Die Hauptbegründung ist, dass mit der Übernahme der Staatsbürgerschaft das Wahlrecht gewährleistet sei. Es gibt nur ein Problem: Die Einbürgerungszahlen sind gegenüber denen aus dem Jahr 1990 nicht nur tendenziell, sondern extrem rückläufig.
Das Staatsangehörigkeitsgesetz wurde verschärft. Zuletzt kam durch die Abschaffung der Erleichterungen für die Einbürgerung von Migrantinnen und Migranten vor Vollendung des 23. Lebensjahres eine weitere Verschärfung hinzu. Im Jahr 2000 erhielten in der Bundesrepublik noch 187 000 Migrantinnen und Migranten die Einbürgerungsurkunde. Im Jahr 2006 waren es nur noch 125 000 Migrantinnen und Migranten.
„Der Pass ist das edelste Teil eines Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist; während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird. Man kann sagen, der Mensch ist nur der mechanische Halter eines Passes.“
Lassen Sie es nicht zu, dass allein ein Pass über die Teilhabe von Menschen an der aktiven Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensmittelpunktes entscheidet.
Im Land Sachsen-Anhalt erhielten im Jahr 2007 insgesamt 460 Personen die deutsche Staatsbürgerschaft, also einen deutschen Pass. Ein Jahr zuvor waren es noch 533 Personen. Die Mehrheit dieser glücklichen Menschen, die sich jetzt Deutsche nennen dürfen, kam dabei aus Drittstaaten.
Abschließend möchte ich Sie noch auf eines hinweisen: Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat beschlossen, Initiativen der Bundesregierung zur Prüfung eines kommunalen Wahlrechtes für Drittstaatsangehörige zu unterstützen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen; denn für die Identifikation aller hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer mit ihrer Heimatstadt und damit letztlich für eine gelingende Integration ist das kommunale Wahlrecht förderlich, da es demokratische Teilhabe und Partizipation gewährleistet. - Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Frau Rente, für die Einbringung. - Jetzt erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Hövelmann das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Rente hat die wesentlichen Argumente und das, was in der Vergangenheit abgewogen worden ist und sicherlich auch gegenwärtig abzuwägen ist, vorgetragen. Ich will an manchen Stellen ergänzen und vielleicht ein Stück in die Geschichte dieses Themas einsteigen, in die Genesis, um Ihnen zu vergegenwärtigen, wie der heutige Sachstand, der sicherlich nicht alle befriedigt, entstanden ist und wie es weitergehen könnte.
Es ist korrekterweise angesprochen worden, dass im Jahr 1992 mit der Ratifizierung des Vertrages von Maastricht das kommunale Wahlrecht für EU-Ausländer in Deutschland eingeführt worden ist. Damals waren es neben Deutschland gerade elf Mitgliedstaaten, mittlerweile sind es 26 Mitgliedstaaten, die eine entsprechende rechtliche Regelung haben. Das Land Sachsen-Anhalt war damals sehr schnell bei der Umsetzung der Änderung des Grundgesetzes und der entsprechenden landesgesetzlichen Vollziehung.
Zurzeit betrifft es im Land Sachsen-Anhalt rund 10 000 Wahlberechtigte, um einmal die Dimension zu kennen, wie viele Menschen in unserem Land von der damals getroffenen gesetzlichen Regelung betroffen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mittlerweile gibt es die erneute Initiative von Berlin und RheinlandPfalz. Die Idee dieser Initiative ist, dass mit einer erneuten Grundgesetzänderung die Entscheidungskompetenz dem jeweiligen Landesgesetzgeber übertragen wird. Dabei geht es nicht nur um das kommunale Wahlrecht für die Drittstaatenangehörigen, sondern auch darum, dass bei kommunalen Sachabstimmungen, also zum Beispiel bei Bürgerentscheiden, Bürgerbefragungen oder ähnlichen Initiativen, die Drittstaatenangehörigen mitentscheiden sollen.
Im Land Sachsen-Anhalt mit derzeit etwa 46 000 Ausländerinnen und Ausländern könnte damit rund 28 000 Angehörigen von Drittstaaten das kommunale Wahlrecht eingeräumt werden. Das ist die Dimension dessen, worüber wir uns gerade unterhalten.
Gestatten Sie mir, etwas über die Geschichte dieses Antrages zu sagen. Der Gesetzesantrag war im Jahr 1997 ursprünglich von den Ländern Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt vorgelegt und vom Bundesrat beim Deutschen Bundestag in dessen 13. Wahlperiode eingebracht worden. Es war also eine Initiative zahlreicher deutscher Länder. Wegen des Grundsatzes der Diskontinuität wurde er im Jahr 1999, also nach der Bundestagswahl, erneut dem Bundesrat vorgelegt, jedoch in der Sitzung am 5. Februar 1999 ohne Begründung von der Tagesordnung abgesetzt.
Am 21. September 2007, also vor gut einem halben Jahr, hat der Bundesrat den Gesetzesantrag erneut zur
Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Das Land Sachsen-Anhalt hat den Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes sowohl im federführenden Rechtsausschuss als auch im Ausschuss für Innere Angelegenheiten unterstützt. Im Plenum des Bundesrates haben sich die Antragsteller ob unsicherer Erfolgsaussichten bisher allerdings gescheut, den Gesetzentwurf endgültig zur Abstimmung zu stellen.
Die unsicheren Erfolgsaussichten - das darf man an dieser Stelle offen sagen und auch nicht verhehlen - liegen in einer unterschiedlichen Betrachtung der Problematik zwischen den A- und B-Ländern, die auch vor dem Land Sachsen-Anhalt nicht haltmacht. Sie kennen die Regeln für einen solchen Fall: Das Land würde sich - auch das Land Sachsen-Anhalt - bei der Schlussabstimmung im Plenum des Bundesrates der Stimme enthalten.
Es gibt - ich finde, das ist eine bemerkenswerte Feststellung - in zahlreichen Ländern - Frau Rente ist darauf zumindest teilweise eingegangen - entsprechende gesetzliche Regelungen, die, unterschiedlich ausdifferenziert, ein kommunales Wahlrecht für Drittstaatenangehörige ermöglichen. Ich will die Länder einmal nennen, weil man daran sieht, wie international dieses Thema auch in der Europäischen Union mittlerweile ist: Belgien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, die Niederlande, Portugal, Spanien, Estland, Litauen, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Island und die Tschechische Republik. In einer großen Zahl von Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es also mittlerweile eine entsprechende Rechtsgrundlage für das kommunale Wahlrecht.
- Nein, für Drittstaatenangehörige. Es geht um das kommunale Wahlrecht für Bürgerinnen und Bürger, die Staatsbürger von Nicht-EU-Staaten sind.
Gestatten Sie mir am Ende eine persönliche Bemerkung. Ich will, dass jeder, der in unserem Land lebt - egal, ob er hier geboren oder zugezogen ist -, sich als Teil unseres Landes fühlt und die gleichen Chancen auf Teilhabe hat. Das kommunale Wahlrecht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die wichtigste Form der Teilhabe von Menschen an der Demokratie in der Kommune.
Lassen Sie es mich mit den Worten eines möglichen Fußball-Europameisters sagen - also nicht ich, sondern Deutschland -: Die Befürworter des kommunalen Wahlrechts für alle hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer sind bei diesem sehr wichtigen Thema schon sehr lange am Ball und, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden es in den Landesregierungen und im Bundesrat auch noch bleiben müssen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Ich gebe jetzt den Pass weiter zur Aktuellen Debatte. Als erstem Debattenredner erteile ich Herrn Harms von der CDU das Wort. Herr Harms, bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Vorbereitung auf dieses Thema kam ich sehr schnell dazu, diese Diskussion eben nicht auf eine Entscheidung zwischen A- und B-Ländern zu reduzieren, sondern möglichst einmal etwas genauer nachzugucken.
Wie Sie vielleicht aus meiner Biografie wissen, ist mein staatsbürgerschaftliches Verständnis zu einer Zeit geprägt worden, als wir Staatsbürgerkundeunterricht hatten. In diesem Staatsbürgerkundeunterricht haben sich meine Lehrer sehr große Mühe gegeben, mir zu erklären, warum ein Staat Staatsangehörige braucht und wie kompliziert es im Leben ist, wenn verschiedene Staaten die gleichen Menschen als ihre Staatsangehörigen bezeichnen.
Ich will nicht zu ausführlich auf diese Problematik eingehen, weil wir gewiss ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber einmal darauf verweisen, damit Sie sich vielleicht vorstellen können, dass, wenn ich das Thema Ausländer und kommunales Wahlrecht zu DDR-Zeiten im Staatsbürgerkundeunterricht thematisiert hätte, liebe LINKE, es möglicherweise heute in meinen Stasi-Akten nachzulesen wäre. Gewiss hätte es damals einer Diskussion bedurft, da auch damals schon Ausländer an der örtlichen Gemeinschaft durchaus teilhatten.
Das waren nicht nur Journalisten oder Pfarrer aus der Bundesrepublik Deutschland, sondern das waren auch Sowjetangehörige, nicht nur Wehrpflichtige, sondern auch Offiziere, die hier etliche Jahre länger lebten, als Sie aufgezählt haben, Frau Rente, und die teilweise unter sehr schwierigen Verhältnisse auch an der örtlichen Gemeinschaft teilhatten. Damals war das so nicht möglich, weil es schlichtweg nicht zum Verständnis der Staatsangehörigkeit passte. Deshalb habe ich mich ein bisschen gewundert, dass dieser Antrag von Ihnen kam.
Dass die SPD eine gewisse Freude bei dieser Utopie empfindet, kann ich nachvollziehen. Das hat gewiss mit dem Staatsverständnis zu tun, dass ein starker, fürsorgender Staat gute Taten verteilt.
Wir in der CDU pflegen eigentlich ein anderes Staatsverständnis. Wir wollen eine Bürgergesellschaft. In dieser Bürgergesellschaft sind starke Bürger notwendig,
die im Zweifelsfall - zu dieser Erkenntnis hat uns die deutsche Geschichte geführt - den Staat korrigieren, die Widerstand leisten. Deshalb sind gewisse staatsbürgerschaftliche Rechte und Pflichten im Grundgesetz verankert worden, die eine Rolle spielen. Wir haben dort viele Rechte für jedermann. Wir haben einzelne Rechte, die auf Deutsche beschränkt sind. Das setzt sich überall in unserem Rechtssystem fort. Wir haben in der Gemeindeordnung die deutliche Unterscheidung zwischen Einwohnern und Bürgern.
Wenn ich Ihrem heutigen Verständnis, liebe LINKE, folgen würde, dann müsste ich den Staatsbürgerkundeunterricht nachträglich in Einwohnerkunde umdefinieren.
Wir haben aber auch gewisse Pflichten, die nur auf Bürger, auf Wahlberechtigte zutreffen. Zum Beispiel sind wahlberechtigte Bürger nach dem Brandschutzgesetz verpflichtet, sich von einer Pflichtfeuerwehr mobilisieren zu lassen. Wir haben im Beamtengesetz die Einschränkung, dass gewisse hoheitliche Aufgaben nur von Deutschen wahrgenommen werden können.
Wir haben ein großes Problem, Herr Hövelmann. Wenn Sie davon sprechen, dass die Wahlberechtigung, die Wählbarkeit die wichtigste Form der Teilhabe auf der kommunalen Ebene ist, dann haben wir gerade mit der beschlossenen Gemeindegebietsreform etwa ein Drittel der Bürger aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ausgeschlossen, zumindest dann, wenn sie aufgrund des Hartz-IV-Bezugs und der entsprechenden Entfernung künftig nicht mehr an der Sitzung des Einheitsgemeinderats, weder aktiv noch passiv auf der Zuschauerbank, teilnehmen können.
Wir sollten über die ganze Sache gründlich beraten. Deshalb bitte ich um eine Überweisung an den Innenausschuss. - Danke.
Es tut mir leid, Herr Harms, ich war bei Ihren Ausführungen nicht ganz frisch. Nur noch einmal nachgefragt: Sie haben uns erklärt, in der DDR war es nicht möglich, ausländische Mitbürger zu integrieren. Dann hoben Sie darauf ab, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein anderes Rechtssystem herrscht. Kann ich Ihre Aussagen so verstehen, dass Sie mit Ihren Ansichten zum DDRSystem zurück wollen?