Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

Ein Minus im Vergleich zur bisherigen Handhabung, aber eine im Rahmen des Untersuchungshaftvollzuges als sinnvoll zu erachtende Regelung ist, dass Pakete mit

Nahrungs- und Genussmitteln nicht mehr in die Untersuchungshaft verbracht werden dürfen. Dies resultiert nicht daraus, dass es Einsitzenden nicht gegönnt wird, sondern vielmehr daraus, dass das Übermitteln von verbotenen Gegenständen, Nachrichten oder auch Rauschmitteln unterbunden werden soll. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Einschmuggeln von verbotenen Dingen nicht konsequent unterbunden werden konnte.

Zur Vermeidung von Gewalttätigkeiten unter den Gefangenen ist eine Einzelunterbringung unumgänglich. Ausnahmsweise kann bei jungen Untersuchungsgefangenen geprüft werden, ob die Unterbringung in einer Wohngruppe möglich ist. Das hat sich bereits in der Jugendstrafanstalt Raßnitz bewährt.

Weil die Untersuchungsgefangenen oftmals die gleiche Arbeit verrichten wie Strafgefangene und weil es keine Schlechterstellung geben soll, ist eine einheitliche Vergütung für Strafgefangene und Untersuchungsgefangene vorgesehen.

Als besonders wichtig erachte ich auch den Punkt 7 unseres Antrages. Untersuchungsgefangenen soll das Recht eingeräumt werden, an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Der Bildungsstand der Untersuchungsgefangenen ist oftmals defizitär. Viele Gefangene haben nicht einmal eine abgeschlossene Schulausbildung. Das kann im Rahmen einer Bildungsmaßnahme ausgeglichen werden. Damit wird den Gefangenen eine Hilfeleistung zur Verfügung gestellt, um künftige Probleme anders als bisher zu bewältigen. Auch die negativen Folgen einer Untersuchungshaft können so voraussichtlich gemildert werden.

Meine Damen und Herren! Die in dem Antrag genannten Punkte sollten berücksichtigt werden, können sie doch den Untersuchungshäftling in einer sehr schweren Situation unterstützen. Insofern möchte ich Sie im Sinne der weiteren Erarbeitung einheitlicher Untersuchungshaftvollzugsgesetze in elf Bundesländern um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag bitten. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Hartung. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolpert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag liest sich ein bisschen so, als ob Wohlmeinende und Hardliner versucht hätten, einen Kompromiss zu stricken. Aber sei's drum! Es ist gut und richtig, dass es diesen Antrag gibt. Ich halte es schon für wichtig, dass der Landtag, der bei diesem Gesetz die Hoheit hat, die Landesregierung bei der Länderinitiative begleitet, schon deshalb, um gute Argumente zu vermitteln, aber auch um zu verhindern, dass wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden und gesagt wird: Elf Länder haben dafür gestimmt, jetzt könnt ihr nicht mehr ausbrechen.

Ich denke, Frau Ministerin, bereits bei der Erarbeitung des Jugendstrafvollzugsgesetzes wurde deutlich, dass eine Begleitung durch den Ausschuss sehr gut möglich ist. Deswegen will ich auch Folgendes vorwegnehmen: Ich halte nichts davon, dass wir diesen Antrag heute beschließen, sondern ich halte es für sinnvoll, diesen An

trag in den Rechtsausschuss zu überweisen und dort die Problematik weiter zu besprechen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, regelt auch Dinge, die uns Liberalen ein wenig schwer fallen. Ich will Ihnen auch sagen, warum. In Untersuchungshaft kommen keine Verbrecher. Es mag wohl sein, dass es nach einer Verurteilung welche sind, aber zunächst sind es Unschuldige. Die Unschuldsvermutung ist einer der wichtigsten Grundsätze, die wir bei uns im Rechtsstaat und in der Demokratie haben. Jeder, der einmal in die Mühlen der Justiz gerät, ist froh darüber, dass es sie gibt. Wenn man also sagt, Untersuchungshaft sei Freiheitsberaubung gegenüber einem Unschuldigen, ist das ein richtiger Satz. Er hat auch seine Konsequenzen.

Herr Hartung, erst einmal meinen Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede. Herr Hartung, Ihre Rede ist zwar vorbei, aber würden Sie kurz einmal zuhören. Sie sagten, dass man einen Untersuchungshäftling nicht schlechter stellen darf als einen rechtskräftig Verurteilten. Das ist nicht ausreichend. Er ist unschuldig. Er ist grundsätzlich besser zu stellen als ein rechtskräftig Verurteilter.

Nur aus dem Strafverfolgungsverfahren heraus ergeben sich Notwendigkeiten, die eine Inhaftierung und einzelne Maßnahmen rechtfertigen. Aber diese müssen immer begründet sein. Deswegen ist es ein erheblicher Unterschied, ob es sich um einen Strafvollzug oder um einen Untersuchungshaftvollzug handelt.

In der Konsequenz ergibt sich natürlich auch ein Unterschied bei der Beurteilung der Frage, ob nun Pakete zugesandt werden dürfen oder nicht. Schon bei dem Jugendstrafvollzugsgesetz haben wir uns darüber heftig gestritten, weil nämlich fast alle, die sich mit der Psyche von Häftlingen beschäftigen, befürworten, dass sie solche Pakete erhalten.

In Ihrem Antrag haben Sie, abgesehen von der Bildung und von der Wohnunterbringung, gar nicht berücksichtigt, dass es unter Umständen für jugendliche Untersuchungshäftlinge andere Bedingungen geben muss als für erwachsene. Denn eines ist klar: Die Haftempfindlichkeit von jugendlichen Untersuchungshäftlingen ist wesentlich größer als die von erwachsenen. Also mag man darüber diskutieren, ob man dem Erwachsenen das Geschenk, etwa den Kuchen von der Oma, verweigert, weil vielleicht eine Feile darin sein könnte. Bei dem Jugendlichen sollte man das aber eben nicht tun.

Ich denke, es lohnt sich schon, darüber nachzudenken, wie die unterschiedliche Bezahlung zu bewerten ist.

Zu den Bildungsangeboten - ganz ehrlich -: Die Untersuchungshaft soll im Regelfall nicht länger als sechs Monate dauern. Welches Bildungsangebot wollen Sie wem unterbreiten und warum beispielsweise nur jugendlichen Analphabeten? - Auch diese Frage sollte man erörtern.

Ich denke, im Großen und Ganzen ist es richtig, dass man über diese Fragen vor dem Beschluss der Länderkommission diskutiert. Deswegen sollten wir im Ausschuss darüber diskutieren, damit die Justizministerin in diese Arbeitsgruppe auch die Vorgaben des Landtags und nicht allein die der Landesregierung einbringen kann. Schließlich könnte es sein, dass wir am Schluss noch aus der Phalanx derjenigen ausbrechen müssen, die es richtig machen wollen. Richtig ist ja wohl, dass wir

das Vollzugsrecht in Deutschland nicht zerfleddern, nur weil es eine Föderalismusreform gegeben hat. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke sehr, Herr Wolpert. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich nach der ausführlichen Einbringung von Frau Reinecke und nach der Darstellung von Frau Ministerin zur Sache nichts mehr sagen. Ich denke, dass das hinreichend dargelegt wurde. Nach den Redebeiträgen der Opposition scheinen mir aber doch noch einige Anmerkungen erforderlich zu sein.

Die Koalitionsfraktionen wollten, Herr Wolpert und Frau Knöfler, über den Antrag direkt abstimmen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Man kann es vielleicht bedauern, Frau Knöfler - darin sind wir uns vollkommen einig -, dass uns durch die Föderalismusreform die Zuständigkeit übertragen wurde. Eine bundeseinheitliche Regelung wäre in der Tat viel besser gewesen.

Die jetzige Regierung in Berlin hat im Jahr 2005 in ihrem Koalitionsvertrag noch vereinbart, ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz zu verabschieden. Jetzt, nach der Föderalismusreform, machen es die Länder. Das gehört in der Tat zu den Dingen, die die Länder nicht so richtig wollten. Aber es ist jetzt müßig, Frau Knöfler, dies im Nachhinein immer wieder zu bedauern. Die Situation ist so, wie sie ist. Jetzt geht es darum, das Beste daraus zu machen.

Wenn uns daran gelegen ist, zu möglichst einheitlichen Regularien zu kommen, dann brauchen wir einen Mindeststandard, der in allen Ländern annehmbar ist. Das versucht die Arbeitsgruppe, in der unser Justizministerium auch mitwirkt, zu erreichen. Diese Eckpunkte sind dem Parlament vorgestellt worden.

Ich bin gern bereit, darüber auch im Ausschuss zu reden, weil es im Detail noch offene Fragen gibt. Wenn wir aber aus - sagen wir einmal - sachsen-anhaltischer Sicht die sich dort abzeichnenden Eckpunkte durch Verbesserungen oder wie auch immer infrage stellen, dann haben wir jedenfalls im Ergebnis keine Rechtseinheit mehr. Darüber muss man sich im Klaren sein.

Deshalb sind wir - wie gesagt - gern bereit, über die offenen Fragen zu reden und auch der Landesregierung den einen oder anderen Hinweis mitzugeben. Das Ziel der Rechtseinheit ist für uns aber immer noch ein sehr wichtiges, das wir auch weiterhin voranstellen würden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Wolpert, hat eine Nachfrage, oder?

Es ist eine Zwischenintervention. - Das Ziel der einheitlichen Gesetzgebung ist sicherlich ein hohes. Wir teilen allerdings nicht die Auffassung, dass sich der Landtag

im Vorhinein ohne Diskussion seiner Kompetenz entheben sollte.

(Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN)

Herr Dr. Brachmann, Sie hatten in Ihren Ausführungen gesagt, Sie wären gern bereit, im Ausschuss darüber zu reden.

Heißt das, Sie befürworten die Überweisung?

Wir, das heißt die Koalitionsfraktionen, würden die Überweisung mittragen. Ich habe aber in der Sache eine Einschränkung gemacht. Wir würden das Fass in den Ausschussberatungen - sagen wir einmal - nicht gänzlich aufmachen wollen.

(Herr Stahlknecht, CDU: Sonst beraten wir es ja zweimal!)

Frau Knöfler hat noch eine Nachfrage.

Sehr geehrter Herr Brachmann, habe ich Sie richtig verstanden: Sie bzw. auch die Koalitionsfraktionen würden der Überweisung des Antrages zustimmen?

Es wäre aber wichtig, nicht nur der Überweisung zuzustimmen, sondern - das ist der Inhalt unseres Antrages - in einer Anhörung Experten und Sachverständige zu Wort kommen zu lassen, um dann zu überlegen, warum nicht ein positives Signal bei dem sensiblen Thema des Untersuchungshaftgesetzes von Sachsen-Anhalt ausgehen soll. Gegebenenfalls könnte genau dies das Ergebnis dieser Anhörung sein. Oder das eine oder andere wird thematisiert, gegebenenfalls ausgeschlossen oder hinzugebracht und bereichert dann die Bund-LänderArbeitsgruppe. - Danke schön.

Zum einen, Frau Knöfler, über die Frage, ob wir eine Anhörung durchführen, entscheiden wir im Ausschuss und nicht im Plenum; das ist so. Zum anderen ist es bisher guter Brauch gewesen, dass wir, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt, dazu eine Anhörung durchführen. Darüber, ob wir in diesem Fall bereits im Vorfeld eine Anhörung durchführen, sollte jede Fraktion erst noch einmal nachdenken.

Herr Stahlknecht hat auch noch eine Nachfrage. - Eine Intervention. Bitte.

Ich will an dieser Stelle auf Ihre Frage hin, Frau Knöfler, den Kollegen unterstützen. Es ist eine andere Situation. Im Vorfeld eines Gesetzentwurfes, der im Kabinett am Ende beschlossen und in den Landtag eingebracht werden wird, erfolgt eine flankierende Unterstützung in der Form, dass ein Eckpunktepapier vorgelegt wird und dass durch die Überweisung gemeinsam über Ideen diskutiert wird, die dem Ministerium mit der Bitte um Berücksichtigung beigegeben werden sollen. Sie fordern jetzt, in diesem Verfahren auch noch eine Anhörung durchzuführen.

Wenn wir das zum guten Brauch werden lassen, dann verdoppeln wir die Dauer von Gesetzgebungsverfahren, weil wir nach einer Anhörung der Regierung vor der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes Handlungsempfehlungen geben würden und dann, wenn der Gesetzentwurf eingebracht sein würde, noch einmal eine Anhörung durchführen würden.

Dazu sage ich Ihnen jetzt schon, auch wenn ich damit das Ergebnis im Ausschuss zumindest für die CDUFraktion antizipiere: Das wird es mit uns nicht geben, weil wir Gesetzgebungsverfahren nicht behindern, sondern beschleunigen und zielorientiert und demokratisch voranbringen wollen. - Vielen Dank.

Damit ist die Debatte beendet. Wir stimmen über den Antrag in Drs. 5/1532 ab. Es ist beantragt worden, den Antrag in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Antrag an den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 11.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir so gut vorangekommen sind, dass wir den Tagesordnungspunkt 22 - Bundesratsinitiative -, der für den morgigen Tag vorgesehen ist, noch heute behandeln werden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: