Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Heiterkeit)

Klar.

Bezüglich der Reduzierungen im Bereich des Landwirtschafts- und des Wirtschaftsministeriums werden wir keine undifferenzierten Forderungen nach dem Erhalt des Status quo oder einer maximalen Kofinanzierung von EU- und Bundesmitteln erheben. Kritisch werden wir uns

jedoch vor allem mit den Reduzierungen auseinander setzen, die sich im Bereich der Nachhaltigkeit der Wirtschaftsförderung und -entwicklung in Sachsen-Anhalt durch Innovationen niederschlagen.

Der Haushaltsplan 2007 wird genau wie der Nachtragshaushalt 2006 durch Faktoren entlastet, die im Normalfall für eine Kostensteigerung stehen. So beinhaltet zum Beispiel der Zinsausgabetitel für 2007 eine nochmalige Reduzierung um 44 Millionen € gegenüber dem Nachtrag 2006, in dem selbst schon eine Reduzierung der Zinsausgaben um 72 Millionen € vorgesehen ist. Sinkende Zinsausgaben bei steigender Verschuldung - das ist nichts, auf das man sich langfristig verlassen kann. Hier haben wir einmalige Sondereffekte. Leider ist uns nicht aufgefallen, welchen politischen Spielraum, welche politischen Schwerpunkte man mit diesen positiven Sondereffekten ausfinanziert hat.

Ähnlich sehen die Rahmenbedingungen im Bereich der Personalausgaben aus. Selbst bei Berücksichtigung aller Sonderfaktoren bleibt unter dem Strich eine Reduzierung der Personalausgaben. Diese Entwicklung ist ein Resultat des nun schon über Jahre hinweg faktisch existierenden Einstellungsstopps und des außerordentlich zurückhaltenden Tarifvertrages in diesem Bereich.

Die Reduzierung um etwa 2 000 Planstellen im Land resultiert im Wesentlichen aus zwei Faktoren: Zum einen ist die Reduzierung des Personalbedarfs aufgrund der demografischen Entwicklung zu nennen - das schlägt sich vor allem im Schulbereich nieder -, zum anderen erreicht das altersbedingte Ausscheiden von Landesbediensteten ab dem Jahr 2007 in allen ostdeutschen Ländern ihren Höhepunkt.

„Personalentwicklung“ bedeutete in den letzten Jahren - das scheint sich vorerst wohl auch nicht zu ändern - den altersbedingten Rückgang zu realisieren und ansonsten einfach niemanden einzustellen. Das hält man einige Jahre durch, aber irgendwann funktioniert das System nicht mehr, weil diejenigen, die übrig bleiben, irgendwann nicht mehr in der Lage sind, die neuen, sich stark wandelnden Aufgaben zu erfüllen.

Das in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Instrument des Einstellungskorridors mit 250 Neueinstellungen wird dieses Problem eben nicht lösen. Die entsprechenden Äußerungen des Innen- und des Bildungsministers über den Bedarf aus ihrem Topf dürfte das jedem vor Augen geführt haben. Die anderen Minister haben sich nicht mehr gemeldet. Logisch. Sie hätten auch keine Chance mehr. Der Topf ist nämlich leer.

Deswegen brauchen wir schnellstmöglich ein Personalentwicklungskonzept der Landesregierung, das sich nicht in Titelgruppenausweisungen und Abbauraten erschöpft, sondern das nachweist, mit wie viel Personal in welcher Altersstruktur mit welchen Aufgaben die Anforderungen in Zukunft bewältigt werden sollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber auch dieses Projekt scheint erst einmal verschoben worden zu sein.

Letztlich stellt sich nach der Vorlage des Haushaltsplanentwurfs 2007 für uns die Frage, warum man darin als einzige politische Entscheidung eine Verschiebung der Lasten zwischen Land und Kommunen zuungunsten Letzterer zum Ausdruck gebracht hat. Ist es die Unfähigkeit dieser Landesregierung, ein politisches Gesicht zu

zeigen oder auch nur dies haushalterisch umzusetzen? Oder verschiebt man die politischen Grundsatzfragen? Dann stellt sich für uns die Frage: Warum?

Aus unserer Sicht lassen sich die substanziellen Probleme in diesem Land mit einem einfachen „Weiter so!“ nicht lösen. Mit diesem Haushalt reagiert die Landesregierung wie ein Buchhalter ohne politisches Gestaltungskonzept. Ich kann Ihnen garantieren, dass wir an die Haushaltsberatungen anders herangehen werden. Ich freue mich auf eine kontroverse Beratung. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Gallert. - Bevor Herr Gürth seine Frage stellt, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Am Gröpertor“ in Halberstadt. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Gürth, bitte stellen Sie Ihre Frage.

Sehr geehrter Herr Kollege Gallert, als ich Ihre Haushaltsrede soeben sehr aufmerksam registriert habe, habe ich ein wenig an Beckenbauer gedacht. Sie haben hier für die nächsten Wochen der Beratung über die Haushaltsentwürfe eine Haushaltspolitik angekündigt nach dem Motto: Ist denn heute schon Weihnachten?

Habe ich Sie dahin gehend recht verstanden: Sie wollen in den Haushaltsberatungen vor allem diejenigen Interessengruppen vertreten, die mehr Geld wollen und bei denen wir Haushaltsmittel kürzen müssen, weil wir den Landeshaushalt konsolidieren müssen? Habe ich Sie auch darin richtig verstanden, dass der einzige Einsparvorschlag, den Sie in Ihrer langen Rede unterbreitet haben, die Zwangsfusion der Landkreise zu fünf Bezirken war? Schlussfolgern Sie daraus, dass man dann vielleicht die Zuweisungen an die Kommunen weiter kürzen könnte, um damit den Landeshaushalt zu konsolidieren? Oder was haben Sie noch auf der Pfanne, um es einmal salopp zu formulieren und auf den Punkt zu bringen?

Herr Gürth, ich hatte nicht die Illusion, dass Sie mich verstehen. Insofern überrascht mich die Frage jetzt nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Gürth, was ich versucht habe, zum Ausdruck zu bringen, ist, dass die Prämisse „Ein Landeshaushalt hat nur einen Einsparungsrhythmus und eine Reduzierung der Aufgaben umzusetzen; alles andere ist im Grunde genommen nebensächlich“, nicht unser Herangehen ist.

Ich möchte Ihnen das noch einmal skizzieren. Sie reduzieren die Nettoneuverschuldung, indem Sie das Problem auf die Kommunen übertragen. Da sage ich: Das ist ohnehin Kosmetik, weil ein Großteil derjenigen, die sich dort im Konsolidierungsbereich befinden, diese geringeren Zuweisungen von sich aus dann wieder als Schulden aufnehmen werden. Das ist das erste Problem. Dazu sage ich auch: Da haben Sie nicht wirklich konsolidiert. Deswegen ist dieser Schritt falsch.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- Herr Gürth, das werden Sie nicht verstehen, aber ich sage es Ihnen gern noch einmal.

(Frau Budde, SPD: Das kann man auch nicht verstehen!)

Das Problem, vor dem wir stehen, stellt sich wie folgt dar: Wenn wir jetzt einem doppelten Abiturjahrgang mit 8 000 jungen Schulabgängern nicht die Chance geben, hier in Sachsen-Anhalt Fuß zu fassen, weil wir das Geld dafür nicht einstellen, bürden wir uns eine viel höhere Hypothek auf, als wir es mit einer Neuverschuldung in Höhe von vielleicht 10 Millionen € tun würden, weil sich ein solcher Schritt in 15 oder 20 Jahren bitter rächen wird; denn dann haben wir niemanden mehr, der unsere Schulden abbaut. Das ist der Unterschied, Herr Gürth. Das werden Sie nicht nachvollziehen. Deswegen lasse ich es.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Frau Feußner, CDU: Das ist Ihre Denkweise! So ein Blödsinn! So eine Logik! So ein Stuss!)

Herr Gallert, es gibt noch eine Nachfrage, aber ich sehe an Ihrer Reaktion, dass Sie diese nicht beantworten wollen.

(Herr Gürth, CDU: Ich möchte nur eine Kurzinter- vention machen, Herr Präsident!)

- Bitte intervenieren Sie.

Ich möchte nur festhalten, dass Herr Gallert es trotz vieler Worte bis jetzt nicht verstanden hat, die Frage zu beantworten, wo denn die Alternativen der PDS hinsichtlich der Konsolidierungsnotwendigkeiten des Haushaltes liegen. Es ist kein einziger Vorschlag vorgebracht worden. Die Haushaltspolitik der großen Koalition scheint zumindest nach Ansicht der PDS alternativlos zu sein.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre - Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

Vielen Dank für Ihren Redebeitrag, Herr Gallert. - Ich erteile jetzt dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion Herrn Scharf das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir scheinen hier zu Beginn der Herbstsaison des Parlamentes einer wirklich interessanten Debatte entgegenblicken zu können. Ich finde es sehr gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes am Ende dieses Tages die unterschiedlichen Konzepte klar und deutlich erkennen können, die die Fraktionen hier im Landtag von Sachsen-Anhalt vertreten.

Ich möchte als Vorsitzender der CDU-Fraktion ganz frei und unumwunden sagen: Die 100-Tage-Frist unserer Koalition ist überschritten.

(Herr Kosmehl, FDP: Ja!)

Ich möchte eines festhalten: Die Koalitionsfraktionen haben sich zusammengefunden. Die Koalition arbeitet. Auch das pünktliche Vorlegen des Haushaltsplanentwur

fes 2007, des Nachtragshaushaltes 2006 sowie der mittelfristigen Finanzplanung ist ein gutes Zeichen für diese Koalition, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Ich möchte an dieser Stelle auch zu Beginn meines Redebeitrages ganz klar sagen: Herr Kollege Bullerjahn, ich habe mich über Ihre klare finanzpolitische Rede gefreut. Wir haben ja schon viele Gefechte in diesem Land ausgefochten. Heute habe ich mich über Sie gefreut. Das festigt unsere Zusammenarbeit in der Koalition.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Daehre - Oh! bei der Linkspartei.PDS - Frau Budde, SPD: Das haben Sie tatsächlich nötig! - Herr Gallert, Linkspar- tei.PDS: Bei uns festigt sich jetzt auch gleich et- was!)

- Jetzt kommen Sie dran: Auch der Kollege Gallert im Parlament hat uns nicht enttäuscht mit dem gnadenlosen Populismus, den er wieder verbreitet hat.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD - Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Sie haben das Füllhorn ausgeschüttet. Sie haben keinen einzigen Konsolidierungsvorschlag unterbreitet. Das wollten Sie auch gar nicht tun. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Menschen das auch hören, dass die Menschen das auch morgen in den Zeitungen lesen können und dass sie dann überlegen, wer es wert ist in diesem Land Sachsen-Anhalt, dass ihm politische Verantwortung übergeben wird, und wer lieber weiterhin auf den Oppositionsbänken sitzen soll, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Zu den ersten erfolgversprechenden Schritten zählt, dass wir die Verwaltungsreform weiter umsetzen werden. Bei der Staatskanzlei gibt es eine Arbeitsgruppe, die über weitere Aufgabenübertragungen und über die Neustrukturierung nachdenkt und dem Parlament dazu Vorschläge unterbreiten wird. Wir werden, wie schon angekündigt, einen neuen Landesentwicklungsplan bekommen. Die Gerichtsreform wird erarbeitet und durchgeführt. Auch die Umstrukturierung der Finanzverwaltung wird das Parlament bald beschäftigen.

Wir werden außerdem federführend beim Innenministerium und beim Finanzministerium über ein reformiertes Finanzausgleichsgesetz neue Förderstrukturen erarbeiten. Das werden noch wichtige parlamentarische Debatten sein, die auf diesem Gebiet auf uns zukommen werden, die aber auch unumgänglich sind.

Meine Damen und Herren! Die Kreisgebietsreform wird umgesetzt und im Raum Anhalt punktuell korrigiert werden. Die Folgen der Kreisgebietsreform müssen bedacht werden und haben natürlich Einfluss auf die von mir oben genannten Aufgaben. Das werden wir Schritt für Schritt in den nächsten Monaten und Jahren umsetzen.