Protokoll der Sitzung vom 20.03.2009

Nun sollte ja die Beantwortung der Kleinen Anfragen von Abgeordneten nicht in die Kategorie „Aprilscherze“ gehören, aber ein knappes Jahr später ruft die Regierung zum Breitbandgipfel auf und stellt im Rahmen des aktuellen Zukunftsprogramms bis 2014 50 Millionen € in Aussicht. Das ist bitter notwendig, denn Sachsen-Anhalt gehört zu den am schlechtesten versorgten Ländern in Deutschland. Das hat Herr Kollege Graner eben auch gesagt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ja, meine Damen und Herren, so schnell können sich die Prioritäten ändern. Aber so schnell ging es wiederum auch nicht; denn der Breitbandgipfel offenbarte auch das Dilemma der Prioritätensetzung im Land und der erforderlichen Förderkulisse. Erst im April werde man im Kabinett darüber befinden. Zum Glück ist der 1. April in

diesem Jahr ein Mittwoch. Da tagt das Kabinett bekanntlich nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der FDP)

Das Problem, das inzwischen deutlich geworden ist, heißt: Wir reden über eine ganze Menge Geld, wissen aber eigentlich nicht so richtig, wie hoch der Bedarf genau ist und in welchen Bereichen das Geld sozusagen zielgerichtet auszugeben ist.

Für die Fraktion DIE LINKE war und ist das Thema Telekommunikation und damit die Breitbandversorgung immer ein Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Daraus haben wir nie ein Hehl gemacht. Umso erfreuter waren wir natürlich, auf dem Gipfel von der Landesregierung zu hören, dass schnelles Internet eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist. Die Unternehmen sollen mit Gemeinden kooperieren. - So weit, so gut.

Aufmerksam geworden sind wir bei Aussagen wie: Durch eine gute Kooperation mit Telekommunikationsunternehmen ist zu sichern, dass die Unternehmen ihre Aufwendungen über Gebühren finanzieren und die Kommunen die vorhandenen Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen haben. - Unserer Auffassung nach ist das für eine gute Kooperation zu wenig. Der Vertreter von der Telekom nahm auch sofort den Ball auf: Die Versorgung im ländlichen Raum sei wirtschaftlich nicht immer vertretbar, also muss die Deckungslücke finanziert werden.

Es wird immer wieder von der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes gesprochen und davon, dass der Verbraucher von der Einführung einer sektorspezifischen Regulierung erheblich profitiert habe. Die Preise für Telekommunikationsdienstleistungen sind gesunken. Die Qualität der angebotenen Dienste hat sich deutlich verbessert. - So weit, so gut.

Die Unterversorgung mit Breitbandinfrastruktur im ländlichen Raum ist ein typischer Fall von Marktversagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn private Unternehmen konzentrieren sich eben auf den Ausbau von lukrativen Netzen in Ballungsgebieten und vernachlässigen ganz einfach den Ausbau in unprofitablen Regionen. Wenn es keinen Versorgungsauftrag gibt, dann muss auch nichts investiert werden.

Auch wenn es Ihnen die blau-gelben Flecken ins Gesicht treibt, liebe Freunde von der FDP, muss ich sagen: Ihr habt im Jahr 2002 maßgeblich mit dazu beigetragen, dass das Thema Telekommunikation aus der öffentlichen Daseinsvorsorge in Sachsen-Anhalt verschwunden ist.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Es gebe schließlich genügend Anbieter im freien Wettbewerb. - Immerhin hat auch die Landesregierung eines verstanden: Breitbandversorgung ist Grundversorgung und Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge,

(Beifall bei der LINKEN)

auch wenn Herr Robra meint, man müsse keine Staatsleitungen bauen. Wir sind der Auffassung, dass es hier notwendig ist, zu einer sinnvollen Kooperation zwischen Kommunen und Internet-Anbietern zu kommen.

Wenn sich die Kommunen gegenüber solchen Kooperationsmodellen aufgeschlossen zeigen, indem sie etwa kommunale Abwassernetze vergleichsweise kostengünstig für Glasfaserkabel zur Verfügung stellen oder

Standorte für Funkanlagen Dritter für den Aufbau von Breitbandnetzen nutzen, dann kann der Aufbau eines Breitbandnetzes beschleunigt und die Baukosten durchaus verringert werden.

Telekommunikationsunternehmen sollten verstärkt die Möglichkeit nutzen können, im Rahmen von beabsichtigen Straßenbaumaßnahmen ihre Infrastrukturen mit zu verlegen. Jawohl, Straßenbau und Autobahnbau sind okay; damit kann man leben. Aber die Datenautobahn muss genauso entwickelt werden.

(Herr Tullner, CDU: Völlig richtig!)

Deswegen lautet eine unserer ersten zentralen Forderungen: Investitionen in die Breitbandinfrastruktur sollen auch bei Kooperationen zwischen Gemeinden mit ihren kommunalen Unternehmen und den privaten Telekommunikationsanbietern zu einer Win-win-Situation führen. Wenn beide Partner investieren, dann sollen auch beide etwas davon haben. Wir können uns durchaus vorstellen, eine Art Joint Venture für den Ausbau des Breitbandnetzes zu bilden, um vielleicht auch dafür Sorge zu tragen, dass kommunales Eigentum vermehrt werden kann.

Wir halten es durchaus für wichtig, dass die Landkreise eine koordinierende Funktion übernehmen, um gewissermaßen den Ausbau des Breitbandnetzes in SachsenAnhalt mit zu beschleunigen.

Wenn sich privatwirtschaftlich etwas nicht rechnet, dann soll sich der Staat mit Fördermitteln einbringen, damit andere dann Gewinn machen. - Durch diese Rechnung möchten wir gern einen Strich machen. Der Einsatz öffentlicher Gelder kann beim Ausbau des Breitbandnetzes nicht bedeuten, dass profitable Telekommunikationsunternehmen bedingungslos subventioniert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht darum, klare Spielregeln festzulegen; denn es geht doch wohl nicht an, dass die öffentliche Hand Fördermittel und Eigenanteile bereitstellt und sich dafür verschuldet, aber vom laufenden Ertrag nicht profitiert.

(Ministerpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer: Jawohl!)

Am dem Markt hat sich ein Preisschema entwickelt, das die Gefahr in sich birgt, dass die Lückenschließung gerade im ländlichen Raum nur mit höheren Kosten für die Verbraucher betrieben wird. Das wäre aber kontraproduktiv.

Herr Franke, Sie sprachen vorhin davon, dass es durchaus sinnvoll wäre, größere Cluster in Sachsen-Anhalt bundesweit auszuschreiben und damit gewissermaßen die Lösung unserer Probleme zu beschleunigen. Die Frage ist natürlich, wie das geschehen soll. Es gibt ja bereits Telekommunikationsnetze. Wollen Sie diese enteignen und anderen Anbietern übertragen? Wie soll das funktionieren?

(Zuruf von Herrn Franke, FDP - Herr Gallert, DIE LINKE: Ah!)

Das ist der Punkt, an dem noch einmal genauer definiert werden müsste, was Sie eigentlich darunter verstehen.

(Herr Tullner, CDU: Billige Polemik!)

Wir als LINKE haben uns sowohl im Bund als auch in Europa immer dafür ausgesprochen, dass das Thema Telekommunikationsdienstleistungen auch als ein Universaldienst betrachtet wird. Wir sollten durchaus bereit

sein bzw. uns gemeinsam mit Ihnen dafür einsetzen, dass die Landesregierung im Bundesrat auf eine Änderung des § 78 des Telekommunikationsgesetzes hinwirkt, sodass diese Universaldienstleistung mindestens 2 Megabit pro Sekunde und nicht weniger aufweist,

(Beifall bei der LINKEN)

damit Breitband-Internet auch möglich ist. Wir fordern Sie auf, auch dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene tätig wird, damit dort endlich die Universaldienstleistung in der Telekommunikationsrichtlinie festgeschrieben wird.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE wird bei den Debatten über den Nachtragshaushalt darauf achten, dass Fördermittel nicht nur für die sicherlich notwendige Erschließung von Gewerbegebieten eingesetzt werden, sondern dass auch private Nutzer in den Genuss einer den Marktbedingungen entsprechenden Versorgung kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Dr. Thiel. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Wolpert. Wollen Sie diese beantworten?

Gern.

Jawohl. - Dann bitte schön, Herr Wolpert.

Keine Angst, Sie müssen nicht antworten. - Das, was Sie dargestellt haben, ist aber kein Marktversagen. Wenn etwas, für das kein Markt da ist, nicht bedient wird, dann haben Sie kein Marktversagen vorliegen, sondern es ist dann eine staatliche Aufgabe, einen Markt zu organisieren. Darum hatten wir jetzt gerade in der Aktuellen Debatte gebeten.

(Oh! bei der LINKEN)

Also ich finde die Selbsterkenntnis sehr richtig, lieber Herr Kollege Wolpert, dass Sie sagen: Dort, wo Marktversagen existiert, muss der Staat entsprechend eingreifen.

(Unruhe bei der FDP - Herr Wolpert, FDP: Das ist kein Marktversagen!)

- Es ist natürlich Marktversagen, weil die Bedarfe da sind. Die Dienste werden aber nicht entsprechend wirtschaftlich angeboten. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man alles nur über den Markt regelt, dann wird das nicht funktionieren, dann werden Sie immer Probleme im ländlichen Raum haben. Herr Franke, ich meine, es ist erfreulich,

(Herr Wolpert, FDP: Deshalb ist es schön, dass Sie die soziale Marktwirtschaft erkannt haben!)

es ist schön, Herr Franke, dass Sie sagen: Wir wollen im Rahmen von NAW-Leistungen unsere Breitbandkabel