Wir als CDU und als Koalition werden und können aber heute keine Vorwegentscheidungen zum Haushalt für das Jahr 2007 und die folgenden Jahre fällen. Das war in diesem Hause noch nie üblich.
Meine Damen und Herren! Wenn wir heute lediglich zusagen können - Frau Ministerin hat es auch ganz eindeutig gesagt -, dass wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen auch unserer finanziellen Verantwortung bewusst sein werden, dann ist das ein Satz, der heute kommen muss; aber darüber hinaus ist nichts möglich und ist auch nicht nötig.
Freilich können wir mit Genugtuung feststellen, dass wir so gut wie sicher sein können, dass der Bund Nachfolgeprogramme auflegen wird. Diese werden im Moment entwickelt. Jeder Zuwendungsempfänger, jeder Verein im Lande Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland muss zum Jahresende mit dieser Unsicherheit leben, weil er nicht ganz genau weiß, wie die Folgeprogramme ausgestaltet sind und ob er in die Folgeprogramme hineinkommt, meine Damen und Herren.
Das ist aber ein ganz normales Verfahren, das wir leider allen, die im Land Sachsen-Anhalt Erfahrungen in der Vereinstätigkeit haben, zumuten müssen. Wir haben es in Sachsen-Anhalt in der einen oder anderen Art und Weise geschafft, diese Unsicherheit ein Stück weit zu verringern, indem wir in der Lage waren, für besonders kontinuierliche Arbeit Zuwendungsverträge zu erarbeiten, die über mehrere Jahre wirksam sind. Dies sind alles ganz normale haushalterische Mechanismen und diese werden wir auch auf diese Arbeit anwenden, meine Damen und Herren.
Zum Schluss dieser Debatte möchte ich noch einmal auf das hinweisen, was ich schon am 20. Januar 2006 gesagt habe: Es darf nicht dazu kommen, dass sich demokratische Parteien gegenseitig mangelnde Aktivitäten gegen Gewalt und Extremismus in unserer Gesellschaft vorwerfen. Damit würden wir, gewollt oder ungewollt, Gewalttätern in die Hände spielen. Insofern haben wir mit der heutigen Debatte die Chance, mit unserem Alternativantrag ein eindeutiges Zeichen dieses Landtages von Sachsen-Anhalt in die Öffentlichkeit zu geben. - Vielen Dank.
Herr Scharf, wir wären außerordentlich froh gewesen, wenn wir mit unserem Antrag ein geschlossenes Zeichen im Landtag erreicht hätten, nämlich denjenigen, die sich um diese Probleme kümmern, ein Signal zu geben,
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie erstens - es gibt in unserer Landesverfassung den Artikel 4, der die Überschrift „Menschenwürde“ trägt; darin wird ein Staatsziel definiert -, ob man nicht schon aus diesem Staatsziel ohnehin eine landespolitische Verantwortung auch in finanzieller Hinsicht ableiten kann.
Zweitens. Sie sagen, wir als Landtag sind nicht in der Lage, vor den Haushaltsberatungen ein eindeutiges Signal zu geben, für derartige Initiativen im nächsten Jahr Geld auszugeben. Wie stehen Sie denn zu der Ankündigung von Projekten durch Minister, die definitiv und hundertprozentig haushaltswirksam sind und die bisher unwidersprochen als Projekte der Regierung angesagt worden sind? Warum kann man bei diesen und nicht hierbei so etwas tun?
Herr Gallert, Sie saßen lange genug im Finanzausschuss und wissen daher genau, dass jede Äußerung, auch jede Äußerung eines Fachministers über Programme, die er in den nächsten Jahren auflegen will, unter Haushaltsvorbehalt steht. Der eine oder andere Minister musste schon erleben, dass seine guten Ideen an den Haushaltsnotwendigkeiten zerbrochen sind.
Wenn Sie auf das Grundgesetz und auf unsere Verfassung abstellen und sagen, die Würde des Menschen ist unantastbar, dann muss ich Ihnen eindeutig sagen, dass das natürlich richtig ist; aber es wird doch wohl kein Mensch davon ausgehen, dass daraus Haushaltsansätze ableitbar sind. Das hat noch nie jemand behauptet, Herr Gallert.
Es geht einfach darum, dass wir mit dem richtigen Fingerspitzengefühl argumentieren, dass wir richtig reagieren und dass wir aus prinzipiellen Gründen - dagegen wehre ich mich grundsätzlich - nicht vorgezogene Haushaltsberatungen führen. Das geht nicht.
Wenn Sie mit Ihrem Antrag diesen Zweck verfolgt haben, dann muss ich mich gegen diesen Zweck stellen. Ich lasse mir jedoch deshalb nicht unterstellen, dass ich nicht gegen Extremisten vorgehen werde.
Wir werden zur rechten Zeit die rechten Mittel zur Verfügung stellen. Ich habe übrigens bisher nicht gemerkt, dass das in der letzten Zeit eine Finanzfrage gewesen ist; vielmehr müssen gute Projekte organisiert werden. Bisher haben wir immer noch die Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, die notwendig gewesen sind.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Der jüngste Bericht des Verfassungsschutzes belegt eine Zunahme der Zahl extremistisch motivierter Straftaten in Sachsen-Anhalt. Der Schwerpunkt liegt dabei unverändert im Bereich des Rechtsextremismus. Hier geben Anzahl und Zunahme der Delikte besonders großen Anlass zur Sorge.
Wir, die FDP-Fraktion, teilen diese Sorge. Wir sehen in den vorliegenden Statistiken einen unveränderten Auftrag zum Handeln, und zwar gegen jede Form des Extremismus, die das freiheitliche und friedliche Miteinander der Menschen gefährdet. Es ist dabei gleichgültig, ob der Extremismus seine Motivation aus linksradikalen, aus rechtsradikalen oder aus religiös-fundamentalistischen Motiven bezieht. Genau dies geht aus dem gemeinsamen Antrag der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion hervor.
Im Kampf gegen den Extremismus muss das ganze Spektrum von Maßnahmen zur Anwendung kommen, über das ein freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat und seine Bürger verfügen. Das ist zum einen das vorbeugende Bekämpfen der Ursachen des Extremismus durch Bildung, Erziehung sowie Jugend- und Sozialarbeit. Das ist zum anderen die konsequente polizeiliche Kontrolle und strafrechtliche Verfolgung einschließlich der nötigen Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes.
Meine Damen und Herren! Alle gesellschaftlichen Initiativen, die in dem gemeinsamen Antrag der CDU, der SPD und der FDP genannt werden, finden deshalb die volle Unterstützung der Liberalen. Dies gilt nicht nur für die Programme auf Landesebene, sondern vor allem auch für das Civitas-Programm der Bundesregierung. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, sich für die Fortsetzung des Civitas-Programms einzusetzen.
Meine Damen und Herren! Es gibt leider - das kam schon zur Sprache - einen sehr aktuellen Anlass, mit großem Ernst darüber nachzudenken, wie die Arbeit mit rechtsradikalen Jugendlichen in unserem Land vor Ort in den Kommunen abläuft. Der Anlass ist uns allen in den Kernpunkten zumindest aus der Presse bekannt.
In Pretzien hat es bis zum vergangenen Wochenende einen so genannten Heimatbund Ostelbien gegeben. Der Vorsitzende des Vereins, der bis zu seiner Auflösung laut Internetseite elf Mitglieder hatte, war ein ehemaliges NPD-Mitglied. Weitere Mitglieder waren einschlägig bekannte Skinheads, weshalb der Verein schon in einem früheren Verfassungsschutzbericht als eine Art Tarnorganisation für eine Skinhead-Kameradschaft auftauchte. Der Bürgermeister der Gemeinde war auch Mitglied. Der Verein durfte sich auf der Internetseite seiner Gemeinde präsentieren.
Der Verein veranstaltete vor rund zwei Wochen - das wurde schon in der Debatte erwähnt - eine so genannte Sonnwendfeier, bei der ein Exemplar des Tagesbuchs der Anne Frank und eine amerikanische Flagge öffentlich verbrannt wurden, offenbar unter dem Applaus der jungen Leute, von denen einer dem Vernehmen nach ein T-Shirt mit der Aufschrift „Wehrmacht Pretzien“ trug. - So weit im Groben die Fakten, zumindest so, wie sie der Presse zu entnehmen waren.
Ich habe mir die Internetseite selbst angesehen. Ich brauche nicht auszuführen, dass das, was bei der so genannten Sonnenwendfeier in Pretzien geschah, abscheulich ist. Bücher- und Flaggenverbrennungen sind übelste Symbolakte des Rechtsradikalismus, natürlich besonders kritisch vor allem in Deutschland zu sehen. Die Sache wird noch widerwärtiger, wenn man bedenkt, dass es sich um das Tagebuch eines jüdischen Mädchens handelt, das im KZ ermordet wurde, und um die Flagge jenes Landes, das vielen deutschen Demokraten und Freiheitskämpfern im 19. Jahrhundert und vielen deutschen Juden in der Nazizeit zur rettenden Zuflucht wurde.
Ich sage an dieser Stelle nur: Einen Henry Kissinger, ehemaliger Außenminister der Vereinigten Staaten, in Fürth in Deutschland aufgewachsen, und einen Michael Blumenthal, amerikanischer Finanzminister unter Carter, aufgewachsen in Oranienburg in Brandenburg, hätte es nicht gegeben, wenn Amerika die Eltern Kissingers und Michael Blumenthals in der Nazizeit nicht offen aufgenommen hätte.
Im Hinblick auf den gesellschaftlichen Kampf gegen den Extremismus ist aber eines besonders alarmierend. Diesbezüglich, lieber Herr Scharf, habe ich eine andere Meinung als Sie. Der Bürgermeister der Gemeinde war wohl ganz ehrlich der Meinung, er würde gute Jugendarbeit unterstützen, wenn er den jungen Rechtsradikalen ein Stück weit Freiräume für ihr Tun und wohl auch für ihre Symbolik geben würde. Nur so sind seine Äußerungen und sein Verhalten zu interpretieren, das nachher in der Presse diskutiert wurde.
Gute Jugendarbeit gegen den Extremismus besteht nicht darin, die verkehrte Wertewelt der jungen Menschen mit extremistischen Neigungen ein Stück weit anzuerkennen, um dann zu versuchen, sie zu bekehren.
Gute Jugendarbeit besteht stattdessen darin, den jungen Menschen die freiheitlichen Werte zu vermitteln und ihnen den Unwert ihrer Intoleranz klarzumachen, meine Damen und Herren.
auch das Recht auf schlimmen Irrtum. Wer sich aus der rechtsradikalen Gedankenwelt löst, der muss willkommen sein. Aber es darf keinen Schritt der Jugendarbeit in Richtung rechtsradikaler Werte geben, meine Damen und Herren.
Wir Liberale fragen uns besorgt, ob es im Land neben Pretzien weitere Gemeinden gibt, die mit rechtsradikal
ausgerichteten Organisationen zusammenarbeiten. Wir fordern die Landesregierung dringend auf, genau dies zu überprüfen. Es kann und darf nicht sein, dass sich wie in Pretzien rechtsradikale Elemente in die Alltagskultur unseres Landes einschleichen.
Wenn dies so wäre, wäre es ein Katastrophe für unser Land. Es würde auch so manches uninformierte Vorurteil bestätigen, dem viele von uns - ich gehöre auch dazu - in Gesprächen mit Menschen aus anderen Ländern und aus den westdeutschen Bundesländern begegnen und dem wir bisher mit gutem Gewissen widersprechen. Hier besteht dringender Aufklärungsbedarf; denn unser aller Glaubwürdigkeit hängt davon ab, meine Damen und Herren.