Dort sitzen die Profis. Wir können das nicht auf die Eltern abschieben. Natürlich sind wir Lehrer in der Schule froh, wenn wir Eltern haben, die das Lernen der Kinder zu Hause unterstützen. Wir können uns auch nicht damit zufrieden geben, dass der private Nachhilfeunterricht boomt, so sehr ich den Leuten dort ihre Arbeitsplätze gönne. Aber privat bezahlte Nachhilfe treibt die soziale Schere noch mehr auseinander.
Es müsste dringend herausgefunden werden, was es denn ist, das Lehrer hindert, das zu tun, was ihre eigentliche Profession ist, nämlich Schülerinnen und Schülern zu Erfolgen zu verhelfen. Was macht denn Lehrer krank und lustlos? Was untergräbt ihr Berufsethos? Was verhindert ihre Lust, ihre Kraft oder ihre Zeit zu individueller Förderung? Was erzeugt bei Kindern und Jugendlichen Schulangst?
Ich denke, das alles müsste wissenschaftlich ergründet, zusammengefasst, systematisiert und mit klugen Schlussfolgerungen für die Praxis versehen werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Ich bin sehr froh über die Möglichkeit, zusammen mit dem Kultusminister, den Akteurinnen und Akteuren aus dem Schulbereich, den freien Trägern und den Kommunen ein Programm durchführen zu können, das maßgeblich dazu beitragen soll, die Quote der Schülerinnen und Schüler in unserem Land zu senken, die ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen.
Ziel ist es, allen jungen Menschen in Sachsen-Anhalt eine gute Ausgangslage für die eigenverantwortliche Gestaltung ihres Lebens zu bieten. Dazu gehört vor allem der Zugang zu einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit. Niemand darf zurückbleiben. Das gilt für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Wir können es uns aus gesellschaftlicher Verantwortung den jungen Menschen gegenüber, aber auch rein volkswirtschaftlich nicht leisten, das Potenzial der jungen Generation nicht voll auszuschöpfen; denn wir werden in Zukunft mehr denn je auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen sein.
Es ist eine gute Chance, diese Ziele auch mithilfe von EU-Mitteln zu erreichen. Das von Ihnen, Frau Fiedler, noch einmal ausführlich dargestellte Programm ist auf nachhaltige Wirkung angelegt. Deshalb müssen konkrete Maßnahmen zur Absicherung dieser Nachhaltigkeit während der Projektlaufzeit bis zum Jahr 2013 erarbeitet werden. Die wissenschaftliche Begleitung ist aus diesem Grund von uns von vornherein vorgesehen worden.
Es soll im Laufe der Durchführung des Programms vor allem herausgearbeitet werden, welche Maßnahmen erfolgreich zur Verhinderung von Schulversagen führen, unter welchen Bedingungen die regionalen Netzwerke kooperieren, welche Wirkungen sie erzeugen und wie diese Bedingungen auch nach dem Auslaufen des EUProgramms für die Zukunft abgesichert werden können.
Gemeinsam mit dem Kultusministerium erfolgte eine umfangreiche Vorbereitung des Gesamtprogramms. So wurde aus Mitteln des Kultusministeriums der Auf- und Ausbau der regionalen Netzwerkstellen in zwei Modellregionen - das sind Schönebeck und Stendal - wissenschaftlich begleitet. Darüber hinaus hat das Sozialministerium aus Mitteln der technischen Hilfe aus der Förderperiode 2000 bis 2006 themenverwandte Projekte im In- und Ausland im Rahmen eines Forschungsauftrages eruieren lassen.
Ich erwarte im Ergebnis Anregungen nicht nur zur Programmgestaltung und -ausführung, sondern auch im Hinblick auf die Evaluierungsinstrumente, die wir auch brauchen. Die Ergebnisse zu dieser Studie werden in den nächsten Wochen vorliegen.
Sie sehen, Frau Fiedler, dass bereits im Vorfeld des Programmstarts wissenschaftliche Begleitprojekte für das neue Programm durchgeführt worden sind.
Darüber hinaus gibt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten auf, die jeweiligen operationellen Programme in Bezug auf Qualität, Effizienz und Kohärenz der Fonds zu
bewerten. In Sachsen-Anhalt sind fortlaufende Evaluationen dieser operationellen Programme vorgesehen. Der gesamte ESF soll am Stück evaluiert werden. Beabsichtigt ist, ausgesuchte Themenkomplexe jeweils als Jahresschwerpunkte im Rahmen dieser fortlaufenden Evaluation zu behandeln. Die Federführung dafür hat die EU-Verwaltungsbehörde in Kooperation mit dem Begleitausschuss des Landes. Hierzu haben wir das Thema Schulversagen mit diesem gesamten Komplex bereits als Schwerpunkt angemeldet.
Neben dieser fortlaufenden programmübergreifenden Evaluation soll unser ESF-Programm gegen Schulversagen auch prozesshaft wissenschaftlich begleitet werden. Gerade diese Prozesshaftigkeit - darin bin ich mir mit dem Kultusminister einig - birgt die Chance, zielgenaue Empfehlungen zur Nachhaltigkeit der Kooperation zwischen Jugendhilfe, Schule und weiteren Unterstützungsangeboten ableiten zu können.
Ein Aspekt wird dabei auch die frühzeitige Präventionsarbeit in Bezug auf die Reduzierung der Quote der Förderschülerinnen und -schüler sein. Zurzeit wird in meinem Haus eine Leistungsbeschreibung für dieses Vorhaben der wissenschaftlichen Begleitung erarbeitet.
Sie sehen, Frau Fiedler, wir sind also schon relativ weit in der Vorbereitung dieser wissenschaftlichen Begleitung. Der Antrag kommt eigentlich etwas zu spät; Sie rennen damit gewissermaßen schon weit geöffnete Türen ein. Ich werde gern in den Ausschüssen zu unserem Programm und natürlich dann auch über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung berichten. - Danke.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die SPD-Fraktion hat auf einen Beitrag verzichtet, sodass ich jetzt für die FDPFraktion Herrn Kley das Wort geben kann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein wenig bedauerlich, dass der Kultusminister während dieser Debatte den Saal verlässt.
- Oh, da hinten ist er. Verzeihung, Herr Professor Olbertz. Ich sehe, Sie führen die Diskussion noch einmal intensiv mit Ihrer Fraktion, um das Thema entsprechend vorzubereiten.
Denn ich glaube schon: Es war in den vergangenen Jahren ein schwieriger Weg, ein derartiges Programm aufzulegen. Ich bin der Landesregierung auch sehr dankbar, dass sie die Möglichkeiten der Europäischen Union genutzt hat, um ein derart komplexes Programm für die Frage Schulversagen, Schulabbruch zu initiieren. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir diskutieren in diesem Raum ja immer wieder über die Frage, dass in Sachsen-Anhalt einfach zu viele Schüler ohne Hauptschulabschluss - es geht hierbei nicht um höhere Abschlüsse, sondern allein um den Hauptschulabschluss - unsere Schulen verlassen.
Wir haben hierbei natürlich zwei Gesichtspunkte zu beachten. Der eine ist die Frage: Wie gehe ich mit Schü
lern im klassischen Bildungsgang um? - An diese wendet sich ja hauptsächlich dieses Förderprogramm. Ich bedauere es, dass die Frage des schnellen Übergangs in die Förderschulen hierin noch nicht eingeflossen ist. Aber mit Sicherheit werden wir davon in Zukunft mehr hören, wenn der Kultusminister bei der Umarbeitung der Sekundarschullehrpläne über den Status der Pressemitteilung hinausgekommen sein wird.
Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen auch einen Gleichklang der Ausrichtung der einzelnen Lehrpläne, um die Frage Förderschule oder klassischer Bildungsgang etwas enger zu betrachten. Damit meine ich nicht jene, die körperlich behindert sind oder die aufgrund von Erkrankungen der Psyche nicht in der Lage sind, den normalen Schulweg weiter zu gehen, sondern all die vielen, die frühzeitig in die Förderschule abgeschoben werden, offensichtlich aus den Fragestellungen heraus, die die Frau Kollegin Fiedler vorhin aufgerufen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE! Ich habe den Antrag auch nicht verstanden, liest man doch in allen Papieren, die über dieses Programm angefertigt worden sind, dass eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt. Es steht schon in den Ausschreibungsunterlagen, es steht im Gesamtprogramm und auch in den Begleitpapieren, dass hierbei eine wissenschaftliche Begleitung erfolgen soll. Es gibt sogar schon Vordrucke, die im Laufe des einzelnen Prozesses ausgefüllt werden, um Datenmaterial zu liefern. Also: Was soll eigentlich dieser Antrag?
Sehr geehrte Kollegin Fiedler, die Fragen, die Sie am Ende gestellt haben, die Frage der Motivation der Lehrerinnen und Lehrer, die Frage der grundsätzlichen Auffassung unserer Schule, sind jene interessanten Fragen, die wir uns hierzu stellen müssen, für die es aber - das möchte ich betonen - mit Sicherheit eines eigenständigen, anderen Programms bedarf. Darin müssen die speziellen Fragen gestellt werden; das hat nichts mit diesem klassischen Projekt der Schulsozialarbeit zu tun. Das sind andere Themen, die an anderer Stelle diskutiert werden müssen.
Hierfür besteht eine Grundlage aus dem Modellprojekt der Jahre 1998 bis 2003 heraus, was unter anderem dazu geführt hat, dass hier zuerst die Frage der Versetzung installiert wurde, dann die schulbezogene Sozialarbeit, also die Schulsozialarbeit, und des Weiteren eben auch die Frage der Verbesserung der Schule. Denn das muss das Thema sein.
Diesem Thema - da bin ich mir sicher - wird sich auch der Bildungsausschuss noch einmal stellen müssen: Wie soll die Zukunft der Schule aussehen? Wie gelingt es uns, die Schüler frühzeitig einzufangen, sie dazu zu bringen, den höchstmöglichen Schulabschluss zu erreichen, und zwar in ihrer Gesamtheit? - Dazu reicht es nicht, nur über die Frage des Lehrertarifvertrages zu diskutieren, sondern hierfür bedarf es einer Neuaufstellung der gesamten Schule mit der Einbeziehung von Sozialarbeit, wie angedeutet. Aber auch die Frage der Schulpsychologen und deren Verankerung muss neu gestellt werden.
Wir als FDP-Fraktion lehnen den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab, weil er einfach nicht passt, weil er nicht dem Programm entspricht und weil er nicht an diese Stelle gehört. Wir möchten aber hier noch einmal unsere Bereitschaft äußern, die Themen der Verbesserung der Schulen in Sachsen-Anhalt, die anstehen und dringend sind, mit Ihnen zu diskutieren. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind uns alle darüber einig, dass wir im Land SachsenAnhalt gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen, um unseren Kindern und Jugendlichen den Weg in die Zukunft auch unter erschwerten Bedingungen zu ermöglichen.
Es sind im Umfeld der Beantragung des - wohlgemerkt - ressortübergreifenden ESF-Programms bereits zahlreiche Vorarbeiten wissenschaftlicher Art geleistet worden, die in die Umsetzung einfließen werden, wie es Frau Ministerin Kuppe, Frau Fiedler und Herr Kley bereits ausgeführt haben. Das am 21. Januar 2008 im Bildungskonvent bzw. der Arbeitsgruppe „Verbesserung der Bildungschancen“ vorgelegte Arbeitspapier geht darauf detailliert ein - für diejenigen, die das detailliert nachlesen möchten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Oberstes Ziel in unseren Ausschussberatungen wird es sein müssen, dass die zur Verfügung stehenden ESFMittel dort ankommen, wo sie in erster Linie gebraucht werden: bei den Kindern und Jugendlichen, die bedarfsorientiert gefördert und zu einem erfolgreichen Schulabschluss geführt werden sollen. - Ich bitte um Überweisung des Antrages in die Ausschüsse für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie für Soziales.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir alle haben offene Türen lieber als geschlossene, weil sie zum Eintritt einladen, und erst wenn man hineingeht, kann man Konkretes wahrnehmen. Deshalb freuen wir uns auf Ihr Angebot, Frau Ministerin Kuppe, dass Sie gern über das berichten werden, was schon gelaufen ist.
Wir wissen, dass eine wissenschaftliche Begleitung angedacht war; aber wie sie konkret laufen soll, war bisher nicht bekannt. Ich denke dennoch, dass Sie unserem Antrag zustimmen können, weil auch im Punkt 2 gerade diese Berichterstattung gefordert wird. Ich werbe also noch einmal darum, dass Sie unserem Antrag zustimmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Fiedler. - Wenn ich es richtig verstanden habe, ist beantragt worden, diesen Antrag in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen. Eine Mitberatung soll es nicht geben.
- Federführend soll der Sozialausschuss beraten; Mitberatung durch den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. - Dann stimmen wir jetzt darüber ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Koalitionsfraktionen und die DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Die FDPFraktion und Herr Schellenberger.
Somit ist dieser Antrag mehrheitlich in die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 15, der letzte Tagesordnungspunkt unserer heutigen Sitzung, ist abgeschlossen.