Protokoll der Sitzung vom 23.01.2009

(Herr Gallert, DIE LINKE: Müssen!)

Wenn der Staat also öffentliche Aufträge vergibt, dann entscheidet er über die Verwendung von Steuergeldern und muss diese im Sinne des Steuerzahlers wirtschaftlich und effizient einsetzen.

Das Vergaberecht soll nun unter anderem sicherstellen, dass ein öffentlicher Auftrag an den Anbieter mit dem besten und wirtschaftlichsten Angebot geht. Gleichzeitig soll über die Ausschreibungspflicht der Korruption vorgebeugt werden. Wir brauchen also ein Vergaberecht, das diese Aufgabe erfüllen kann sowie einfach und nachvollziehbar ist.

Das momentan geltende Vergaberecht in seiner Komplexität wird unseren Vorstellungen von einem einfachen und nachvollziehbaren Vergaberecht allerdings nicht gerecht. Diverse Regelungen der EU, des Bundes und der Landesebene machen den Vergabeprozess extrem langwierig, unübersichtlich und bürokratisch. Diese Komplexität führt vor allen Dingen zur Verunsicherung sowohl bei den Vergebenden als auch bei den sich bewerbenden Unternehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt deshalb die Forderung nach einer Modifizierung

des Vergaberechts. Allerdings stellt sich die Frage, ob wir Liberale dabei dieselben Ziele verfolgen wie DIE LINKE im vorliegenden Antrag.

(Herr Tullner, CDU: Das würde uns wundern!)

Wir befürworten eine Vereinfachung des Vergaberechts,

(Zustimmung bei der FDP)

die den Vergabeprozess von vergabefremden Kriterien befreit und mit einem spürbaren Bürokratieabbau einhergeht. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle ein Zitat anzuführen, das ich dem Stenografischen Bericht über die Landtagssitzung am 9. Juni 2006 entnommen habe. Minister Haseloff sagte damals Folgendes:

„Der Komplexitätsgrad ist oftmals so, dass selbst Fachleute, die viele Jahre damit gearbeitet haben, bei bestimmten Aufträgen bzw. Fallgestaltungen Schwierigkeiten haben, das Recht sicher, stringent und effizient anzuwenden.“

(Herr Tullner, CDU: So etwas sagt der Minister?)

Es ist doch paradox, dass viele Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische, nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, weil für sie der immense Aufwand in keinem wirtschaftlichen Verhältnis mehr zum möglichen Ertrag steht.

Der Antrag der LINKEN geht jedoch in eine völlig andere Richtung. Dort ist unter Punkt 2 von sozialen, umweltbezogenen und innovativen Forderungen gegenüber dem Auftragnehmer die Rede. Dies wurde bereits ausgeführt. An dieser Stelle will man das Vergaberecht zweckentfremden und politische Zielsetzungen durchsetzen.

Die politische Zielsetzung wird in der Begründung zu dem Antrag noch deutlicher. Darin heißt es, dass die Auftragsvergabe an Unternehmen, die untertariflich bezahlen, mithilfe gesetzlicher Regelungen unterbunden werden soll. Sie fordern eine Tariftreueklausel im Vergaberecht.

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Genau! - Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE, und von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Diese und andere vergabefremde Kriterien unterwandern die eigentliche Zielrichtung des Vergaberechts, nämlich Rechtssicherheit bei der Vergabe zu gewährleisten, und sie führen zu mehr Bürokratie. Das, was Sie nicht fordern - das hätte ich mir eigentlich gewünscht -, ist die Auftragsvergabe an einheimische Unternehmen, an Unternehmen, die vor Ort ansässig sind und hier arbeiten.

(Zustimmung bei der FDP)

Dann würde so etwas wie der Flaggenkauf für den Landtagspräsidenten in Bayern nicht passieren.

(Zustimmung bei der FDP - Herr Scharf, CDU: Herr Kollege, Sie haben doch einen Vogel!)

Sehr geehrte Damen und Herren von der LINKEN, Ihren Forderungen nach einer Erhöhung der Schwellenwerte können wir uns ohne Zögern anschließen. Die Landesregierung hat in dieser Hinsicht einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Uns stört daran jedoch die Halbherzigkeit. Warum wird die von allen begrüßte Vereinfachung auf zwei Jahre befristet? Was spricht da

gegen, eine dauerhafte Regelung, die auch über die zwei Jahre hinausgeht, zu realisieren?

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Unserer Meinung nach spricht nichts dagegen. Wenn diese Regelung gut und richtig ist, dann werden wir sie auch nach dem Ablauf der zwei Jahre weiterhin benötigen.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu Punkt 4 Ihres Antrages. Sie fordern die Landesregierung darin auf, analog zum Bund ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vorzulegen. Herr Dr. Thiel, Sie haben darauf hingewiesen, wie der Bund entschieden hat.

Ich verstehe in diesem Zusammenhang allerdings nicht, warum DIE LINKE am 19. Dezember 2008 auf der Bundesebene gegen das betreffende Gesetz gestimmt hat, sich aber einen Monat später hier in Sachsen-Anhalt hinstellt und ein entsprechendes Gesetz für SachsenAnhalt einfordert.

(Herr Tullner, CDU: Das ist ja interessant!)

Können Sie mir einmal erklären, was innerhalb dieses einen Monats außer Silvester und Weihnachten noch passiert ist? - Die FDP-Fraktion lehnt den Antrag ab.

(Zustimmung bei der FDP - Herr Gallert, DIE LIN- KE: In der Zeit haben andere ganze Programme weggehauen! - Herr Tullner, CDU: Das ist ja ein Chaos in der Linkspartei!)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gürth.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Thiel, ich bin ganz froh, dass Ihre Fraktion das Thema noch einmal aufgegriffen hat; denn so kann man sich noch einmal grundsätzlich über einige Positionen austauschen. Das ehrt Sie; denn das Vergaberecht ist wichtig.

Sie haben die Zahlen genannt: Per annum werden in Deutschland öffentliche Aufträge im Wert von 360 Milliarden € vergeben. In der EU beträgt der Anteil der öffentlichen Aufträge 16 % des Bruttoinlandsprodukts. Alles zusammen ergibt das 1 500 Milliarden €.

Das Problem dabei ist jedoch, dass man darauf achten muss, dass einerseits die Vergabe dieser mit dem Geld der Steuerzahler finanzierten Aufträge ordentlich und wirtschaftlich organisiert wird und dass andererseits die Unternehmen, die wirtschaftlich und effizient arbeiten und kleine und mittelständische Unternehmen sind, eine faire Chance im Wettbewerb um diese Aufträge haben. An dieser Stelle liegen Anspruch und Wirklichkeit zum Teil weit auseinander.

Nun ist die spannende Frage, wie man sich dem Thema stellt. Hierbei gibt es mehrere Möglichkeiten, die fast schon philosophisch anmuten. Entweder schaut man zurück und versucht, die Vergangenheit zu analysieren, prolongiert dies in die Zukunft und versucht, die entsprechenden Weichen zu stellen; oder man malt ein Idealbild auf, wie es die PDS tut, sagt „dahin wollen wir“ und schreibt dann alles Mögliche an Programmen, damit man dieses Idealbild einmal erreicht. Das ist übrigens

der Ansatz von Leuten, die dem Sozialismus oder dem Kommunismus anhängen.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ja, ja, ja!)

Ein Punkt ist in dieser Rechnung aber nicht enthalten, nämlich der Mensch in seiner Unterschiedlichkeit und Unvollkommenheit, der vor Ort in den Amtsstuben nach den Gesetzen und den Regelwerken, die vorgesehen sind, zu entscheiden hat.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Schauen wir uns dies einmal in der Praxis an. In Deutschland gibt es ein Vergaberecht bereits seit den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Für die Aufträge, die hier vergeben werden, ergibt sich für die Auftraggeber und für die Auftragnehmer pro Jahr ein bürokratischer Aufwand - dieser wurde von der Bundesregierung seriös ermittelt - in Höhe von ca. 19 Milliarden €. Dieser finanzielle Aufwand in Höhe von 19 Milliarden € entfällt zu einem Anteil von 8,8 % - das wurde vom Bundeswirtschaftsministerium ermittelt - auf die Auftraggeber; der Rest entfällt auf die potenziellen Auftragnehmer.

Wie entsteht dieser Aufwand? - Es sind Kosten, die bereits durch die Bewerbung um einen Auftrag entstehen. Hierin liegt auch ein Grund dafür, dass sich viele mittelständische Unternehmen gar nicht mehr daran beteiligen, was ich sehr bedauere.

Ein Anteil von 50 % entfällt zunächst auf die Auftrags- und Angebotserstellung - mit unterschiedlichem Aufwand, mit unterschiedlicher Praxis und mit unterschiedlichen Folgen. Ein Anteil von 25 % entfällt auf die Auswertung der Vergabeunterlagen und ein Anteil von 10 % entfällt auf die Beibringung aller notwendigen Eignungsunterlagen. Diese Angaben betreffen die Auftragnehmerseite.

Wenn man sich dies einmal bei einem mittelständischen Unternehmen anschaut, für das viele Aufträge wichtig wären, damit die Leute vor Ort Arbeit und Beschäftigung finden, damit Umsätze und Gewinne realisiert werden, damit sie auch Steuern zahlen können, dann muss man feststellen, dass viele verzweifeln. Warum verzweifeln sie und nehmen nicht mehr an Ausschreibungen teil? - Sie verzweifeln, weil der Aufwand bereits jetzt sehr groß ist.

(Zustimmung von Herrn Franke, FDP)

Das Problem dabei ist nicht das schon jetzt komplizierte Vergaberecht, sondern eher folgender Grund: Das Vergaberecht ist Richterrecht. Wenn man einmal Hochachtung und Demut vor guten Juristen erlernen will, dann empfehle ich ein Gespräch mit Experten im Vergaberecht. Dabei wird man bei allem, was man sich angelesen hat, und bei allem, was man als eigene Erfahrungen in die Waagschale zu werfen hat, feststellen, dass man trotz des intensiven Begleitens des Fortgangs dieser Materie selten auf der Höhe der Zeit ist, weil immer irgendwann an irgendeiner Stelle ein Gericht entschieden hat und dies Folgen für spätere Auftragsvergaben haben wird.

Kommen wir zum Antrag. Wir sprechen über viele öffentliche Aufträge, die im Rahmen des Konjunkturpakets vergeben werden sollen. Der Antrag der Linksfraktion hat vier Punkte. Der erste ist eine Feststellung. Dazu bedarf es keines Antrages. Sie stellen etwas fest, was überwiegend unbestritten ist. - Überflüssig!

Der zweite Punkt: Darunter sagen Sie, dass Sie die Vergaberichtlinien modifizieren wollen. - Kein Grund zuzustimmen. Ihre Modifizierung geht genau in die falsche Richtung.

(Zustimmung von Herrn Franke, FDP)

Wenn wir weniger Bürokratie und überschaubare, rechtsichere Vergabekriterien wollen, dann können wir nicht zusätzliche Vergabekriterien einführen und das ganze Verfahren noch komplizierter machen, wie es die Linksfraktion fordert. Die Folge davon wäre, dass viel weniger der mittelständischen Unternehmen, die in Sachsen-Anhalt ansässig sind, eine Chance hätten, überhaupt an diese Aufträge zu kommen. Wir haben ein Beispiel gehabt. Wir hatten vor einigen Jahren ein paar Regeln, vergabefremde Kriterien, in das Landesrecht eingeführt, die, Gott sei Dank, wieder abgeschafft worden sind.

Was war die Folge dieser vergabefremden Kriterien? - Wir hatten einen zweistelligen Millionenbetrag an Landesgeldern für wichtige Baumaßnahmen im Land: Brückensanierung, Straßensanierung und Schulsanierung. Die Aufträge konnten aber nicht vergeben werden, weil es keine Firmen gab, die die Vielzahl dieser Kriterien hätten erfüllen können. - Das ist doch paradox. Man wartet, dass das Schuldach repariert wird und es in die Schule nicht mehr hineinregnet, aber es ist keiner da, der den Auftrag dafür annehmen kann, weil keiner die vergabefremden Kriterien erfüllen kann.

Nicht nur dem wirtschaftlichsten Angebot soll der Zuschlag erteilt werden, nein, die LINKEN fordern andere, eigentlich vergabefremde Kriterien zur Bedingung dafür zu machen, dass ein Auftrag erteilt wird: umweltbezogene, innovative, soziale Forderungen.

Ich will Ihnen, um das damit abzuschließen, noch eine Pressemitteilung vom Deutschen Städte- und Gemeindebund zur Kenntnis geben - die können Sie nachlesen. Er warnt dringend davor, dass das Vergaberecht wieder an Frauenförderprogramme gekoppelt wird. Keine Kopplung der Frauenförderung an die Vergabe öffentlicher Aufträge.