Protokoll der Sitzung vom 04.09.2009

(Herr Gürth, CDU: Na dann mal los!)

Trotzdem will ich noch ein paar Bemerkungen dazu machen und das sei mir auch gestattet, weil im Wirtschaftsausschuss eine ganze Reihe von Diskussionen stattgefunden haben, die der Herr Vorsitzende nur beiläufig gestreift hat. Das waren eben Diskussionen zu dem Thema: Wie wird momentan die GA-Richtlinie im Land umgesetzt, wie wird sie modifiziert? Das waren Diskussionen zu der Frage: Wie sieht es mit den EUStrukturfonds aus? - Deswegen gestatten Sie bitte, wie gesagt, noch ein paar Bemerkungen von meiner Seite.

Die Problematik, die wir bereits im Wirtschaftsausschuss angemerkt haben, war, dass es eigentlich an der Zeit ist zu sagen, der Subventionswettlauf zwischen den Bundesländern sollte langsam beendet werden. Der Äußerung des Ministers im Ausschuss, mit den Regelungen, die wir jetzt in Anspruch nähmen, machten wir nichts anderes, als uns im Wesentlichen an Sachsen und Thüringen anzugleichen, und wir führten damit alte Konzepte aus der Zeit von 1999/2000 - zu Tolerierungszeiten - fort, kann ich nur entgegenhalten: Herr Minister, die Zeiten haben sich leicht geändert und wir reden heute über neue Tatbestände und neue Umstände, über die es zu diskutieren gilt.

Deswegen sagt die LINKE: Eigentlich müssten wir generell die Frage der Gemeinschaftsaufgabe Ost noch einmal neu diskutieren.

(Herr Tullner, CDU: Aber nicht heute!)

- Nicht heute, das ist ja nicht der Punkt, lieber Kollege Tullner.

Denn das Drehen an den Stellschrauben ersetzt nicht diese Debatte. Wenn im 36. Rahmenplan festgelegt ist, dass Investitionen über die GA vor allem dazu führen sollen, dass als Primäreffekt zusätzliche Einkommen in den Regionen erzielt werden und dass als Sekundäreffekt eine entsprechende Nachfrage bei Handwerkern und Dienstleistern ausgelöst wird, dann kann man nicht stillschweigend darüber hinweggehen und sagen: Wir stützen auch Investitionen, die keinen Aufbau von Arbeitsplätzen gewährleisten, sondern die nur eine Stabilität bringen.

Wir haben auch an einigen Stellen im Land bemerkt - es wurde benannt, Q-Cells, Gardelegen und andere -, dass das Problem dahin gehend besteht, in welche Richtung wir bei Fördermaßnahmen gehen, wenn das Verfallsdatum der Nachhaltigkeit eigentlich unter der Bindefrist liegt, vor allem was Technologieentwicklung betrifft. In diesem Bereich muss man noch einmal genauer hinschauen und justieren, was die eigentlichen Probleme sind.

Deswegen hat DIE LINKE schon mehrfach gefordert, dass nicht die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen im Mittelpunkt staatlicher Förderpolitik stehen sollte, sondern die Stärkung des Standortes als Wettbewerbsfaktor, und zwar mit allen Konsequenzen hinsichtlich Investitionen in Infrastruktur und sparsamen Ressourceneinsatz, aber auch in Fragen der Aus- und Weiterbildung. Das halten wir für wesentlich.

Die dritte Bemerkung zum Schluss noch zu dem Thema EU-Mittel. Wir haben sehr aufmerksam verfolgt, was mehr oder weniger stillschweigend in den Äußerungen des Finanzministers oder in der Beantwortung der Kleinen Anfrage unserer Kollegin Dr. Klein zum Thema Ausgabenreste 2008 und deren Übernahme nach 2009 passiert ist.

Wir mussten also feststellen, dass im Bereich EFRE 43 Millionen € im Jahr 2008 nicht ausgegeben worden sind, und zwar für Maßnahmen zur Unterstützung der IBG bei der Bereitstellung von Risikokapital. Wir mussten im Bereich ESF feststellen, dass 26 Millionen € im Jahr 2008 eben nicht ausgegeben worden sind für entsprechende Maßnahmen, die von „Aktiv zur Rente“ bis hin zu Fragen der Existenzgründung reichen. Man muss natürlich darüber diskutieren, welche Ursachen das hat. Das, was dazu gesagt worden ist, erscheint uns nebulös und schleierhaft.

Wichtig ist vor allem noch der Aspekt, was konkret in den Ziel-1- und in den Ziel-1a-Gebieten passiert. Welche Auswirkungen hat es zum Beispiel in diesem Jahr in Halle gehabt? Was ist da konkret gelaufen?

Die Zusage des Ministers, dass man uns darüber Bericht erstatten will - wir haben es heute noch einmal gehört -, ist bestätigt worden. Wir sind sehr gespannt und freuen uns auf die Diskussion. Deswegen werden wir als Fraktion auch der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zustimmen.

Herr Gürth.

Sehr geehrte Herr Kollege Dr. Thiel, trifft es zu, dass Sie jüngst Großvater geworden sind und, wenn ja, darf man Ihnen dazu gratulieren und dem jungen Erdenbürger, den Eltern und den Großeltern alles Gute wünschen?

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Ich könnte diese Frage auch nicht beantworten, aber ich sage: Es stimmt.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Meine Enkelin ist übrigens in einem Krankenhaus geboren, das mit Mitteln der Europäischen Union gefördert worden ist.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Insoweit leistet Herr Dr. Thiel nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.

(Herr Tullner, CDU: Er ist Großvater geworden, nicht Vater!)

Wir werden jetzt über die Drs. 5/2152 abstimmen. - Bitte?

(Zuruf)

- Vor lauter Opafreuden haben wir jetzt den letzten Debattenredner vergessen. Es spricht Herr Abgeordneter Miesterfeldt für die SPD-Fraktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Präsidentin, danke, dass Sie mir noch das Wort erteilt haben.

Ich bin schon Großvater und ich wünsche mir, dass mein Enkelsohn und weitere Enkel, die vielleicht noch kommen, in 20 Jahren in diesem Land oder wo auch immer Arbeit haben werden. Deshalb diskutieren wir heute an der richtigen Stelle über das richtige Thema.

Bekomme ich die Redezeit von Herrn Gürth und Herrn Franke dazu? - Nein, vermutlich nicht.

Die ist schon fast aufgebraucht.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Es war sehr schön, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass bei der Aktuellen Debatte über die Trägerlandschaften die Emporen voll waren. Ich wünsche mir manchmal, dass dieselben Leute - ich darf das sagen; ich habe viele Jahre meines Lebens zur Trägerlandschaft gehört - dort oben sitzen bleiben würden, wenn es um Wirtschaft geht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn ohne das, was die Wirtschaft erarbeitet, dreht sich alles andere auch bei den Trägern nicht.

(Herr Gürth, CDU: Sehr richtig! Bravo!)

- Das ist sehr richtig; das stimmt.

Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen heute vor einem Jahr vorhergesagt hätte, dass in einem Jahr in Thalheim ein Weltmarktführer 500 Arbeitsplätze abbauen wird, dann hätten Sie mich wahrscheinlich einen krankhaften Pessimisten genannt.

Wenn ich Ihnen heute vor einem halben Jahr vorhergesagt hätte, dass man in diesen Tagen in unserem Land in der Zeitung lesen kann: „Arbeitsmarkt zeigt sich in relativ stabiler Verfassung“, und dass ich heute in der Post vom Statistischen Landesamt Folgendes lesen konnte: „Inlandsumsatz und Beschäftigung im Juni 2009 in der sachsen-anhaltischen Industrie stabil“, dann hätten Sie mich wahrscheinlich einen krankhaften Optimisten genannt. Sie sehen also, dass die Situation immer noch wenig berechenbar ist. Schon deshalb sollten wir uns sehr intensiv damit beschäftigen.

Wir haben in Sachsen-Anhalt das eine oder andere Problem - das ist richtig - aufgefangen. Aber es gibt noch viele Ungereimtheiten. Die Möbelindustrie wächst und trotzdem baut ein Regalhersteller in Gardelegen auf Null ab.

Ich möchte an dieser Stelle nach der Kritik an einem Unternehmer den Unternehmern ausdrücklich danken - ich glaube, auch dafür ist dieses Podium der richtige Ort -, die mit dem Mittel der Kurzarbeit die Arbeitslosenzahlen in diesem Lande zumindest bis zum heutigen Tag auf einem erträglich Niveau gehalten haben. Ich möchte ihnen ausdrücklich dafür danken, dass sie auch - der eine mehr, der andere weniger - das Prinzip „Halten und Qualifizieren“ umgesetzt haben.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur, aber auch weil wir Enkel und Enkelinnen haben, muss das Thema Arbeit für die Politik ein First-Thema bleiben. Auch die Vollbeschäftigung muss ein Ziel für politisches Handeln in diesem Land bleiben. Ich habe wenig Verständnis für diejenigen, die das anders sehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir als Sozialdemokraten werden uns weiterhin diesem Ziel stellen, und zwar - das sage ich ausdrücklich - während eines Wahlkampfes, danach und auch vor dem nächsten.

Ich will zum Schluss meine Ausführungen an einem Gedanken festmachen. In letzter Zeit bin ich bei sehr unterschiedlichen Veranstaltungen gewesen, von Gewerkschaft bis FDP, wobei ich nicht auf der Veranstaltung war, sondern nur die Redner gehört habe. Es gab einen einheitlichen Tenor. Man sagte: Wir fördern zu viele Leuchttürme und zu wenig den Mittelstand.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Auch Leuchttürme kön- nen Mittelstand sein!)

- Auch Leuchttürme können Mittelstand sein. Sie haben mir meine Erkenntnis schon vorweggenommen, Frau Dr. Hüskens. Ich glaube, dass wir beides weiterhin tun müssen.

Wir brauchen in diesem Land Sachsen-Anhalt weiterhin große, strukturbestimmende Unternehmen und Unter

nehmungen. Wir sind genauso und insbesondere darauf angewiesen, dass der Mittelstand und auch die kleinen Betriebe, die Handwerksbetriebe, die Betriebe, die vielleicht gerade einmal zehn Mitarbeiter haben, weiterhin daran beteiligt sind, den Wohlstand zu mehren.

Wie wird uns das gelingen? - Dazu gibt es, glaube ich, eine Regel, auf die wir uns ganz schnell einigen können. Es muss geforscht werden. Aus der Forschung heraus muss es zu Innovationen kommen; diese führen zu Wachstum und Wachstum führt zu Arbeit.

Ich denke, darin sind wir uns einig. Deshalb ist es gut, dass sich das Parlament und die Regierung auch gegenseitig zuhören und sich im Rahmen der Berichterstattung diesen Fragen weiterhin stellen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)