Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Ein zweiter Punkt war sehr auffällig. Es wurde die Begründung vorgebracht, dass in anderen Ländern, die - angeblich - eine bessere wirtschaftliche Entwicklung haben, auch - angeblich - mehr Leute im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Das kann doch aber für ein Land, dem es wirtschaftlich noch nicht ganz so gut geht, nicht der Grund sein, mehr Leute zu beschäftigen, zumal wir geringere Steuereinnahmen haben und die zusätzlichen Leute über zusätzliche Schulden finanzieren müssten. Ob das eine in die Zukunft gewandte Politik ist, muss jeder im Raum für sich überdenken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gut, Sie haben interveniert.

Darf ich auch noch schlussintervenieren, Herr Präsident?

Dann intervenieren Sie nochmals zum Schluss, aber bitte so, dass wir die Zeit einhalten.

Nehmen wir jetzt einmal an, der Kollege Gürth hätte mir die Frage gestellt, warum ich das so getan habe, dann würde ich diese Frage wie folgt beantworten:

(Frau Weiß, CDU: Er hat sie aber nicht gestellt!)

Zum einen ist es tatsächlich so - Herr Gürth, Sie sind kein Finanzpolitiker, aber diese Geschichte müssten Sie eigentlich verstehen -, dass wir als Land in der Bundesrepublik keine Steuerhoheit haben. Die Kollegen von der FDP hätten das gern, aber wir haben sie nicht. Deswegen werden wir im Land natürlich primär über die Ausgabenseite reden.

(Herr Gürth, CDU: Als Schulden? Nein!)

Übrigens hat das auch der Finanzminister nicht anders getan, obwohl er im Bundesrat zumindest noch einen gewissen Einfluss hat.

Zweitens. Wissen Sie, es gibt natürlich den Unterschied nach dem Motto: Weil es denen gut geht, können sie sich viele Leute im öffentlichen Dienst leisten. Nein, die Perspektive ist eine völlig andere: Denen geht es deswegen gut, weil sie den öffentlichen Dienst als Wertschöpfungsfaktor begreifen, weil sie damit ihre Gesellschaft organisieren

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch Quatsch!)

und deswegen mit nach vorn kommen.

(Herr Gürth, CDU: Das erzählen Sie mal jeman- dem in Bayern und Baden-Württemberg!)

Deswegen haben die höhere Wachstumsraten und deswegen ist das die vernünftige Alternative. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: So et- was glaubt man doch nicht mal in PDS-Kreisen!)

Herzlichen Dank. - Meine Damen und Herren! Bevor ich dem nächsten Debattenredner das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Am Tierpark in Staßfurt auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Sie haben sicherlich bemerkt, dass wir mit der Redezeit etwas lockerer umgegangen sind. Aber das Thema ist, glaube ich, so wichtig, dass wir das so fortführen können.

Ich erteile jetzt der CDU das Wort. Ich bitte den Abgeordneten Herrn Tullner, das Wort zu nehmen. Bitte schön, Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Gestatten Sie mir drei Vorbemerkungen, ehe ich zu meinen Ausführungen komme.

Erstens. In Vorbereitung der heutigen Rede habe ich abgewogen, ob es Sinn hat, in die Tiefen der Zahlen einzusteigen und nachzuweisen, dass die eine oder andere Zahl vielleicht nicht ganz korrekt oder nicht ganz klar ist. Ich denke, das sollten wir uns an dieser Stelle schenken; denn dafür werden wir in der Enquetekommission, im Finanzausschuss und in anderen Ausschüssen noch genügend Gelegenheit haben, uns die unterschiedliche Sicht auf detaillierte Zahlen gegenseitig nahezulegen. - Das als erste Bemerkung.

Die zweite Bemerkung. Lieber Herr Finanzminister, Sie haben vorhin ein bisschen nonchalant gesagt, die drei Herren auf Ihrer linken Seite seien die, die uns am meisten kosteten. Vielleicht kann man das auch so zusammenfassen, dass es auch im Kabinett ein bisschen nach dem Leistungsprinzip geht. Vielleicht ist das die Ursache dafür, dass dort ein paar Transfermittel mehr zur Verfügung gestellt werden.

Drittens. Sie alle kennen den bösen Ausspruch des Freiherrn von Knigge aus dem Jahr 1788. Er hat gesagt, dass der geringste Dorfschulmeister, wenn er seine Pflicht treulich erfülle, viel wichtiger und nützlicher sei als ein Finanzminister. - Das war im Jahr 1788 und nicht heute. Ich denke - auch das gehört zur Sache -, dass wir auch heute unsere Prioritäten in der Bildungspolitik setzen sollten.

Jetzt zur Rede selbst. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit den heute vorliegenden und zu diskutierenden Papieren der mittelfristigen Finanzplanung und des Personalentwicklungskonzepts liegt ein beachtliches Werk vor uns. Die Landesregierung hat es sich in den vergangenen Wochen und Monaten wahrlich nicht leicht gemacht, sie hat Aufgabenschwerpunkte, Personalstärken und mittel- und langfristige Entwicklungsszenarien betrachtet, hat darüber diskutiert und gestritten und hat sich letztlich geeinigt. Der Finanzminister ist schon darauf eingegangen. Das ist mehr als beachtlich und verdient Anerkennung.

Auch wenn gelegentlich von blutigen Nasen, Niederlagen und empörten Wallungen zu lesen und zu hören war, es ist letztlich ein gelungenes Gemeinschaftswerk der Landesregierung geworden, das von der CDU-Fraktion mit Anerkennung begleitet und mitgetragen wird.

(Oh! bei der FDP)

Es geht hierbei also nicht um vordergründige Gewinner oder Verlierer, es geht um die Zukunftsperspektiven unseres Landes Sachsen-Anhalt.

Wir sind uns einig, dass bis zum Jahr 2019 ein immer kleiner werdendes Zeitfenster besteht, dieses unser Land Sachsen-Anhalt eigenständig, ohne zusätzliche Hilfe zu entwickeln und für zukünftige Herausforderungen weiter zu konsolidieren. Bis dahin - das kennen Sie alle - wird der Solidarpakt II ausgelaufen sein, werden die EU-Mittel abgeschmolzen sein. Bis dahin wollen wir Sachsen-Anhalt gemäß unserer Landeshymne stolz und kühn in die Zukunft führen.

(Lachen bei der FPD)

Meine Damen und Herren! Die CDU war und ist die Partei der deutschen Einheit. Das war vor dem Jahr 1989 so, als andere Parteien im Westen die Einheit als Lebenslüge verwarfen.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Das war während der Wende in der DDR in den Jahren 1989/1990 so, als Helmut Kohl beherzt die historische Chance ergriff und gemeinsam mit der Mehrheit der Menschen zwischen Ostsee, Erzgebirge und Alpen die deutsche Einheit staatlich vollendete. Und das ist auch heute so, wo wir an der Vollendung der Einheit in allen Politikbereichen arbeiten.

Vollendung der Einheit heißt für uns, die bestehenden Entwicklungsrückstände abzubauen und die Transferabhängigkeit unseres Landes zu überwinden. Wir wollen weiter unsere eigenen spezifischen Entwicklungschancen tatkräftig nutzen und zu einem zukunftsfähigen Wirtschafts- und Bildungsstandort in der Mitte Deutschlands, im Herzen Europas mit einer exzellenten Infrastruktur werden. Das ist unsere Zukunftsagenda.

Wir als CDU sehen uns als maßgebliche Gestaltungskraft, die ausgehend von historischen Leistungen und ordnungspolitischen Leitlinien klare Perspektiven für Deutschland und für Sachsen-Anhalt ableitet und in konkrete Politikkonzepte umsetzt.

Zukunftsfähigkeit heißt bei uns in Sachsen-Anhalt finanzpolitisch gesehen, die notwendige Verschuldung der Anfangsjahre zu beenden und die Entwicklung umzudrehen, das heißt Schulden abzubauen und die Einnahmen dauerhaft zu stabilisieren.

Herr Gallert, wir wissen um die höchste Verschuldung, wir wissen um die sozioökonomischen Verwerfungen. Wir wissen auch, dass wir unsere Ausgaben begrenzen und zukunftsfest gestalten müssen.

Die Diskussionen in der Föderalismuskommission II, in der über Entschuldung, Schuldenbegrenzung und Schuldenverbote gerungen wird, zeigt ganz klar: Wir haben die einmalige Chance, uns von dem Pfad in die Überschuldung abzuwenden. Daher sind wir offen für regelhafte Schuldenbegrenzungs- bzw. Schuldenaufnahmeverbotsmechanismen.

Ich denke, wir werden uns demnächst zu konkreten Schritten unabhängig von der Berliner Diskussion hier im Lande verständigen. Sollten sich die Mitglieder der Föderalismuskommission II zu einer Entschuldung bzw. zu einer Zinshilfe für finanzschwache Länder durchringen, unterstützen wir die Landesregierung ausdrücklich in ihrem Bemühen, hieran zu partizipieren.

Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Nachdem wir den ersten schuldenfreien Haushalt im Vollzug 2007 erreicht haben und den ersten schuldenfreien Haushalt im Entwurf 2008/2009 beschlossen haben, haben wir nunmehr wieder ein Novum, nämlich die erste schuldenfreie mittelfristige Finanzplanung vor uns liegen. Die Landesregierung, getragen von den Fraktionen der CDU und der SPD, fährt finanzpolitisch einen klaren, richtigen Kurs, der im Übrigen alternativlos ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich zur sozialen Marktwirtschaft bekennt, wer Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat als seine Lebensfundamente begreift, wird dies anerkennen müssen.

Wir lesen und hören in diesen Tagen des Öfteren schrille Töne von links. - Herr Gallert, es wäre schön, wenn Sie zuhören könnten. Seien Sie gewiss, lieber Kollege Gallert, die Union wird alles tun, um Ihren verstörend systemverändernden Parolen und Äußerungen entgegenzutreten. Wir werden sehr genau beobachten, wie sich Ihre Partei zum 20. Jahrestag der demokratischen Wende und zum 60. Jahrestag der DDR-Gründung positionieren wird.

(Beifall bei der CDU)

Wer die Systemfrage auf welcher Grundlage auch immer stellt, rüttelt an den Fundamenten unserer freiheitlichen Grundordnung und begibt sich auf extreme Pfade. Das sollten Sie wissen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ach so!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen ist oft von Halbzeitbilanzen die Rede. Mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen und auf die Haushalts- und Finanzpolitik - das ließe sich noch lange fortsetzen - ist zu konstatieren, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.

Finanzpolitisch haben wir mit dem Pensionsfonds, der Schwankungsreserve und der Zukunftsstiftung ebenso wichtige Vorsorgekonstruktionen begründet, wie wir Haushaltsrisiken vermindert und Drittmittel vollständig gebunden haben. Also könnte man meinen, es ist Zeit zum Innehalten und Sich-selbst-Loben. Weit gefehlt, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn vor Ihnen liegt nicht die Realität, sondern eine Absichtserklärung - verbunden mit festem Willen und Ernsthaftigkeit, aber dennoch eine Absichtserklärung.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Vorwort von Professor Paqué in der Mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2005 bis 2009:

„In diesem Jahr sind angesichts der bevorstehenden bundespolitischen Veränderungen...“

- und unbekannten ökonomischen Rahmendaten -

„verlässliche Prognosen nicht möglich. Mit dieser Broschüre legt die Landesregierung deshalb nur eine - weitgehend mechanische - Fortschreibung der Vorjahresannahmen vor.“