Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Mir ist es immer noch ein Rätsel, warum der Landtag einen solchen Beschluss vor der Verfassungsgerichtsentscheidung gefällt hat; denn seit Dienstag wissen wir, dass nicht die Politik, sondern die KEF die Aufgabe hat, den angemeldeten Gebührenbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu bewerten und eine Empfehlung daraus abzuleiten. Anders gesagt: Der Landtagsbeschluss kann eigentlich getrost in den Papierkorb geworfen werden. Die Realität hat die Politik eingeholt.

Einige in der Politik hatten gehofft, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Gebührenfrage die Politik vielleicht sogar stärken würde. Dies ist aber nun einmal nicht geschehen. Gestärkt wurde hingegen der öffentlich-rechtliche Rundfunk, und zwar ausdrücklich als System. Hierzu gehören Staatsferne und die damit verbundene Rundfunkfreiheit, was von uns auch ausdrücklich begrüßt werden kann.

Gestärkt wurde mit der Verfassungsgerichtsentscheidung aber auch das duale Rundfunksystem in Deutschland an sich; denn das Gericht hat in seiner Urteilsbegründung klargestellt, dass es neben den kommerziellen Rundfunkanbietern eines gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf, der sich inhaltlich

und vor allem von seinem Auftrag her klar gegenüber den kommerziellen Anbietern abgrenzt. Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen anderen Auftrag als private Anstalten hat, dürfte in diesem Haus unstrittig sein.

Die kommerziellen Anbieter orientieren sich logischerweise am freien Markt nach dem Motto: Wir senden, was sich verkauft. Das ist auch völlig okay; denn die kommerziellen Anbieter müssen hauptsächlich eines tun: Sie müssen Werbezeiten verkaufen und Geld verdienen. Das meine ich überhaupt nicht vorwurfsvoll. Das ist nun einmal ihre Aufgabe.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat aber einen klaren gesellschaftlichen Auftrag. Demnach müssen die Programme den Zuschauern umfassend und ausgewogen Information, Bildung und Kultur anbieten. Ich sage aber auch deutlich, dass auch Unterhaltung dazugehört. Hierbei sind bestimmte journalistische und ethische Prinzipien einzuhalten.

Das Verfassungsgericht kam dann zu der Ansicht, dass sich im ausschließlich freien Markt kein demokratietauglicher Rundfunk entwickeln könne. Die Zitate, die Herr Robra angeführt hat, bezogen sich nach meiner Lesart nicht auf die Werbezeiten, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorbehalten sind, sondern eher auf die kommerziellen Anbieter; denn das Verfassungsgericht hat gesagt, dass insbesondere die Werbefinanzierung den Trend zur Massenattraktivität und zur Standardisierung des Programms stärkt.

Ich bin sehr offen für eine Debatte darüber, ob man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk komplett werbefrei machen sollte. Nur ich weiß nicht, ob erstens den Gebührenzahlerinnen und -zahlern eine dadurch entstehende höhere Rundfunkgebühr zu vermitteln ist. Zweitens weiß ich nicht, ob man ausschließlich die kommerziellen Anstalten am Werbekuchen beteiligen sollte, weil dann der Wettbewerb zwischen den beiden, der ausdrücklich gewollt ist, nicht mehr stattfinden würde.

Dann muss man als Beispiel auch sagen, dass das MDR-Fernsehen komplett werbefrei ist. Lediglich die Hörfunkwellen Jump und MDR 1, also bei uns der Landessender MDR 1 Radio Sachsen-Anhalt, dürfen werben. Aber ansonsten sind auch sämtliche Hörfunkprogramme werbefrei. Ich glaube nicht, dass die Werbung in den öffentlich-rechtlichen Anstalten den Konsumenten erdrückt.

Ich fand es auch bemerkenswert, dass das Gericht erklärt hat, dass der Wettbewerbsdruck häufig zu wirklichkeitsverzerrenden Darstellungen führe, zum Beispiel zum Bevorzugen von Sensationellem. Das ist aus meiner Sicht auch keine Schelte für die kommerziellen Rundfunkanbieter. Es ist aber aus meiner Sicht eine Wertschätzung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der für das Funktionieren einer Demokratie unerlässlich erscheint.

Trotzdem stehen nach wie vor natürlich auch einige offene Fragen im Raum. Wie hoch darf die Rundfunkgebühr in der Perspektive steigen? Gibt es eine Art Obergrenze? Was ist sozial verträglich und was ist unverträglich? Diesbezüglich steht natürlich auch die Grundsatzfrage nach dem Gebührenmodell der Zukunft im Raum. Ich bin sehr gespannt, was an Vorschlägen von den Ministerpräsidenten bzw. von der Rundfunkkommission der Länder kommen wird. Bisher gibt es ein paar Denkmodelle, die natürlich noch kein ausgereiftes Gebührenmodell darstellen.

So gibt es von der ehemaligen Steuersenkungspartei - ich meine die FDP - den Vorschlag einer Haushaltsabgabe, die quasi als neue Steuer vom Finanzamt eingezogen werden soll. Ich wundere mich nach wie vor, dass gerade die FDP eine neue Steuer hierfür in die Diskussion bringt. Die SPD hat jetzt auch ähnliche Vorschläge gemacht.

Ich will nur zu bedenken geben, dass es erst jüngst diesen Beihilfestreit zwischen der EU und Deutschland um das öffentlich-rechtliche Fernsehen gab. Meine Prognose wäre, dass wir nach der Umwandlung der Rundfunkgebühr in eine Steuer einen viel schärferen Streit mit der EU bekommen würden und diese Steuer von der EU wahrscheinlich sofort einkassiert werden würde. Deshalb halte ich diesen Weg für sehr problematisch.

Grundsätzlich will ich aber sagen, dass es keine Denkverbote in der Debatte geben darf. Alles, was die Bürgerinnen und Bürger finanziell entlastet und ebenso den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter stärkt, sollte in die Debatte eingebracht werden.

Dann wird immer so schön gesagt, wir müssen das Interesse des Gebührenzahlers berücksichtigen. Was ist das Interesse des Gebührenzahlers? Das Interesse des Gebührenzahlers kann nicht ausschließlich eine niedrige Rundfunkgebühr sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, dass das Interesse des Gebührenzahlers auch darin besteht, ein qualitativ anspruchsvolles Programm geliefert zu bekommen. Das zeigt schon einmal, welcher Spagat bei der Festsetzung der Gebühr gemacht werden muss. Innerhalb der LINKEN wird gegenwärtig darüber diskutiert, ob denn die Gebührenausfälle, die aufgrund von Befreiungstatbeständen entstehen, von staatlicher Seite ersetzt werden sollten.

Das klassische Beispiel hierfür sind die Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II. Sie sind von der Gebühr befreit, diese Ausfälle werden aber den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht ersetzt. Das führt zum Beispiel zu einer eklatanten Verschlechterung der finanziellen Situation gerade bei den beiden ostdeutschen Rundfunkanstalten. Bei anderen Gebühren, wie zum Beispiel der Abwassergebühr, wäre es völlig undenkbar, dass man sagt: „Ihr seid von der Gebühr befreit, aber der Abwasserzweckverband bekommt nichts von uns“, und die Verbände müssten ihre Gebühren prozentual anheben. Würde man diese Ausfälle ersetzen, würde die Rundfunkgebühr insgesamt um 1,60 € sinken können.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist eine interessante Theorie!)

Im Übrigen wird genau so in Österreich verfahren und in Österreich hat die EU diese Ausgleichszahlung nicht als Beihilfe gewertet. Mit einer solchen Maßnahme könnte man die Gebührenzahler entlasten, ohne den öffentlichrechtlichen Rundfunk finanziell zu gefährden.

Ich will noch zu einem letzten Punkt etwas sagen, der auch vom Bundesverfassungsgericht angesprochen worden ist, nämlich: Das Gericht hat dem öffentlichrechtlichen Rundfunk ausdrücklich eine Entwicklungsgarantie in der digitalen Welt zugesprochen und hat ausdrücklich Einschränkungen hierbei untersagt. Ich denke, das war längst überfällig, denn genauso, wie es den privaten kommerziellen Veranstaltern gestattet ist, sich online oder digital zu verbreiten, muss dies auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestattet sein.

Im Übrigen war die Kritik an der Digitalisierungsoffensive, die auch aus der Politik kam, ein gutes Beispiel dafür: Wie man es macht, macht man es verkehrt. - Jahrelang hat man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgeworfen - auch vonseiten der Politik -, man mache dort ein antiquiertes Programm für hauptsächlich ältere Leute und würde jüngere Zuschauer ausblenden. Jetzt wendet sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade und ausdrücklich einer jungen Generation zu, die auch auf andere Verbreitungswege setzt, und schon kommt der Vorwurf, das sei nicht öffentlich-rechtlicher Auftrag. - Ich bin dem Verfassungsgericht sehr dankbar, dass hierzu nun eindeutig Position bezogen worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu dem Kostenargument will ich noch eines sagen: Die beim ZDF entstandene Mediathek kostet lediglich 2 Millionen €. Das ist in Anbetracht des Gesamtetats des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Klacks.

(Herr Tullner, CDU: Aber die Folgekosten haben wir noch nicht berechnet!)

- Welche Folgekosten?

(Herr Tullner, CDU: Die Mediathek muss ja ge- wartet werden!)

- Nein, das sind die 2 Millionen €, Herr Tullner.

Meine Damen und Herren! Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts wurde über die Frage spekuliert: Wer ist denn dabei nun der Gewinner und wer ist der Verlierer? Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk der große Gewinner ist, wird wohl von niemandem mehr bestritten. Doch wer hat denn nun eigentlich verloren? - Ich halte mich bei solchen Einschätzungen persönlich gern etwas zurück.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich will an dieser Stelle einmal den SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck zitieren. Er sagte der „Süddeutschen Zeitung“ in dieser Woche:

„Eine Niederlage haben die erlebt, die versucht und erzwungen haben, indirekt Medienpolitik über den Gebührenstaatsvertrag zu machen.“

Da ich ihm diesbezüglich völlig Recht geben muss, habe ich dem auch nichts mehr hinzuzufügen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Gebhardt. - Als letzter Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Borgwardt für die CDU sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der letzte Hinweis vom Kollegen Gebhardt hat offensichtlich folgende Logik: Je mehr Hartz-IV-Empfänger, je niedriger die Rundfunkgebühr.

(Zuruf von Herrn Gebhardt, DIE LINKE)

Wären wir alle Hartz-IV-Empfänger, bekämen wir also noch Geld heraus. Das ist eine zwingende Logik, die wir wahrscheinlich noch einmal vertiefend im Ausschuss besprechen müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber ich möchte doch gern zur Sachlichkeit zurückkommen. Da sich alle meine Vorredner bei der FDP, bei Herrn Kosmehl, bedankt haben, mache ich das namens der CDU ausdrücklich auch.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann mich noch sehr gut an die Debatte erinnern - im Februar war sie, glaube ich -, als ebenfalls der Kollege Gebhardt meinte - er hat es heute noch einmal wiederholt -, dass der Antrag der Koalition ein reiner Schaufensterantrag sei, der nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil obsolet werden würde. Ich glaube, das ist ein Irrtum. Gerade in einem wesentlichen Punkt hat unser Landtagsbeschluss, der auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gebührenzahler abhebt, das bestätigt. Das hohe Gericht führt in seiner Urteilsbegründung aus - ich zitiere -:

„Ist dem Gesetzgeber die abschließende Entscheidung über die Festsetzung der Gebührenhöhe vorbehalten, übernimmt er die politische Verantwortung für die Gebührenhöhe. Damit kann er auch zur Sicherung der Akzeptanz der Entscheidung bei den Bürgern beitragen, und zwar insbesondere dadurch, dass er die Interessen der Gebührenzahler in seine Entscheidung einbezieht.“

Genau dieser Aspekt bewog uns, die KEF zu bitten, in ihrem 16. Bericht, der maßgeblich für die Rundfunkgebührenhöhe ab 1. Januar 2009 ist, der Prüfung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein besonderes Augenmerk zu schenken. Wir wollen die Entscheidungsfreiheit haben, unterhalb der KEF-Empfehlung zu bleiben, wenn die Gebührenzahler durch die Höhe der Rundfunkgebühren unangemessen belastet werden. Es kann nicht sein, dass die Nettoeinkünfte der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sinken, gleichzeitig jedoch die Rundfunkgebühr periodisch angehoben wird.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Graner, SPD)

Einem solchen Automatismus - der Minister sagte es auch - werden wir nicht zustimmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht gegen eine Vollindexierung, das heißt die Koppelung der Rundfunkgebühr an die Inflationsrate, keine Rechtsbedenken hat, ist dies für die CDU kein gangbarer Weg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU bekräftigt abermals ihr Festhalten am dualen Rundfunksystem sowie an der Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Außer Zweifel steht auch, dass das Programmangebot des öffentlichrechtlichen Rundfunks auch für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für eine neue Verbreitungsform offen bleiben muss.

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil bietet hierzu nichts Neues, sondern bekräftigt die gefestigte Rechtsprechung des Gerichts, wie man unschwer am Fundstellennachweis in der Urteilsbegründung erkennen kann. Wir erwarten jedoch - dies ist im digitalen Medienzeitalter erforderlicher denn je -, dass der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar definiert wird, damit es keine uferlose Expansion öffentlich rechtlicher Angebote auf Kosten der Gebührenzahler geben kann.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD)