Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Wir haben als Nächstes verfahrensrechtliche Positionen zu konsolidieren gehabt. Das betrifft Plebiszite wie Volksabstimmungen und Volksinitiativen. Ich denke, das ist wirklich bemerkenswert: Wir haben bei uns im Parlament von Sachsen-Anhalt eine Regel gefunden, die die Mitwirkung in der direkten Demokratie des Bürgers sehr weitgehend regelt. Es ist nunmehr niedergeschrieben, dass jede Volksinitiative, jedes Plebiszit, wenn es in den Landtag gelangt, ordentlich behandelt wird und dass ein Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, die sich mit einer Zielstellung zusammengeschlossen haben, im Landtag Rederecht besitzt. Bisher wurde im Einzelfall, also von Fall zu Fall, entschieden. Nunmehr ist es ein eingeräumtes Recht. Ich denke, das ist ein großer Fortschritt. Es gilt, dieses auch extra zu erwähnen.

Wir haben darüber hinaus eine Reihe von technischen Fragen zu klären gehabt, die schlichtweg auch den Eintritt in das digitale Zeitalter betreffen. Also: Wie können wir die freie Mandatsausübung so organisieren, dass ohne Papier, mit Notebook, E-Mail und all dem, was jetzt möglich ist, ordentlich gearbeitet werden kann? Eine netzbasierte Mandatsübung, wenn man so will, ist nunmehr in vielen Paragrafen geregelt, auf die ich nicht im Einzelnen eingehen will. Letztlich hoffe ich, dass es uns gelungen ist, all das, was auch aufgrund der Verfassungsänderung oder der Gesetzesänderungen in der letzten Legislaturperiode erforderlich war, so einzuarbeiten, dass wir künftig effizienter arbeiten können.

Last, but not least: Die Ausschüsse wurden schon erwähnt. Auch die Arbeit der Ausschüsse war ein Punkt, der ganz oft aufgerufen und in vielen Sitzungen behandelt wurde. Ich will nur ein einziges Beispiel nennen, um an diesem einen Beispiel deutlich zu machen, dass es sehr viel zu regeln galt. Die Fragen der Kompetenzen der Ausschussvorsitzenden, der Einberufung, der Fristen und vieles andere mehr werden immer erst dann aufgerufen, wenn ein Fall strittig erlebbar wird. Dann gilt es, diesen Streitfall zu regeln. Im Plenarsaal muss es das Präsidium machen. Ansonsten landet es letztlich, wenn es die Ausschüsse betrifft, im Ältestenrat. Diese Fälle aus den letzten Jahren wurden zusammengetragen.

Ich möchte die Abgeordneten daran erinnern: Es gab einmal eine Ausschusssitzung, die von einer Ausschussvorsitzenden für mehrere Tage, unterbrochen wurde. Daraus erwächst nunmehr die Frage, wenn man einen Sachverhalt regeln muss, der befristet ist: Kann ein Ausschussvorsitzender oder eine Ausschussvorsitzende den Fortgang eines Gesetzes zu einer wichtigen Angelegenheit zunichte machen, indem einfach die Beratung auf unbestimmte Zeit unterbrochen wird? Es gab dazu keine Regelung, obwohl die Geschäftsordnung viele, viele Jahre alt war.

Dieses alte Beispiel macht deutlich - es gäbe noch viele zu erwähnen, aber ich will Ihre Zeit nicht strapazieren -,

dass es trotz eines guten Regelwerks - das war die Geschäftsordnung, die wir hatten - im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Fragen gab, die es neu zu regeln galt. Ich hoffe sehr, dass uns das gelungen ist und die neue, verbesserte Geschäftsordnung auch eine bessere Parlamentspraxis gewährt.

Ich bitte, den Antrag aller Fraktionen sowie die Anträge, die heute noch zur Änderung gestellt wurden, in den Ältestenrat zu überweisen, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Danke sehr, Herr Gürth, für die Einbringung. - Als erster Debattenredner der Fraktionen wird Herr Bischoff für die SPD sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei uns stand noch, dass die LINKE vor uns spricht. Nun ist es umgekehrt.

(Herr Dr. Brachmann, SPD: Änderung der Ge- schäftsordnung!)

- Änderung der Geschäftsordnung, dass die Präsidentin das Recht hat, jederzeit zu bestimmen, wie die Reihenfolge der Redner ist.

Mir wurde signalisiert, dass Sie mit der CDU getauscht haben. Irgendetwas stimmt dann generell nicht.

Das ist dann lebendiges Parlament.

Genau.

(Heiterkeit)

Die beiden Anliegen, die wir mit der Anpassung der Geschäftsordnung verbunden haben, hat Herr Gürth eigentlich ganz gut beschrieben. Das eine war, die Erfahrungen aus den letzten Legislaturperioden mit aufzunehmen und zu regeln. Diesbezüglich ist etliches offen gewesen, was nun deutlicher wird.

Auch die Frage der Digitalisierung spielt eine große Rolle und betrifft relativ viele Änderungen, nämlich dass wir in Zukunft auch Anträge in dieser Form in den Landtag einbringen können, bei denen zweifelsfrei klar ist, wer der Urheber ist.

Volksentscheide und Volksabstimmungen wurden schon genannt. Auch bestimmte Abstimmungsverfahren werden eindeutiger geregelt. Die Rechte und die Funktionen der Ausschussvorsitzenden sind eindeutig geregelt und auch gestärkt worden. Das finde ich richtig; denn darin - damit hat Herr Gürth Recht - liegt die eigentliche Aufgabe des Parlaments.

Ein lebendiger Landtag ist das andere. Dazu spiegelt sich in dieser Geschäftsordnung nur etwas wider. Eini

ges haben wir konkretisiert. Ich komme gerade von der Besprechung - die anderen beiden Fraktionsvorsitzenden und Herr Kurze sind noch dort - mit dem MDR und Hörern des MDR, die heute hier sind. Dort war sofort wieder die Kritik da, dass wir undiszipliniert seien und hier eine gewisse Lautstärke herrsche, dass geblättert werde - Sie kennen das ja alles.

(Frau Weiß, CDU: Das ist lebendiges Parlament!)

Ich bin davon überzeugt - vielleicht bringen wir das zu wenig zum Ausdruck -, dass der Arbeitsort des Parlaments wirklich die Ausschüsse sind. Dort ist eine große Disziplin und es gibt kein Hinausrennen.

Es stimmt, wenn gesagt wird, dass das, was wir hier machen, die offene Tür, das Schaufenster ist. Aber dann hat es natürlich den Anspruch, dass es auch lebendig sein muss, wie bei einem Tag der offenen Tür in der Schule. Es muss etwas stattfinden, worauf man neugierig wird und fragt: Was haben die eigentlich gemacht?

Daher plädiere ich tatsächlich für das, was wir diskutiert haben. Das betrifft zuerst die freie Rede, die im Gespräch steht und auch für Verunsicherung sorgt. Ich finde es nach für gut, nach für richtig,

(Zuruf: Nach wie vor!)

- so wird einem geholfen - nach wie vor für richtig, es zu probieren. Bei der freien Rede wird vieles auch emotional deutlicher. Man merkt auch, wie der Einzelne persönlich dazu steht. Man kann Leute ansprechen und man hat auch eine größere Aufmerksamkeit.

Ich weiß von den Hemmungen. Ich hatte sie, als ich in den Landtag kam, auch, obwohl ich früher genug gepredigt habe. Aber predigen ist etwas anderes; dabei hören einem die Leute immer zu und unterbrechen einen auch nicht.

(Heiterkeit)

Hier ist das ein bisschen anders und auch das Gegenüber ist anders, sodass man etwas verunsichert wird. Aber ich glaube, es ist trotzdem näher. Es muss natürlich niemand so frei reden, wie das meinetwegen der Ministerpräsident kann, und es muss auch niemand so reden, wie das unser Abgeordneter Gerry Kley kann, der sich auch für andere Dinge empfehlen kann. Das muss man nicht können.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf)

- Ich sagte: Er empfiehlt sich auch für andere Dinge. Manchmal braucht man bei uns im Theater noch gute Schauspieler, und ich dachte, das kann er mit Sicherheit gut. Kabarettisten müssen auch sehr viel auswendig lernen, können es dann gut wiedergeben und können es auch mit Gestik und Mimik gut machen.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Aber ich finde es richtig, es zu probieren. Wenn es manchmal den Fall geben sollte - das finde ich auch gut -, dass man etwas ablesen muss, weil es auf die Formulierung ankommt - es gibt auch Debatten, die so wichtig sind, dass man nicht einfach so frei sprechen kann, wie ich das jetzt mache -, dann kann man das deutlich anzeigen und sagen: Frau Präsidentin, Herr Präsident, ich muss das jetzt verlesen; das ist mir ungeheuer wichtig.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Auch das ist vorgesehen. Damit unterstreicht man vielleicht, Frau Feußner, dass man nicht gegen die freie Rede ist, aber dass einem das jetzt so wichtig ist, das man das vorlesen muss.

Ich finde, wir sollten es so machen. Die Journalisten sind auch hellhörig geworden. Das habe ich mitbekommen. Sie selbst warten auch darauf; denn sie werden erst dann neugierig und erstatten Bericht, wenn sie sagen: Dort hat etwas stattgefunden, wovon wir emotional mitgenommen wurden, womit auch Interesse geweckt worden ist. Ich glaube, die Journalisten sind auch keine anderen Menschen als Sie und ich.

Die Zuhörer im Parlament - das ist mir bei der Besprechung vorhin aufgegangen - würden ein Parlament, in dem es ein bisschen unruhig ist und manchmal dazwischen geredet wird, eher akzeptieren, wenn sie merken, dass frei geredet wird; denn durch die freie Rede wird Aufmerksamkeit erzeugt.

Dann kann man auch noch diesen und jenen ansprechen. Die da hinten in der Ecke bei der CDU, in der jetzt gerade über die Gesundheitsreform diskutiert wird, würden wahrscheinlich auch zuhören, wenn man sie dreimal mit Namen anspricht, im Augenblick zwar nicht, aber es würde dann - -

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Ich will nur sagen: So etwas kann man probieren. Ich glaube, das Parlament strahlt dann auch mehr aus, kann die Leute auch mehr mitnehmen.

Zu den Anforderungen, die dann an jeden Einzelnen von uns gestellt werden, ist zu sagen: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Abgeordneten, die ich aus unserer Fraktion und anderen Fraktionen immer mal erlebe, wenn man sie zu Besprechungen einlädt oder dahin, wo Gäste sind, oder wenn sie draußen bei Gästegruppen eingeladen sind, wirklich lange reden können. Dabei muss man sie eher bremsen. - Hier wird ja zum Fachgebiet geredet. Es gibt Fünfminutendebatten. Man muss nicht fünf Minuten reden. Wenn es nicht so ganz wichtig ist, kann man auch nach drei Minuten aufhören. Ich glaube, das ist leistbar, lernbar. Wir sollten es probieren.

Zum Schluss noch etwas, das nicht in der Geschäftsordnung steht, was aber in diesen Zusammenhang fällt. Wir haben ein paar Dinge - das kommt vielleicht noch bei der Schlussberatung - nicht in die neue Geschäftsordnung aufgenommen; die wollen wir erst noch probieren. Das ist die Regierungsbefragung, auch ein Instrument, das wir erst ausprobieren wollen, bevor wir es in die Geschäftsordnung aufnehmen. Das ist die Frage der Dreiminutendebatten, die nur dann stattfinden, wenn der Ältestenrat sich einig ist und das Parlament sich einig ist. Das kann man nicht vorschreiben. Wir müssen also Dinge ausprobieren, um zu sehen, ob es gelingt, ob es dadurch etwas aktueller wird, etwas interessanter wird. Ich glaube, das kann der Demokratie und der Meinungsvielfalt nur dienen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Bischoff. - Jetzt kann Herr Dr. Thiel für die LINKE sprechen, danach Frau Dr. Hüskens und dann noch einmal Herr Gürth, so er denn möchte. Bitte sehr, Herr Dr. Thiel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Parlament hatte sich kaum sechs Wochen zuvor konstituiert, da lagen die ersten Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung auf dem Tisch des Hohen Hauses. Seit dieser Zeit wird diese Debatte geführt, und wir bringen sie heute zu einem gewissen Höhepunkt, der vielleicht mit der Beschlussfassung im Juni 2008 seinen Abschluss findet.

(Herr Tullner, CDU: Vielleicht!)

Unsere Fraktion trägt die gemeinsame Beschlussfassung mit. Ich möchte noch zwei, drei Punkte besonders würdigen. Das ist zum einen die Einführung der Gleichbehandlung von elektronischer und Papierform. Jeder von uns weiß, wie schwierig es derzeit ist, die Berge von Papier überhaupt zu bewältigen. In dem Sinne, denke ich, sind wir auf dem richtigen Weg.

Wir begrüßen den Versuch, dass gelebte parlamentarische Praxis auch in der Geschäftsordnung festgeschrieben wird, was die Einberufung von Sitzungen betrifft, was die Klarstellung betrifft, wie Ausschussberatungen durchzuführen sind, wenn es um zweite oder dritte Lesungen geht, wenn es darum geht, welche Rechte Ausschussvorsitzende haben, Sitzungen einzuberufen, Tagesordnungen festzulegen und anderes.

Auch begrüßen wir ausdrücklich die Regelungen zur Behandlung von Volksinitiativen. Ich denke, das ist ein Novum für das Hohe Haus. Wir haben bereits in der Praxis unter Beweis gestellt, dass das ganz hervorragend funktioniert.

In diesem Kontext haben wir uns in der Fraktion darüber verständigt, wie wir noch mehr Transparenz, Bürgerwillen und die Würdigung von demokratischen Initiativen vor Ort ins Parlament bringen können.