Ja, meine Damen und Herren, die Praktiken der illegalen Müllentsorger haben es gezeigt: Von ganzheitlicher ressortübergreifende Wirtschaftspolitik sind wir noch weit entfernt.
Der Abbau von Überregulierung und Bürokratie in dieser Branche hat offenbar dazu geführt, dass wir uns heute mit diesen Effekten zu beschäftigen haben.
Wir sind schon daran interessiert, was für den weiteren Abbau von Bürokratie im Land getan wird, wie zum Beispiel bei der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Das ist ein Thema in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Wir sind daran interessiert, welche Vorschläge die Regierung zum Thema Normenscreening unterbreiten wird.
Bei dem Thema Entbürokratisierung befindet man sich immer auf einem schmalen Grat. Zum Schluss will ich dazu einmal Rousseau zitieren:
Das sollten wir als Politiker in unserer praktischen politischen Arbeit immer beherzigen und uns fragen, welche
Konsequenzen hat es, wenn wir über Entbürokratisierung und über Flexibilisierung sprechen. Dabei gibt es einen sehr schmalen Grat. Den muss man sich einfach anschauen.
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die zehn Minuten Redezeit, die wir zu diesem Thema hier haben, vielleicht noch einmal verlängert werden, wenn die Regierung gegebenenfalls eine Erklärung zu Ihren arbeits- und wirtschaftspolitischen Vorhaben in der nächsten Zeit abgibt. Dann können wir vielleicht ausführlicher über diese Dinge sprechen. Ich denke einmal, die Zeit ist reif dafür, dass wir uns ernsthaft mit diesen Fragen beschäftigen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Thiel. Sie hatten zwölf Minuten Redezeit, nicht zehn; aber das war ja interessant. Wir haben es vernommen. - Der letzte Debattenredner ist der Herr Gürth. Er spricht für die CDU. Er rundet die Debatte jetzt ab. Bitte schön, Herr Gürth.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Thiel, am Anfang wollte ich Sie für Ihre Rede loben, weil sie weitgehend bemerkenswert gut war; nach dem Schluss Ihrer Rede will ich Sie zwar nicht loben, aber Ihnen zumindest für die Anreize danken, die Sie für die nunmehr noch verbleibende Debatte gegeben haben.
Sie haben beklagt, dass in dieser Großen Koalition in Sachsen-Anhalt angeblich Stillstand herrsche, und begründeten das mit der Positionierung bzw. Nichtpositionierung zu dem Thema Mindestlohn.
Herr Kollege Dr. Thiel, wenn man den Koalitionspartner auf dem Weg zum Abgrund zum Stillstand bewegen kann, dann kann Stillstand auch Fortschritt sein. Insofern, denke ich, ist das nicht dramatisch, sondern richtig.
Sie haben noch einmal Bezug genommen auf diese Grundsatzdebatte darüber, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, und bezogen das auf die Aktuelle Debatte, die wir gestern über das Thema soziale Marktwirtschaft geführt haben.
Sie haben dann ausgeführt und gesagt, es gebe, anders als wir es behaupten, Alternativen zur sozialen Marktwirtschaft; denn es gebe immer Alternativen. Ich frage: Welche Alternative haben Sie denn? - Die LINKE in dieser Republik hat überhaupt keine Alternativen, zumindest keine, die man ernst nehmen könnte.
Wenn Sie sagen, es gebe eine Alternative zur sozialen Marktwirtschaft, dann müssen Sie diese auch benennen. Ihre Alternative, in Ihrem Programm, müssen Sie dann auch einmal wahrheitsgemäß in der Öffentlichkeit darstellen: Das ist Sozialismus. Was Sozialismus aber kon
kret bedeutet, das ist nicht das, was Lafontaine verspricht, sondern das, was weltweit real zu beobachten war: eine Gleichmacherei, eine Verelendung und das Einfrieren auf niedrigstem Niveau verbunden mit dem Verlust von Freiheitsrechten der Bürger.
Wenn Sie sagen, Sie wollen eine Alternative zur sozialen Marktwirtschaft, Sozialismus in Ihrem Programm - gucken Sie sich die Reden während Ihres Parteitages in Cottbus an -, dann benennen Sie es doch konkret, dann sagen Sie doch einmal: Die DDR war Mist - das hört man ab und zu -, aber wir haben eine noch bessere Idee von Sozialismus. Ja, welche denn? - China, Nordkorea, Kuba? Dort, wo mit dem Sozialismus zum Leidwesen der dort lebenden Bevölkerung experimentiert wird, ist Elend zu verzeichnen.
Jetzt sagen Sie, Sie sind viel schlauer als alle Sozialisten der Welt, die bisher experimentiert haben.
Das Zweite. Damit sind wir gleich bei einem Faktor, der in einer Demokratie ganz wesentlich ist, nämlich bei der Frage der Glaubwürdigkeit von Politik und Parteien. Ich bin eigentlich dankbar dafür, dass die DIE LINKE in Berlin noch mitregiert, weil man dort, genauso wie beim Sozialismus, wo nur noch Nordkorea, China und Kuba übrig geblieben sind, sehen kann, was DIE LINKE macht, wenn sie wirklich regiert und wie das tatsächliche Handeln zu Parteitagsparolen von Lafontaine steht.
Die Realität in Berlin kann man an einem Beispiel festmachen: Rütli-Schule. In der Rütli-Schule herrscht eine katastrophale Bildungspolitik, und vor der Rütli-Schule steht ein Wachmann, der unterhalb des Mindesteinkommens, das Sie versprechen, mit 4 € pro Stunde bezahlt wird. Das ist die Realität unter der PDS-Regierung in Berlin.
Ihr erster Kritikpunkt betraf die Arbeitsmarktpolitik. Es wurde gesagt, dass zu wenig zur Deckung des Arbeits
Gerade in diesem Bereich sind wir Vorbild in ganz Deutschland. Ich will nur zwei Beispiele nennen. Die seit Anfang der 70er-Jahre am meisten von Konjunkturzyklen in der Arbeitslosenstatistik Betroffenen sind die, die für das Anwachsen der Sockelarbeitslosigkeit sorgen. Das sind in Deutschland immer dieselben, nämlich diejenigen, die mit geringeren Qualifizierungen oder mit Qualifikationen,
die immer weniger nachgefragt werden, länger in der Arbeitslosigkeit und in der Arbeitslosenstatistik verharren. Es wird natürlich immer schwieriger, diese Leute wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Es gibt kein Bundesland in Deutschland, das es in den letzten Jahren geschafft hat, so viele der Menschen, die am meisten betroffen und am schwersten vermittelbar sind, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Das erfolgte durch das Einstiegsgeldprogramm von Dr. Haseloff. Mehr als 10 000 Menschen raus aus der Dauerarbeitslosigkeit,
rein in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Das ist nicht Versprechen. Das ist: Wir reden nicht, wir handeln.
Zweites Beispiel: berufliche Frühorientierung. Frau Kollegin Rogée hat das Problem mit den Altnachfragern in diesem Bereich konkret angesprochen. Das Problem ist doch: Wenn man junge Leute, bei denen man noch nicht alles an der Qualifikation, sondern vieles auch an der Motivation festmachen kann, beobachtet, die irgendwo abzurutschen drohen in ein Lebensmodell, wo Motivation nicht mehr zählt, dann muss man sie dort, wo sie stehen, abholen und wieder reinbringen. Das heißt, man muss sie frühzeitig auf eine Arbeitswelt orientieren, die auch Anstrengungen und Disziplin bedeutet, nämlich sich den Wecker zu stellen, hinzugehen und etwas zu lernen.