Danke sehr, Herr Dr. Thiel. - Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Haseloff. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte eine kurze Vorbemerkung machen. Herr Thiel, im Vergabehandbuch kann nur das stehen, was in Bezug auf das Bundesgesetz zu erläutern ist. Es ist ein Instrument, welches keine eigene Gesetzlichkeit darstellt. Es ist vielmehr ein Hilfsinstrumentarium, damit die Wirtschaft und die Handelnden mit dem Gesetz vernünftig umgehen können.
Das, was darin steht, bezieht sich auf das geltende Recht. Das erwartbare Recht muss natürlich reflektiert werden und wird entsprechend abgebildet. Natürlich werden wir die Vergaberichtlinien anpassen - das ist
ganz klar -, aber das Gesetz muss erst einmal verabschiedet werden. Deswegen bitte ich um etwas Geduld.
Wenn wir heute über eine Lockerung des Vergaberechts sprechen, dann sollte an erster Stelle angemerkt sein, dass die bisherige Regelung, insbesondere im Hinblick auf die beschränkte und die freihändige Vergabe öffentlicher Aufträge, aus gutem Grund so ausgestaltet war: um einen möglichst freien und fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge sicherzustellen.
Wie Sie in Ihrem Antrag richtig feststellen, ist es angesichts der derzeitigen konjunkturellen Entwicklung nötiger denn je, öffentliche Aufträge so schnell und so einfach wie möglich zu vergeben, um zeitnah stimulierend in den regionalen Wirtschaftskreislauf eingreifen zu können.
Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Europäische Kommission ermöglicht, indem sie für bestimmte Bereiche bei öffentlichen Ausschreibungen, zum Beispiel bei beschränkten Ausschreibungen mit Teilnahmewettbewerb, den Weg für beschleunigte Verfahren freigemacht hat und somit die Dauer der Verfahren von 87 auf 30 Tage reduziert hat.
Die Kommission hat sich aufgrund des Ausnahmecharakters der aktuellen Wirtschaftslage und der daraus resultierenden Dringlichkeit zu diesem Schritt entschlossen. Dieser Position haben wir uns als Landesregierung angeschlossen und haben diese somit auch übernommen.
Die sich abzeichnende konjunkturelle Schwächephase sowie die im Rahmen des Konjunkturpakets II in Aussicht gestellten Bundesmittel für Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand haben uns darüber hinaus dazu veranlasst, auch das Vergaberecht Sachsen-Anhalts insofern zu ändern, als für einen begrenzten Zeitraum, bis Ende 2010, für die beschränkte Ausschreibung sowie für die freihändige Vergabe höhere Wertgrenzen gelten.
Lassen Sie mich im Folgenden kurz auf Ihren Antrag und auf die am Dienstag vom Kabinett beschlossenen Änderungen eingehen.
Zu Punkt 1. Die von der EU und vom Bund beschlossenen Programme zur Belebung der Konjunktur wird die Landesregierung umsetzen.
Zu Punkt 2. Gemäß § 8 des Mittelstandsförderungsgesetzes des Landes sind schon jetzt Leistungen in Teillosen zu vergeben, sodass kleine und mittlere Unternehmen in angemessenem Umfang berücksichtigt werden können.
§ 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird möglicherweise - das Gesetz ist ja noch in Arbeit - durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom Bund dahin gehend geändert, dass soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden können. Dann gelten diese Aspekte auch in Sachsen-Anhalt oberhalb der EU-Schwellenwerte.
Der Ausgang dieses Gesetzgebungsverfahrens sollte jedoch abgewartet werden; das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Ich denke, in den nächsten zwei Monaten sind diesbezüglich wesentliche Meilensteine absolviert. Ich sagte es in der Vorbemerkung
Das MW hatte die Obergrenzen im Bereich der VOB, der Verdingungsordnung für Bauleistungen, für beschränkte Ausschreibungen im Sinne der Markterkundung bzw. verbunden mit der Aufforderung, dass mindestens drei bis acht Bewerber am Vergabeverfahren teilnehmen sollten, auf 1 Million € und für freihändige Vergaben in Verbindung mit der Einholung von mindestens drei Angeboten auf 100 000 € erhöht.
Sie sehen an den Transparenzfestlegungen, die in Sachsen-Anhalt schon gelten - das heißt drei bis acht Angebote bei beschränkten Ausschreibungen und drei Angebote bei freihändig zu vergebenden Aufträgen -, dass wir uns über die Praxis anderer Bundesländer deutlich hinausgehend in einen Bereich begeben, der für mehr Transparenz sorgt und der auch der Korruptionsbekämpfung dienen soll.
Im Bereich der VOL, der Verdingungsordnung für Dienstleistungen und Lieferleistungen, sind bei der beschränkten Ausschreibung und bei der freihändigen Vergabe Obergrenzen in Höhe von jeweils 100 000 € vorgesehen.
Die Problematik der Landeshaushaltsordnung ist in diesem Zusammenhang als Stichwort genannt worden. Wir haben die Häuser bezüglich der Entscheidung, die wir getroffen haben, mitzeichnen lassen; auch das Finanzministerium hat mitgezeichnet. Wie im Lande SachsenAnhalt schon einmal praktiziert, sind wir im Rahmen der Landesregierung nicht der Meinung, dass die Landeshaushaltsordnung einer Anpassung bedarf. Wir sehen diesbezüglich also keinen weiteren Handlungsbedarf.
Zu Punkt 3. Die Landesregierung wird den in Ihrem Antrag genannten Ausschüssen über ihre Stellungnahme zu dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts berichten. Dann - das verspreche ich Ihnen, Herr Thiel - werden wir natürlich auch darüber nachdenken, was dann im Vergabehandbuch nachgeführt werden muss. Wir sollten das Ergebnis aber erst abwarten.
Zu Punkt 4. Die Landesregierung lehnt es ab, ein Vergabegesetz analog zum Gesetz des Bundes zur Modernisierung des Vergaberechts vorzulegen. Es bestehen nämlich erhebliche Zweifel daran, dass der Landesgesetzgeber überhaupt die Gesetzgebungskompetenz hat, unter den EU-Schwellenwerten ein analoges Gesetz zu machen. § 100 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen regelt explizit, dass die Vorschriften dieses Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge nur oberhalb der Schwellenwerte gelten.
Es spricht vieles dafür, dass der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz umfassend Gebrauch gemacht hat und eine Regelung unterhalb der Schwellenwerte bewusst nicht wollte.
Für diese Auffassung spricht auch die Regelung des § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Nach der neu vorgesehenen Fassung dürfen Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden. Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte betreffen, wenn diese im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungs
beschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Forderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- bzw. Landesgesetz vorgesehen ist.
Nur für diese „anderen und weitergehenden“ Forderungen hat das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Ländern eine Gesetzgebungskompetenz eröffnet. Wenn es Ihnen darum geht, mit einem Vergabegesetz die Tariftreue zu normieren - dies würde nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allerdings einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darstellen -, dann sage ich: Das werden wir nicht tun.
Die Umsetzung des Konjunkturpakets II wäre nicht so schnell möglich, wenn die Erlasse des Ministeriums Gesetze wären. Die Änderung von Gesetzen ist sehr langwierig. Das ist jedes Mal ein langwieriger Prozess; das wissen Sie. In diesem Zusammenhang ist ein schnelles Reaktionsschema notwendig. Eine Gesetzesänderung ist nicht geeignet, sehr schnell auf die sich ändernden Bedingungen zu reagieren.
Erlasse bieten die Möglichkeit für ein schnelles, flexibles Handeln. Diese Erlasse gelten bei uns im Lande; wir haben diese Erlasse jetzt verändert. Wir konnten schnell handeln. Die Häuser haben mitgezeichnet.
Es hat auch aufseiten der Wirtschaftspolitik, der Wirtschaftsverbände und der Unternehmen - zumindest nach Information derer, die sich uns gegenüber geäußert haben - eine sehr positive Resonanz gegeben, als wir vor einigen Tagen mit der Kabinettsbefassung reagiert und entschieden haben. Sollte sich weiterer Handlungsbedarf ergeben, sind wir jederzeit bereit, dies flexibel fortzuführen.
Ansonsten freue ich mich, was die Berichterstattung über den Gesetzgebungsprozess anbelangt, auf die weitere Zusammenarbeit im Ausschuss und bitte die Fraktionen um die weitere Behandlung dieses Antrags. - Herzlichen Dank.
Danke sehr, Herr Minister. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Jahn-Gymnasiums in Salzwedel rechts und links auf den Tribünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Thiel, es ehrt Sie und Ihre Fraktion, dass Sie diesen Antrag gestellt haben; denn das zeigt, dass Sie sich auf der Höhe der Zeit befinden.
Es ehrt mindestens genauso sehr das Kabinett, dass es die entsprechenden Beschlüsse bereits herbeigeführt hat, weil es damit zeigt, dass es sich ebenfalls auf der Höhe der Zeit befindet.
Herr Dr. Thiel, ich habe volles Verständnis dafür, dass Sie versuchen, auf diesem Wege jetzt auch andere
Dinge anzuschieben, weitere Standards, soziale Aspekte etc. Aber ich erinnere mich aus meiner Zeit als für den Hochwasserschutz Zuständiger: Es ist nicht klug, über die Deichordnung zu debattieren, wenn der Deich gebrochen ist; sondern dann gilt es erst einmal, den Deich zu schließen. In ruhigeren Zeiten kann man dann gegebenenfalls Grundsätzliches angehen.
Ich darf - das wissen Sie, Herr Dr. Thiel, weil wir gemeinsam in diesem Ausschuss sitzen - hinzufügen, dass wir in der letzten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit beschlossen haben, dass zukünftig - zumindest solange die Not besteht - der erste Punkt auf der Tagesordnung immer sein wird: Bericht zu Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Ich denke, dabei werden auch die Fragen, die mit dem Vergaberecht zusammenhängen, eine Rolle spielen. Der Minister hat am Ende seiner Rede ausgeführt, dass auch die Auswirkungen des veränderten Bundesrechts auf das Land Sachsen-Anhalt dort diskutiert werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, weil er entweder bereits weitestgehend abgearbeitet worden ist oder weil die Dinge, die noch geklärt werden müssen, in Arbeit sind. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren. Der Anteil der öffentlichen Aufträge am Bruttosozialprodukt beträgt bundesweit etwa 10 %. Finanziert werden diese Aufträge ausschließlich aus Steuergeldern, also aus Mitteln, die die Menschen erarbeiten und die sie dem Staat anvertrauen.