Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 8:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Mobilfunkverkehr und unerlaubter Telekommunikation durch Gefangene (Mobilfunkverhinderungsgesetz - MFunkVG)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/1940

Ich bitte die Ministerin der Justiz Frau Professor Angela Kolb, als Einbringerin das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Die Inbetriebnahme der JVA Burg in der letzten Woche zeigt, dass ein humaner, moderner und sicherer Strafvollzug nichts Gegensätzliches ist. Nun fehlt uns noch ein kleiner Baustein, um den angestrebten Sicherheitsstandard in der JVA Burg zu erreichen. Diese Lücke soll durch den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung geschlossen werden.

Da die Fraktionen auf eine Debatte verzichten wollen,

(Herr Kosmehl, FDP: Abwarten!)

möchte ich im Folgenden die Schwerpunkte des Gesetzentwurfes darstellen und dabei natürlich auch auf die so genannten Knackpunkte eingehen.

Zunächst zurück zum Ausgangspunkt. Ein sicherer Strafvollzug ist alternativlos. Darin sind wir uns in diesem Hohen Hause wohl alle einig. Deshalb heißt es auch in der Gesetzesbegründung bei der geforderten Angabe zu Alternativen: „Alternativen: keine“. Das bedeutet praktisch. Es gibt keine kostengünstigere und keine praktisch umsetzbare Alternative.

Natürlich könnte man auch, wie das im Moment in allen anderen Anstalten der Fall ist, weiterhin durch Kontrollen der Hafträume, der Personen und der Besucher zu erreichen versuchen, dass es in den Justizvollzugsanstalten keine Handys gibt. Diesbezüglich stoßen wir aber an Grenzen. Das heißt, wir haben den begründeten Verdacht, dass es uns nie gelingen wird, alle Handys zu ermitteln, bei jedem einzelnen Besucher. Das würde möglicherweise auch Anwälte treffen, die ihre Klienten vor Ort besuchen. Deshalb gibt es zur Blockierung des Mobilfunkverkehrs in den Justizvollzugsanstalten als sicherste und günstigste Variante aus unserer Sicht keine Alternative.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Lassen Sie mich nun noch auf vier Einzelpunkte eingehen, zunächst auf die Frage der Gesetzesbezeichnung. Ursprünglich trug der Gesetzentwurf den Namen: „Gesetz zur Verhinderung von Mobilfunkverkehr auf dem Gelände der JVA Burg“.

Das hat nicht nur Anlass zum Schmunzeln gegeben, weil es kaum noch verständlich gewesen wäre und die eigentlich wichtige Aussage nur ansatzweise wiedergegeben hätte, sondern auch zu Kritik geführt. Deshalb haben wir uns jetzt auf eine etwas griffigere Kurzbezeichnung, nämlich „Mobilfunkverhinderungsgesetz“ geeinigt. Ich glaube, damit weiß jeder, worum es geht.

Der zweite Punkte betrifft die mögliche Beeinträchtigung Dritter. Störungseffekte außerhalb der Umwehrungsmauern einer Anstalt lassen sich technisch nicht ganz ausschließen. Es besteht die Möglichkeit nicht immer beherrschbarer Reflexionen und Brechungen von Funkwellen. Diese sind - so sagen es uns jedenfalls die Techniker - nicht immer punktgenau zu steuern.

Als wir mit den Gesetzgebungsarbeiten begonnen haben, hat die Bundesnetzagentur - die darüber wacht, dass es einen störungsfreien und vor allen Dingen beeinträchtigungsfreien Funkverkehr gibt - noch den Standpunkt vertreten, dass ein solches Gesetz entweder nicht möglich oder, wenn doch, nur unter erheblichen Restriktionen umzusetzen wäre.

Das, meine Damen und Herren, ist inzwischen anders - zum Glück für uns. Seit dem 1. Februar gibt es allgemeine Rahmenbedingungen, die es der Bundesnetzagentur erlauben, dem Justizvollzug Auflagen zu erteilen, die zwingend einzuhalten sind und die gewährleisten, dass es keine gravierenden Beeinträchtigungen des Mobilfunkverkehrs außerhalb der Anstaltsmauern gibt.

Diese Rahmenbedingungen ermöglichen es uns, praktikable Lösungen für die Mobilfunkunterdrückung zu finden. Wichtig und wesentlich ist aus meiner Sicht, dass es sich hierbei um bundeseinheitliche Rahmenbedingungen handelt, die nicht nur für die JVA Burg in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit gelten. Nunmehr akzeptiert die Bundesnetzagentur, dass geringfügige Störungen von fremden Netzen möglich und damit hinzunehmen sind.

Alle zurzeit untersuchten technischen Varianten zur Detektion, Störung und Unterdrückung sind daher grundsätzliche genehmigunsfähig. Wenn man sich anschaut, in welchen Ländern derartige Systeme bisher eingesetzt worden sind, dann stellt man fest, dass man in Hessen und in Baden Württemberg auf Störsenderlösungen setzt. Wir sind nach den bisherigen Überlegungen zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kombinationslösung wahrscheinlich sinnvoll wäre. Das erfolgt durch einen so genannten IMSI-Catcher, der wie eine elektronische Glocke über die Anstalt gelegt wird und ausgesendete Handysignale zunächst einfängt und nur diejenigen wieder herauslässt, die dazu autorisiert sind.

(Herr Tullner, CDU: Aber nicht im Landtag!)

- Nein, wir beschränken das natürlich auf die Justizvollzugsanstalten.

(Herr Scharf, CDU: Außer am 1. April!)

- Ja, aber heute ist nicht der 1. April.

Die Lösung hat für uns den Vorteil, dass mögliche Weiterentwicklungen in der Funk- und Kommunikationstechnologie nicht dazu führen, dass man völlig neue Syste

me braucht, sondern allenfalls dazu, dass man die Software anpassen muss. Das wäre eine kostengünstige Lösung.

Ich komme zum dritten Punkt, der Frage, wie das generelle Mobilfunkverbot in § 1 des Gesetzentwurfes konkret, das heißt: gesetzestechnisch, gefasst werden muss. Damit das Verbot auch in Zukunft greift, soll - so der Wortlaut des Gesetzentwurfes - nicht nur der Handyverkehr von Gefangenen gestört oder unterdrückt werden, sondern jegliche unerlaubte Telekommunikation.

Diese Formulierung geht ausdrücklich auf einen Vorschlag der Bundesnetzagentur zurück, den wir im Rahmen der Gesetzesentstehung gern aufgenommen haben. Wir vermeiden somit für die Zukunft, dass das Gesetz immer wieder angepasst werden muss, wenn es neue technische Entwicklungen, neue Übertragungswege oder neue Frequenzbänder gibt, die dann kommerziell genutzt werden dürfen.

Nun zum vierten und aus meiner Sicht letzten Punkt, dazu, was Sie alle interessiert, nämlich die Frage der Kosten einer funktionierenden und genehmigungsfähigen Mobilfunkunterdrückung in der JVA Burg. Ich betone, derzeit gibt es nur die Überlegung, in der JVA Burg, in der wir Häftlinge mit langen Haftstrafen unterbringen und einen besonders hohen Sicherheitsstandard gewährleisten müssen, diese Mobilfunkblocker einzusetzen.

Wir werden uns natürlich um die kostengünstigste Lösung bemühen. Derzeit bin ich aber leider noch nicht in der Lage, die Kosten genau zu beziffern. Ich habe im Hinblick auf die Genese des Gesetzentwurfes dargestellt, wie schwierig es war, zunächst festzustellen, was die konkreten Rahmenbedingungen sind, die wir von technischer Seite gewährleisten müssen, um einen solchen Mobilfunkblocker einzusetzen. Deshalb war es uns, aufgrund der noch nicht feststehenden technischen Rahmenbedingungen, noch nicht möglich, mit konkreten Anbietern darüber zu verhandeln, welches System eingesetzt werden soll.

Richtig ist, im PPP-Vertrag über die JVA Burg ist für einen Mobilfunkblocker ein Betrag in Höhe von 500 000 € vorgesehen. Das ist Bestandteil des PPP-Vertrages. Sollten bei der konkreten Realisierung höhere Kosten entstehen, werden wir dafür selbstverständlich eine Deckung aus dem Justizhaushalt anbieten; das heißt, wir müssen dann in anderen Bereichen Einsparungen vornehmen.

Meine Damen und Herren! Unabhängig davon, welche Lösung sich letztlich durchsetzen wird, ob wir eine elektronische Glocke über die Anstalt legen, ob wir einen Mobilfunkunterdrücker einsetzen oder ob wir, wie ich es vorhin angedeutet habe, eine Kombinationslösung aus beidem anstreben - in jedem Fall brauchen wir vorher eine gesetzliche Grundlage. Ansonsten können wir nicht praktisch handeln. Deshalb bitte ich, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuss zu überweisen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Möchten Sie Fragen beantworten?

Ja.

Bitte zuerst Herr Kosmehl.

Frau Ministerin, obwohl die Fraktionen auf Redebeiträge verzichtet haben, stellen sich trotzdem einige Fragen, die ich Ihnen heute schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes stellen möchte und die im Laufe der Beratungen im Rechtsausschuss beantwortet werden können.

Zunächst verwundert es mich, dass Sie heute, wie schon bei der Behandlung der LIV-Vorlage im Rechtsausschuss, die Kosten nicht konkret beziffern können. Wenn Sie eine Abwägung getroffen haben, dass es keine kostengünstigere Alternative zu der Mobilfunkverhinderung durch Blockung gibt - so haben Sie sich ausgedrückt -, dann müssen Sie eine Kostenschätzung durchgeführt haben und können uns demzufolge einen Kostenrahmen nennen.

Zum anderen würde mich interessieren: Sie haben gesagt, dass Sie die Gesetzesüberschrift geändert haben. Dadurch haben Sie das Gesetz erweitert. Ursprünglich sollte es nur für die JVA Burg gelten. Jetzt gilt es für alle Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt. Wie ist es zu dem Sinneswandel gekommen, dass die gesetzliche Grundlage jetzt für alle Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt gelten soll?

Meine letzte Frage: Können Sie uns konkrete Zahlen nennen, wie hoch der Aufwand für die Durchsuchungen im vergangenen Jahr war, bei denen Sie 240 Mobilfunkgeräte gefunden haben?

Zunächst zur Änderung der Gesetzesüberschrift. Wir haben von Anfang an die Überlegung angestellt, dass wir ein Gesetz schaffen wollen, das nicht nur für eine JVA, sondern für die gesamte Vollzugslandschaft in SachsenAnhalt gilt. Wir haben aber, was die praktische Umsetzung betrifft, von vornherein gesagt, dass wir die Absicht haben, das nur in Burg einzusetzen.

Wir wissen nicht, wie sich die Entwicklung in Zukunft weiter vollzieht und ob es nicht auch in anderen Anstalt sinnvoll und notwendig werden kann, Mobilfunkblocker einzusetzen. Deshalb halte ich es für sachgerecht, dass wir mit dem Gesetz kein Einzelfallgesetz für eine Anstalt schaffen, sondern die Möglichkeit grundsätzlich für alle Anstalten einräumen.

Wie gesagt, was die technische Umsetzung und auch die finanziellen Aufwendungen betrifft, werden wir in jedem Einzelfall nicht nur im Rechtsausschuss, sondern sicherlich auch im Finanzausschuss Rede und Antwort stehen müssen.

Zu den Kosten, Herr Kosmehl: Es ist richtig. Wir haben keine konkrete Kostenschätzung vorgenommen, was den Aufwand betrifft, der dadurch entsteht, dass sich Bedienstete Hafträume anschauen und Kontrollen durchführen müssen. Ich habe die entsprechenden Zahlen nicht vorliegen und deshalb ist es mir jetzt auch nicht möglich, Ihnen dazu konkrete Zahlen zu nennen. Das hängt auch immer von den Möglichkeiten vor Ort ab.

Wir haben derzeit einen auf ein Minimum beschränkten Personaleinsatz, weil wir in der Übergangsphase die

Besonderheit haben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon in Burg vor Ort sind, die ersten Gefangenen aber erst in der nächsten Woche dort einziehen, sodass die Personaldecke überall sehr knapp ist.

Gerade in solchen Zeiten - das gilt auch für Zeiten, in denen wir vermehrt Krankheitsfälle haben - werden Dinge wie die Durchsuchung von Hafträumen nur dann durchgeführt, wenn ein konkreter Verdacht besteht.

Wir haben mit dem derzeitigen Personal nicht die Möglichkeit, flächendeckend regelmäßige Haftraumkontrollen vorzunehmen.

Deshalb ist es im Moment nicht möglich, wirklich sicherzustellen, dass sich keine verbotenen Gegenstände in den Zellen befinden. Der Einsatz eines Mobilfunkblockers ist eine technische Lösung. Wenn wir uns für das System, das eingesetzt werden soll, entschieden haben, dann können wir genau sagen, wie viel es kostet. Wenn wir mehr Personal für die Strafvollzugsanstalten einstellen, dann bedeutet das nicht nur eine einmalige Investition, sondern es bedeutet, dass sich die Personalkosten dauerhaft im Landeshaushalt niederschlagen.

(Herr Tullner, CDU: Sehr überzeugend!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Die nächste Frage möchte Frau Dr. Klein stellen.

Frau Ministerin, meine Frage haben Sie zum Teil bereits beantwortet. Herr Kosmehl hat nach den Kosten gefragt. Ich würde beantragen, dass der Gesetzentwurf auch an den Finanzausschuss überwiesen wird; denn er scheint in beträchtlicher Höhe kostenrelevant zu sein.