Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

so die Worte von José Manuel Barroso nach der Einigung im Europäischen Rat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesem Ausspruch kann man sich nur anschließen. Wer hätte gerade vor dem Schwerterwetzen - so will ich es einmal nennen - aus Warschau daran gedacht, dass es tatsächlich möglich ist, sich auf europäischer Ebene noch auf eine weitgehende Übernahme der Verfassungsregelungen in einen Reformvertrag zu einigen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dafür gebührt der Bundeskanzlerin, ihrem Verhandlungsteam und auch dem Außenminister, Frau Kollegin Budde, natürlich Anerkennung.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Budde, Sie hatten „Außenwirtschaftsminister“ gesagt. Es ist der Außenminister.

(Frau Budde, SPD: Entschuldigung!)

Ich habe kein Problem damit, wenn er auch Wirtschaft macht, aber noch ist er für die Außenpolitik zuständig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich diese eine Bemerkung noch machen: Ich bin froh, dass Herr Steinmeier als Sozialdemokrat auch im Umgang mit Russland wieder vernünftige Töne anschlägt und nicht Herrn Putin, wie es der ehemalige Bundeskanzler getan hat, automatisch als lupenreinen Demokraten bezeichnet.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin froh, dass dazu die Worte etwas kritischer - zu Recht kritisch - geworden sind.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zu Europa. Das Verhandlungsergebnis ist ein Erfolg; das

darf man sich auch nicht zerreden lassen. Deshalb ist es wichtig, in die einzelnen Punkte noch einmal hineinzuschauen.

Herr Kollege Czeke, wenn Sie sagen, 95 % seien übernommen worden und das sei eigentlich schlecht, weil es in Frankreich und in den Niederlanden negative Referenden gegeben habe, dann sage ich Ihnen: Ich stimme mit Ihnen in Ihrer Einschätzung zu den Gründen des Neins in diesen beiden Ländern nicht überein.

Denn Umfragen haben gezeigt: Es waren innenpolitische Themen, die die Bürger im Wesentlichen dazu bewogen haben, zu dem Referendum zu gehen und mit Nein zu stimmen. Sie wollten damit deutlich machen, dass man sie mitnehmen muss und ihnen das erklären muss, und zwar das Innenpolitische und natürlich auch das, was Europa betrifft.

Auf der anderen Seite haben wir mehr als 15 Staaten in Europa, die diese Verfassung, diesen Verfassungsvertrag, wie es juristisch genau heißen musste, ratifiziert hatten. Sie können doch nicht einfach sagen. Den zweien kommen wir entgegen und alle anderen - na gut, das war halt viel Spaß.

Ich finde - auch das gehörte natürlich vor einem Rat dazu - die Worte von Jean-Claude Juncker richtig, dass er gesagt hat: Wenn man sich zu weit entfernt von dem Verfassungsvertrag, kann Luxemburg als kleines Land nicht mitgehen. Denn dort herrschte eben die Meinung, der Verfassungsvertrag sei eine gute Grundlage für Europa.

Deshalb, meine sehr geehrte Damen und Herren, ist es richtig, dass wir in einen Reformvertrag eingestiegen sind. Es ist richtig, dass wir weite Teile übernommen haben, weil sie uns fit machen werden. Das ist das, worüber wir auch in diesem Hohen Hause über viele Jahre schon diskutiert haben: Eine Union mit Regelungen für sechs Mitgliedstaaten - die meisten Regelungen zu Institutionen sind nur auf eine Union der sechs kapriziert gewesen - müssen heute in einer Union der 27 Anwendung finden. Dabei kommt man an die Grenzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einstimmigkeit herzustellen zwischen zwei Parteien ist schon schwierig. Das erleben wir tagtäglich auch in Sachsen-Anhalt zwischen den Regierungskoalitionsparteien. Aber Einstimmigkeit zwischen 27 herzustellen, ist fast unmöglich. Dass es aber trotzdem häufig gelingt - ich sage es mal mit dem Zusatz, dass wir meistens sagen: Sie einigen sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner - ist ein Erfolg, spricht für Europa, spricht für den Zusammenhalt der Länder. Sie wollen gemeinsam ihre Zukunft gestalten.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das auch völlig richtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Budde, Sie haben zwei Bereiche herausgegriffen, die Energiepolitik und das Bürgerbegehren. Sie haben gesagt, bei der Energiepolitik hätten Sie sich gewünscht, dass man den Ausstieg aus der Atomenergie festschreibt, auch in Europa. Dazu sage ich Ihnen: Das werden Sie nicht erleben.

(Frau Budde, SPD: Vielleicht meine Kinder!)

Länder wie Finnland und Frankreich haben andere Energiekonzepte und kommen damit auch gut durch. Des

halb glaube ich, dass man einen Energiemix festlegen sollte. Wir sollten uns auch darauf verständigen, dass wir bei erneuerbaren Energien weiterhin die Forschung und auch die Anwendung am Markt ermöglichen, aber wir sollten keine Technologie per se vom Energiemarkt ausschließen. Das ist, glaube ich, wichtig, weil uns die Versorgungssicherheit dazu nötigen wird, dass wir weiterhin auch Strom aus Atomkraft nutzen werden müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich sehr gespannt auf die Beratungen zur europäischen Energiepolitik. Wie werden wir den Mix festlegen? Wird Brüssel die Prozentzahlen festlegen oder werden es die Nationalstaaten tun? Das sind interessante Punkte, zu denen wir uns auch einbringen können. Auch als Landtag können wir unsere Meinung sagen, können wir sagen, was wir wollen. Wir sind ein Land, das durchaus vielschichtig ist, auch hinsichtlich seiner Energieträger. Dazu sollten wir unsere Gedanken einbringen.

Zum Bürgerbegehren. Frau Kollegin Budde, erlauben Sie mir, dass ich heute zu dieser frühen Stunde Folgendes schelmisch anmerke: Ja, das europäische Bürgerbegehren ist richtig; deshalb hat die FDP-Fraktion bereits vor einigen Jahren gesagt: Dann lassen Sie uns eine Volksabstimmung über die Verfassung machen.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Wenn das in der Verfassung und hoffentlich auch im Reformvertrag steht, dann lassen wir auch darüber eben per Volksabstimmung die Menschen die Zukunft Europas mitbestimmen. Dazu waren leider die SPD-Bundestagsfraktion und auch die CDU/CSU im Deutschen Bundestag anderer Meinung; sie haben sich gegen eine Grundgesetzänderung gesträubt.

(Zuruf von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns Liberale möchte ich noch zwei wichtige Punkte anmerken. Ich nehme auf Punkt 32 der Schlussfolgerungen Bezug, in dem explizit dargestellt wurde - das ist für uns wichtig -: Die weitere Stärkung der vier Freiheiten des Binnenmarktes - freier Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr - und die Verbesserung seines Funktionierens sind nach wie vor von größter Bedeutung für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum wird es in den nächsten Jahren auch auf europäischer Ebene gehen: dass wir den Binnenmarkt weiter vorantreiben, dass wir die Harmonisierung vorantreiben, dass wir Hemmnisse abbauen und dass dieser Binnenmarkt,

(Zuruf von Frau Dirlich, DIE LINKE)

der in den letzten 15 Jahren dafür gesorgt hat, dass Europa und auch die einzelnen Mitgliedstaaten eine wirtschaftliche Weiterentwicklung, ein Wachstum gehabt haben, tatsächlich vollendet wird und dass er weiterhin gefördert wird.

(Zustimmung bei der FDP, von Herrn Tullner, CDU, und von Frau Budde, SPD)

Aus unserer Sicht ist natürlich die Grundrechtecharta ein wesentlicher Bestandteil. Ich finde es in der Tat schade, dass man sie wieder etwas hinausgedrängt hat, sie wie

der in die zweite Reihe gestellt hat. Ich sehe es auch mit ein wenig Traurigkeit, dass man die Opt-out-Möglichkeit eingeräumt hat.

Ich weiß zwar, dass das in vielen anderen Bereichen, Herr Kollege Czeke, zum Beispiel in den Bereichen Inneres, Justiz und Asyl, dazu geführt hat, dass Großbritannien und Irland zwar zunächst außen standen, aber als die Regelungen, die Verordnungsvorschläge da waren, sofort gesagt haben: Wir sind dabei, die Verordnung gilt auch für uns.

Dänemark sieht das ein bisschen anders. Die Dänen werden zwar nicht in erster Linie genannt, aber sie sind, gerade was den Bereich Asyl betrifft, derzeit diejenigen, die überhaupt nicht mitmachen, mit denen man also noch bilaterale Verträge brauchen kann.

Aber trotz der positiven Erfahrungen im Innen- und im Justizbereich glaube ich: Gerade bei der Grundrechtecharta werden wir Großbritannien durch die Einführung der Rechtsverbindlichkeit tatsächlich verloren haben. Das finde ich sehr schade.

Man kann nur hoffen, dass man in den nächsten Jahren auch dafür Sorge trägt, dass Großbritannien irgendwann Ja zur Grundrechtecharta sagt. Sie haben keine geschriebene Verfassung. Das ist auch ein Problem bei der Namensgebung gewesen. Die Briten kennen so etwas nicht und haben davor natürlich Angst.

Aber ich glaube, Europa hat in den letzten 50 Jahren bewiesen, dass es einige Skeptiker überzeugen konnte. Ich glaube, wir werden die wenigen Skeptiker auch noch überzeugen. Ich hoffe, dass irgendwann auch einmal die Fraktion DIE LINKE dazu gehören wird und für Europa, für den europäischen Reformvertrag eintritt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Zum Schluss der Debatte hören wir den Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht Herr Schulz. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Jahr hatte die Bundesrepublik Deutschland zum elften Mal den Vorsitz im Europäischen Rat. Ich denke, wir können mit Recht sagen, dass dies der erfolgreichste Vorsitz war.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

International wurde die Arbeit der Bundesregierung überschwänglich gelobt: „Bestnoten“, „extrem erfolgreich“, „exzellente Arbeit“ oder „hervorragend gemanagt“ - so lauteten die Urteile über Kanzlerin Merkel.

Was aber waren die Ursachen für dieses äußerst positive Resümee?

Als Erstes muss natürlich die Einigung auf einen Reformvertrag der EU genannt werden. Diese Einigung kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Dieser Ansicht waren auch meine Vorredner schon.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)