Protokoll der Sitzung vom 09.10.2009

„Eine neue sozial kontrollierte Regulation des Kapitalismus und veränderte Eigentumsverhältnisse können und sollen den Weg öffnen für weitergehende Umgestaltungsschritte.“

Diese Aussage hatte mich noch nicht befriedigt. Also habe ich weiter gesucht, um irgendetwas zu finden. Ich bin dann nach langem Suchen fündig geworden. In einem Forum der LINKEN heißt es:

„Die Großkonzerne werden wir zum größten Teil in Bürgergenossenschaften umwandeln. Diese Bürgergenossenschaften werden zur Hälfte der öffentlichen Hand, Bund, Ländern und Gemeinden, gehören. Die andere Hälfte wird privaten Mitgliedern dieser Genossenschaften gehören. Da alle den gleichen Mitgliedsbeitrag zahlen wer

den, haben alle die gleichen Rechte und Pflichten.“

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Das erinnert mich ein wenig an die Privatisierung der Staatsbetriebe in Russland im Jahr 1992. Dort wurden Voucher an jeden, der sich im Betrieb aufhielt, verteilt. Jeder hat einen Voucher bekommen, jeder hat einen Anteil bekommen, jeder hat Recht bekommen - niemand hat gearbeitet.

Irgendwann war das Geld alle oder ein anderer hat es gehabt. Dieser eine, der das Geld dann hatte, hat das vielleicht überlebt. Wenn er es nicht überlebt hat, dann hat es ein anderer bekommen, der dann in Europa Fußballclubs gekauft hat. Wir hatten schon eine Menge Utopien auf dem Gebiet der Wirtschaftsmodelle und -systeme.

(Herr Felke, SPD: Meinen Sie Voucher - mit „au“ gesprochen?)

- Ja, so wird es richtig ausgesprochen. Entschuldigung. Ich habe wahrscheinlich zu lange in Russland gelebt und verwende deshalb die russische Aussprache.

Eines möchte ich zum Schluss noch sagen dürfen: Das System der sozialen Marktwirtschaft, ein Rechtsstaat, wie wir ihn heute in Deutschland haben, ist das beste System, das ich bisher kennengelernt habe. Und daran hält die FDP fest. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Franke, es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Thiel. Würden Sie diese beantworten?

Bitte sehr, Herr Dr. Thiel.

Frau Präsidentin, es ist eine Zwischenintervention zu drei Punkten. Herr Franke muss keine Frage beantworten.

Herr Franke, das, was Sie mit dem „besten System“ zum Schluss gesagt hatten, mag richtig sein.

(Oh! bei der FDP und bei der CDU - Beifall bei der FDP)

Aber auch das beste System muss entwicklungsfähig sein. Und das ist der entscheidende Punkt. Es ist wichtig, in welche Richtung es sich entwickelt. Dazu haben wir durchaus andere Ansichten.

Zweitens. Da Sie nach den Vorstellungen für eine linke alternative Wirtschaftspolitik gefragt haben, möchte ich Ihnen sagen, dass ich gern zur FDP-Organisation nach Salzwedel komme und darüber einen Vortrag halten könnte. Sie können mich dazu einladen. Inwieweit das sinnvoll erscheint, sei dahingestellt.

Drittens. In Bezug auf das, was Sie zu dem eigentlichen Thema, dem Kündigungsschutz und dem Agieren der

Unternehmer in Sachsen-Anhalt, angebracht haben, das Engagement und die private Haftung betreffend, gibt es keinen Dissens. Uns kommt es darauf an, eine neue Partnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern dahin gehend herzustellen, dass Sicherheit auf beiden Seiten existiert.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ein Gesetz ist keine Partnerschaft!)

Und dann muss man darüber streiten, welche gesetzlichen Kündigungsfristen in welchen Größen einzuhalten sind. Das ist der Punkt, in dem wir uns unterscheiden. Das, was Deutschland hat, ist bewahrenswert, das ist gut. Das muss an dieser Stelle nicht gekippt werden. Deshalb unsere Forderung, die gesetzlichen Bestimmungen so, wie sie derzeit sind, einzuhalten. Das erwarten wir auch von der neuen Koalition in Berlin. Dann muss die FDP unter Umständen Abstriche machen; das nehmen wir gern in Kauf. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Ihrer zweiten Anmerkung. Legen Sie bitte ein Wirtschaftsmodell vor. Es gibt kein Wirtschaftsmodell von der LINKEN. Es würde mich sehr interessieren, welche Vorstellungen Sie von der Gestaltung einer Wirtschaft in einer sozialen freien Marktwirtschaft haben. Legen Sie es auf den Tisch, dann können wir gern darüber diskutieren.

Zu dem anderen Punkt. Die Lebenswirklichkeit sieht doch so aus, dass bei der Masse der 5 600 Unternehmen eine Partnerschaft zwischen dem Unternehmer und der Belegschaft besteht, dass in dieser Partnerschaft die Tarife verhandelt werden, dass in einem gegenseitigen Miteinander - -

(Frau Rogée, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht! - Weitere Zurufe von der LINKEN)

- Natürlich stimmt das. Schauen Sie sich doch die Unternehmen an. Ich spreche von den Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten, von denen es 5 600 in unserem Land gibt. Von diesen Unternehmen spreche ich. Schauen Sie sich diese Unternehmen an und sprechen Sie mit den Unternehmern.

Ich habe zwei Beispiele genannt. Ich könnte Hunderte weitere aus Sachsen-Anhalt nennen. Sprechen Sie mit den Unternehmern und begeben Sie sich in die Lebenswirklichkeit hinein. Die Arbeitnehmer wollen ihre Arbeit behalten und mit den Unternehmern und Inhabern gemeinsam das Unternehmen für die Zukunft fit machen. Dabei ziehen alle an einem Strang. Das ist die Lebenswirklichkeit, wie ich sie in Sachsen-Anhalt erlebe - bei den kleinen Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten.

(Beifall bei der FDP - Frau Hampel, SPD: Schau- en Sie sich einmal Sangerhausen an! - Weitere Zurufe von der LINKEN und von der SPD)

Es gibt noch eine Nachfrage, Herr Franke. Würden Sie diese noch beantworten?

Frau Rogée, bitte sehr.

Zum Thema Tarifverhandlungen. Wissen Sie eigentlich, dass sich der Einzelhandel in Sachsen-Anhalt seit März dieses Jahres in Tarifverhandlungen befindet, sich kaputt streikt und keine Lösung findet? Ich höre nicht, dass Sie sagen: Die sollen sich vertragen.

(Herr Wolpert, FDP: Das ist doch keine gesetz- liche Aufgabe!)

- Nein, darum geht es nicht. Aber er sagte, es ist überall untereinander regelbar.

Frau Rogée, ich kenne eine ganze Menge Einzelhändler. Ich kenne sehr viele Einzelhändler. Die Masse der Einzelhändler in Sachsen-Anhalt sind Einzelunternehmer. Das ist Selbstausbeutung; sie stehen von montags früh bis sonnabends, 14 Uhr in ihrem Laden. Sie suchen sich vielleicht einmal eine Aushilfskraft, wenn sie ihre Buchführung machen müssen. So sieht es bei der Masse der Einzelhändler aus.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Das Brüllen unterlassen Sie bitte! Senken Sie mal Ihre Stimme etwas! Das ist ja furchtbar! - Weitere Zurufe von der SPD und von der LINKEN)

Als letzte Debattenrednerin erhält die Abgeordnete Frau Take von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte sehr, Frau Take.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Stimmung ist aufgeheizt. Vielleicht gelingt es mir, die Stimmung wieder etwas herunterzufahren. Vielleicht erzeuge ich aber auch ganz andere Emotionen.

Aus meiner Sicht ist das Thema derzeit aus aktuellem Anlass abgeräumt. Herr Minister Olbertz hat das Thema für den Wirtschaftsminister behandelt. Die SPD hat auf das erwidert, was Frau Rogée im Namen ihrer Fraktion eingebracht hat. Und die FDP hat zu einem großen Teil die Ansichten auch unserer Partei vorgetragen.

Ich möchte das Ganze etwas anders aufbauen und möchte auf die vorhergehende Aktuelle Debatte Bezug nehmen. Da ich mir schon dachte, dass mir als letztem Debattenredner nicht viel übrig bleibt, möchte ich ein wenig reflektieren.

Es wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Nach der Rede von Herrn Höhn - er ist im Moment nicht im Saal - in der vorangegangenen Aktuellen Debatte glaube ich - ich möchte Ihnen das auch zugestehen -, dass sich jeder Mensch ändern kann und dass er bereit ist, Fehler zu überwinden und Unrecht zu bedauern.

Einerseits möchte ich Ihnen glauben, dass Ihre Partei DIE LINKE bereit und willens ist, aus der Vergangenheit und der Verantwortung für 40 Jahre DDR zu lernen. Andererseits zeigen mir Äußerungen von Oskar Lafontaine wie:

„Wir sind die Kraft, die gegen das System steht. Wir sind die einzige Kraft im Bundestag, die die Systemfrage dieses Wirtschafts- und Finanzkapitalismus stellt.“,

dass Sie auf dem besten Wege sind, in alte Muster zu verfallen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was hat das nun alles mit dem Thema dieser Aktuellen Debatte zu tun? Wir haben eben über 20 Jahre friedliche Revolution gesprochen. Es wird Sie deshalb sicherlich nicht verwundern, dass ich mir auch bei diesem Thema erlaube, im Verlauf meines Vortrages zu reflektieren.

Die LINKE hat eine Aktuelle Debatte beantragt und in dieser vor einer Beschneidung der Arbeitnehmerrechte in Deutschland gewarnt. Darüber kann ich mich nur wundern: Zum einen weiß die LINKE offensichtlich schon genau, wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen werden, zum anderen weil es natürlich besonders viel Sinn macht, in einer Aktuellen Debatte über Arbeitnehmerrechte zu philosophieren, wenn man selbst als SED vor 20 Jahren Arbeitnehmerrechte nur in Übereinstimmung mit den Zielen der Diktatur des Proletariats gelten ließ.

Den Äußerungen Ihrer Parteivorsitzenden Gysi und Lafontaine entnehme ich, dass Sie Ihre Vergangenheit noch nicht aufgearbeitet haben oder bereits dabei sind, eine neue SED zusammenzubasteln.

(Frau Bull, DIE LINKE, lacht)