Protokoll der Sitzung vom 17.04.2008

(Herr Krause, DIE LINKE: Das stellt man doch fest! - Unruhe)

Herr Krause, lassen Sie doch die Frau Ministerin antworten. Dann können Sie ja vielleicht nachher noch eine Nachfrage stellen.

Ich habe ja versucht, das Verwaltungshandeln, den Vollzug, den Überwachungserlass und die in diesem Erlass geregelten Aufgaben für den Vollzug kurz darzustellen. Das zweimal jährliche Kontrollieren und gegebenenfalls anlassbezogene Kontrollieren ist dort verankert. Zweimal jährlich heißt, dass man gegebenenfalls kriminelle Machenschaften gerade an dem Tag der Kontrolle nicht feststellen kann. Deshalb sind wir für jeden Hinweis dankbar, auch die zuständigen Vollzugsbehörden, dem man dann nachgehen muss, den man beweisen muss, belegen muss und gegebenenfalls auch zu ahnden hat.

Vielen Dank. - Herr Dr. Köck.

In der ersten Sitzung des neuen Landtages hatten wir uns bereits mit der Problematik der Verbringung von Abfällen ins Ausland, nach Tschechien befasst. Damals war von kriminellen Machenschaften die Rede. Am Ende waren die Firmen nicht kriminell, jedenfalls wurde dies gerichtlich so festgestellt. Auch in diesem Fall scheint es offensichtlich so zu sein, dass auf dem Gerichtsweg bei den Firmen eigentlich keine Schuld festgestellt worden ist. Mich würde interessieren, wie wir denn in dem konkreten Fall den Umweltaspekten Rechnung tragen wollen.

Was die illegale Verbringung nach Tschechien anbelangt, ist nicht festgestellt worden, dass die Firmen nicht kriminell waren. Es ist schon ein Falschdeklarieren von Abfällen festgestellt worden. Wir haben ja auch dafür Sorge getragen, dass die Entsorgungsfirmen diesen Abfall selbst wieder zurückholen und ihn dann sachgerecht entsorgen mussten. Aber, wie gesagt, man muss bei den Kontrollen die Verstöße gegen Betriebspläne feststellen, für Ahndungen, für Korrekturen oder für Ordnungswidrigkeiten.

Frau Ministerin, es gibt noch eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Czeke. Wollen Sie die auch beantworten? - Dann Herr Czeke, bitte schön.

Vielen Dank. - Frau Ministerin, wissen Sie, dass bereits seit 1998 staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu den beiden in Rede stehenden Gruben geführt wurden und dass es dabei auch Ergebnisse gab, dass aber die Kontrollraster nicht verändert wurden und dass sich die Landkreise eigentlich darüber beklagen, dass zwei Kontrollen im Jahr aufgrund der personellen Situation nur mit äußersten Schwierigkeiten durchzuführen sind? Das heißt, anlassbezogene Kontrollen - so auch die Aussage unseres Landkreises - sind personell nicht mehr leistbar.

Die Schwierigkeit, die wir uns vor Ort angeschaut haben, ist doch, dass wir gar nicht mehr über eine Grube sprechen, sondern dass dort ein Deponiebetrieb stattfindet. Deswegen auch Wasser- und Gasfassungen der anderen Art. Wie gehen wir damit um?

Ich habe es ja eben erwähnt: Die Landkreise sind für die Anlagen zuständig, Herr Czeke, und für die 137 vorhin erwähnten Sand- und Tongruben. Wir haben im Überwachungserlass die Aufgabe geregelt, zweimal jährlich zu kontrollieren und anlassbezogen zu kontrollieren. Wenn wir dies verstärken wollten, wenn wir in einem neuen Überwachungserlass - wie immer man ihn nennen mag - den Behörden mehr Kontrollen, strengere Kontrollen vorgäben, dann müssten wir dafür sorgen, dass dort das entsprechende Personal und die entsprechende technische Ausstattung vorgehalten werden.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir treten dann in die Debatte der Fraktionen ein. Zuerst begrüße ich aber Schü

lerinnen und Schüler der Francke-Sekundarschule Magdeburg auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Graner von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen der Ministerin, die bereits vieles Wichtige gesagt hat, auch zur Chronologie der Ereignisse, nicht wiederholen. Vorweg: Der Alternativantrag der Regierungsfraktionen, der nachher besprochen wird, zeigt bereits, dass das Parlament bemüht ist, in der Sache aufzuklären, dass wir Fehlentwicklungen vermeiden wollen. Wir werden damit - ich glaube, darüber sind wir uns alle einig - unserer Kontrollfunktion als Parlament auch gerecht.

Wie wir bereits gemerkt haben: Die Emotionen kochen bei dem Thema Müllentsorgung etwas hoch. Ich möchte mit meiner Rede heute für das sensibilisieren, was betroffene Bürger in der Region empfinden.

Meine Damen und Herren! Die Müllentsorgung genießt in der Öffentlichkeit einen zweifelhaften Ruf; das wissen wir alle. Zum einen: Die Menschen, die in der Nähe von Deponien leben, von Gruben, auch von Müllheizkraftwerken, sind oft besorgt um ihre Gesundheit. Zum Zweiten ist das eine Branche, in der offensichtlich sehr viel Geld zu verdienen ist. Zum Dritten: Leider zeichnen sich Politik und Verwaltung gelegentlich durch eine unklare Kompetenzverteilung aus. Das Handeln ist manchmal auch etwas intransparent. Dann muss man sich nicht wundern, wenn das die Medien aufgreifen und gerne auch schon einmal einen Skandal daraus machen.

So ist es auch hier. Deswegen begrüße ich es, dass die FDP-Fraktion diesen Antrag auf eine Aktuelle Debatte gestellt hat, damit wir Gelegenheit haben, darüber zu reden.

Ich verstehe allerdings nicht ganz die Begründung des Antrages. Darin ist von einer behördlich genehmigten Fehlannahme nichtorganischer Abfälle die Rede. - Nichtorganische Abfälle, meine Damen und Herren, sind nicht unser Problem. In Vehlitz sind organische Abfälle abgelagert worden und das bereitet uns Sorgen.

Weiterhin wird in dem Antrag die Befürchtung geäußert, dass unter Umständen Unternehmen darunter seien, denen Arbeitsplätze wichtiger seien als die Umwelt. Dazu sage ich ganz klar: Dem müssen wir widersprechen. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht Firmen mit krimineller Energie agieren und das dann rechtfertigen, indem sie sagen, aber wir schaffen doch Arbeitsplätze.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt auch in der Müllbranche viele verantwortungsbewusste Unternehmen, die nach Recht und Gesetz handeln. Sachsen-Anhalt - das möchte ich noch einmal wiederholen - ist nicht der Skandalort der Bundesrepublik, Herr Kley.

(Frau Budde, SPD: Der ist gar nicht da!)

Es ist auch nicht die Mülldeponie der Bundesrepublik.

(Zustimmung bei der SPD)

Solchen pauschalen Vorwürfen sollten wir entschieden entgegentreten. Genauso ist es aber notwendig, dass

wir die schwarzen Schafe entschieden bekämpfen, die es in dieser Branche offensichtlich gibt. Das erwarten die Menschen von uns. Sie erwarten, dass wir etwas tun. Dann können wir ihr Vertrauen unter Umständen zurückgewinnen; denn - das muss man ganz offen sagen - das Vertrauen in die Politik ist manchmal ein Stück weit verloren gegangen.

Meine Damen und Herren! Die Bürger in der Region sind besorgt, sehr besorgt. Sie sind massiv verärgert und in höchstem Maße misstrauisch. Bereits im Jahr 1996 hat es die ersten Beschwerden über die Einlagerung von Müll gegeben. Was passiert im Jahr 2008? - Im Januar wurden täglich zwischen 3 000 und 4 000 t Ton abgebaut. Teile davon wurden abtransportiert, eine Menge von etwa 100 bis 150 Lkw-Ladungen pro Tag. Außerdem wird Material zum Verfüllen transportiert. Die Transporte finden tagsüber und nachts statt. Das Tonvorkommen dort umfasst etwa 30 ha Bergwerkseigentum. Dazu kommen etwa 300 ha Bewilligungsfeld. Angesichts dessen fragen die Menschen natürlich, was da noch alles passiert.

Teilnehmer an einer Informationsveranstaltung, die das Unternehmen in der Region durchgeführt hat, berichten, dass der Unternehmer sehr klar gesagt habe, dass sein Unternehmen das Geld nicht mit dem Abbau von Ton verdiene, sondern mit der Verfüllung der entstandenen Gruben. Deswegen - und das kann ich verstehen - sind in der Region Bürgerinitiativen gegründet worden. Die Bürger interessieren sich dafür, was in ihrer Nachbarschaft passiert. Sie wollen ihre Umwelt schützen.

Manchmal sind Wirtschaft und Politik dabei, diesen Initiativen ein Etikett anzuhängen oder ein Klischee nach dem Motto, das seien alles weltfremde Ökoapostel oder Leute, die zurück zur Scholle wollten. Diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht. Das sind sehr realistische Zeitgenossen, die im politischen Spektrum inzwischen ja auch umworben werden. Aus den Bürgerinitiativen ist einmal die Partei der Grünen entstanden. Man kann in der Aktuellen Debatte sehen, dass diese Partei inzwischen im gesamten politischen Spektrum angekommen ist.

Das sind auch kritische Bürger. Die sind auch nicht gutgläubig. Die wissen durchaus eine reißerische Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu differenzieren und sie lehnen auch das Sankt-Florians-Prinzip ab. Das sind nicht Leute, die sagen, na ja, Hauptsache der Müll ist nicht bei uns, schafft ihn doch woanders hin. Die wissen schon, dass der Müll irgendwo hin muss. Aber sie wollen in ihrer Heimat gesund und sicher leben und sie wollen wissen, was mit ihrer Umwelt geschieht.

Schließlich - auch das ist verständlich - hat mancher Sorgen um sein Haus, um sein Grundstück: Kann ich das noch verkaufen?

Deswegen reicht es nicht aus, die Tongrube zuzuschütten, dann mit einer Schicht zuzudecken und anschließend die Akte zuzuschlagen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Können wir jetzt zum Thema kommen?)

Wenn Material zur Verfüllung nicht geeignet ist, dann zersetzt es sich. Wir müssen keine Chemiker sein, um das zu wissen. Solche Materialen bilden Gase, Schwefelwasserstoffe, Kohlenwasserstoffe. Das Ganze stinkt. Man kann im Wortsinne sagen: Der Frevel wird ruchbar.

In einem solchen Milieu entstehen natürlich auch Gerüchte, werden Beobachtungen gemacht und entstehen Fragen, die die Bürger haben. Ich betone ausdrücklich: Das sind keine gerichtsfesten Beweise, aber es sind konkrete Fragen. Was passiert denn da? Es wird berichtet, unmittelbar nach dem Abkippen würde sofort zugeschüttet. Warum ist das der Fall? Weiter ist immer wieder die Frage: Sind damals zu hohe Blausäurewerte gemessen worden oder nicht und, falls ja, ist hinterher vielleicht Kalk eingebracht worden, um die Blausäure zu binden?

Dann wird beobachtet, dass immer wieder Wasser abgepumpt wird in Mengen, die nicht nur auf Regenwasser schließen lassen. Was passiert da? Schließlich: Was passiert mit dem Ackerland? Gutes Ackerland, auch im Jerichower Land, mit 85 bis 90 Bodenpunkten. Das wird abgetragen und mit nicht definiertem recycelten Material verfüllt. Sinnvoll ist das eigentlich nicht.

Meine Damen und Herren! Weil diese Sorgen bestehen, ist es unsere Aufgabe, klar zu informieren, zu erklären und zu dokumentieren, was dort passiert. Es kann nicht sein, dass der Bürger auf jeder Shampooflasche genau lesen kann, was darin ist, wie viele Tenside und wie viele Parfüme und ich weiß nicht was alles, aber dort haben wir eine riesige Grube und offensichtlich weiß niemand, was darin ist.

Woher rührt das mangelnde Vertrauen der Bürger in die Verwaltung? - Ich kenne den Schriftwechsel eines Bürgers aus der Region, der einmal wissen wollte, was eigentlich in einer Grube in seiner Nachbarschaft passiert.

Den ersten Brief hat er an den Bürgermeister geschrieben. Die Antwort kam nach 14 Tagen: Dafür sind wir nicht zuständig. Bitte wenden Sie sich an das Bergamt. Der zweite Brief ging an das Bergamt. Die Antwort kam einen knappen Monat später: Die betroffene Grube wurde in die Zuständigkeit des Landkreises übergeben. Der dritte Brief ging an den Landkreis. Die Antwort kam wieder vier Wochen später. Darin gab es einige magere Aussagen zur Rekultivierung, aber keine Antwort auf die Frage, womit verfüllt wird.

Meine Damen und Herren! So ging es weiter. Das ist eine umfangreiche Akte geworden. Ich kann den Bürger schon verstehen und manch andere auch, die sich da ein bisschen veräppelt füllen.

Wir müssen daraus Konsequenzen ziehen. Wir müssen die Bürger umfassend über das informieren, was dort passiert, und wir müssen die Kompetenzen klar regeln. Es gibt das Abfallrecht und es gibt das Bergrecht. Es gibt das Wirtschaftsministerium und es gibt das Umweltministerium. Es gibt Gemeinden, Landkreise, das Land, den Bund.

Blicken eigentlich alle noch genau durch, was da im Abfallrecht passiert? Ich habe den Verdacht, dass manche Behörden diesen Zuständigkeitswirrwarr ausnutzen, um sich gegenseitig Verantwortung zuzuschieben, wenn etwas schiefgelaufen ist. Natürlich nutzen die schwarzen Schafe in der Entsorgung diesen Wirrwarr aus, um ihre einträglichen Geschäfte zu machen.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen bessere Kontrollen. Vielleicht sind wir ein bisschen zu gutgläubig. Es fahren Hunderte von Transportern durch die Gegend und wir verlassen uns darauf, dass in den Transportern das drin ist, was in den Frachtpapieren steht. Bei den

Mengen, die dort zu verdienen sind, reicht das vielleicht nicht aus.

Schließlich brauchen wir Strafen, höhere Strafen für illegale Entsorgung, damit die Hemmschwelle hochgesetzt wird. Mit solchen Maßnahmen kann es uns vielleicht gelingen, das Vertrauen der Bürger in der Region zurückzugewinnen. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Graner. Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens. Wollen Sie die Frage beantworten?

Bitte, Frau Dr. Hüskens.

Herr Graner, eine ganz kurze Frage: Sie haben eingangs kritisiert, dass sich Herr Kley auf behördlich genehmigte Fehlannahmen nichtorganischer Abfälle konzentriert habe.