Dass wir die vorhandenen Probleme ernst nehmen, zeigt unser Antrag. Jetzt heißt es aber erst einmal, die Landesregierung arbeiten zu lassen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund wird es Sie nicht verwundern, wenn wir dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen und den Antrag der LINKEN ablehnen werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Schwenke. - Nun hören wir noch einmal Herrn Dr. Eckert und anschließend Frau Dr. Späthe. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde die Diskussion schon ein wenig eigenartig und kaum nachvollziehbar. Was die angebliche Alleinvertretung angeht: Ich bin nicht allein vertretend, weil man alle Fragen, die mit der Behindertenpolitik zusammenhängen, nur im Konsens einer Lösung zuführen kann. Das ist eine ganz große Erkenntnis. Aber wahr ist: Wir stoßen oft genau diese Themen an. Aber umzusetzen geht es nur gemeinsam.
Das ist unstrittig. Kein Thema! Aber gleichzeitig muss man feststellen, dass die seit Anfang der 90er-Jahre aufgelaufenen Prozesse, gerade diese Fragen der Teilhabe, der Selbstbestimmung nicht adäquat umgesetzt worden sind. Genau das ist die Kritik. Es geht doch gar nicht um das, was vor 18 Jahren war, sondern um das, was gegenwärtig läuft.
Ich muss es noch einmal betonen: Wir sind in einer Entscheidungssituation. Ich schätze mal, wir haben maximal drei, vier Jahre Zeit, um zu handeln. Danach wird alles ganz anders.
- Na gut. - Sie sprachen von Arbeitsaufträgen. Nein, wenn das so einfach wäre mit der Eingliederungshilfe, dann wäre es keine Frage, dass wir der Landesregierung sagen könnten: Sie machen das, sie arbeiten das aus.
Aber es ist eben nicht so einfach. Deshalb möchten wir einen Diskussionsprozess, einen Diskussionsprozess, in den alle einbezogen sind. Und das machen wir im Ausschuss.
Wir brauchen dazu Anhörungen. Denn seit 1962 - ich habe vorhin darauf hingewiesen - wird der Slogan „ambulant vor stationär“ wie eine Monstranz vorangetragen. Das Ergebnis ist in unserem Land: 90 % - -
- Aber das Ergebnis, Herr Gürth, ist dasselbe. Nämlich: 90 % der Ausgaben lagen im stationären Bereich und 10 % im ambulanten Bereich. Genau das ist sogar bundesweit nicht mehr nachvollziehbar, denn wir hatten ja auch schon ein wenig Zeit.
Dann möchte ich noch etwas sagen, was mich auch sehr eigenartig berührte. Der Finanzminister betonte gestern, dass die Regierungskoalition grundsätzlich an
die anstehenden Fragen herangeht, sich also auch grundsätzliche Diskussionen wünscht. Aber das scheint nicht für alle Themen zu gelten; sonst würden Sie unseren Antrag in die Ausschüsse überweisen. Sie wollen es nicht. Das heißt für mich, Sie weigern sich, eine grundsätzliche Diskussion zu den anstehenden Fragen und Problemen in der Eingliederungshilfe zu führen.
Schlimm finde ich, dass Sie diese grundsätzlichen Fragen auf die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sozialagentur oder in den herangezogenen Gebietskörperschaften reduzieren. Damit nehmen Sie auch die rechtlichen Veränderungen und das gewachsene Selbstbewusstsein der behinderten Menschen in den letzten 15 Jahren nicht zur Kenntnis.
Ich darf daran erinnern: Änderung des Grundgesetzes im Jahr 1994, Landesgleichstellungsgesetz, Sozialgesetzbuch IX aus dem Jahr 2001, das Bundesgleichstellungsgesetz, das Bundesgleichbehandlungsgesetz, die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU, ganz zu schweigen von den festgeschriebenen Grundsätzen und Rechten behinderter Menschen in der UN-Konvention aus dem Jahr 2006. Das sind alles Entwicklungen der letzten sechs, sieben Jahre. Die sind im Verwaltungshandeln noch gar nicht angekommen. Wir brauchen einen solchen grundlegenden Diskussionsprozess, um Veränderungen anstoßen zu können.
Ich muss dazu sagen: Wenn Sie tatsächlich Teilhabe und Selbstbestimmung, wie Frau Dr. Späthe es richtig betont hat, fördern wollen, ist die Rahmenvereinbarung sehr kritisch zu hinterfragen, sind Strukturen zu verändern und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu organisieren.
Dann sage ich noch einmal: Wenn ein Heimplatz pro Tag 80 bis 120 € kostet, aber das Land für die ambulante Betreuung lediglich 10,98 € auszugeben bereit ist, dann stimmt etwas nicht.
Ich muss es noch einmal sagen: Sie lehnen die Überweisung unseres Antrages ab. Damit weigern Sie sich natürlich auch, über die Finanzströme in der Eingliederungshilfe und über die Mechanismen, die hierbei wirken, zu diskutieren.
Frau Dr. Hüskens hat darauf hingewiesen: 40 Millionen € will der Finanzminister einsparen. Wie soll das mit traditionellen Strukturen gehen? Die Fallzahlen in der Behindertenhilfe sinken bis zum Jahr 2012/13 nicht, im Gegenteil. Auch die Ambulantisierung ist kein Sparmittel, wie die wissenschaftlichen Studien in Bayern zeigen.
Noch eine Zahl: Im Jahr 2000 haben wir im Land 230 Millionen € für die Eingliederungshilfe ausgegeben, jetzt geben wir über 300 Millionen € aus, und das trotz der Deckelung der Entgeltsätze, einer ziemlich restriktiven Handhabung der Gesetze und einer - allerdings ganz langsam - zunehmenden ambulanten Betreuung.
Meine Redezeit ist leider beendet. Klar ist: Wir werden die Diskussion trotzdem einfordern. Frau Dr. Hüskens hat es gesagt. Wir gehen davon aus, dass es nicht nur eine Berichterstattung wird, sondern dass es wenigstens eine ordentlich vorbereitete Diskussion mit allem Drum und Dran gibt. Ich werbe insofern immer noch dafür: Überdenken Sie Ihre Position und überweisen Sie beide
Anträge in den Ausschuss. Denn Sie sagten selbst, Ihr Antrag sei ein erster Schritt. Wir hingegen - das als letzter Punkt zu Ihnen - wollten über die Problematik grundsätzlich diskutieren und nicht nur einen ersten Schritt tun. - Danke.
Meine Damen und Herren! Als allerersten Satz vorweg: Wir wollen eben nicht mehr nur grundsätzlich diskutieren, sondern wir wollen endlich etwas tun.
Ansonsten versuche ich, in der Kürze der Zeit das einzusammeln, was mir in der Diskussion aufgefallen ist.
Erstens habe ich registriert: DIE LINKE hat die Befürchtung, dass sich die Ratifizierung der UN-Konvention auf Bundesebene verzögern könnte oder mit Einschränkungen versehen werden könnte. Diese Zeichen der Zeit sind uns so noch nicht bekannt.
Wir werden gemeinsam ein Auge darauf haben und gemeinsam versuchen, dies zu verhindern und die Ratifizierung zu befördern.
Zweitens. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Kommunalisierung, also die Aufgabenübertragung auf die herangezogenen Gebietskörperschaften allein die notwendigen Angebotsstrukturen nicht herbeizaubert, solange die Rahmenbedingungen dafür nicht stimmen. Die Kommunalisierung ist also nicht das Allheilmittel.
Drittens wurde gefragt, wie das Prinzip „ambulant vor stationär“ zu finanzieren ist. Ich habe versucht, das deutlich zu machen. Die Zeit war sehr kurz. Ich sage es noch einmal. Es ist nicht die Frage, ob wir ambulant vor stationär finanzieren oder umgekehrt. Finanziert werden muss auf jeden Fall, weil ein Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe besteht. Da können wir uns auf den Kopf stellen. Wenn der Haushaltstitel durch steigende Fallzahlen überzogen wird, dann müssen wir damit leben. Aber bezahlt werden muss es auf jeden Fall.
Deshalb ist unser Appell: Wir müssen jetzt handeln, um die Möglichkeiten zu nutzen, die sich durch die Nutzung familiärer, Freundes- und Ehrenamtsstrukturen ergeben und mit denen man gleichzeitig den Grundbedürfnissen der Betroffenen nahekommt, nämlich so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. Wenn wir das nutzen, können wir den Aufwuchs bei den Kosten eventuell dämpfen.
Aber wir können nicht sagen, wir bezahlen es nicht. Das ist nicht in unsere Hand gegeben worden. Das ist nun einmal so.
Frau Späthe, ich setze genau an dem an, was Sie gesagt haben. Eine Rechtsverpflichtung ist schön. Aber im Augenblick haben wir das Problem, dass wir feststellen, dass es aus Kostengründen nach wie vor eine Tendenz in den stationären Bereich gibt; denn wenn Sie die Menschen - ich glaube, Sie waren damals bei dem Vortrag auch mit dabei - in ambulante Systeme geben, die das können, bleibt natürlich ein Personenkreis im Heim übrig, der dort mit dem gleichen Personal betreut werden muss, sodass es dort zu höheren Kosten kommt. Man hat natürlich bei einer Reihe von Personen im ambulanten Bereich deutlich höhere Kosten.
Deshalb ist meine Frage, wie es sein kann, dass Sie hier heute sagen, wir wollen das - es soll auch zu qualitativen Verbesserungen kommen; diesbezüglich stimme ich Ihnen völlig zu -, wir auf der anderen Seite aber gestern gehört haben, dass wir davon ausgehen, dass das Ganze um 40 Millionen € preiswerter wird.