Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Frau Ministerin, meine Frage haben Sie zum Teil bereits beantwortet. Herr Kosmehl hat nach den Kosten gefragt. Ich würde beantragen, dass der Gesetzentwurf auch an den Finanzausschuss überwiesen wird; denn er scheint in beträchtlicher Höhe kostenrelevant zu sein.

Möchten Sie darauf antworten?

Wenn die Abgeordneten dies wünschen, dann würde ich mich dem nicht verweigern. Ich denke, das muss das Hohe Haus entscheiden.

Herr Kosmehl hat noch eine Nachfrage.

(Herr Gürth, CDU: Wir haben keine Debatte vor- gesehen! Hast du kein Zuhause?)

Frau Ministerin, wir haben sicher im Rechtsausschuss die Möglichkeit, eine rechtspolitische Diskussion darüber zu führen, ob es wirklich sinnvoll ist, den effektiven Vollzug von Gesetzen durch Personaleinsatz gegen den Einsatz von technischen Möglichkeiten auszutauschen.

Ich habe noch eine ganz konkrete Frage. Sie sagten, im Gegensatz zur Personaleinstellung ergibt sich nur eine einmalige Investition. Wären Sie bereit, vor dem Hohen Haus bereits heute zuzugeben, dass der Betrieb eines Mobilfunkblockers weitere Kosten in den Folgejahren durch die Unterhaltung verursacht und dass es deshalb nicht nur eine einmalige Investition ist, sondern auch fortlaufende Kosten entstehen?

Herr Kosmehl, ich weiß, dass Investitionen immer Folgekosten nach sich ziehen, und deshalb kann ich auch nicht ausschließen, dass sich das nicht auf diese einmaligen Kosten beschränkt, sondern in den Folgejahren entsprechende Folgekosten entstehen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Herr Wolpert, bitte.

Frau Ministerin, mir ist aber nicht klar, wie Sie das berechnen wollen. Sie führen die Argumentation an, dass Sie Personal sparen, da Sie nicht nach Mobilfunktelefonen suchen. Sie ersparen sich aber nicht die Zellendurchsuchung. Ein Mobilfunkblocker verhindert keine Messer, Waffen oder Ähnliches in den Zellen. Sie müssen also die Zellen durchsuchen. Daher ist mir das nicht klar.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich werden wir die Hafträume auch in Zukunft kontrollieren. Der Rechtssausschuss hatte in der letzten Woche Gelegenheit, sich von der neuen Organisation der JVA Burg und den Besonderheiten der Kontrollen dort zu überzeugen. Aber Handys sind ein ganz spezielles Problem und es gibt keine Haftanstalt in Deutschland, in der es möglich ist, dass man alle Handys heraushält. Deshalb gibt es nur eine sichere Variante, und das ist der Mobilfunkblocker.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren! Die Obleute haben vorgeschlagen, auf eine Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt zu verzichten. Wünscht dennoch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.

Dann stimmen wir über den Überweisungsantrag ab. Zunächst ist es wohl klar, dass der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen wird. Zur Mitberatung soll er an den Finanzausschuss überwiesen werden. Ich stelle dies zur Abstimmung. Wer stimmt diesen Vorschlägen zur Überweisung zu? - Das sind offensichtlich alle. Damit ist der Gesetzentwurf an die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, haben wir die Freude, auf der Südtribüne sowohl Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegeschule des Kreisklinikums Aschersleben als auch Seniorinnen und Senioren aus Magdeburg-Alte Neustadt begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Landesrecht

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1933

Ich bitte Herrn Dr. Eckert von der Fraktion DIE LINKE darum, den Antrag einzubringen.

Mit unserem heutigen Antrag zur UN-Konvention wiederholen wir nicht die Aufforderungen aus unserem Antrag vom April 2007, wie es die Regierungsfraktionen eventuell anmahnen werden. Wir haben nach zwei Jahren eine andere Situation. Heute wissen wir, der Bundestag hat die UN-Konvention ratifiziert, und seit 26. März 2009 gilt sie tatsächlich in Deutschland. Vielleicht trifft in diesem Fall der Spruch zu: Was lange währt, wird gut; denn Deutschland hat sich viel Zeit mit der Ratifizierung gelassen.

Mit unserem Antrag wollen wir Kontinuität sichern und den Teil auf die Tagesordnung setzen, den man damals mit einem Änderungsantrag vom Tisch wischte. Nun geht es uns darum, die damalige Begrüßung der Unterzeichnung der UN-Konvention und die in vielfältigen Reden und Erklärungen der letzten Tage, die anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai 2009 abgegeben wurden, mit konkreten Taten und mit konkreten Vorstellungen zu untersetzen. Es geht uns darum, dass sich die Ressorts beizeiten um notwendige Initiativen auf rechtlichem Gebiet, im Verwaltungshandeln und natürlich auch bei der Entwicklung des für einen Paradigmenwechsel notwendigen Bewusstseinswandels Gedanken machen.

Dies sind, wie wir es gestern alle betonten, langwierige Prozesse, die nur schrittweise umzusetzen sind und die einen langen Atem benötigen. Deshalb sollten wir rechtzeitig damit beginnen.

Es steht also die Aufgabe an, die in Landeskompetenz zu regelnden Fragen zu erfassen, Änderungsbedarfe festzustellen und einen Zeitplan für deren Umsetzung vorzulegen. Das ist eine komplexe Aufgabenstellung, die unseres Erachtens auch einer breiten gesellschaftlichen Diskussion bedarf und in die vor allem die Betroffenen und ihre Verbände einzubeziehen sind.

In Nr. 1 unseres Antrages erbitten wir bis zum Ende des Jahres eine Übersicht über die Bereiche, in denen Bestimmungen der Konvention Änderungen erfordern. Da die landespolitischen Zuständigkeiten auf einige Bereiche begrenzt sind, haben wir uns auf fünf Artikel der Konvention konzentriert.

In Nr. 2 des Antrages beantragen wir, dass die Landesregierung ihre konzeptionellen Vorstellungen zur Umsetzung für diese fünf Artikel dem Landtag vorstellt. Da sich die Landesregierung seit mehreren Monaten mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes befasst und sich dabei nach eigenen Angaben von den Erfordernissen der UN-Konvention leiten lässt, ist diese Forderung sicher ohne größere Schwierigkeiten zu erfüllen, da bereits Vorstellungen existieren müssten.

Nun zu den fünf Artikeln, deren Umsetzung im Land wir für besonders bedeutsam halten.

Zu Artikel 8 - Bewusstseinsbildung. Gestatten Sie, dass ich die daraus erwachsenden Verpflichtungen zitiere:

„1. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um

a) in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern,

b) Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich aufgrund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbereichen zu bekämpfen,

c) das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu fördern.“

In Artikel 8 Nr. 2 der Konvention werden als mögliche Maßnahmen die folgenden aufgeführt: Kampagnen zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit, die Förderung einer respektvollen Einstellung gegenüber Rechten von Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen des Bildungssystems, die Aufforderung an alle Medienorgane, Menschen mit Behinderungen in einer dem Zweck des Übereinkommens entsprechenden Weise darzustellen, sowie die Förderung von Schulungsprogrammen zur Schärfung des Bewusstseins für die Rechte behinderter Menschen.

Sie merken schon, hiermit sind langfristige und sehr komplexe Prozesse anzustoßen. Das trifft auch auf Artikel 9 der Konvention zu, der in der amtlichen Übersetzung mit der umstrittenen Formulierung „Zugänglichkeit“ überschrieben ist und natürlich „Barrierefreiheit“ heißen müsste. Ich denke, dass ich auf den Inhalt dieses Artikels an dieser Stelle nicht näher eingehen muss; denn dazu haben wir noch einen umfassenden Antrag im Ausschuss zu beraten. Ich hoffe, dass wir diesen Antrag mit einem positiven Ergebnis erledigen können.

Die Diskussionen im Sozialausschuss mit den verschiedenen Ressorts zu dem Thema Barrierefreiheit haben gezeigt, dass zumindest in einigen Ministerien das Sprichwort „Steter Tropfen höhlt den Stein“ zutrifft. Es bewegt sich etwas im Kopf. Das ist schon einmal ein hoffnungsvoller Ausgangspunkt, auch wenn einige Ministerien erklären mussten, dass sie zum ersten Mal etwas über Barrierefreiheit vortragen mussten.

Zu Artikel 19 der Konvention - Unabhängige Lebensführung - oder „selbstbestimmt leben“, wie es richtiger heißen müsste - und Einbeziehung in die Gemeinschaft. Die Forderungen dieses Artikels werden die Landesregierung sicher am stärksten herausfordern, wie sich schon gestern bei der Auswertung der Antworten auf unsere Große Anfrage zeigte.

Gestatten Sie erneut, dass ich aus der Konvention zitiere, denn besser kann man es nicht sagen, besser kann man die Herausforderungen auch nicht beschreiben:

„Die Vertragsstaaten … anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, … indem sie unter anderem gewährleisten, dass

a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.“

Dazu gehört auch der Zugang zu persönlicher Assistenz und zu gemeindenahen Unterstützungsdiensten.

Diesen Verpflichtungen Rechnung zu tragen, stellt hohe Herausforderungen an die Landesregierung. Es erfordert eine sensible Beratung, eine soziale Kompetenz in den Behörden und auch finanzielle Mittel.

Allerdings zeigen diverse öffentlich gewordene Einzelfälle von denjenigen, die dieses Recht in Anspruch nehmen wollen und sich nicht in althergebrachter Weise in bestehende Strukturen verweisen lassen wollen, dass Sachsen-Anhalt diesen Herausforderungen noch nicht gewachsen ist. Strategisch-konzeptionelles Arbeiten und Bewusstseinsbildung tun also not.

Ich sage es noch einmal, wie gestern: Es darf nicht sein, dass schwerstbehinderte Menschen ihren Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben immer erst per Gerichtsbeschluss durchsetzen müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das Thema des Artikels 24 - Bildung - hat in letzter Zeit ebenfalls des Öfteren eine Rolle gespielt. Auch der Bildungskonvent hat das Problem einer inklusiven Schule auf der Agenda. Trotzdem sollte auch der Landtag über Vorhaben und Maßnahmen in diesem Bereich informiert werden.

Der Artikel 25 beschäftigt sich mit den Rechten von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Gesundheit. Ihre Forderungen an das Gesundheitssystem beziehen sich insbesondere auf die diskriminierungsfreie Zugänglichkeit der gesundheitlichen Versorgung, auf die Achtung ihrer Würde und persönlichen Integrität, wenn es um einwilligungsabhängige Behandlungen und um vieles mehr geht.

Sicherlich sind hierzu viele Regelungen auch in Bundeszuständigkeit, aber für gesundheitsdienstliche Dinge und die gemeindenahe Versorgung trägt auch das Land Verantwortung. Wie wollen wir dem gerecht werden?

Nun könnte jemand sagen: In dem bestehenden Beschluss - das ist der Beschluss von vor zwei Jahren - wird von der Landesregierung innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten - dafür wäre also noch ein Weilchen Zeit - ein Bericht gefordert. Da wir aber aus Erfahrung wissen, dass unsere Landesregierung bei Konzepten nicht so schnell ist - die Novellierung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes sollte auch schon längst vorliegen -, wollen wir mit diesem Antrag konkrete Aufgaben stellen und vor allem die Aufstellung eines konkreten Zeitplans bewirken, der den Menschen mit Behinderung in Sachsen-Anhalt Anhaltspunkte dafür gibt, in welchen Schritten sich ihre Situation den Forderungen der UN-Konvention nähert und das Land die Verpflichtungen zu erfüllen gedenkt. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Kuppe das Wort. Bitte schön.