Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Danke sehr, Frau Dr. Hüskens. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Brakebusch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aufgrund des vielfach zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts muss die Förderung der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in den Bundesländern nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellt die Landesregierung die Schwangerschaftskonfliktberatung in Sachsen-Anhalt auf die erforderlichen rechtlichen Grundlagen. Künftig werden die Arbeit und die Förderung der Beratungsstellen per Gesetz geregelt und nicht, wie bisher, per Richtlinie.

Neben den Anforderungen an die Beratungsstellen und die daraus resultierende Förderung werden darin auch die staatliche Anerkennung und die Auswahl der Beratungsstellen im Falle eines Überschreitens des bundesgesetzlich festgeschriebenen Beratungsschlüssels gesetzlich normiert.

Bekanntermaßen sieht der Beratungsschlüssel für je 40 000 Einwohnerinnen und Einwohner mindestens eine Beratungskraft in Vollzeitbeschäftigung bzw. eine entsprechende Anzahl von Teilzeitbeschäftigten vor. Dieser Schlüssel wird in Sachsen-Anhalt derzeit geringfügig überschritten.

Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass wir uns mit diesem vermutlich nicht zu vermeidenden Stellenabbau sehr schwer tun. Da wir um diese Gefahr wussten, haben wir im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens die Landesregierung gebeten zu prüfen, ob die Förderung wie bei der Insolvenzberatung durch Fallpauschalen finanziert werden könne. Leider hat die Prüfung ergeben, dass dieser Weg aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben nicht möglich ist und uns damit verschlossen bleibt. Wir werden daher wohl nicht umhinkommen, den vorgezeichneten Weg zu gehen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir das erforderliche Instrument, um die erforderlichen Maßnahmen treffen zu können, um den Bestand an Beratungskräften den demografischen Gegebenheiten im Land anpassen zu können.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem bereits erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben die Richter auch über den Umfang der Förderung der Beratungsstellen entschieden. Danach müssen die Länder mindestens 80 % der Personal- und Sachkosten der Beratungsstellen tragen. Die Begründung ist, dass der Staat die Verantwortung für die Schwangerschaftsberatung tragen muss. Allerdings führt das Gericht auch aus, dass der Staat nicht alles zahlen müsse und auch nicht sollte, um die Eigenverantwortung der Träger zu fördern.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung trägt dieser Forderung Rechnung, indem er in § 5 Abs. 2 regelt, dass ein öffentlicher Förderanteil in Höhe von mindestens 80 v. H. der notwendigen Personal- und Sachkosten angemessen ist. Bisher finanziert das Land einen Anteil von 80 bis 100 % der förderfähigen Kosten. Beim Lesen dieser Passage des Gesetzentwurfes hatte ich große Sorge, ob mit dieser Regelung die Schwangerschaftsberatung im Land wie bisher fortgesetzt werden könne.

Losgelöst von dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir in der letzten Sitzung des Ausschusses für Soziales auch hinsichtlich der Zukunft der Schwangerschaftsberatung im Land ein Fachgespräch mit den Trägern geführt. Die dabei von den Trägern geäußerten Bedenken nehmen wir sehr ernst. Wir werden auch nach Lösungsmöglichkeiten für eine katholische Konfliktberatungsstelle suchen. Sicherlich werden wir Möglichkeiten hierfür finden. Ich bin jedenfalls sehr zuversichtlich.

Vor diesem Hintergrund bin ich Ministerin Frau Dr. Kuppe sehr dankbar, dass sie hier und heute ausdrücklich erklärt hat, weiterhin in dem bisherigen Umfang fördern zu wollen. Haushaltsseitig hat die Landesregierung im Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2008/2009 bei Kapitel 05 02 Titelgruppe 61 Vorsorge getroffen, damit wir

auch so verfahren können. Dies ist eine Lösung, die meines Erachtens sowohl dem Anliegen des Landes als auch dem Anliegen der Träger angemessen Rechnung trägt.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte im Namen der CDU-Fraktion um Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Soziales und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Inneres und für Finanzen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Frau Brakebusch. - Für DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Bull.

Meine Damen und Herren! Ich will es gleich vorwegnehmen: Auch wir werden für die Überweisung und damit für die Debatte zu dem Gesetzentwurf im Ausschuss stimmen, allein deshalb, weil ich denke, dass die Schwelle dafür, sich selbst einer Beratung im Ausschuss zu verweigern, sehr hoch angesetzt sein sollte. Ich will dennoch sagen, dass ich deutlich mehr Kritik an dem Gesetzentwurf habe als meine Vorrednerinnen.

Punkt 1. Die Ursache für das vom Bundesverwaltungsgericht gesprochene Urteil ist mehrfach beschrieben worden. Es muss eine Mindestfinanzierung in Höhe von 80 % durch den Staat geben respektive als höchstmöglicher Eigenanteil der Träger ist ein Anteil von 20 % zumutbar.

Die Situation in Sachsen-Anhalt ist derzeit so, dass das Finanzierungsverhältnis etwa bei 90 : 10 liegt. Frau Ministerin, Sie sagen, dass damit zu rechnen sei, dass die Finanzierungsstruktur im Wesentlichen gleich bleiben werde. Ich denke, abgesehen davon, dass ich noch darüber diskutieren würde, ob eine Pauschale tatsächlich nicht den Anforderungen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gerecht würde, müsste man dann, wenn man die Förderbedingungen unverändert lassen wollte, im Gesetz ein Verhältnis von 90 : 10 festschreiben.

Die Signale dafür, dass die Gefahr sehr hoch ist, dass der Eigenanteil der Träger bei 20 % landet, sind nicht von der Hand zu weisen. Darüber müssen wir noch einmal ernsthaft reden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Punkt 2: die Frage der Anpassung des Beraterinnenschlüssels. Ich will an Frau Brakebusch anschließen. Sie sprechen von einem nicht zu vermeidenden Stellenabbau. Ich will darauf hinweisen, dass das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes einen Mindestschlüssel in Höhe von 1 : 40 000 vorsieht. Diesem Mindestschlüssel werden wir gerecht. Die Stellen für Beraterinnen zu kürzen, ist also politischer Spielraum, den die Landesregierung hat - das muss man dann aber auch ehrlich so sagen.

(Frau Feußner, CDU: Ja!)

Punkt 3 meiner Kritik ist etwas grundsätzlicherer Art. Das ist in dem Fachgespräch, das wir mit der Liga und mit Betroffenen in der letzten Ausschusssitzung hatten, sehr deutlich geworden: Die Beratungslandschaft in Sachsen-Anhalt ist sehr vielfältig. Wir haben sehr unter

schiedliche Zuständigkeiten, wir haben sehr unterschiedliche Finanzierungsmodalitäten und wir haben sehr unterschiedliche gesetzlich geregelte Aufgaben.

Wenn man sich aber den tatsächlichen Bedarf und die tatsächlichen Beratungsfelder in den Beratungsstellen ansieht, dann muss man feststellen, dass es erhebliche Schnittmengen in den Beratungsaufgaben gibt, einfach schon deshalb, weil Menschen, Familien in psychosozialen Notlagen natürlich komplex beraten werden wollen und weil die Ursachen für solche Notlagen auch immer sehr komplex sind. Das heißt Erziehungsschwierigkeiten, Überschuldung, Suchtprobleme oder finanzielle Notlagen haben immer auch ein Stück weit miteinander zu tun und treten komplex auf.

Ich möchte das einmal an einem Beispiel der Schwangerschaftsberatungsstellen illustrieren: Zu meiner persönlichen Überraschung beträgt der Anteil der Familien, die dort nach § 2 beraten werden, also die allgemeine Beratung, mehr als 80 %. Also der Anteil der derjenigen, die sozusagen nur wegen des Scheins dort auflaufen, beträgt lediglich ein Fünftel, also etwas mehr als 20 %. Das hat mich schon ein Stück weit verwundert.

Das ist ein Signal dafür, dass die Beratungslandschaft mittel- und langfristig, und zwar im Komplex, darauf ausgerichtet werden muss, insgesamt, ganzheitlich und integriert zu beraten. Dem steht momentan nach meiner Auffassung entgegen, dass es unterschiedliche Zuständigkeiten gibt, dass es unterschiedliche Finanzierungsmodalitäten gibt, unterschiedliche Aufgaben usw. usf.

Genau hier setzt unsere grundsätzliche Kritik an, denn wenn man dem folgt, dann ist ein Gesetz, das lediglich die Schwangerschaftsberatungsstellen regelt, deutlich zu kurz gegriffen. Unsere Aufgabe in der Landespolitik muss es sein, die Landschaft der sozialen Beratung insgesamt neu zu regeln, und das im Gesamtzusammenhang.

Ich kann, wie in der Landtagssitzung im Juli 2007, nur noch einmal dafür werben: Die psychosoziale Beratung im Komplex gehört in die Hände und in die Regie der kommunalen Akteurinnen, zweckgebunden, mit klar geregelten Standards und entsprechenden finanziellen Mitteln. Ich hatte geworben für das Modell der kommunalen Sozialpauschale. Dieses ist nicht an den Ausschuss überwiesen worden, daher auch nicht Gegenstand der Beratung. Aber ich habe Hoffnung: In der Familienpolitik haben die langen Debatten allmählich zu dem Ziel geführt, die Kommunen hierbei ein Stück weit stärker in die Pflicht zu nehmen. Auch hierzu sage ich: Was lange währt, wird vielleicht gut und sinnvoll.

In diesem Sinne werden wir einer Ausschussüberweisung selbstverständlich zustimmen. Wir werden uns einer substanziellen und konstruktiven Beratung im Ausschuss selbstverständlich nicht verweigern.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Bull. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Dem Geschäftsbericht 2006 der Stiftung „Familie in Not“ für das Land Sachsen-Anhalt zufolge

haben im Jahr 2006 insgesamt 16 927 Frauen in Sachsen-Anhalt Kinder zur Welt gebracht. 7 371 Frauen davon haben einen Antrag bei der Stiftung gestellt und diesen bewilligt bekommen.

Das heißt, 44 % der werdenden Mütter in Sachsen-Anhalt sind in einer Notlage, die einen Anspruch auf Stiftungsmittel begründet. Im Bundesdurchschnitt wird von den Stiftungen nur etwa jede fünfte Frau unterstützt. Das macht deutlich, dass die Notlagen und die sich daraus ergebenden Bedarfe der werdenden Eltern in SachsenAnhalt komplexer sind als im Bundesdurchschnitt; Frau Bull sprach es an.

In dem Fachgespräch mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in der letzten Woche ist auch noch etwas anderes deutlich geworden: Schwangerschaftsberatungsstellen in unserem Land haben im Jahr 2006 allein 32 831 Frauen und 47 703 Männer in Beratungsgesprächen erreicht. Der Anteil der reinen Konfliktberatungen liegt aber in den letzten Jahren auf einem relativ niedrigen Niveau, nämlich bei 12 bis 14 %. Dem können wir uns nicht verschließen.

In dem Fachgespräch ist auch deutlich geworden, dass wir den Gesetzentwurf schon allein wegen des demografischen Wandels brauchen. Wir wissen neben dem Punkt der Eigenfinanzierung von 20 % - das hat die Ministerin heute sehr deutlich gemacht - aber auch, dass wir sehr darum gerungen haben, dass in den Gesetzentwurf das Wort „mindestens“ aufgenommen worden ist. Wir gehen davon aus, dass die Förderung in den Beratungsstellen wieder ähnlich hoch sein wird wie bisher.

Aber wir haben ein weiteres Problem: Die Umsetzung des Gesetzentwurfes bedeutet, dass wir sechs Fachkräfte, sechs Beratungsstellen vakant stellen. Es ist zwar deutlich geworden, dass bei reinen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen die Anzahl der Beratungen zurückgegangen ist; aber die Zahl der Familienberatungen und die der Erziehungsberatungen ist stark angestiegen. Selbst der Finanzminister des Landes arbeitet nicht an der Reduzierung des Personals über Kündigungen. Wir müssten nämlich jetzt jede Schwangerschaftsberatungsstelle anschreiben und sagen: Es könnte sein, dass man euch erst einmal zum Jahresende kündigt.

Ich bitte daher die Ministerin zu prüfen, ob wir nicht eine Übergangsregelung treffen können, und zwar dergestalt, dass wir - um das zu erreichen, was wir gemeinsam wollen, nämlich Beratungen möglichst unter einem Dach - diejenigen, die dort laut Schlüssel zu viel sind, in Familienberatungs- und Erziehungsberatungsstellen - ich möchte nicht sagen „umwidmen“ - lenken. Angesichts des großen Bedarfes dort wäre es gut, wenn wir dort weiterhin hoch qualifiziertes Personal hätten.

Weiterhin möchte ich sagen: Wir nehmen im Landeshaushalt an der Stelle eine Kürzung in Höhe von 123 000 € vor. Wir wissen, dass der Bedarf bei anderen Stellen, in der Familienberatung, in der Erziehungsberatung etc., unheimlich groß ist. Die Mittel hierfür kürzen wir zwar nicht. Wir wissen aber auch, dass der finanzielle Bedarf sehr groß ist.

Daher die Frage an die Kollegen Finanzpolitiker: Gäbe es nicht eine Möglichkeit, diese 123 000 € in den Bereich der anderen Beratungsstellen hineinzugeben, um in unserem Land nach wie vor eine ordentliche Beratungslandschaft zu gewährleisten? Darum bitte ich, damit wir Kündigungen vermeiden, damit wir nach wie vor ein plurales Angebot haben und damit wir die im Koali

tionsvertrag festgeschriebene Stärkung der Beratungsstellen auch weiterhin gewährleisten können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Frau Grimm-Benne. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/850 ein. Einer Überweisung als solcher stand nichts im Wege. Es ist vorgeschlagen worden, den Ausschuss für Soziales mit der Federführung zu beauftragen und die Ausschüsse für Finanzen und für Inneres mitberatend tätig werden zu lassen. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann werde ich darüber so abstimmen lassen.

Wer den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Soziales und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Inneres und für Finanzen überweisen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig. Damit ist der Gesetzentwurf in die Ausschüsse überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 12 ist erledigt.

Meine Damen und Herren! Da der Tagesordnungspunkt 13 schon gestern abgearbeitet worden ist, rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/860

Ich bitte nun die Ministerin für Gesundheit und Soziales Frau Dr. Kuppe, als Einbringerin für die Landesregierung das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf soll das Gesetz zur Ausführung fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlicher Vorschriften geändert werden. Dieser Bereich der Überwachung der Lebensmittelsicherheit ist ein sehr sensibles Feld des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, wie nicht zuletzt die Gammelfleischskandale wieder gezeigt haben.