Entwicklungspotenziale in unserem Land. Unsere Chancen liegen in einer konsequenten Leistungsorientierung in solidarischen Strukturen. Viele davon haben sich bereits bewährt. Die Netzwerke in der Wirtschaft, die Zweckverbände der Kommunen, die Kooperationsvereinbarungen mit den Hochschulen, die regionalen Verkehrsverbände, die Versorgungsprofilabstimmungen im Gesundheitswesen oder die Gemeinschaftsangebote der Tourismusverbände sind Beispiele dafür. Deren Erfolge machen uns Mut.
Neue Formen der Zusammenarbeit sind möglich. Wenn wir in den bewährten und den neuen solidarischen Strukturen zusammenhalten, haben wir alle Chancen, unsere Potenziale zu bündeln, unser Land weiter aufzubauen und im Wettbewerb mit anderen erfolgreich zu sein.
Die gegenwärtige Koalition, meine Damen und Herren, hat sich entschlossen, Sachsen-Anhalt zu einem Land mit Zukunft zu machen.
Wir rufen Sie alle, meine Damen und Herren, sowie die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf, uns auf diesem Weg zu begleiten und diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen.
Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer, herzlichen Dank für die Abgabe Ihrer Regierungserklärung.
Bevor ich die Aussprache zur Regierungserklärung eröffne, begrüße ich auf der Südtribüne Seniorinnen und Senioren der Volkssolidarität Magdeburg als Gäste. Seien Sie herzlich willkommen!
Der Ältestenrat hat eine Debattendauer von 130 Minuten festgelegt. Die Fraktionen sprechen in folgender Reihenfolge und haben folgende Redezeiten: Linkspartei.PDS 24 Minuten, SPD 23 Minuten, FDP zehn Minuten und CDU 37 Minuten. Das sind die Spielregeln für die jetzige Aussprache.
Ich bitte nun den Abgeordneten Herrn Gallert, für die Linkspartei.PDS das Wort zu nehmen. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Hohen Hauses! Werter Herr Ministerpräsident! Wir haben soeben eine Regierungserklärung gehört - sage und schreibe acht Wochen nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, der nachweislich sehr viele Fragen für die jetzige Legislaturperiode offen lässt - und dennoch haben wir kaum neue und konkrete Antworten gehört.
Aber, Herr Ministerpräsident, - das sage ich mit aller Deutlichkeit - das überrascht uns nicht. Für eine Analyse der politischen Situation des Landes Sachsen-Anhalt ist es notwendig, die letzten Monate Revue passieren zu lassen und dabei die bundespolitischen Rahmenbedingungen nicht völlig außer Acht zu lassen. Da weder in der Rede des Ministerpräsidenten noch im Koalitionsvertrag nennenswert neue Projekte genannt worden sind, muss sich die Bewertung dieser Koalition maßgeblich aus der Bewertung der Vorgängerregierung ableiten.
Mit der Regierung aus CDU und FDP gab es im Jahr 2002 eine deutliche politische Richtungsänderung - im Vergleich zur Tolerierungsphase von 1994 bis 2002.
Landespolitisch wurden die Spielräume zugunsten einer Zementierung des gegliederten Schulsystems, einer sozialen Differenzierung beim Anspruch auf Kinderbetreuung, einer Budgetkürzung für die Hochschulen des Landes und einer damit in vielen Punkten zu kritisierenden Strukturreform genutzt. Über Outsourcing und Investitionserleichterungsgesetze folgte man der Logik, dass eine weitgehende Deregulierung und Privatisierung den Wirtschaftsaufschwung bringen würde.
Bundespolitisch hatte man sich faktisch der schon zu diesem Zeitpunkt agierenden Koalition aus CDU und SPD in Berlin in wesentlichen Fragen untergeordnet. Dazu zählte vor allem die Abstimmung zu den Arbeitsmarktreformen, die nachweislich zu einer weiteren sozialen Polarisierung im Land geführt haben.
Als dazu im Sommer 2004 im Land Sachsen-Anhalt die Proteste artikuliert wurden, hat die Landesregierung eine eher zögerliche Haltung eingenommen und Verständnis artikuliert, um kurz danach im Bundesrat die Dinge wieder kritiklos abzunicken.
Das ist übrigens eine Variante, die vor wenigen Tagen eine Neuauflage erlebt hat: Im Zusammenhang mit den Verschärfungsgesetzen zu Hartz IV hat der hiesige Wirtschaftsminister öffentlich verkünden lassen, dass er die Maßnahmen für das Land Sachsen-Anhalt nicht nachvollziehen kann und nicht für sinnvoll erachtet - wir übri
gens auch nicht, das sei dazu deutlich gesagt -; dies wird aber nichts daran ändern, dass auch diese Landesregierung diesen Gesetzen im Bundesrat wieder kritiklos zustimmen wird.
Wir in diesem Hohen Haus werden bezüglich der Bilanz der Regierung von CDU und FDP sicherlich unterschiedliche Bewertungen haben. Aus unserer Sicht waren es vier verlorene Jahre, die in den zentralen Problemfeldern Sachsen-Anhalts, der sozialen Polarisation, der Verschärfung der demografischen Probleme und der zu geringen Investitions-, Innovations- und Wertschöpfungskraft der hiesigen Wirtschaft keine entscheidenden Fortschritte gebracht haben.
Wichtiger ist in unserer Demokratie jedoch das Votum der Wähler. Die haben am 26. März 2006 über die Regierungsarbeit entschieden. Diese Wähler, meine Damen und Herren, haben mehrheitlich die Regierung von CDU und FDP abgewählt und in diesem Parlament für eine Mehrheit der ehemaligen Oppositionsparteien, Linkspartei.PDS und SPD, gesorgt.
- Sie wollen die Feststellung, die ich eben getroffen habe, doch wohl nicht ernsthaft in Zweifel ziehen, Herr Gürth?
- Dass die CDU und die FDP keine Mehrheit haben, hat der Landeswahlleiter festgestellt und nicht die Linkspartei, Herr Gürth.