Protokoll der Sitzung vom 07.07.2006

(Zustimmung bei der FDP und bei der Linkspar- tei.PDS)

Ich bitte Sie, den gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und FDP zu unterstützen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Budde. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kampf gegen Extremismus jeglicher Couleur ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben, sichert er doch den Fortbestand unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. Gegenwärtig müssen wir aber unser Hauptaugenmerk auf den Extremismus von rechts legen, da er im Moment die größte Bedrohung für unsere Gesellschaft ausstrahlt.

Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2005 weist eine deutliche Zunahme rechtsextremer Straftaten um fast 50 % aus, um diese Bedrohung einmal in Zahlen zu fassen. Die Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht, manifestiert sich aber nicht nur in Zahlen, sondern auch und gerade in Bildern. Wenn Bücher verbrannt werden, erinnert das nicht nur an das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte, sondern es erinnert uns auch daran, dass der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz eine Sisyphusarbeit ist, die unserer ganzen Kraft und unserer ganzen Aufmerksamkeit bedarf.

Was passiert, wenn Fremdenhass und Nationalismus an die Stelle demokratischer Grundüberzeugungen treten, hat uns die Diktatur des Nationalsozialismus bis 1945 fühlbar gezeigt. „Das war ein Vorspiel nur; dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Das hat schon Heinrich Heine in düsterer Voraussicht im Jahr 1821 bemerkt. Leider sollte er Recht behalten.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist eine Aufgabe aller demokratischen politischen Parteien, aller gesellschaftlichen Verbände, Vereine und Gruppen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn ein Bürgermeister einer Gemeinde glaubt, rechter Gesinnung durch die Einbindung in das Gemeindeleben

begegnen zu können, weil die Jungs sonst ganz anständig sind, zeigt uns das, dass die Gefährlichkeit des im Schafspelz daherkommenden Wolfs mit dem Namen „Rechtsextremismus“ vielerorts möglicherweise unterschätzt wird.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Es zeigt uns aber auch, dass sich die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht nur in der Beobachtung derjenigen erschöpfen kann, die mit Glatze und Springerstiefeln randalierend durch die Straßen ziehen und Menschen verprügeln. Es verändert sich nicht nur das Erscheinungsbild, sondern es verändern sich auch die Strategien rechter Organisationen. Deshalb will ich an dieser Stelle auch ausdrücklich der Ministerin der Justiz unsere Unterstützung zusagen, wenn sie, wie mit den Vertretern der Justiz vereinbart, ein Schulungsprogramm für Richter und Staatsanwälte plant, um diese mit allen neuen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus bekannt und vertraut zu machen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Kos- mehl, FDP)

- Herr Kosmehl, das hat aber die FDP nach der Klärung, wie es gemeint ist, auch positiv kommentiert.

Meine Damen und Herren! Wir müssen jenen die Plattform entziehen, die als brave Gutmenschen daherkommen und unter dem Deckmantel der Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Problemen die Sorgen und Ängste der Menschen aufgreifen und ihnen antidemokratische und fremdenfeindlichen Parolen als einfache Antworten geben. Das ist nicht nur Populismus, das ist Demagogie.

Wenn dieselben rechten Demagogen behaupten, dass ein Verbot ihrer verfassungsfeindlichen Ideen ein Angriff auf ihre Meinungsfreiheit sei, so sage ich, dass unser Konzept die Freiheit für alle ist und nicht die Freiheit für wenige. Wo andere Menschen bedroht, eingeschüchtert und diskriminiert werden, hört die Freiheit auf. Dort beginnt der Schutz der Menschenwürde.

„Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ - Das ist ein Grundsatz unserer wehrhaften Demokratie. Ein amerikanisches Sprichwort drückt das so aus: Deine Freiheit endet an meiner Nasenspitze.

Leider ist die Realität im Alltäglichen aber eine andere. Gewalttaten mit einem rechten Hintergrund sind in Sachsen-Anhalt wie in vielen anderen Bundesländern auch alltäglich und lösen leider nur noch selten Schlagzeilen aus. Sie ereignen sich in Straßenbahnen, in Regionalzügen, in Schulen, auf dem Nachhauseweg, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen. Die Angreifer sind oftmals bekannt, und unabhängig davon, ob die Angriffe gezielt oder zufällig erfolgen, trifft die rechte Gewalt fast immer Menschen, die auch im Alltag Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren.

Eine wehrhafte Demokratie kann nicht mit stumpfen Waffen kämpfen. Darum müssen wir diejenigen, die jeden Tag aufs Neue unermüdlich ackern, um den braunen Sumpf trockenzulegen, die Mittel zur Verfügung stellen, die sie brauchen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linkspar- tei.PDS und bei der FDP)

Gesellschaftliche Initiativen wie das Netzwerk für Demokratie, der runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit

oder der Verein „Miteinander“, um nur einige zu nennen - es gibt deren viel mehr -, verdienen zu Recht nicht nur unsere ganze Anerkennung, sondern auch die finanzielle Unterstützung.

Deshalb müssen wir weiter mit der Bundesregierung darüber verhandeln, dass der Opferschutz eine der Säulen im neuen Civitas-Programm sein wird. Wir müssen in den kommenden Landeshaushalten, nicht nur für das Jahr 2007, sondern auch in den darauf folgenden Doppelhaushalten, auch von der Landesseite aus sicherstellen, dass eine finanzielle Vorsorge getroffen wird, damit die Arbeit weitergehen kann oder möglicherweise sogar verstärkt wird.

Ich weiß, dass diese strikte Forderung in Zeiten der Haushaltskonsolidierung, in denen vieles auf dem Prüfstand steht, möglicherweise überzogen erscheint. Ich sage aber ganz deutlich: Sie ist es nicht. Denn wenn wir zulassen, dass rechte Kräfte das Ruder im Land anfassen oder übernehmen, dann brauchen wir uns um einen verfassungsgemäßen Haushalt keine Sorgen mehr zu machen; denn dann wird die Verfassung bald nur noch auf dem Papier stehen und wir werden keinen Haushalt mehr aufstellen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Meine Damen und Herren! Seit dem 1. Juni 2006 wird unter der Überschrift „Logik des Grauens“ die innere Logik des 20. Jahrhunderts beschrieben. Ich möchte daraus zitieren. Dort steht:

„Das 20. Jahrhundert zwingt freilich zu der Annahme, die Europäer seien auf dem Weg ihrer Emanzipation am Ende der eigenen Moderne erlegen und mehr als nur einem neuen Wahn verfallen. In Weltkriegen, in Revolutionen und auch in Friedensschlüssen ließen sie zwei alte Ideen zur blutigen Praxis werden, die nationale und soziale Homogenisierung.

Beide Konzepte, nicht selten in explosiver Kombination, beflügelten die Massen, sich aus dem Elend, der Enge des Hergebrachten zu erlösen und den Weg in ein besseres Leben mit Gewalt zu beschleunigen. Die Gleichheit in einer genau umrissenen Großgruppe versprach Sicherheit. Individuelle Freiheit galt als bedrohlich. Die Unverletzlichkeit des einzelnen Menschen oder ganzer als feindlich eingestufter Menschengruppen wurde der kollektiven Regression geopfert.“

Dass das 21. Jahrhundert nicht gegen diese Logik gefeit ist, sehen wir an vielen Regionen auf dieser Welt. Seien wir nicht so arrogant zu glauben, dass unser im Grunde wohlhabendes Europa dafür nicht mehr anfällig wäre. Auch bei uns nimmt die soziale Differenzierung zu, steigt die soziale Ausgrenzung, wird die Zukunftsangst größer und die Angst vor Perspektivlosigkeit steigt schneller.

Deshalb ist neben der Bekämpfung der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts und der daraus resultierenden Straftaten der Aufbau einer langfristig sicheren solidarischen Gesellschaft unsere Kernaufgabe. Deshalb lassen Sie uns - möglichst gemeinsam, wie es eigentlich gute Tradition in diesem Hohen Haus ist - unsere Verantwortung wahrnehmen und diesen Antrag beschließen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im ganzen Hause)

Danke, Frau Abgeordnete Budde. - Für die Fraktion der Linkspartei.PDS kann Frau Tiedge noch einmal sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie bedauern übereinstimmend, dass es heute keinen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen geben wird. Ich sage Ihnen: Ja, wir auch.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Ein klares Signal aus diesem Hause heute gegen jede Form von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit, was - das ist heute schon übereinstimmend festgestellt worden - die eigentliche Gefahr für die Demokratie darstellt, hätte dem Parlament gut zu Gesicht gestanden. Ihr Alternativantrag wird aber gerade dem nicht gerecht.

Allgemeine Bekenntnisse gegen Extremismus gab es vielfach in diesem Parlament. Diese Beschlüsse haben nach wie vor ihre Gültigkeit. Wir stehen hinter diesen Beschlüssen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Unser Antrag hat aber eine andere Intention. Es geht um die Forderung nach der Fortführung der Bundesprogramme, in der formuliert ist: Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Ohne diese Programme ist eine kontinuierliche Arbeit im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht möglich.

Frau Ministerin Kuppe, Frau Budde, ich kann jedes Wort, das Sie gesagt haben, unterstreichen. Auch für Sie ist die Gefahr des Rechtsextremismus die eigentliche Bedrohung für unsere Gesellschaft. Umso weniger kann ich nachvollziehen, warum unserem Antrag nicht beigetreten wurde.

Wir haben genau das festgeschrieben, was auch Sie in Ihren Redebeiträgen gefordert haben. Es wurde noch nicht einmal der Versuch unternommen, im Konsens unseren Antrag vielleicht in einigen Punkten zu verändern. Es wurde nur Ihr Alternativantrag vorgelegt nach dem Motto „Friss oder stirb!“.

(Herr Gürth, CDU: Er ist wesentlich besser!)

Wir haben, wie gesagt, völlig andere Intentionen mit diesem Antrag verfolgt. Es wäre gut gewesen, wenn wir über diesen Antrag gemeinsam geredet hätten.

Herr Scharf, Ihr Redebeitrag hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass die bestehenden Vereine ihre Weiterbildungsarbeit kontinuierlich weiterführen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es scheinen erhebliche Defizite bei der objektiven Einschätzung der Gefahr von rechts vorzuliegen. Das zeigt nicht zuletzt die Einschätzung, die Sie zu dem Fall in Pretzien vorgenommen haben. Wer zusieht, wie ein Exemplar des Buches „Das Tagebuch der Anne Frank“ verbrannt wird, darf nicht noch in Schutz genommen werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Tullner, CDU: Wer macht denn das?)

Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Wir werden dem Alternativ

antrag nicht zustimmen. Setzen Sie ein klares Signal aus diesem Haus in dem entschiedenen Kampf gegen den Rechtsextremismus.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Damit ist die Debatte beendet. Wir treten ein in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 5/106 und zu der Drs. 5/143.