Zweites Beispiel: berufliche Frühorientierung. Frau Kollegin Rogée hat das Problem mit den Altnachfragern in diesem Bereich konkret angesprochen. Das Problem ist doch: Wenn man junge Leute, bei denen man noch nicht alles an der Qualifikation, sondern vieles auch an der Motivation festmachen kann, beobachtet, die irgendwo abzurutschen drohen in ein Lebensmodell, wo Motivation nicht mehr zählt, dann muss man sie dort, wo sie stehen, abholen und wieder reinbringen. Das heißt, man muss sie frühzeitig auf eine Arbeitswelt orientieren, die auch Anstrengungen und Disziplin bedeutet, nämlich sich den Wecker zu stellen, hinzugehen und etwas zu lernen.
Diesbezüglich haben wir mit dem Frühorientierungsprogramm wie „Brafo“ und ähnlichen Programmen in Sachsen-Anhalt hervorragende Beispiele. Das könnte man einmal loben. Das kann man bringen. Das kann man ausbauen. Ich denke, damit handeln wir viel besser als die Länder, in denen die PDS einmal regiert hat oder noch reagiert.
Nächster Punkt. Ich will jetzt, um nicht zu sehr auf die Linken einzugehen, obwohl sich das ab und zu lohnt, auf die Aktuelle Debatte zurückkommen.
Debatten über Rankings, wie sie von der FDP für heute beantragt wurden, folgen immer demselben Verhaltensmuster. Es ist immer dasselbe, egal, wer regiert. Jeder sucht sich die Zahlen, die verfügbar sind, heraus, die er für die Aussagen braucht, die er vorher schon machen wollte.
Bei dem Redebeitrag in der Debatte habe ich mir gedacht, dass das die Herren Dr. Rehberger und Professor Dr. Paqué nicht verdient haben; denn die Zahlen, die Sie miesepetrig aus einem Ranking heraussuchten und reklamierten, fallen genau in die Regierungszeit der Herren Dr. Rehberger und Professor Dr. Paqué, die sich als Wirtschaftsminister bzw. als Finanzminister für unser Land sehr engagiert haben.
Deswegen hat es mich wirklich verwundert, dass Sie sozusagen die Bilanz Ihrer FDP-Kollegen als Minister so herunterreden. Ich fand das wirklich merkwürdig. Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass man sagt, dass in diese Regierungszeit auch viele gute Dinge gefallen sind, die man auch den beiden Herren positiv anlasten muss.
Ich will Sie auch einmal zitieren und auch gleich wieder relativieren, wie das mit allen Statistiken ist, die von Instituten gemacht werden: Platz 1 für Sachsen-Anhalt bei der Entwicklung der Arbeitslosenquote. Diese verringerte sich im Zeitraum von 2004 bis 2007 um 4,3 Prozentpunkte.
Wenn die Arbeitslosigkeit das größte Problem in Sachsen-Anhalt ist - das ist es doch wohl unbestritten -, dann ist doch dieses Ranking der „Wirtschaftswoche“, das Sie nur auszugsweise zitierten, um die Regierung schlecht zu machen, eher Ausdruck dafür, das wir beim wichtigsten Thema auf einem guten und richtigen Weg sind. Warum Sie das kritisieren, verstehe ich überhaupt nicht.
Der Anteil der Schulabgänger, die in Sachsen-Anhalt die Schule ohne Abschluss verlassen haben, sank im Zeitraum von 2004 bis 2007 um 3 Prozentpunkte. Ich denke, das ist wunderbar, weil wir damit bei einem ganz wichtigen Punkt auf dem ersten Rang sind.
Rechnerisch fiel in Sachsen-Anhalt die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Zeitraum von 2004 bis 2006 um 3,4 Staatsdiener je 1 000 Einwohner. Bundesweit sank dieser Wert statistisch um 0,9 Staatsdiener je 1 000 Einwohner. Damit hat Sachsen-Anhalt Rang 2 erreicht.
Vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung und der demografischen Entwicklung ist das eine Spitzenleistung, die Sie früher eingefordert haben. Wir haben sie erreicht. Seien Sie doch stolz auf das, was wir machen, und reden Sie dieses Land nicht herunter.
Ich will abschließend noch auf wenige Punkte eingehen, weil ich denke, dass man sie mit erwähnen muss. Das betrifft einen wesentlichen Punkt, der die Handlungsfähigkeit dieses Landes für die Zukunft beschreibt. Das ist die Frage der Entwicklung der Verschuldung Sachsen-Anhalts.
Sie haben die Verschuldung beklagt. Alle die, die die Verschuldung Sachsen-Anhalts beklagen, tun gut daran. Ich denke, das muss man immer wieder erwähnen, weil dies zulasten künftiger Generationen geht und Handlungsspielräume für alle, die künftig einmal regieren wollen, unsere Kinder und Enkelkinder, einengt.
Man muss fairerweise dazu sagen: Wenn wir uns diese Entwicklung im Dynamikranking der „Wirtschaftswoche“ und in der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft an
schauen, dann gehört auch die Bevölkerungsentwicklung, also die Demografiefrage, zwangsläufig mit dazu.
Wenn wir in den Jahren von 2000 bis 2007 in SachsenAnhalt einen Verlust von 236 265 Einwohnern saldiert netto hatten, bedeutet das: Selbst wenn wir eine Nettoneuverschuldung von null in diesen sieben Jahren gehabt hätten, hätte sich die Pro-Kopf-Verschuldung statistisch erhöht. Das muss man dazu sagen. Aber das bedeutet eher - hierbei sind die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen -, dass die Anstrengungen in diesem Bereich weiter zu erhöhen sind und nicht unüberlegt versucht wird, die Verschuldung durch noch mehr politische Programme nach oben zu schieben, nur weil man glaubt, damit Wahlen zu gewinnen. Man muss die Zahlen in einen Zusammenhang bringen.
Damit will ich meine Ausführungen zu den vielen Zahlen dieser Studie auch schon schließen. Bei dem Thema Innovationen muss man auch wissen, welche Parameter herangezogen werden, um einen Standort als mehr oder weniger innovativ zu betrachten. Eine wesentliches Kriterium ist die Zahl der Patentanmeldungen.
Das Erste ist: Alle neuen Bundesländer - wir sind diesbezüglich besonders betroffen - haben nach der Wende die großen Forschungsabteilungen der Kombinate zusammenbrechen sehen. Nur sehr wenig ist davon übrig geblieben.
Der Stand heute ist, dass wir wieder viele, auch größere Unternehmen haben, aber die Firmenzentralen von Unternehmen mit Betriebsgrößen, bei denen sie forschen und entwickeln, sind nicht bei uns. Die sitzen sonst wo. Die Patentkompetenz ist in den Firmenzentralen angesiedelt. Fragen Sie einmal Siemens in Sachsen-Anhalt. Die Patentanwälte sitzen am Standort der Zentrale.
Das ist bei der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft genauso. Wir haben zwei namhafte und hervorragende Institute. Mit CSP bauen wir gerade wieder ein neues in Halle aus, das europaweit wirklich sehr bedeutend ist. Aber wo werden die Patente angemeldet? - In München. Davon profitieren die Lederhosen in Bayern, ohne überhaupt einmal darüber nachgedacht zu haben. Geforscht wurde in Magdeburg und Halle. Wenn man das weiß, relativiert das auch den Rang im Ranking im Bereich der Innovationen.
Letztlich zum Abschluss: die Methodik. Ich will das Ranking und die Studie der „Wirtschaftswoche“ und der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft in keiner Weise kritisieren, weil ich denke, dass es immer gut ist, sich auch einmal im Ranking zu vergleichen. Aber man muss das immer mit einer gewissen Gelassenheit tun. Bei der Methodik ist am Beispiel des Saarlandes zumindest eines festzustellen:
Das Saarland hatte im Jahr 2006 einen Spitzenplatz im Dynamikranking, 2007 Platz 5 und 2008 Platz 14. Wie man in einem solch kurzen Zeitraum von Platz 1 auf Platz 14 abrutschen kann, das muss einen nachdenken lassen.
Das bedeutet aber, dass im Dynamikranking eine solch große Dynamik ist, die höher als die Volatilität an den
Börsen ist. Das bedeutet auch: Alle, die sich solche Rankings für politische Debatten heraussuchen, müssen die Debatte mit einer gewissen Gelassenheit führen. Das Entscheidende ist aber, welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.
Ich glaube, dass solche öffentlichen Debatten zumindest einen erheblichen Vorteil haben, wenn man sie denn führt: dass man sich, wenn man gut ist, nicht auf den Lorbeeren ausruht und in den Zahlen sonnt, sondern dass man dann, wenn man im Wettbewerb mit anderen öffentlich als nicht so gut angeprangert wird, dies als Ansporn nimmt - egal, wie die Dynamik des Rankings ist -, um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Ich denke, wir machen dies. Wir tun gut daran, und ich denke, Sachsen-Anhalt vollzieht eine gute Entwicklung.
Vielen Dank, Herr Gürth, für Ihren Beitrag. Herr Thiel hatte noch eine Nachfrage. Wollen Sie diese beantworten? - Sie möchten.
Herr Gürth, ich hatte nur zwölf Minuten Zeit, und in den restlichen drei Minuten habe ich gedacht, dass Sie mir die Frage, die Sie mir vorhin gestellt haben, stellen würden. Aber sie kam nicht.
Sie haben gestern über vier Säulen der sozialen Marktwirtschaft gesprochen und fragten, was DIE LINKE davon halte.
Frage 1: der Mensch im Mittelpunkt. Hierzu sind wir, denke ich, in vielen Fragen deckungsgleich. Darüber muss man wahrscheinlich auch einmal in einer Diskussionsrunde miteinander sprechen. Dabei sehe ich keinen grundlegenden Unterschied zu dem, was Sie formuliert haben.
Fragen der Freiheit. Die Fragen der Freiheitsrechte des Einzelnen spielen im Programm der LINKEN, auch in der programmatischen Diskussion eine sehr, sehr wichtige Rolle, gerade aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit. Man sollte sich einmal ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen. Dann werden Sie feststellen, dass wir strikt darauf achten, dass die Rechte des Einzelnen nicht zugunsten anderer eingeschränkt werden dürfen. Das ist für uns ein hohes Gut in der programmatischen Diskussion. Dafür stehe ich auch.
Das Dritte: Fragen des Privateigentums. An dieser Stelle beginnt die Differenzierung; denn wir sagen nicht, dass das Privateigentum allein es bestimmen wird, sondern
wir sagen, dass es vielfältige Eigentumsformen gibt. Das kann kommunales Eigentum sein; das kann genossenschaftliches Eigentum sein; das kann aber auch staatliches Eigentum sein. Man muss im Wettbewerb am Markt entscheiden, welche dieser Eigentumsformen die geeigneste ist, um die Bedürfnisse der Bevölkerung, der Menschen zu befriedigen.
Viertens: der Staat. Diesbezüglich haben Sie zwar gestern sehr viel zu Ludwig Erhard gesagt, aber Sie haben Walter Eucken vergessen, der auch einer der Väter der Marktwirtschaft ist. Für Walter Eucken war es zum Beispiel sehr wichtig zu sagen: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind durch den Staat zu schaffen. Aber für ihn war auch der Gedanke wichtig, dass das Problem der wirtschaftlichen Macht mit in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt wird. Er hat gesagt - ich zitiere -:
„Nicht gegen die Missbräuche vorhandener Machtkörper sollte sich Wirtschaftspolitik wenden, sondern gegen die Entstehung der Machtkörper überhaupt.“
Man muss darüber diskutieren, welches die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind. Diesbezüglich sehe ich Alternativen zu den Modellen, die Sie entwickelt haben. Das ist kein grundsätzlich anderes Modell, aber es gibt immer Alternativen bezüglich der Frage: In welche Richtung sollte man noch etwas mehr nachdenken?