Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Im Namen des Innenausschusses darf ich Sie bitten, der Beschlussempfehlung zuzustimmen. - Danke schön.

(Zustimmung)

Vielen Dank für die Berichterstattung, Herr Madl. - Wir kommen zum Beitrag der Landesregierung. Herr Innenminister Hövelmann hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über das Zweite Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts wurde im Innenausschuss intensiv beraten und es hat im parlamentarischen Verfahren - Herr Kollege Madl hat es deutlich gemacht - einige Änderungen erfahren. Insgesamt wird mit diesem Gesetz das Kommunalrecht für das Land SachsenAnhalt in einigen Punkten abgerundet, an einigen Stellen ergänzt und zugleich werden die Gesetzestexte insgesamt für den Bürger besser lesbar gemacht.

Ich glaube, dass die vom Innenausschuss erarbeitete Beschlussempfehlung ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten und damit auch für die Gemeinden in unserem Lande darstellt.

Die meisten Änderungen betreffen - das war nicht anders zu erwarten - das Herzstück des Kommunalverfassungsrechts: die Gemeindeordnung. Hier wurden viele Klarstellungen und Erleichterungen eingefügt. Dazu zähle ich auch die Tatsache, dass die kameralen Haushaltsvorschriften für die Kommunen, die noch bei der weit überwiegenden Zahl der Kommunen anzuwenden sind, nunmehr in die Gemeindeordnung zurückgeführt werden. Damit wird insbesondere die Arbeit der ehrenamtlichen Gemeinderäte und Bürgermeister wesentlich erleichtert.

In der politischen Diskussion war die Änderung des § 43 der Gemeindeordnung, also die Festlegung der Mindestgröße einer Fraktion im Rat, sehr umstritten. Diese Diskussion ist nachvollziehbar und die Diskussionsbeiträge waren zumeist mit Blick auf die Situation der Diskussionsteilnehmer vorherbestimmbar. Es ist mir wohl bewusst, dass kleinere Parteien einer Erhöhung der Mindestmitgliederzahl einer Fraktion eher skeptisch gegenüberstehen müssen. Ich glaube aber, dass wir zum einen aus gutem Grund so und zum anderen sehr behutsam vorgegangen sind.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Aus welchem Grund denn?)

Wir dürfen nicht übersehen, dass die Gebietsreform zu tendenziell größeren Räten führt und wir umso mehr gehalten sind, Regelungen zu finden, die die Arbeitsfähigkeit der Räte fördern bzw. optimieren. Übrigens: Bei den Landkreisen sind alle davon betroffen. Diese Reform ist in der letzten Legislaturperiode mit Ihrer Zustimmung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, auf den Weg gebracht worden.

Die Ausgangslage in Sachsen-Anhalt ist bei dieser Frage sehr großzügig. Es werden nur zwei Ratsmitglieder zur Fraktionsbildung benötigt. Weniger dürften, wenn man die Fraktionsbildung ernst nimmt, nicht möglich sein. Wenn wir die Mindestzahl von zwei auf drei - je nach Ratsgröße - erhöhen, geht das demokratische Abendland nun wirklich nicht unter. In den Gemeinden und Städten wird es zudem nur im Ausnahmefall eine Änderung gegenüber der jetzigen Rechtslage geben. Bei den Landkreisen - das hatte ich erwähnt - sind alle betroffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auch auf die Neuregelung des § 58 Abs. 1d der Gemeindeordnung hinweisen. Im Rahmen der Gemeindegebietsreform zielen wir gerade darauf ab, kleine Gemeinden zu leistungsfähigeren Strukturen zusammenzufassen. Dabei kann es dazu kommen, dass eine bislang durch einen ehrenamtlichen Bürgermeister geführte Gemeinde zu einer hauptamtlich zu verwaltenden Einheitsgemeinde aufwächst. Dies kann durch Eingemeindung in eine beteiligte Gemeinde erfolgen.

In dem Gebietsänderungsvertrag kann dann zwar eine kurzfristige Wahl des neuen Gemeinderates vereinbart werden, nicht jedoch auch die Wahl eines neuen Bürgermeisters. Für den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin würde im Fall der Eingemeindung die Amtszeit einfach weiterlaufen. Zudem würde der Bürgermeister per Gesetz vom ehrenamtlichen zum hauptamtlichen Bürgermeister. Diese rechtliche Folge war teilweise angezweifelt worden und war zudem ohnehin politisch umstritten. Nunmehr soll klar und deutlich festgelegt werden, dass in einem solchen Fall auch eine Bürgermeisterwahl durchzuführen ist.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Ich bin der Ansicht, dass an dieser Stelle zu Recht ein klarer Schnitt gemacht werden sollte. Gerade im Zuge der Gebietsreform wird deutlich, dass die bislang ehrenamtlich verwalteten Gemeinden, die sich in einer größeren Einheit zusammenfinden, die nunmehr hauptamtlich zu verwalten ist, einen Neuanfang beginnen. Daher sollte auch allen Bürgern der neuen Gemeinde die Möglichkeit eröffnet werden, den eigenen hauptamtlichen Bürgermeister mitzubestimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich will nicht verschweigen - Kollege Madl hat in Teilen darauf hingewiesen -, dass den Vorschlägen der Landesregierung nicht in allen Punkten gefolgt wurde. Ich möchte an dieser Stelle auf die Vorschläge zur Genehmigungspflicht des Höchstbetrages der Kassenkredite und auf die Verbindlichkeit von Haushaltskonsolidierungsprogrammen hinweisen. Hierbei war von Beginn an klar, dass es sich um politisch zu entscheidende Fragen handelt, die durchaus unterschiedlich debattiert werden.

Es ist kein Problem, die Ergebnisse der Beratungen im Innenausschuss, die in der Beschlussempfehlung niedergelegt sind, zu akzeptieren. Aber es wird Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, nicht wirklich wundern, wenn ich die feste Erwartung hege und ausdrücke, dass alle betroffenen Verantwortungsträger in den Kommunen die Haushaltskonsolidierung ernst nehmen. Die Kommunalaufsicht wird es weiterhin tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lange wurde auch darüber diskutiert, inwieweit dem Landesrechnungshof in der Gemeindeordnung Prüfkompetenzen einzuräumen sind. Ich glaube, dass die in der Beschlussempfehlung enthaltene Neuformulierung des § 126 eine gute Lösung darstellt; denn diese Regelung ist eindeutig. Dem Landesrechnungshof obliegt damit die überörtliche Prüfung der Kommunen mit mehr als 25 000 Einwohnern sowie der Zweckverbände.

Es ist damals erwogen worden, auch die damit im Zusammenhang stehende überörtliche Prüfung von Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften bzw. Verbandsgemeinden sowie von Mitgliedsgemeinden der Zweckverbände dem Landesrechnungshof zuzuordnen.

Dies war - die Anhörung hat das mehr als deutlich gezeigt - ausgesprochen umstritten. Der Ausschuss ist dem letztlich nicht gefolgt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit wurde im Rahmen der Novellierung in Bezug auf die Regelung über die Umlage geändert. Hierfür war eine Neufassung unumgänglich, um die notwendige Flexibilität zu gewinnen, wirtschaftlich unterschiedliche Sachverhalte auch umlagerechtlich unterschiedlich darstellen zu können. Zudem galt es Rahmenbedingungen zu schaffen, die die weitere Zusammenführung kleiner, unwirtschaftlich arbeitender Zweckverbände ermöglichen und fördern.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes haben es die Beteiligten in der Hand, neben einer allgemeinen Umlage besondere Umlagen zu erheben. Damit steht ein Instrument zur Verfügung, das es erlaubt, die unterschiedlichen Gegebenheiten interessengerecht aufzufangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich Sie bitten, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu folgen. In Artikel 10 wird dabei eine Neubekanntmachung der Gemeindeordnung ermöglicht. Ich bin davon überzeugt, dass dies angesichts der vielen Änderungen der Gemeindeordnung in den letzten Jahren nicht nur angebracht, sondern notwendig ist.

Den Bürgern und Bürgerinnen, die sich im Gemeinderat oder als Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister in den Kommunen einsetzen, soll es so einfach wie möglich gemacht werden, sich über die gesetzlichen Grundlagen ihrer Arbeit zu informieren. Wenn ein Blick ins Gesetz dem Bürger helfen soll, so ist es nur angebracht, die aktuelle Gemeindeordnung auch einmal wieder in der Gesamtfassung im Gesetzblatt einsehen zu können. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen nun zu den Debattenbeiträgen. Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart worden. Als erster Debattenrednerin erteile ich der Abgeordneten Frau Dr. Paschke von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Starke Kommunen, starkes Land - das verkündet am Vorabend der Kommunalwahl nicht nur die CDU. In dieser oder jener Form tun das alle Parteien. Wir sind uns in seltener Weise darüber einig, dass es tatsächlich einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Stärke der kommunalen Selbstverwaltung und der Stärke des Landes gibt.

Und weil wir uns bei diesem Wahlslogan so einig sind, macht es sich auch am Vorabend der Kommunalwahlen sicherlich gut, wenn man auf einige der letzten Entscheidungen zurückblickt und sich fragt, ob sie dazu beitragen, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Wir meinen: Bei einem kommunalpolitischen TÜV würde das Land sicherlich durchfallen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der FDP)

Leider reiht sich auch dieser Gesetzentwurf in die Liste jener Vorgaben seitens des Landes ein, die man betiteln

könnte mit: Wir, die Landesebene, können ohnehin alles, aber auch alles besser. Wir können per se alle Aufgaben besser erledigen. Das zeigt uns der Entwurf des Funktionalreformgesetzes. Wir können natürlich - das sage ich durchaus mit einem selbstkritischen Blick - viel besser mit dem Geld umgehen. Deshalb haben wir im Ländervergleich die schlechtesten Konditionen für Kommunen im Rahmen des Konjunkturpaketes II festgeschrieben.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: Das ist falsch! Das stimmt so nicht!)

Dann stellt man sich erstaunt die Frage, ob die Gebietsreform, die Landesentwicklungsplanung und das FAG so wenig miteinander zu tun haben, wie es die beiden verantwortlichen Ministerien in ihrer Arbeitsweise praktizieren.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der FDP)

Man könnte diese Aufzählung leicht fortsetzen. Unter dem Strich kommt das Agieren der Landesebene gegenüber den Kommunen mit einiger Arroganz und einigem Misstrauen daher. Das setzt sich leider in dem vorliegenden Gesetzentwurf fort. Dazu habe ich einige Anmerkungen.

Doch zunächst möchte ich eine Vorbemerkung machen. Wir haben darauf verzichtet, nochmals einen Änderungsantrag in den Landtag einzubringen, weil über den Änderungsantrag in der Drs. 5/1596 ohnehin schon im Parlament beraten wurde und weil wir nach der Anhörung noch zahlreiche Änderungsanträge gestellt haben.

Meine erste Anmerkung zum Gesetzentwurf: Es ist erfreulich, dass es das Parlament geschafft hat, die Spitze des Eisberges des Misstrauens gegenüber den Kommunen, das die Landesregierung und leider auch der Kommunalminister in das Parlament gebracht haben, zu kappen. Die Stichworte hat der Minister selbst genannt: Haushaltskonsolidierung, Kassenkredite und Kreisumlage. Wir hatten bereits in unserem Änderungsantrag im Rahmen der Einbringungsdebatte beantragt, die entsprechenden Paragrafen zu ändern oder zu streichen.

Meine Damen und Herren! Dennoch muss man sagen, dass in den Kommunen und bei den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände der Schock tief saß, als deutlich wurde, was dort auf den Tisch gelegt wurde. So betonte der Landkreistag in seiner Stellungnahme zu Recht, dass der Eindruck erweckt werde, dass sich die Landkreise - Gleiches gilt in ähnlicher Weise auch immer für den gemeindlichen Bereich - einer Haushaltskonsolidierung verschlössen, sich ohne Berücksichtigung der gemeindlichen Haushaltssituation über die Kreisumlage bedienten und zweckwidrig immer häufiger Kassenkredite aufnähmen.

Ohne die Ursachen zu benennen, die ja hauptsächlich auf der Bundes- und der Landesebene zu suchen sind, muss man sagen: Es ist gegenüber den Kommunen schon ein starkes Stück, wenn man darauf mit verschärfter Rechtsaufsicht reagiert. Ich bin froh darüber, dass das Parlament dies abgewendet hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Dem Gesetzentwurf mangelt es in einem weiteren entscheidenden Punkt, den das Parlament nur punktuell korrigiert hat. Der Gesetzentwurf - das hat der Städte- und Gemeindebund immer wieder betont - strahlt

eine Denkweise aus, die auf den alten Strukturen beruht; diese haben sich jedoch bereits auf der Kreisebene geändert und werden sich im gemeindlichen Bereich substanziell ändern. Es ist in keiner Weise gelungen, entsprechende Anreize zu setzen und die erhöhte Leistungsfähigkeit auch im Kommunalrecht inhaltlich zu reflektieren. Diesbezüglich werden wir alle in den nächsten Jahren noch unsere Hausaufgaben machen müssen.

Drittens. Das Kommunalverfassungsrecht steckt in weiten Teilen auch den Spielraum für direkte Demokratie und Teilhabe ab. Wie wichtig das für die Gestaltung des Gemeinwesens ist, wissen alle, insbesondere in der gegenwärtigen Situation. Welches Angebot hierfür hat der Entwurf, hat die Beschlussempfehlung unterbreitet? - Ich denke einmal, das ist eine absolute Fehlmeldung.

Warum wurden unsere Vorschläge zur Wiederaufnahme der Bürgerinitiativen in die Gemeindeordnung und in die Landkreisordnung, zum Vorprüfungserfordernis vor Beginn eines Bürgerbegehrens, zur weitergehenden Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger in größeren Strukturen abgelehnt? Was ist das für eine Regelung? Müssen wir nicht nach jahrelangem Festschreiben zum Beispiel einmal überdenken, dass Themen, die in den kommunalen Vertretungen auf der Tagesordnung stehen, nicht Bestandteil der Fragestunde sein können? Was ist das eigentlich für eine Entmündigung der kommunalen Vertreter, denen die Fähigkeit abgesprochen wird, das zu unterscheiden?

(Beifall bei der LINKEN)

Was bedeutet das eigentlich für die Bürgerinnen und Bürger, die die Tagesordnung lesen und genau zu diesen Dingen konkrete Fragen haben?

Viertens. Mit dem Gesetz wird es ferner nicht gelingen, die durch die gemeindliche Strukturreform objektiv entstehenden Demokratiedefizite auf geeignete Weise abzupuffern. Wir haben zum Ortschaftsverfassungsrecht und zur Arbeitsweise der Verbandsgemeinden Vorschläge unterbreitet, die leider allesamt abgelehnt wurden.

Fünftens und letztens. Eine ganze Reihe von Vorschlägen der kommunalen Spitzenverbände ist in dem vorliegenden Entwurf noch nicht aufgegriffen worden bzw. konnte noch nicht aufgegriffen werden. Wir werden in den kommenden Jahren aber tatsächlich darüber nachdenken müssen, ob die Einteilung in örtliche und überörtliche Prüfung noch zeitgerecht ist, ob die Wahlbereiche dauerhaft und nicht nur für die Übergangsphase im Rahmen der Strukturreform gestaltet werden können. Auf der Agenda bleibt das kommunale Wirtschaftsrecht; auch hierzu wird es notwendigerweise Veränderungen geben, die wir in diesem Gesetz noch nicht durchsetzen konnten.

Fazit: Das Zweite Gesetz zur Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung entwickelt nicht fort. Selbst der Kommunalminister hat vermieden, das zu betonen; denn er hat gesagt: Es wird ergänzt und abgerundet. Den Ausdruck „fortentwickelt“ verwendete er in seinen Ausführungen nicht; und das ist sicherlich auch richtig so. Es passt einige Regelungen lediglich an bestimmte Gegebenheiten an. Bei einigen Themen haben wir diese Änderungen durchaus mitgetragen.

Auf Dauer wird sich das Parlament der Fortentwicklung jedoch nicht verschließen können; denn der Slogan „starke Kommunen, starkes Land“ gilt nicht nur für den

Wahltag, sondern auch für den kommunalen und für den parlamentarischen Alltag. - Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)