Ebenso verstärkt dieses Verfahren unserer Meinung nach die vorhandenen ungleichen Bildungschancen und erschwert es vor allem Kindern aus sozial schwächeren und bildungsferneren Familien, den Übergang zum Gymnasium zu schaffen. Das ist schon ein Problem in dieser Gesellschaft, da alle internationalen Studien genau dies anprangern. Es ist eine Beschränkung der freien Wahl des Zugangs zum Bildungswesen,
und es ist eine Einschränkung der Chancengleichheit in einer gesellschaftlichen Situation, in der wir Bildungsexpansion brauchen und nicht weniger Bildung für alle.
Denn wenn Sie davon ausgehen, was Kinder dank der Lehrprogramme in anderen Bildungsgängen lernen, in denen es Dinge gibt, mit denen sie nicht einmal konfrontiert werden, dann halte ich das schon für ein Problem.
Meine Damen und Herren! Diese Position, die ich eben vertreten habe, können Sie bei uns im Wahlprogramm und in allen Publikationen der SPD nachlesen. Ich sage, auch wenn ich jetzt einen großen Lacher ernte: Wenn die Wähler uns den Auftrag gegeben hätten, allein zu regieren, würden wir dieses Verfahren umgehend abschaffen.
- Ich beschimpfe niemanden. - Wir befinden uns jetzt in einer Koalition und da muss man sich mitunter solch eine unerträgliche Debatte, eine auf den Kopf gestellte Debatte über den angeblich richtigen Ort von Förderung und Forderung und dergleichen mehr anhören.
Ich will dann doch noch eine Rückkoppelung zu dem vorhergehenden Antrag vornehmen. Wenn in Bayern geklagt wird, wenn von 13 auf zwölf Jahre gegangen wird, weil das die Kinder überfordere - die Klage wurde abgelehnt -, dann ist das ein Zeichen dafür, dass sich sehr viele Eltern Gedanken darüber machen, wie möglichst viele Kinder dieses Abitur ablegen können.
- Ganz ruhig. - Die Gleichen, die bei uns gefordert haben, auf zwölf Schuljahre zurückzugehen, stehen heute auf der Matte und beschweren sich lauthals und mitunter zu Recht darüber, dass der Umfang dessen, was in den wenigen Jahren von den Schülern abgefordert wird, nicht leistbar ist und dass der Arbeitstag eines Schülers länger ist als der eines Arbeiters in der Produktion.
Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt aber in einer Koalition, und eine Koalition ist eine Verbindung, in der man zueinander finden muss, auch wenn man nicht immer gleicher Meinung ist. Dabei kann man nicht alle Positionen im Verhältnis 1 : 1 übernehmen und es kommt zu Kompromissen, auch ungeliebten, schwierigen.
In diesem Fall ist das eine Kröte, die wir haben schlucken müssen. Wir haben formuliert, dass dieses Verfahren noch einmal so durchgeführt wird. Daran werden wir uns halten, auch wenn es mir persönlich schwer fällt. Denn, meine Damen und Herren, wir fordern ansonsten immer eine Wertediskussion. Wo kommen wir eigentlich hin, wenn wir uns nicht mehr an Verträge, an Festlegungen halten, gerade im politischen Raum?
Es kann doch nicht sein, dass wir hier auf dem Feld der Beliebigkeit agieren, gerade wenn wir über Schule reden.
Wir haben einen Alternativantrag formuliert, bei dem wir davon ausgehen, dass er umfassender ist, weil er eine umfangreichere Datenlage erarbeiten lässt, weil wir hoffen, damit die notwendige und geforderte Evaluierung durchführen zu können, die Ergebnisse bringen wird, wie immer sie aussehen werden. Darüber werden wir uns hier sicherlich noch einmal trefflich streiten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedauere es, die Erwartungshaltung des Herrn Ministers Olbertz enttäuschen zu müssen.
Ich kann Ihnen an dieser Stelle nicht widersprechen. Ich glaube, an dieser Stelle stehen wir eindeutig zu dem, was wir gesagt haben, und auch zur Qualitätssicherung im Rahmen des Abiturs. Ich kann Ihnen nur wünschen, Herr Kollege Olbertz, dass auch Ihr Koalitionspartner sich zu einem gewissen Zeitpunkt damit identifiziert, dass die Regierungszeit begonnen hat, der Wahlkampf ein Ende hat und man gemeinsam zum Erfolg verdammt ist. Die letzten Worte der Kollegin Mittendorf ließen dies erwarten.
Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die Schüler und die Eltern wissen, dass das Verfahren, das eingeführt wurde, planbar ist, dass die Fortsetzung erfolgt und dass dieses natürlich auch in seinen Chancen dementsprechend wahrgenommen werden kann. Denn der Antrag der Linkspartei.PDS erweckt quasi den Eindruck, als ob es nur diese Prüfung gäbe, um die Zulassung für ein Gymnasium zu erhalten. Die klassischen Möglichkeiten der Laufbahnempfehlung und des Gesprächs wurden ausgeblendet. Ich danke ausdrücklich dem Bildungsminister, dass er dies so deutlich - auch mit den einzelnen Zahlen und den Auswirkungen - dargestellt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und Linkspartei.PDS, es gab Jahre, da waren diese Prüfungen viel schlimmer, da waren diese die einzige Möglich
keit, unter einer enormen Bewerberzahl den Schritt auf das Gymnasium mit der Klasse 5 zu erreichen, als Sie gemeinsam beschlossen haben: Auf das Gymnasium geht man erst mit Klasse 7. Hunderte von Eltern und Schülern drängten sich an den wenigen verbliebenen Schulen im Land, um über knüppelharte Aufnahmetests ihre Kinder noch einigermaßen chancenreich zu positionieren. Über die, die es nicht geschafft haben, und über die Ergebnisse der Förderstufe habe ich vorhin schon einiges gesagt.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich bei Ihnen kein Mitleid verspürt. Nein, nichts. Da ging es einfach darum: Das soll niemand ab der 5. Klasse und diejenigen, die dorthin wollen, sollen sehen, wie sie durchkommen. In diesem Jahrgang gab es viele Tränen. Die Situation war ganz anders, als sie sich heute darstellt. Ich glaube, etwas mehr Ehrlichkeit der Vergangenheitsbewältigung würde Ihnen an dieser Stelle sehr wohl tun.
Heute nun ist es wichtig, das Verfahren zu evaluieren. Ich finde das vernünftig. Das muss auch sein und auch die Möglichkeit, dies im nächsten Jahr noch einmal durchzuführen, um dementsprechend frühzeitig den Schülern die Chance zu eröffnen, eine Ausbildung zum Abitur aufzunehmen, aber eben auch frühzeitig Warnsignale zu erhalten. Denn allzu häufig werden diese überhört und allzu häufig endet es dann in einer großen Enttäuschung, wenn man feststellt, der Abschluss der 10. Klasse an einer Sekundarschule hätte einem viele Möglichkeiten eröffnet. Es gibt auch die Chance, später an anderen Schulen das Abitur nachzuholen, anstatt irgendwann feststellen zu müssen: Es ist die falsche Schulform, der Notendurchschnitt, der sich nicht mehr verändern lässt, ist schlecht und damit sind auch die weiteren beruflichen Chancen schlecht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Übergang für die, die spät starten, in der Klasse 7 und in der Klasse 9 ist gewährleistet.
Da ist es auch notwendig, dass an den Gymnasien die Kompetenz besteht, diese Schüler aufzunehmen, diese mit heranzuführen und durch dementsprechende Binnendifferenzierung die Klassen auf einen einheitlichen Standard zu bringen, um das Abitur für alle zu einem Erfolg werden zu lassen.
Ich warte natürlich auf den Tag, an dem man den Antrag stellt, erst abzuwarten, wie die Abiturprüfungen ausgehen, und dann dementsprechend die Norm zu ändern, auch kurzfristig, um allen die Chance zu geben. Das hätte sich eigentlich heute angeboten. Dass dies unterblieben ist, mag an der noch mangelnden Reaktionsfähigkeit liegen.
Aber nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen dazu. Es ist Verlässlichkeit angesagt. Es ist notwendig für die Kinder, notwendig für die Eltern, einen Bildungsweg abschätzen zu können. Wir stehen gemeinsam zu den Chancen für alle, die Anzahl derjenigen, die eine Studienberechtigung erhalten, zu erhöhen. Aber wir stehen auch dafür, dass diejenigen, die eine Studienberechtigung haben, später auch die Chance haben, diese an einer Hochschule wahrzunehmen, und nicht am Numerus Clausus oder an anderen Auswahlverfahren scheitern und dann im Alter von 18 oder
19 Jahren vor den Scherben stehen. Deswegen frühzeitig eine Orientierung, eine Unterstützung der Schülerinnen und Schüler.
Danke sehr, Herr Abgeordneter Kley. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Feußner. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS setzt sich in Punkt 1 inhaltlich mit dem Eignungsfeststellungsverfahren auseinander. Das ist durchaus zu begrüßen. Wenn man ein neues Verfahren - im Übrigen betrachtet aber die Linkspartei.PDS nur einen Teil des Gesamtverfahrens - einführt, dann ergibt sich daraus auch die Aufgabe zu überprüfen, ob das eigentliche politische Anliegen auch verwirklicht wurde. Das ist aber aus meiner Sicht zum derzeitigen Zeitpunkt nicht umfassend möglich.
Ich möchte nur daran erinnern, dass ein wesentliches Argument für die Einführung dieses Verfahrens darin bestanden hat, die zunehmende Zahl von Schulversagern an Gymnasien zu vermindern und einigen Schülern den ständigen Druck des Misserfolgs zu ersparen. Das ist vom Minister und von Herrn Kley bereits angesprochen worden. Dies kann man heute natürlich noch nicht untersuchen.
Gleichwohl sollten wir uns mit der inhaltlichen sowie mit der organisatorischen Ausführung dieses Verfahrens und dessen Ergebnissen beschäftigen. In der Koalitionsvereinbarung ist erst für das nächste Schuljahr vorgesehen, die Regelung einer eventuell notwendigen Evaluation zu unterziehen. Das werden wir auch tun. Es ist durchaus auch sinnvoll, uns jetzt schon erste Erfahrungen und Ergebnisse vorlegen zu lassen.
Aber in Punkt 2 fordert die Linkspartei.PDS verklausuliert dazu auf, dieses Verfahren nicht anzuerkennen und es im Prinzip wieder aufzuheben. Das setzt für mich voraus, dass Sie die Ergebnisse, die Sie in Punkt 1 abfragen, schon kennen oder dass Sie in Wirklichkeit gar kein Interesse daran haben, diese sinnvoll auszuwerten.
In Punkt 3 fordern Sie eine vorzeitige Evaluierung, die nach einem einmal durchgeführten Verfahren aus meiner Sicht nicht sachgerecht und nicht fundiert sein kann. Dies würde auch bedeuten, dass wir in den Ablauf des kommenden Schuljahres eingreifen müssten, wo doch die Lehrer, die Eltern sowie die Schüler einen Anspruch auf Rechtssicherheit und Verbindlichkeit haben sollten. Das werden wir nicht tun. Die bisher bei der Eignungsfeststellung gesammelten Erfahrungen werden für uns aber ein Anlass sein, eventuell aufgetretene Probleme aufzugreifen.