Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Herr Tullner, ich halte die Diskussion über das Gesetz in diesem Landtag für überhaupt nicht überflüssig, im Gegenteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir denken nach wie vor, dass ein Eingriff in das Gesetz noch möglich sein kann. Nichts ist für die Ewigkeit. Vielleicht muss es auch nicht am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Mich verwundert, dass das leidenschaftliche Plädoyer der FDP hier nicht zu einem Änderungsantrag geführt hat.

(Zuruf von der FDP)

Dann hätten wir auch über Ihre Intentionen intensiver diskutieren können. - Ich bitte Sie nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir stimmen ab.

Eine Überweisung ist nicht beantragt worden, sodass wir jetzt über den Antrag in der Drs. 5/1628 selbst abstimmen. Wer stimmt zu? - Die antragstellende Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Die Koalition und alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Erste Beratung

Sicherung der Existenzbedingungen ortsansässiger landwirtschaftlicher Unternehmen bei der Verwertung von BVVG-Flächen

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1632

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1656

Ich bitte Herrn Krause, den Antrag für die Fraktion DIE LINKE einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag greifen wir ein Thema auf, das die betroffenen Landwirte nicht erst seit Wochen oder Monaten bewegt. Es geht um die Verfügbarkeit von

Grund und Boden und in dieser konkreten Angelegenheit um die Landwirte, die mit einem mehr oder weniger großen Anteil an BVVG-Flächen arbeiten.

Für diese Landwirte kann - ich betone: kann - die Verwertungs- bzw. Privatisierungspraxis der BVVG schwerwiegende und sogar existenzbedrohende Folgen haben. Entsprechend den erlassenen Privatisierungsgrundsätzen ist die BVVG als Privatisierungsstelle des Bundes angehalten, nach entsprechenden Ausschreibungen auf der Grundlage von Höchstgeboten zu veräußern.

Für das Bundesministerium für Finanzen als übergeordnete Behörde ist das natürlich ein recht einträgliches Geschäft. Immerhin sind die Erlöse, die pro Hektar beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen erzielt werden, laut Geschäftsbericht - der letzte lag aus dem Jahr 2007 vor - gegenüber dem Vorjahr um 20 % angestiegen. Die BVVG hat im Berichtszeitraum einen Überschuss von insgesamt 291 Millionen € an die Gesellschafterin, also den Bund, abführen können. Im Jahr 2006 betrug der Überschuss 20 Millionen € weniger.

Was nicht nur für die BVVG, sondern vor allem für den Bundesfinanzminister Steinbrück ein Segen ist, ist allerdings für die etablierten Agrarunternehmen, die mit ihren begrenzten finanziellen Möglichkeiten außen vor bleiben, ein Fluch. Die Möglichkeiten eines Flächenerwerbs nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz sind bei den Pächtern weitestgehend erschöpft. Damit hat sich auch aus finanziellen Gründen eine Teilhabe am sonstigen Flächenerwerb und erst recht an einer Ausschreibung nach Höchstgebot erledigt. Hierbei können die einheimischen Landwirte nicht mithalten.

Wir müssen jedoch auch zur Kenntnis nehmen, dass die BVVG-Flächen in Sachsen-Anhalt immer noch eine Gesamtfläche von insgesamt ca. 100 000 ha umfassen und dass in den kommenden Jahren ein großer Teil der langfristigen Pachtverträge ausläuft. Das Privatisierungskonzept der BVVG stellt die betroffenen Unternehmen vor die Entscheidung, entweder die Flächen zu kaufen oder Gefahr zu laufen, das bisher gepachtete Land zu verlieren.

Wer in dieser Situation die auf einem hohen Anteil an Pachtflächen beruhende heimische Landwirtschaft dem globalen Markt aussetzt und landesgesetzliche Möglichkeiten für den Zugang unserer Agrarbetriebe zu den von ihnen bewirtschafteten Flächen nicht nutzt, setzt die modernen und bewährten Agrarstrukturen in SachsenAnhalt leichtfertig aufs Spiel und sorgt für Verluste an Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum.

Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass sich mit der Föderalismusreform das Grundstückverkehrs- und Landpachtgesetz nunmehr in der Zuständigkeit der Länder befindet und wir damit auch mehr Verantwortung für die Entwicklung der ländlichen Räume tragen. Dies verpflichtet uns aber auch zum Handeln.

Natürlich ist es richtig, dass EU-weit alle Bieter zum Verfahren zugelassen werden müssen. Aber die Entscheidung, wer den Zuschlag bekommt, muss nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, die für die Region oder für die Kommune entstehen könnten, getroffen werden. Dabei darf nicht allein ein Höchstgebot den Ausschlag geben.

Vielmehr sollte zur Entscheidungsfindung hinterfragt werden, ob der Erwerb einer Fläche zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung sowie zur Umsetzung einer

anderen kommunalen oder gesellschaftlich wichtigen Maßnahme dient oder ob es sich schlichtweg nur um eine bloße Geldanlage handelt, in deren Konsequenz der Bestand eines gesunden landwirtschaftlichen Unternehmens gefährdet und regionale Entwicklungskonzepte und Wirtschaftskreisläufe gestört werden könnten. Dementsprechend ist natürlich auch zu handeln. Es darf nicht nur hinterfragt werden.

Davon, dass dies auch auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts möglich ist, haben wir uns als Agrarausschuss anlässlich unseres Arbeitsbesuches bei einer französischen Landgesellschaft im Raum Toulouse überzeugen können. So ist dieser Antrag auch als eine gewisse Nachlese unseres Arbeitsbesuches in Frankreich zu verstehen. - Herr Daldrup, so viel zu Inhalten und Bedeutung von Arbeitsbesuchen.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht hierbei nicht darum, bestimmte Menschen vom Flächenerwerb auszuschließen. Nein, die Möglichkeit, sich auch in Sachsen-Anhalt niederzulassen, Flächen zu erwerben, sofern sie angeboten werden, und Landwirtschaft zu betreiben, soll jedem offen stehen. Wenn also Flächen frei werden und nicht mehr benötigt werden, weil ein Landwirt seine Wirtschaft zum Beispiel aufgibt, dann soll man sich meinetwegen europaweit um diese Flächen bewerben können. Die Bewerberinnen sollen diese Flächen auch bekommen, sofern sie entsprechende Konzepte vorlegen, die für ein Europa der Regionen von Vorteil sind.

Das Problem besteht jedoch darin, dass die entsprechenden Flächen, obwohl jetzt viele Pachtverträge auslaufen, nicht wirklich frei werden oder vom bisherigen Pächter nicht mehr benötigt werden. Nein, viele Pächter sind finanziell nicht in der Lage, diese Flächen unter Beachtung der vorgegebenen Losgrößen im Augenblick und sofort zu kaufen, und zwar erst recht nicht dann, wenn mit Höchstgeboten konkurriert werden muss.

In diese Situation werden Landwirte durch die bisherige Privatisierungspraxis der BVVG gebracht. Kapitalkräftige Leute, die außerhalb der Landwirtschaft und sonstiger regional begründeter Interessen stehen, erhalten die Möglichkeit, die Bodenpreise so stark in die Höhe zu treiben, dass ein Landwirt im Haupterwerb dabei nicht mithalten kann. Investitionen und Betriebsplanungen binden die finanziellen Möglichkeiten der Landwirte. Die Praxis der BVVG beweist dagegen wenig Augenmaß für das regional bzw. örtlich Machbare.

Wenn sich selbst Vertreter der Koalitionsparteien zu Einschätzungen hinreißen lassen wie der, dass an dieser Stelle die Praxis teilweise das verletze, was noch an Anstand und Würde zu vertreten sei, oder der, dass es sich hierbei um eine unanständige Praxis handele, dann macht das wohl nachdenklich genug und verweist auf die prekäre Situation. Auch die Einbeziehung der Ergebnisse der Gutachterausschüsse in die Wertermittlung hat an dieser Stelle keinen wirklichen Durchbruch erzielt.

Mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Grundstückverkehrsgesetzes gibt es zwar die Möglichkeit, hierauf Einfluss zu nehmen, die bisherigen Erfahrungen besagen jedoch, dass wir uns hierbei eine höhere Verbindlichkeit auferlegen sollten, um zum Bespiel auch konsequent gegen sittenwidrige Preise unverzüglich und mit eindeutigen rechtstaatlichen Mitteln vorgehen zu können.

Auch der Hinweis darauf, dass die BVVG entsprechend dem Privatisierungskonzept vor der Ausschreibung die

zuständigen Landesbehörden beteiligt und bei Hinweis auf bestimmte sensible Faktoren auf eine Ausschreibung verzichten kann, reicht einfach nicht aus. Bisher liegt die endgültige Entscheidungsbefugnis stets bei der BVVG.

Darum lautet unsere Aufforderung dahin gehend, die Anwendung des Grundstück- und Landpachtverkehrsgesetzes zusätzlich mit einem landesrechtlichen Rahmen zu flankieren, den wir selbst bestimmen, um eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung zu verhindern.

Es geht uns mit unserem Antrag um Folgendes:

Erstens soll über den Bund Einfluss auf die BVVG genommen werden.

Zweitens soll durch eigene rechtliche Rahmenbedingungen, die uns der Bund mit der Änderung bzw. Erweiterung des Grundstück- und Landpachtverkehrsgesetzes ermöglicht, erreicht werden, dass a) mehr Verbindlichkeit bei der Anwendung des Grundstück- und Landpachtverkehrsgesetzes durchgesetzt wird und b) gegebenenfalls ein anderer, niedrigerer Schwellenwert für das Versagen der Genehmigung eines Grundstückskaufvertrages festgelegt wird.

Um diese Fragen besser diskutieren zu können, bitte ich darum, unseren Antrag in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Krause. - Bevor ich nun der zuständigen Ministerin das Wort erteile, habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler des Heine-Gymnasiums und des Berufsschulzentrums Bitterfeld-Wolfen auf der Südtribüne zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte, Frau Ministerin Wernicke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verwertung der BVVG-Flächen in SachsenAnhalt beschäftigt uns seit Anfang der 90er-Jahre. Vielleicht kann ich noch einmal einige Zahlen in Erinnerung rufen.

Von ursprünglich knapp 190 000 ha landwirtschaftlicher Fläche zu Beginn der Verwaltung und Verwertung durch die BVVG am 1. Juli 1992 sind bis zum 31. Dezember 2007 etwa 87 000 ha verkauft worden.

Davon wurden bis zu diesem Zeitpunkt gut 60 000 ha auf der Grundlage des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes zu vergünstigten Bedingungen veräußert - wir wissen, dass ein Abschlag auf den Verkehrswert in Höhe von 35 % gewährt wurde. Die Berechtigten für diese Flächen sind im Wesentlichen Pächter mit langfristigen Pachtverträgen. Weitere knapp 27 000 ha wurden zum Verkehrswert ohne Abschlag verkauft.

Zu Beginn des Jahres 2008 hatte die BVVG noch knapp 100 000 ha landwirtschaftliche Fläche in Sachsen-Anhalt verpachtet. Von diesen Flächen ist noch ein Teil - geschätzt etwa 30 000 bis 40 000 ha - für den eben schon genannten vergünstigten Verkauf nach dem EALG vorzusehen.

Der vergünstigte Verkauf ist durch die Europäische Kommission bis zum 31. Dezember 2009 erlaubt worden. Bis zu diesem Datum muss der vergünstigte Verkauf zu einem Abschluss gebracht werden. Danach werden dann zu Beginn des Jahres 2010 voraussichtlich noch knapp 50 000 ha durch die BVVG verwaltet werden.

Um schon einmal auf einen Auftrag einzugehen, den wir heute bekommen werden, haben wir jüngst einen erneuten Vorstoß unternommen, mit der Bundesregierung die Möglichkeit eines Erwerbs dieser BVVG-Flächen nach Abschluss des EALG-Verkaufs zu sondieren. Dazu gibt es Mitte Januar ein Gespräch meines Staatssekretärs mit dem Staatssekretär beim Bundeslandwirtschaftsministerium und mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums.

An dieser Stelle sind wir also wieder aktiv. Sie wissen, dass wir hierzu schon einmal Versuche gestartet und auch konkrete Verhandlungen geführt haben. Die sind aber an den Forderungen des Bundesfinanzministeriums, was den Wert der Flächen anbelangt, gescheitert. Wir nehmen den Ball aber wieder auf und sind im Moment dabei, die Bedingungen wieder zu sondieren.

Ich will trotzdem noch einmal darauf hinweisen, dass in dem Privatisierungskonzept, das zu Beginn des Jahres 2007 in Kraft getreten ist oder seitdem praktiziert wird und mit der Bundesregierung und den betroffenen Ländern abgestimmt ist, schon wichtige Elemente zur Existenzsicherung der die Flächen bewirtschaftenden landwirtschaftlichen Unternehmen enthalten sind.

Wir sind uns, glaube ich, auch darin einig, dass wir die BVVG-Flächen bei künftigen Infrastrukturmaßnahmen hier im Land für Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen mit benötigen oder darin mit einbeziehen werden. Da wir mit dem Verkauf der ehemaligen Landesflächen durch die Landgesellschaft gute Erfahrungen gemacht haben, halte ich es schon für erforderlich, diesen erneuten Versuch der Übernahme der BVVG-Flächen zu unternehmen.