Protokoll der Sitzung vom 08.06.2006

Herr Schulz, ich habe eine Frage. Sie sagten, dass die Föderalismusreform die europäische und die globale Entwicklung berücksichtigt. Könnten Sie mir sagen, an welchen Punkten dies der Fall ist?

Sie können doch nicht abstreiten, dass sich die ganze Welt zurzeit in einem großen Umbruchprozess befindet, auf den auch die Nationalstaaten, nicht nur aus der Sicht der globalen Welt, sondern auch aus der Sicht der Europäischen Union reagieren müssen, um den Anforderungen gerade im wirtschaftlichen Bereich gerecht zu werden. Dies ist auch eine Ursache für die Föderalismusreform in der Bundesrepublik Deutschland. - Recht herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Schulz. - Für die Fraktion der Linkspartei.PDS kann die Abgeordnete Frau Dr. Klein erwidern. Bitte sehr.

Herr Schulz, mit der Wirtschaftspolitik haben Sie sich wirklich das schlechteste Feld ausgesucht. Dort haben wir die Hoheit schon abgegeben. Seit 1993 gibt es einen europäischen Binnenmarkt. Dafür sind die Länder nicht mehr zuständig. Die Regeln werden von der EU gemacht. Diesem Umstand müssen wir uns stellen.

Ich bin auf die Reform der Finanzverfassung nicht eingegangen, weil es klipp und klar einen Status quo gibt. Die armen Länder, unter anderem unser Land, waren froh, dass es erst einmal so bleibt, wie es ist. Natürlich wird es im Zuge der Föderalismusreform auch eine Reform der Finanzverfassung geben müssen. Es wird sicherlich auch eine zweite geben. Aber darüber, ob sie nun in fünf oder in zehn Jahren kommt, ist man sich noch nicht einig.

Die Gestaltungskompetenz der Landtage ist das eine. Herr Robra, ich gebe Ihnen völlig Recht. Ich unterschätze uns nicht. Aber ich kenne auch die Kassenlage des Landes Sachsen-Anhalt. Ich denke mir, es wird manches nicht mehr möglich sein, was vorher möglich gewesen wäre.

Zum Beispiel im Hochschulbau. Sicherlich ist die Finanzierung bis zum Jahr 2013 erst einmal festgeschrieben. Aber es ist nur das festgeschrieben, was im bisherigen Rahmenplan Hochschulbau enthalten ist. Dass die Stadt Halle jemals ein geisteswissenschaftliches Zentrum bekommen wird, wage ich zu bezweifeln; denn dafür wird wahrscheinlich aufgrund der Kassenlage unseres Landes kein Geld da sein. Im Rahmenplan ist dieses Vorhaben nicht verankert und es werden keine neuen Projekte mehr aufgenommen. Demzufolge hängt es in der Luft. Das sind die Probleme, die wir haben. Deshalb muss man bei der Einschätzung, was machbar ist, vorsichtig sein.

Das betrifft auch die Zweckbindung der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Natürlich gilt sie bis zum Jahr 2013. Aber wenn diese Zweckbindung wegfällt, dann fällt zum Beispiel die Bindung an das Kriterium der Barrierefreiheit weg, die bei uns jetzt schon mit dem zweiten Investitionserleichterungsgesetz weitgehend weggefallen ist. Wenn nun dort noch die Zweckbindung kippt, wird niemand mehr dazu angehalten, im Bereich des Gemeindeverkehrs barrierefrei zu bauen.

Ich sehe zwar den Willen, aber ich sehe auch die Kassenlage. Unser Ziel ist es, die Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2011 abzubauen. Aber wo soll ich dann noch Geld hernehmen, um zum Beispiel den Wettbewerb mit Bayern zu bestehen? - Sie haben heute oder gestern vielleicht gelesen, dass das Land Bayern sich darum bemüht, separate Verträge mit den Ärzten abzuschließen und aus dem Tarifverbund auszubrechen. Wir können uns das nicht leisten. Wir können nicht mehr viel zugeben. Die Finanzsituation des Landes ist heute schon erläutert worden.

Zum Kooperationsverbot habe ich eine andere Meinung als Sie. Ich halte das Kooperationsverbot durchaus für bedenklich, Herr Robra. Das muss ich so sagen. Solche Programme wie das Ganztagsschulprogramm wird es nicht mehr geben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass der Herr Kultusminister in den letzten Monaten durch das Land gereist ist und freudig überall die Mittel des Bundes ausgegeben hat, damit wir unsere Schulen sanieren können. Ich sehe nichts Schlechtes darin, dass sich der Bund daran beteiligt.

Zur Überweisung in die Ausschüsse. Der Vorschlag ist nett gemeint, aber er bringt nicht viel. Wenn sich die Koalition in Berlin an ihren Fahrplan hält, sind dort am 7. Juli die „Messen gesungen“. Dann können wir hier zwar noch darüber diskutieren, aber wir müssen es ohnehin im Herbst machen. Denn wenn es eine Grundgesetzänderung gibt, kommen die landesgesetzlichen Änderungen, weil wir es umzusetzen haben. Es gibt hierbei einen Zeitdruck. Deshalb haben wir mehrfach versucht, das Thema im Vorfeld anzusprechen.

Die anderen im Antrag genannten Positionen habe ich nicht noch einmal einzeln aufgezählt - Herr Schulz, darin haben Sie Recht -, weil wir über diese Themen seit dem Herbst des vergangenen Jahres immer wieder diskutiert haben. Wir hatten sie auch in die Ausschüsse überwiesen. In einigen Ausschüssen sind genau diese Themen diskutiert worden, in anderen vielleicht nicht. Deshalb war es meiner Meinung nach konstruktiv, Themen anzusprechen, bei denen aus unserer Sicht den Ländern mehr Kompetenzen übertragen werden sollten. Vielleicht hätte ich in meinem Beitrag nicht nur kritisieren, sondern das noch einmal erläutern sollen.

Mit Blick auf die kurze Redezeit kann ich nur sagen: Es stand allen frei, eine Redezeit von zehn Minuten zu beantragen. An dieser Stelle bin ich völlig schuldlos. Ich bin nicht Mitglied im Ältestenrat. Bei dem Gewicht des Themas hätte auch ich mir mehr Redezeit gewünscht. - Danke.

Bitte sehr, Herr Schulz.

Frau Klein, Sie haben die Öffnung der Besoldungsregelung angesprochen. Wären Sie bereit, für ein wenig mehr Geld Ihren Wohnsitz nach Bayern oder Baden-Württemberg zu verlegen?

Herr Schulz, das machen im Augenblick sehr viele. Sie gehen für mehr Geld nach Bayern oder Baden-Württemberg, gerade auch junge Lehrer, weil sie dort besser bezahlt werden. Das weiß ich ziemlich genau.

(Frau Weiß, CDU: Aber nicht nach Bayern und Baden-Württemberg!)

Sie gehen nach Niedersachsen, nach Hessen. Sie gehen überall dorthin, wo sie erstens eine Stelle als Lehrer bekommen und wo sie zweitens auch besser bezahlt werden. Ich kenne in meinem Umfeld sehr viele junge Menschen, die nach Bayern, Baden-Württemberg oder Hamburg gehen, weil sie dort bedeutend mehr verdienen. Die Studie von Frau Dienel besagt eindeutig, dass nicht die Arbeitslosen, sondern diejenigen das Land verlassen, die Arbeit haben und bessere bzw. besser bezahlte Arbeit suchen.

(Herr Borgwardt, CDU: Vor allem Arbeit wollen! - Zurufe von allen Fraktionen - Unruhe)

- Ob ich das machen würde? Ich bin als Landtagsabgeordnete nicht in der Situation.

(Herr Schulz, CDU: Frau Klein, ich glaube, da überschätzen Sie die Dynamik! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe)

Ich bitte, die Zwiegespräche einzustellen. - Herr Schulz, haben Sie noch eine Nachfrage? - Das ist nicht der Fall. Frau Dr. Klein, Sie haben also eine Überweisung abgelehnt?

Ja. Sie ist sinnlos.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/25 ein. Es ist Überweisung beantragt worden. Wir stimmen zunächst darüber ab. Es ist beantragt worden, den Antrag zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen. Eine Mitberatung sollte in den Ausschüssen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, für Soziales, für Inneres, für Umwelt, für Recht und Verfassung sowie für Finanzen erfolgen. Wer der Überweisung des Antrags in

der Drs. 5/25 zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP-Fraktion. Wer ist dagegen? - Das ist die Linkspartei.PDS-Fraktion. Damit ist der Antrag in die genannten Ausschüsse überwiesen worden.

Ich rufe den zunächst zurückgestellten Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung

Berichterstattung über Umweltstraftaten und schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten im Bereich Kreislaufwirtschaft/Abfallwirtschaft

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/33

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/53

Änderungsantrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/59

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Köck. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linkspartei schließt nahtlos an die Parlamentsdebatte vom 19. Januar dieses Jahres an. Diese muss deshalb nicht noch einmal wiederholt werden, auch wenn eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen neu ist.

Frau Ministerin Wernicke ging in ihrem dem Ausschuss für Umwelt am 1. Februar 2006 gegebenen Bericht bereits kurz darauf ein, dass ein Antrag für ein Zwischenlager vorliegt, hielt sich aber ansonsten an den Text ihrer Parlamentsrede. Inzwischen haben wir von zwei Anträgen Kenntnis erhalten, die sich auf zwei Mal 200 000 t Müll bis zum Jahr 2013 beziehen. Es scheint also, als sollte Sachsen-Anhalt nicht nur zum Verbrenner, sondern auch zum Zwischenlager der Nation werden.

Der Druck im Kessel Entsorgungswirtschaft scheint weiterhin stark zuzunehmen. Die Neigung zur ordnungswidrigen Verbringung von Abfällen und die daraus entstehenden Gefahren für Mensch und Umwelt nehmen zu. Häufiger als sonst brennt es. Aus randvollen Lagern von Sortierfirmen steigen beißender, schwarzer Qualm und rußiger Staub auf. Im Nachhinein wird festgestellt, es habe keine direkte Gesundheitsgefährdung gegeben - dank der Vogelgrippe auch keine indirekte.

Frau Ministerin, Quellen für Feinstaub gibt es bei uns zuhauf. Da muss man nicht die Waldbrände in Sibirien als Ursache für die Feinstaubbelastung bei uns heranziehen. Feinstaub wird trotz modernster Filtertechnik auch von unseren Müllverbrennungsanlagen emittiert. Wir müssen Vorsorge dafür treffen, dass andere nicht ihre Luft sauber halten und Sachsen-Anhalt zur Schadstoffsenke der Bundesrepublik degradiert wird. Selbstverständlich werden alle Grenzwerte der 17. BImschV einschließlich einer Emissionsbelastung von maximal 350 µg Staub pro Quadratmeter und Tag eingehalten. Die Hintergrundbelastung liegt in der Regel darunter und so sind die Themen Umwelt und Arbeit ebenfalls im Ausschuss zu besprechen.

Der Alternativantrag der CDU und der SPD kommt unserer Intention entgegen. Wir wollten Sie nur nicht gleich überfordern, indem wir einen sehr komplexen Antrag

stellen. Wir haben gedacht, wir machen es schrittweise. Wenn Sie jetzt aber schon dazu bereit sind, dann sind wir auch dafür. Mit dem Text stimmen wir ansonsten überein. Wir werden Ihren Alternativantrag übernehmen und schlagen Ihnen die geringfügigen Änderungen vor, die Ihnen schriftlich vorliegen.

Der eigentliche Auslöser unseres Antrags ist aber der jüngste Müllskandal, der das Ansehen Sachsen-Anhalts arg ramponiert hat. Bereits im Januar 2006 zeichnete sich eine Betroffenheit Sachsen-Anhalts ab. Jedenfalls war bei den ersten medialen Reflexionen am 13. Januar 2006 in einem Bericht des „Deutschlandsfunks“ von der Verstrickung einer halleschen Firma die Rede. Am 15. Februar 2006 nannte „Radio Prag“ die Firma mit Namen und Hausnummer. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 wurden die Landesregierung und mit Schreiben vom 16. Februar 2006 die Bundesregierung von der tschechischen Seite informiert und zur Rückholung des Mülls aufgefordert. Nun stellt sich heraus, dass Müllschmuggel in Tateinheit mit Urkundenfälschung nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt, also mit dem Überziehen der Parkzeit auf dem Domplatz vergleichbar ist. Mittlerweile soll auch die Bußgeldzahlung vom Tisch sein, weshalb ich ganz bewusst eine Namensnennung der betroffenen Firma vermeide.

Auf den Kosten bleibt allem Anschein nach das Land sitzen. Die Rückforderungen dürften vollends ins Leere laufen; denn der Sitz dieser Firma ist inzwischen bis auf die Grundmauern abgebrannt. Ironie des Schicksals: Die vollen Lager hat es diesmal verschont, dagegen ist der moderne Teil, die Recyclinganlage für Polystyrolabfälle, hinüber.

Kurzum: Gegenstand der Ausschussdebatte sollte auch - ich drücke es vorsichtig aus - das unglückliche Agieren auf internationalem Parkett sein. Wer ein Ultimatum verstreichen lässt, muss sich seiner Position sehr sicher sein. Geradezu demütigend ist es, wenn man hinterher die Forderungen doch erfüllen muss. Das kann verschiedene Ursachen haben. Darüber möchte ich im Ausschuss detailliert informiert werden. Im Bericht der Landesregierung erwarten wir deshalb auch eine lückenlose chronologische Darstellung aller Sachverhalte im Zusammenhang mit dem nicht rechtmäßigen Müllexport.

Wir schlagen vor, den Antrag zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Umwelt und zur Mitberatung in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie in den Ausschuss für Inneres zu überweisen. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Danke sehr, Herr Köck. - Für die Landesregierung wird die Ministerin Wernicke sprechen. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Abfallwirtschaft in Sachsen-Anhalt hat in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung genommen. Noch vor nicht langer Zeit bildete die Deponie ein Kernelement der Entsorgungskonzepte; heute ist sie Gott sei dank ein Auslaufmodell. Nachfolgenden Generationen endlich keine so genannten Reaktordeponien mehr als Altlasten zu überlassen, ist ein wichtiger Teil einer nachhaltigen Entsorgungsstrategie.

Von den am Anfangs des letzten Jahres noch betriebenen 25 Hausmülldeponien sind nochmals 19 geschlossen worden, die den verschärften technischen Anforderung nicht mehr genügen. Ab 2009 werden voraussichtlich nur noch zwei Deponien benötigt, diese aber mit hohen Umweltstandards.

Das Ende der Ablagerung von unbehandelten Abfällen seit dem 31. Mai 2005 war ein wesentlicher Auslöser für den noch andauernden strukturellen Veränderungsprozess der Abfallwirtschaft. Im Rahmen dieses Prozesses entwickelte sich die Abfallwirtschaft gerade unseres Bundeslandes in besonderem Maße zu einem gelungenen Beispiel für die Verknüpfung von aktivem Umweltschutz und attraktivem Wirtschaftsfaktor für den Standort Sachsen-Anhalt. Private Investoren haben sich im Rahmen des Standortwettbewerbs für den Standort Sachsen-Anhalt entschieden, um hier hochmoderne Abfallentsorgungskapazitäten, vor allem Verbrennungsanlagen, zu errichten, die rechnerisch die innerhalb des Landes anfallende Menge übersteigen - und dies vor allem ohne staatliche Fördermittel oder ohne Subventionen. Erst am Anfang dieser Woche ist in Magdeburg-Rothensee der Probebetrieb der Verbrennungslinien 3 und 4 aufgenommen worden.

Die Vorteile für das Land Sachsen-Anhalt liegen auf der Hand: zusätzliche Wertschöpfung, Sicherung von Arbeitsplätzen, langfristige Sicherung von Serviceleistungen für ansässige Handwerks- und Zulieferbetriebe. Die Aufträge während der Bauphase gingen in der Regel an regionale Firmen. Die Ansiedlungsbedingungen für Gewerbe und Industrie sind durch Entsorgungssicherheit, durch Versorgung mit Energie und Belebung der Infrastruktur verbessert worden.

Dem Wettbewerb hierfür einen geeigneten Rahmen vorzugeben, ist Teil der Strategie der Landesregierung. Dazu gehört, weder die konkrete Art der Abfallvorbehandlung noch Standorte oder gar konkrete Anbieter politisch vorzugeben. Dies und die gemeinsamen Vergabeverfahren der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sowie regional übergreifende Entsorgungslösungen trugen dazu bei, dass trotz enormer Leistungen für die Verbesserung der Umwelt die Kosten- und Gebührensteigerungen minimal blieben. Damit stellt sich die Entsorgungssituation in Sachsen-Anhalt wesentlich besser dar als in einer ganzen Reihe anderer Bundesländer.