Protokoll der Sitzung vom 20.03.2009

Die Wirtschaftsleistung ist in Ostdeutschland immer noch nicht auf dem Stand Westdeutschlands. Das wissen wir auch. Sie liegt derzeit bei rund 70 %. Die weiteren Mittel, die bis zum Jahr 2013 in Sachsen-Anhalt ausgegeben werden können, werden dazu beitragen, diesen Wert zu verbessern.

Ich hoffe, dass wir in den kommenden Jahren so viele Erfolge erzielen, dass wir tatsächlich nach dem Jahr 2013 keine massive Ziel-1-Förderung mehr brauchen, sondern dass wir im Land so erfolgreich sind, dass wir dann mit der degressiven Förderung, die nach der Ziel-1-Förderung als Auslaufphase vermutlich kommen

wird, auch noch gut leben können. Ich hoffe, dass unsere Wirtschaft dann so vernünftig läuft, dass wir die EUMittel zwar gern in Anspruch nehmen, aber nicht mehr so nötig brauchen wie bisher.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zum Abschluss noch auf einen Punkt hinweisen, der nicht direkt mit der Großen Anfrage zu tun hat, aber mit EU-Mitteln im Zusammenhang steht. Für mich ist es immer ganz besonders wichtig - ich habe das im Ausschuss auch schon gesagt -, dass die Interreg-Programme und die Gemeinschaftsinitiativen auch künftig weiterlaufen, weil aus meiner Sicht diese Initiativen, in die Kommunen, in die bis zum letzten Dorf Akteure eingebunden sind, gerade diese Projekte sehr stark dazu beitragen, die Akzeptanz der Europäischen Union zu stärken, den Europa-Gedanken voranzutreiben und sehr viel mehr für das Ansehen der Europäischen Union tun als alle - ich sage einmal - PRAktivitäten, die die Kommission auch mit viel Geld startet.

Deswegen ist mein Plädoyer, auf allen Ebenen, an allen Stellen, wo es möglich ist, dafür zu werben, dass, auch wenn es sehr aufwendig ist, diese Projekte umzusetzen, gerade im Bereich von Interreg weitergearbeitet wird, weil damit Europa transparent und lebendig wird und die Menschen mitbekommen, welche positiven Effekte die Europäische Union hat. Meine Bitte an die Landesregierung lautet: Das entsprechend auch in ihren Beratungen auf allen Ebenen mitzunehmen. - Herzlichen Dank. Ich wünsche Sachsen-Anhalt auch in der Europäischen Union weiterhin eine gute Zukunft.

(Beifall bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Wir Ih- nen auch!)

Herzlichen Dank, Herr Tögel, für Ihren Beitrag. - Wir kommen zu dem Beitrag der Fraktion der FDP. Der Abgeordnete Herr Kosmehl hat jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gar nicht den Versuch unternehmen, auf alle Punkte der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE einzugehen. Ich will aber die Gelegenheit nutzen, heute auch etwas zu den Strukturfondsmitteln zu sagen, zu ihrer derzeitigen Situation und natürlich auch zur Zukunft der Strukturfondsmittel, insbesondere auch deshalb, weil wir wenige Monate vor der Wahl zum Europäischen Parlament, wie ich meine, mit der Verwendung der Strukturfondsmittel in Sachsen-Anhalt ein gutes Argument haben, die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt für Europa zu begeistern und deutlich zu machen, was Europa für Sachsen-Anhalt geleistet hat.

(Zustimmung von Minister Herrn Bullerjahn)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Jahren von 1991 bis 2013 - bis dann werden sie zur Verfügung stehen - sind dem Land Sachsen-Anhalt europäische Strukturfondsmittel in Höhe von 9,9 Milliarden € zur Verfügung gestellt worden. 9,9 Milliarden €, das entspricht etwa - ein bisschen abgerundet, sage ich mal - einem Jahreshaushalt des Landes Sachsen-Anhalt. Das sind die Mittel, die Sachsen-Anhalt von der Europäischen Union für Projekte zur Verfügung gestellt bekommen hat.

Diese Projekte sind vielfältig. Sie reichen von der Förderung der Infrastruktur, auch der wirtschaftlichen Infra

struktur, über die Förderung der Qualifizierung und der Weiterbildung bis hin in den Bereich der Agrarstrukturen und überhaupt der Entwicklung des ländlichen Raumes. Alle Bereiche, die im Rahmen der operationellen Programme aus diesen Strukturfonds gefördert werden, sind wichtig für die Weiterentwicklung unseres Landes.

In der mit der Großen Anfrage angesprochenen Förderperiode 2000 bis 2006 waren es 3,5 Milliarden €. In der Strukturfondsförderperiode 2007 bis 2013 werden es 3,4 Milliarden € sein. Wer sich mit dieser Materie beschäftigt hat, der weiß, was für ein harter Kampf das war, bis feststand, dass Sachsen-Anhalt als eine Region, die vom statistischen Effekt, nämlich der Erweiterung der Europäischen Union um zehn bzw. insgesamt zwölf neue Mitgliedstaaten, betroffen ist, auch zukünftig, nach 2006, europäische Fördermittel bekommt.

Dass das mit Einschnitten verbunden war, Herr Kollege Tögel, was den Raum Halle betrifft, mussten wir zur Kenntnis nehmen. Ich glaube aber, dass immer noch die Chance besteht, mit den Mitteln, die bis zum Jahr 2013 bereitgestellt werden, die Entwicklung unseres Landes und auch die Entwicklung der Region Halle weiter voranzutreiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen heute, im Jahr 2009, auch schon wieder unmittelbar davor, in Europa die Weichen zu dafür stellen, wie es nach dem Jahr 2013 mit der Kohäsionspolitik, also mit den Strukturfondsmitteln weitergehen wird. Das Land Sachsen-Anhalt hat sich in dieser Diskussion auch zu Wort gemeldet, nämlich in Person von Staatssekretär Herrn Dr. Schneider, der das Land kompetent vertritt. Es geht darum, auch nach dem Jahr 2013 weiterhin Fördermittel für unser Land zu erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie auf Folgendes hinweisen: In der Antwort auf die Frage 48 sind auf Seite 41 der Drucksache die Indikatoren aufgezeigt. Ich glaube, diese Indikatoren sollten wir uns alle gemeinsam anschauen und in die Diskussion mit hineinbringen.

Sie zeigen nämlich, dass wir, was das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner betrifft, eine Erhöhung um 20,7 % zu verzeichnen hatten, während es deutschlandweit nur 12,3 % waren, dass wir bei der Erwerbstätigenquote - also die Zahl der Erwerbstätigen je 1 000 Einwohner - einen Zuwachs von 0,5 % hatten, während die Quote in Gesamtdeutschland um 0,2 % zurückgegangen ist.

Die Indikatoren zeigen auch, dass bei uns die Zahl der Erwerbstätigen in der Industrie nur leicht, um 0,4 % zurückgegangen ist, während deutschlandweit ein Minus von 8,3 % festzustellen war, und dass wir in der Produktivität um 20 % zugelegt haben, während die entsprechende Quote in Gesamtdeutschland um 6,2 % gesunken ist.

Das lässt nur einen Schluss zu, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Strukturfondsmittel sind in Sachsen-Anhalt gut angelegt, richtig verwendet worden und die Strukturfondsmittel sind ein wirksames Instrument, um wirtschaftsschwächere Regionen an die wirtschaftsstärkeren Regionen heranzuführen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Tull- ner, CDU: Sehr richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung - ganz bewusst auch vor der Wahl zum Euro

päischen Parlament -: Wir brauchen in Europa den Binnenmarkt.

Wir sollten jedem Versuch entgegentreten, die Regeln des Binnenmarktes gegen die Regeln für ein sozialeres Europa auszuspielen. Beides kann Europa leisten, einen starken wirtschaftlichen Binnenmarkt für die Entwicklung auch unserer Region und ein sozialeres Europa, weil, meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns Liberale feststeht: Man kann nur das verteilen, was man vorher erwirtschaftet hat.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wer den Schwachen helfen will, der muss auch genügend Stärke dafür haben.

(Zustimmung von Frau Dr. Hüskens, FDP)

In diesem Sinne: Lassen Sie uns weiter für Strukturfondsmittel für Sachsen-Anhalt kämpfen! - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP)

Herzlichen Dank für Ihren Beitrag, Herr Kosmehl. - Jetzt kommen wir zum Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Tullner, Sie haben das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute den Auftrag, gewissermaßen in Stellvertretung für unsere leidenschaftlichen Kollegen - Kollege Kosmehl ist auch ein leidenschaftlicher; solche Europapolitiker haben wir bei uns ja auch - die Debatte aus der Sicht der CDU-Fraktion um einige Ausführungen zu bereichern. Das hoffe ich zumindest; das ist mein Anspruch.

In Anlehnung an den doch sehr beeindruckenden Redebeitrag des Kollegen Thomas zur Breitbandstrategie fiel mir ein, dass der erste Satz, der über eine Telegrafenverbindung kommuniziert worden ist, folgender war: Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.

Dieser sehr bürokratisch anmutende Satz, der damals als Beweis galt, wird gelegentlich auch auf Brüssel und die EU übertragen. Da redet man dann von Gurken- und Bananennormierungen und all den Dingen, die einem dazu gelegentlich einfallen. Ich denke aber, dass die Beschreibung, dass Brüssel ein bürokratischer, zentralistischer Moloch sei, der uns alle mehr oder weniger lähmt, kommt vor allen Dingen von den politischen Kräften, die Europa aus verschiedenen Gründen ablehnen.

Herr Kollege Czeke, an dieser Stelle will ich mir doch die Bemerkung nicht verkneifen, dass ich ein bisschen über den Wandel Ihrer Argumentation erstaunt bin. Ich habe Sie in den letzten Jahren als einen Kollegen wahrgenommen, der die Dinge, die Europa und alles betreffen, angefangen bei Lissabon und anderen verfassungsrechtliche Dingen bis hin zu konkreten Regelungen, sehr skeptisch gesehen und mehr oder weniger abgelehnt hat.

An dieser Stelle vermute ich, dass Sie, da Sie nun Europakandidat Ihrer Partei geworden sind - das habe ich zumindest gelesen -, hier offenbar einem Bewusstseinswandel unterliegen. Es freut mich, dass zumindest Teile der LINKEN ihre Skepsis gegenüber Europa und

ihre nationalistischen Tendenzen ein wenig in den Hintergrund gestellt haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zu- ruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Das lässt mich hoffen, dass wir hier gemeinsam ein Stück weit vorankommen, lieber Kollege Gallert.

Jetzt aber zum Thema der Großen Anfrage. Zunächst einmal verwundert es mich - aber ich bin auch kein Experte; das ist ja im Fachausschuss diskutiert worden -, dass die Antwort auf diese Anfrage erst jetzt kommt. Sie hat einen sehr langen historischen Verlauf, sie stammt aus dem Sommer 2008. Das aber mögen die Kollegen im zuständigen Ausschuss klären.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass diese Förderperiode in einer Zeit begonnen hat, als noch eine andere politische Konstellation hier im Lande die Geschäfte geführt hat. Ich will an dieser Stelle dafür Dank sagen, dass wir trotz der Modifizierungen, die wir damals wegen des Hochwassers gemacht haben, die Förderperiode von 2000 bis 2006 doch vernünftig hinter uns gebracht haben, mit all den segensreichen Entwicklungen, auf die Kollege Kosmehl und andere schon hingewiesen haben.

Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass wir einfach dafür dankbar sein sollten, dass uns Europa hilft und uns in unserer Entwicklung unterstützt. Wenn man sich anschaut, wie die Entwicklung seit 1990 in unserem Land verlaufen ist und wenn man den Entwicklungsstand mit dem im heutigen Osteuropa vergleicht, dann stellt man fest, dass wir sehr weit vorangekommen sind und sehr viele Straßen, Autobahnen, Verkehrsinfrastruktur, Beschäftigungsmaßnahmen vorweisen können. Das gilt auch für den gesamten Wirtschaftsbereich, auf den Kollege Kosmehl schon eingegangen ist. All diese Entwicklungen konnten wir nur mithilfe von Europa erreichen. Dafür gilt es Dank zu sagen.

(Zustimmung bei der FDP)

Aber Dank allein reicht natürlich nicht. Wir sollten auch ein Stück weit versuchen, innezuhalten und zu überlegen, wie wir an dieser Stelle weiterkommen. Ich denke, dass die Betrachtung der laufenden Förderperiode, die eng mit der vergangenen verzahnt ist - der Finanzminister hat daraufhin gewiesen, welche Risiken in dieser überschneidenden Phase durchaus auf den Haushalt zukommen können -, dazu führen wird, dass wir noch einmal prüfen, wie wir diese Verzahnung hinbekommen, und dass wir die Abrechnungen jetzt möglichst schnell vornehmen.

Ich bin außerordentlich dankbar dafür - das hat die Kollegen meiner Fraktion, besonders die, die sich auf Europa spezialisiert haben, in den letzten Jahren immer wieder umgetrieben -, dass wir, was die Ausschöpfung der Mittel angeht, doch einen sehr hohen Stand erreicht haben, nämlich mehr als 97 %, nahezu 100 %.

Ich denke, das haben wir gemeinsam auch durch kritisches Nachfragen erreicht. Wir wissen ja, dass die Verwaltung die Dinge auf Nachfragen aus dem Parlament durchaus noch schneller und motivierter angeht. Dass wir das Ergebnis gemeinsam erreicht haben, macht mich stolz. Ich bin allen Beteiligten dankbar, dass sie diese schwierige Materie bewältigt haben.

(Herr Doege, SPD: Maßhalten!)

- Maßhalten ist auch ein wichtiger Punkt. Maßhalten, Herr Kollege Doege, sollten wir vor allen Dingen an der

Stelle, an der wir unsere Wünsche in die Zukunft richten. Ich denke, dass wir alle wissen, dass der Süden Sachsen-Anhalts ein Ziel-1a-Gebiet ist. Wir haben Disparitäten gegenüber dem Norden. Schon allein deswegen müssen wir maßhalten.

Ich finde aber auch, dass wir maßhalten müssen, weil wir nicht alle unsere Wünsche über Europa finanzieren können. Wir müssen die demografischen Auswirkungen in den Blick nehmen und genau prüfen, wo wir die Probleme ziel- und lösungsorientiert effizient lösen können. Dieses Maßhalten sollte uns allen eigen sein. Das erlaube ich mir auch mit Blick auf die Beratungen zum Doppelhaushalt zu sagen, wo wir gelegentlich noch einige andere Dinge zu diskutieren haben werden.

All diese Punkte, deren Details schon betrachtet worden sind, lassen mich zu dem Schluss kommen, dass wir mithilfe der europäischen Finanzierungsmethoden hier Gutes, Großes erreicht haben und auch in den nächsten Jahren erreichen werden, wenn wir an die SchulbauFörderung denken, wenn wir an den Bereich denken, den Minister Haseloff verantwortet.

Die EU-Fördermittel werden sich wieder positiv auf unser Land auswirken, und zwar nicht nur in dieser Wirtschaftskrise, sondern auch mit Blick auf die Entwicklung, die uns alle miteinander doch motiviert und zu dem Ziel führt, ein starker bzw. führender Wirtschaftsstandort im Herzen Europas zu werden, wie wir es in den 20er-Jahren einmal waren. Dorthin wollen wir wieder kommen. Deswegen sind wir dankbar, dass uns die EU an dieser Stelle hilft.

Kollege Czeke, Sie haben auf einige Details hingewiesen und sich ein wenig über die Frauen- bzw. Männerförderung lustig gemacht. Ich will darauf hinweisen - ich bin dankbar dafür, dass mir die Staatskanzlei dabei geholfen hat -, dass Ihre Kritik an den beiden Programmen ein wenig fehl läuft. Wenn Sie sich die Programme einmal durchlesen würden, kämen Sie zu dieser Erkenntnis. Denn in der Projektbeschreibung eines der von Ihnen kritisierten Programme zur Eingliederung von Frauen heißt es: Dieses Projekt ist hauptsächlich auf die Gleichstellung von Frauen und Männern gerichtet. - Ich denke, das sollte Sie in Ihrer Kritik auch zum Maßhalten motivieren.