Protokoll der Sitzung vom 20.03.2009

Kollege Czeke, Sie haben auf einige Details hingewiesen und sich ein wenig über die Frauen- bzw. Männerförderung lustig gemacht. Ich will darauf hinweisen - ich bin dankbar dafür, dass mir die Staatskanzlei dabei geholfen hat -, dass Ihre Kritik an den beiden Programmen ein wenig fehl läuft. Wenn Sie sich die Programme einmal durchlesen würden, kämen Sie zu dieser Erkenntnis. Denn in der Projektbeschreibung eines der von Ihnen kritisierten Programme zur Eingliederung von Frauen heißt es: Dieses Projekt ist hauptsächlich auf die Gleichstellung von Frauen und Männern gerichtet. - Ich denke, das sollte Sie in Ihrer Kritik auch zum Maßhalten motivieren.

Das zweite von Ihnen angeführte Programm dient - ich darf zitieren - der „Verbesserung der Aufstiegschancen von Frauen sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Zumindest aus der Sicht der christlich-demokratischen Familienpolitik gehört zur Familie durchaus auch ein Mann. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist. Deswegen kann ich Ihre Kritik, was die einseitige Bevorzugung von Männern in Frauenprogrammen angeht, an dieser Stelle überhaupt nicht nachvollziehen.

Ich schließe mit der Hoffnung und der Bitte, dass wir alle gemeinsam versuchen, die europäischen Mittel möglichst effizient und möglichst zielgenau einzusetzen, damit wir am Ende der Förderperiode 2007 bis 2012 ebenfalls mit Dankbarkeit auf die Entwicklung zurückschauen können. - In diesem Sinne: Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen eine gute Debatte.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Tullner, für Ihren Beitrag. - Zum Schluss erteile ich noch einmal Herrn Czeke das Wort.

Bevor er das Wort nimmt, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Gernrode auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Czeke, zu Ihrem Schlusswort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es wird mehr als ein Schlusswort. Als Erstes: Ja, auch ich bin dankbar

(Beifall bei der LINKEN - Heiterkeit und Zurufe von der CDU: Wofür?)

für die vielen Milliarden. Ich sage das allen Ernstes. Herr Kosmehl hat sich die Mühe gemacht und auf Seite 9 in die Antwort auf Frage 4 geschaut. - Jawohl, wenn wir die Förderperiode 2013 - plus zwei - abgeschlossen haben werden, sind es exakt 9,9357 Milliarden €. Das ist richtig.

Ich hatte vorhin angekündigt, dass ich noch einmal auf die KMU zurückkommen werde. Symbolisch: Vorhin war es ein bisschen finster; aber die Sonne zeigt sich doch wieder. - Herr Minister Bullerjahn hat nun die schwierige Aufgabe gehabt, obwohl er nur für die zwei Endjahre zuständig war, die Frage konkret und in vollem Umfang zu vertreten.

Die Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen war und ist einer der großen Schwerpunkte der EU-Strukturfondsförderung in Sachsen-Anhalt. Zumindest habe ich das immer so verstanden. Aber das will ja noch nichts heißen.

So wollten wir in unserer Anfrage auch gern wissen, wie viel Geld in die Sparte KMU geflossen ist und wie viele neue Arbeitsplätze dadurch geschaffen oder gesichert werden konnten. Der Minister hat zwar zwei Zahlen genannt, aber nicht zu KMU.

Vor allem wäre es für uns auch von Interesse gewesen, die Förderungen gestaffelt nach Betriebsgrößen zu erfahren. Ich weiß natürlich, dass es diesbezüglich immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen der Landesregierung und uns gibt, teilweise zu Recht - das muss ich zugeben -, da sie auf den Datenschutz pochen kann und die geförderten Unternehmen nicht namentlich zu benennen braucht. Das hatten wir auch nicht gefordert. Sondern wir wollten das anonymisiert nach Betriebsgrößen erhalten.

Aber siehe da, da ist er wieder, der schöne Standardsatz: Wird nicht erhoben. - Es ist doch aber bitte schön legitim, danach zu fragen. Alle Vorredner haben darauf hingewiesen, dass wir Konsequenzen aus dieser fast abgeschlossenen Förderperiode ziehen müssen, um sie in der nachfolgenden ab dem Jahr 2013 anwenden zu können.

In der laufenden Förderperiode - da gebe ich Herrn Tögel Recht - sind wir mittendrin; da ist nun wirklich nichts mehr zu klingeln. Aber für die Periode danach müssen wir Konsequenzen ziehen. Deshalb gab es auch unsere Anfrage, die natürlich auch - sage ich einmal - von den Kollegen in Thüringen gestellt wurde, ja.

KMU fördern. Wir wollten wissen, wie viele der Unternehmen tatsächlich KMU waren und wie viel Geld sie bekommen haben. Wenn ich dann in der Antwort auf die Frage nach den geschaffenen Dauerarbeitsplätzen in KMU lese - jetzt wörtlich -:

„Der KMU-Status wird im Schwerpunkt 1 - Wettbewerbsfähigkeit - und 2 - Infrastruktur - für die Ebenen der Gemeinschaftsaufgabe (GA) in der Datenbank nicht als Stammdatum geführt. Betroffen sind die Ebenen 1.11.1, 1.11.2, 1.11.3, 2.11, 2.12.1, 2.21.1...“

- fortlaufend und endet mit -

„2 648 Vorhaben der GA führen das Stammdatum ‚KMU-Status’ nicht. Hiervon sind Zahlungen in Höhe von 901,6 Millionen € betroffen.“

Da sträuben sich mir die Nackenhaare. Dieser Effekt wird noch durch die folgenden Sätze verstärkt. Es wird wieder einmal auf den Standardbericht 18 b verwiesen, also auf die Liste mit den Indikatoren. Dann kommt Folgendes:

„Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in SachsenAnhalt der Anteil von Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten gut 95 % beträgt,“

- immerhin -

„da die Wirtschaftsstruktur des Landes dominant mittelständisch geprägt ist. Danach könnten die Ist-Werte des Indikators ‚neu geschaffene Arbeitsplätze’ zum großen Teil auf KMU zurückgeführt werden.“

Aha! - Danach - das muss man aber noch sagen - wird darauf verwiesen, dass dies so aber nicht belegbar ist. Hier kann ich nur noch einmal meine Kritik vom Anfang wiederholen: So ist keine nachhaltige Erfolgsanalyse möglich. Absolut unmöglich!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin teilweise wirklich überrascht, dass hier die Sinnhaftigkeit bestimmter Maßnahmen gar nicht überprüft wird und meistens, wie mir scheint, auch gar nicht überprüft werden kann. Herr Kollege Tullner,

(Herr Tullner, CDU: Hier bin ich!)

ich würde es nicht wagen, mich beim Thema Gleichstellung dem einen oder dem anderen Geschlecht kritisch zu nähern. Ich kann mich aber noch an Zeiten erinnern, in denen Ihre Fraktion eine Staatssekretärin für Gleichstellung hatte. Da war es noch ein wenig anders, was die Erfolgsabsichten und die Chancengleichheit anging.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch so, dass jedes Unternehmen über ein sinnvolles Controlling verfügen muss, um die Umsetzung der Unternehmenspläne kontrollieren und steuern zu können, um also die Zielerreichung sicherstellen zu können. Genauso muss auch eine Landesregierung über sinnvolle Möglichkeiten verfügen, ihre Maßnahmen überprüfen zu können. Allerdings - das noch als Zusatz - muss so etwas auch die EU als Geldgeber haben.

(Minister Herr Bullerjahn, SPD: Die prüfen doch aber!)

Aber die eingeschränkte Möglichkeit bzw. - der Minister sprach es an - oftmals die Unfähigkeit der Landesregierung, Einschätzungen vornehmen zu können, da Indikatoren fehlen, zeigt mir auch die Antwort auf Frage 2 f, in der die Landesregierung Folgendes schreibt:

„Nähere Ausführungen zur Lage und Entwicklung in den Städten und ländlichen Räumen sind auch im operationellen Programm EFRE 2007 - 2013

dargestellt, wonach zusammenfassend sich die Situation in den Städten in Bezug auf die wirtschaftlichen, arbeitsmarktbezogenen und demografischen Herausforderungen nicht grundsätzlich“

- „grundsätzlich“ lässt immer Ausnahmen zu -

„von der Situation in den ländlichen Räumen und damit von der Lage in Sachsen-Anhalt insgesamt unterscheidet.“

Na hallo! - Sehr geehrte Damen und Herren von der Landesregierung! Eine solche Feststellung kann meine Fraktion absolut nicht mittragen. Wir müssen konstatieren, dass es sehr wohl unterschiedliche Situationen in den Städten und im ländlichen Raum gibt. Wir setzen uns aus diesem Grund für die Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen ein. Nachzulesen ist das in unserem Vorschlag zur räumlichen Gliederung der Daseinsvorsorge in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich es noch einmal wiederholen muss: Wir stehen für die soziale Mitnahme der Menschen in Europa. Übrigens ist die Qualität der Antworten in dem Teil, den das MLU zugearbeitet hat - ich darf es hier sagen -, besser als in anderen Teilen.

Zu dem Redebeitrag von Herrn Tögel wollte ich nichts weiter ausführen. Richtig ist, dass wir Konsequenzen ziehen müssen. Die fehlen mir aber. Natürlich ist es der Job der Opposition, dafür zu sorgen, dass wir das im Auge behalten. Deswegen behandeln wir das auch. Soziale Mitnahme der Menschen wäre eine Maßnahme, die die Transparenz für die Menschen in der EU erhöhen würde.

Zu den Ausführungen von Herrn Kosmehl kann ich nur Ja sagen. Wenn ich allerdings an das Konjunkturpaket denke, das EU-Präsident Barroso vorgestellt hat, so muss ich sagen: Wenn ein Großteil der Mittel in neue Stromleitungen gehen muss - so konnte ich es erst heute nachlesen, weil es so frisch ist; das muss noch einmal überprüft werden -, dann frage ich mich doch schon im Vorfeld nach dem arbeitsmarktpolitischen Effekt. Der darf bei einem Betrag von 5 Milliarden €, der eindeutig zu gering ist, bezweifelt werden. Angesichts der Tatsache, dass die EU 27 400 Milliarden € und die USA 600 Milliarden $ auf den Tisch legen, sind 5 Milliarden € wirklich zu wenig, zumal der Präsident nicht einmal weiß, wo er sie hernehmen soll.

Herr Tullner, eine Anmerkung sei mir jetzt wirklich noch gestattet. Ich habe in diesem Hohen Haus nie gegen Europa gesprochen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Kosmehl, FDP: Was? - Herr Scharf, CDU: Da gibt es aber genug Reden, Herr Czeke!)

Ich bin für Europa. Es gibt Institutionen in Europa, sei es die Rüstungsagentur oder Frontex, zu denen ich mich in diesem Hohen Haus durchaus sehr kritisch geäußert habe.

(Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

Oder denken wir an die soziale Ausgrenzung. Das ist kein Sinneswandel. Ich sage einmal: Mir ist ein Interview - ich glaube, der Kollege Martin Schulz wird einer der Lieblingszeitgenossen werden, die ich öfter zitieren wer

de - vom 19. März untergekommen. Also Sie haben in diesem Haus nie von mir gehört, das ich mich über die Kommission in Brüssel abfällig als „Kommissiönchen in Brüssel“ geäußert und das auf Nachfragen bestätigt hätte.

Ich finde es arrogant und überheblich und von einem Bürger der Bundesrepublik Deutschland schon verdammt schwierig, dass sich Martin Schulz über die tschechische Ratspräsidentschaft mit dem Abschlusssatz äußert: Diese Ratspräsidentschaft ist ein Totalausfall. - Herr Schulz ist immerhin Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament. Es tut mir schrecklich leid, dass ich Ihnen das nicht ersparen konnte. - Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)