Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Gesetzentwurf auch zu, weil es uns gelungen ist, wichtige Änderungen im Regierungsentwurf vorzunehmen. Mit der Einführung der Übergangsvorschrift zur Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung bei der Änderung oder Ergänzung des Flächennutzungsplanes wird der Abschluss bereits laufender Projekte gesichert. Darüber hinaus wurde auf Anregung der FDP-Fraktion die Verordnungsermächtigung gestrichen sowie das Stimmenverhältnis innerhalb der Verbandsversammlung zugunsten der Gemeinden geändert.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nun einige Anmerkungen zum Verfahren. Man konnte im Verlauf der Beratung zu diesem Gesetzentwurf häufig den Eindruck gewinnen, den Koalitionsfraktionen sei überhaupt nicht klar, wie wichtig die Lösung des Stadt-UmlandProblems ist. Anders kann man sich die Verzögerungs- oder besser Verschleppungstaktik nicht erklären.

Seit der Einbringung des Gesetzentwurfs durch den Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt sind acht Monate vergangen. Die Koalitionsfraktionen waren allein drei Monate lang damit beschäftigt, über die Presse dem Koalitionspartner gegenüber zu erklären, was eigentlich geht und was nicht geht. Heute Vormittag haben wir gelernt, dass das „Nestwärme“ heißt.

Aber auch fraktionsintern muss die SPD viel Freude mit dem Gesetz gehabt haben. Die Abgeordnete Schindler erklärte, sie sei gegen Zwangseingemeindungen in die Stadt Magdeburg. Diese Aussage überrascht wenig, wenn man bedenkt, dass Frau Schindler Kreisvorsitzende der SPD in der Börde ist.

Die Vorsitzende der SPD-Fraktion erklärte nur wenige Tage später zu dem gleichen Thema „Wir könnten auch schneller“, und warf nebenbei ihrem großen Koalitionspartner noch fehlendes Rechtsverständnis vor.

Bei der CDU ist man sich wenigstens einig: Schuld an allem ist die SPD.

(Heiterkeit)

Das Schauspiel gipfelte in der Absetzung des Gesetzentwurfs von der Tagesordnung in den jeweiligen Sitzungen der Ausschüsse für Inneres sowie für Landes

entwicklung und Verkehr. Zur Lösung sei, einer Pressemitteilung nach, nur der Koalitionsausschuss in der Lage - man höre und staune -, ein nicht gewähltes Instrument innerhalb des Parlaments - oder außerhalb?

(Herr Scharf, CDU: Ich kenne den Koalitionsaus- schuss!)

- Ich kenne ihn auch. Ich weiß auch, dass man in diesem Ausschuss Entscheidungen trifft; aber die Gesetze werden immer noch hier beschlossen.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren! So kann man mit wichtigen kommunalen Aufgaben eigentlich nicht umgehen, insbesondere wenn man bedenkt, mit welchen engen zeitlichen Vorstellungen Sie in die Gesetzesberatung gestartet sind. Es war jedoch schnell absehbar, dass sich dabei die Regierungsfraktionen selbst im Wege stehen und dass den Zweckverbänden wertvolle Zeit zur Entfaltung genommen wird.

Angesichts des nun zu beschließenden Leitbildes stellt sich schon die Frage, wie lange Sie den Zweckverbänden Zeit geben wollen, sich zu entwickeln, um dann zu evaluieren, ob dieses Mittel geholfen hat. Aber dies scheint symptomatisch für die Arbeit der großen Koalition in Sachsen-Anhalt zu sein.

Ich erspare mir an dieser Stelle weitere Ausführungen zu den Sommerlochdiskussionen über mögliche Paketlösungen und Verknüpfungen völlig unterschiedlicher Gesetze, beispielsweise des Kampfhundegesetzes mit dem in Rede stehenden Gesetzentwurf.

Ich appelliere aber an das Selbstverständnis der Abgeordneten: Parlamentarische Prozesse gehören in das Parlament. W i r sind aufgefordert, die Entscheidungen zu treffen. Wie bereits zu Beginn angekündigt, haben wir die Entscheidung getroffen, für den Gesetzentwurf zu stimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Nunmehr spricht für die SPD-Fraktion Frau Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon so oft kann ich zu diesem Thema sagen: Inhaltlich stimmen wir in vielen Punkten mit meinem Vorredner überein, aber zu dem Verfahren gibt es natürlich auch andere Auffassungen.

Seit der Einbringung des Gesetzentwurfs gab es, wie es der Berichterstatter Herr Madl bereits dargestellt hat, umfangreiche Diskussionen zu diesem Gesetz. Man kann durchaus unterschiedliche Vorstellungen haben.

Ich betone an dieser Stelle, dass das Gesetz das Ergebnis des § 2 des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes aus der letzten Legislaturperiode ist, dem die SPD-Fraktion seinerzeit nicht zugestimmt hat. Damit erklärt sich wahrscheinlich auch der eine oder andere Streit innerhalb unserer Fraktion.

Ziel des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes ist die Stärkung der Oberzentren Halle und Magdeburg - so steht es darin. Nun kann man sich - auch innerhalb einer Fraktion und innerhalb einer Koalition - trefflich

über den Weg hin zur Stärkung der Oberzentren streiten. Auch bei den Diskussionen zum Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz wurden die Argumente dazu ausgetauscht.

Aus diesen Beratungen heraus ist aber deutlich geworden - das haben Sie auch geschildert -, dass die StadtUmland-Beziehungen verbessert werden müssen. Wir konnten verfolgen - und das nicht zuletzt in der Anhörung im Landtag -, wie die Zusammenarbeit aus der jeweiligen lokalen Sicht gesehen wird.

Es gibt gute Beispiele für eine gute Zusammenarbeit zwischen Oberzentren und Umland. Als lobenswert möchte ich das von mir sehr gern angeführte Beispiel der Zusammenarbeit zwischen der Stadt Magdeburg und der Gemeinde Sülzetal nennen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Jawohl!)

Es geht, wenn man bereit ist, eigene Interessen zurückzustellen und einen Kompromiss zu finden, der beiden Partnern hilft.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre und von Herrn Schröder, CDU)

Leider ist das aber noch immer eine Ausnahme.

Das Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz bietet die Grundlage für ein schrittweises Vorgehen zur Verbesserung und Organisation der Zusammenarbeit. Auch die im ersten Schritt vorgesehene freiwillige Bildung von Zweckverbänden kam leider nicht zustande. Selbst die Zeit bis zur heutigen Verabschiedung des Gesetzes, die immer noch in die Phase der Freiwilligkeit fällt, wurde leider nicht genutzt.

Die Bildung der Zweckverbände zur gemeinsamen Flächennutzungsplanung kann dazu beitragen, eine engere Abstimmung zwischen den Interessen des Oberzentrums und des Umlandes zu erreichen. Darüber hinaus kann dies ein erster Schritt sein, um diesen Verbänden weitere Aufgaben zu übertragen.

Die Verlagerung der Flächennutzungsplanung auf den Stadt-Umland-Verband beschränkt die Gemeinden nicht in ihrer Selbstverwaltung, da jede der beteiligten Städte und Gemeinden zur Wahrung ihrer Planungshoheit im Beschlussorgan des Verbandes, der Verbandsversammlung, vertreten ist.

Auch in der Vergangenheit gab es einen besonderen Abstimmungsbedarf. Diese Aufgabe wird nun koordinierend dem Zweckverband übertragen. Ich kann nur an alle Beteiligten appellieren, dies als Chance für die Region und für die jeweilige Stadt und die jeweilige Gemeinde zu sehen und sich konstruktiv in die Arbeit des Zweckverbandes einzubringen. Der gesetzliche Rahmen für die Zusammenarbeit wird mit diesem Gesetz geschaffen. Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit erfolgt vor Ort.

Die SPD-Fraktion wird dem Gesetz zustimmen und bittet auch die anderen Fraktionen darum, sich diesbezüglich zu entscheiden. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Vielen Dank, Frau Schindler. - Nun erteile ich Herrn Grünert von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regelung der Stadt-Umland-Verhältnisse durch interkommunale Zusammenarbeit kann eine Möglichkeit zur Lösung der Stadt-Umland-Probleme der kreisfreien Städte Halle und Magdeburg darstellen und wurde seitens unserer Fraktion, insbesondere bezogen auf den Raum Magdeburg, auch in Erwägung gezogen. Jedoch haben wir gegen die jetzt vorgesehene zwanghafte Umsetzung erhebliche Bedenken.

Die konzeptionellen Aussagen der LINKEN in den letzten Jahren liefen prinzipiell auf eine Ablehnung von Zwangseingemeindungen hinaus. Das von uns entwickelte ordnungspolitische Konzept des Regionalkreises hebt nach unserer Auffassung die Notwendigkeit eines Zweckverbandsmodells auf.

Gemäß § 1 des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes sollen die kreisfreien Städte als Kerne einer Region wirtschaftlichen Wachstums und als Schwerpunkte der Daseinsvorsorge unter gleichzeitiger höchstmöglicher Wahrung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen im Umland der kreisfreien Städte gestärkt werden.

Kommunen sind gemäß Artikel 87 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt Städte und Gemeinden sowie Landkreise. Dieser Intention entsprechend muss die Handlungsfähigkeit der betroffenen kreisangehörigen Städte und Gemeinden sowie Landkreise grundsätzlich auch weiterhin gesichert bleiben.

Zwangseingemeindungen stehen diesem Ziel entgegen, sie schränken die Entwicklungsfähigkeit der betroffenen Landkreise und ihrer übrigen kreisangehörigen Gemeinden erheblich ein und schaffen für die gesamte Region eine hohe Rechtsunsicherheit. Sie werden deshalb von uns abgelehnt.

Wir unterstützen das Ziel des Gesetzentwurfes, die Stadt-Umland-Beziehungen über eine Organisationsform der kommunalen Zusammenarbeit zu regeln. Allerdings wird nach der Auffassung der LINKEN die freiwillige Mitgliedschaft in Zweckverbänden dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht am besten gerecht.

Möglichkeiten freiwilliger Zusammenschlüsse wurden aufgrund des Festhaltens an der starren Einstimmigkeitsregelung von vornherein ausgeschlossen. Sowohl die Stadt Magdeburg als auch die Stadt Halle hatten mit den Umlandgemeinden in gleicher Augenhöhe ausgehandelte Vereinbarungen getroffen, die jedoch von einigen wenigen Gemeinden nicht akzeptiert oder - so kann man es auch sagen - boykottiert wurden. Damit war die geforderte Einstimmigkeit nicht erzielbar.

Die jetzt getroffenen Vereinbarungen bleiben in vielen Fällen zum Schaden der betroffenen Kommunen hinter den bereits ausgehandelten Ergebnissen zurück.

Die Anhörung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf war durch zahlreiche kritische Stellungnahmen und Bedenken geprägt. Diese Bedenken und Hinweise fanden jedoch kaum Widerhall in der Arbeit der Landesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen.

Die marginal geänderte Beschlussvorlage wurde im Ausschuss für Inneres sowie im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr keinerlei substanzieller Veränderung unterzogen. Offen bleibt insbesondere die Berücksichtigung der mit der beabsichtigten Gemeindegebiets

reform zu bildenden neuen Einheitsgemeinden im Umkreis der Oberzentren. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Pflichtzweckverbände zukünftige Gemeinden aufspalten werden. Die vorliegende Beschlussempfehlung klammert die beabsichtigte Gebietsreform gänzlich aus und wirft aus unserer Sicht mehr Fragen auf, als sie zu lösen vermag.

So ist die gemeinsame Flächennutzungsplanung als einziges Instrument des Pflichtverbandes zum Ausgleich von Stadt-Umland-Problemen umstritten und rechtfertigt aus unserer Sicht in keiner Weise diesen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, da sie nicht allein als Schlüssel zur Lösung der Stadt-Umland-Problematik gesehen werden kann.

Kennzeichen einer attraktiven Region sind vielmehr übergreifende Angebote und deren Finanzierung. Hierzu gehören unter anderem die bedarfsgerechte Organisation des öffentlichen Nahverkehrs im gesamten Verflechtungsbereich, eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung sowie die Naherholung oder der Betrieb von überörtlichen Einrichtungen wie Theater, Sportstätten und anderen.

Im Ergebnis der vorgeschlagenen Regelungen werden die planerischen Möglichkeiten der Städte und Gemeinden geschwächt, da die bereits beschlossenen regionalen Entwicklungspläne wiederum einer Veränderung durch die zu erarbeitenden Flächennutzungspläne der Zweckverbände unterliegen. Damit wird aus unserer Sicht die derzeitige Planungssicherheit, insbesondere die der übrigen zentralen Orte, für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren eingeschränkt bzw. aufgehoben. Für die Entwicklung der Regionen ist dies aus unserer Sicht kontraproduktiv und verursacht weitere Kosten.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Probleme der infrastrukturellen Verflechtungen im Stadt-UmlandBereich nur unter Einbeziehung der kreislichen Aufgaben einer Lösung zugeführt werden können. Auch diesbezüglich sind die Hausaufgaben noch nicht gemacht worden; die Ergebnisse einer zukünftigen Funktionalreform sind noch nicht absehbar.