Protokoll der Sitzung vom 09.10.2009

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich kann verstehen, dass bei so einem Thema die Emotionen auch einmal hochkochen.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Ich denke aber, ein bisschen Stil sollten wir auch hier bewahren. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wolpert, Sie möchten als Fraktionsvorsitzender das Wort nehmen?

(Herr Wolpert, FDP: Ja!)

- Bitte.

(Herr Kosmehl, FDP: Jetzt!)

Sehr geehrter Herr Kollege, hier legen Sie etwas falsch aus. Der Zwischenruf ist ein Mittel der parlamentarischen Diskussion und jederzeit zulässig. Und eine derjenigen, die das am meisten praktizieren, ist Ihre eigene Fraktionsvorsitzende. Ich habe gerade das Protokoll meiner Rede Korrektur gelesen. Frau Buddes Zurufe sind ständig in meiner Rede zu finden. Ich finde das nicht schlimm; das ist ihr gutes Recht. Aber dass Sie sich hier hinstellen und sagen: quod licet Jovi, non licet bovi, das ist, finde ich, schon eine ganz schöne Frechheit.

(Starker Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU - Herr Miesterfeldt, SPD: Hilft gegen Lan- geweile!)

Jetzt spricht der Abgeordnete Herr Franke von der FDPFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Graner, wenn ich solchen Vorwürfen, wie

Sie von Frau Hampel in Ihren Argumenten erhoben worden sind, in der freien Wirtschaft als Unternehmer begegnen würde, dann würde ich den, der sie äußert, mit Unterlassungsklagen überziehen, weil das, was hier geäußert worden ist, so in keiner Weise stimmt - auch wenn Frau Hampel angekündigt hatte, sie würde aus dem Programm der FDP zitieren.

(Starker Beifall bei der FDP - Herr Miesterfeldt, SPD: Hat die FDP überhaupt ein Programm?)

Es ist lebensfremd und erschreckend, wie verantwortungslos Sie mit den Ängsten der Menschen umgehen, wenn Sie solche Äußerungen im Rahmen von Koalitionsverhandlungen in den Raum stellen und öffentlich machen.

Dagegen war die moderate Verhandlerin der Gewerkschaften, Frau Rogée, bei der Debatte wirklich sehr sachlich und ruhig. Bei ihr habe ich auch gemerkt: Jawohl, sie hat sich mit dem Programm der FDP beschäftigt. Denn sie hat auch darauf hingewiesen, dass in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten für das Personal nach einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren der Kündigungsschutz gelten soll.

Schauen wir uns doch bitte einmal diese Unternehmen an. Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten sind in der größten Zahl inhabergeführt. Es sind Inhaber aus der Mitte unserer Gesellschaft, Menschen, die mit Ideen, mit Mut, mit Risiko ein Unternehmen aufgebaut haben, die sich verschuldet haben und die anderen die Möglichkeit geben zu arbeiten, die Lehrlinge ausbilden, die versuchen, mit ihren Ideen und mit eigenem Risiko in der Wirtschaft zu bestehen. Ich könnte an dieser Stelle 100 Beispiele aufführen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen. In nenne Jens Ehrlich aus Salzwedel, Werkzeugmacher, der sich vor Jahren selbständig gemacht hat, der sich mit fast 1 Million € für den Bau einer Werkhalle verschuldet hat, der CNC-Maschinen in seiner Werkhalle stehen hat, die pro Stück 250 000 € kosten, der mittlerweile acht oder neun Beschäftigte führt, der darüber hinaus vier Azubis ausbildet und der das Risiko bei fast null Eigenkapital persönlich trägt, dafür haftet und der, wenn das ganze Experiment gerade jetzt, in der Wirtschaftskrise, schiefgeht, nachher mit nichts dasteht.

Diesen Unternehmern, diesen mutigen, fleißigen Selbständigen, die wir im Land brauchen, von denen es im Land etwa 5 600 gibt, wie der Minister gerade festgestellt hat, sollten wir die Möglichkeit geben, so flexibel wie möglich am Markt zu agieren, bei Spitzen Personal aufzubauen und dann, wenn das Problem auftritt, dass die Auftragslage nicht mehr da ist, dass die Finanzierung nicht mehr reicht, auch mit den Mitarbeitern zu überlegen, wie sie das gemeinsam bewältigen.

Das betrifft nicht nur die kleinen Unternehmen. Ich war vor Kurzem in einem Unternehmen in Dessau mit 120 Beschäftigten, einem führenden Betrieb im Bereich der Bremsen, Kupplungen und Antriebstechnik. Es waren 120 Mitarbeiter, elf Azubis und sechs Konstrukteure.

Das Unternehmen verzeichnete im Jahr 2007 einen Umsatz von 9 Millionen €, hat Personal eingestellt, hat auf Leiharbeiter verzichtet, weil man sich gesagt hat: Wir brauchen Mitarbeiter, die hier im Unternehmen arbeiten, die mit uns gemeinsam stehen, die wir nach Tarif bezahlen. Und - man höre und staune - man hat dort sogar ein

Drittel vom erwirtschafteten Überschuss am Jahresende an die Belegschaft als Prämie ausgezahlt. Im Jahr 2008 stieg der Umsatz auf 15 Millionen € und brach in diesem Jahr um 50 % ein.

Das Unternehmen hat jetzt das Problem, dass es nicht weiß, wie es das in der Auftragsspitze zusätzlich eingestellte Personal sozialverträglich wieder abbauen kann. Klar, da ist Kurzarbeit angesagt. Man versucht, einen Personalabbau über Altersvorruhestandsregelungen hinzubekommen. Man versucht, zusätzlich Qualifizierung und Vermittlung hinzubekommen. Aber in der Krise schwankt die Auftragslage und das Unternehmen läuft Gefahr, in die Insolvenz zu geraten.

Ich habe mich nicht nur mit dem Unternehmer, dem Inhaber unterhalten, sondern auch mit den Beschäftigten, die an den CNC-Maschinen stehen. Diese haben mir gesagt: Herr Franke, wir haben das Hochwasser hier überlebt; wir haben während dieser Zeit ohne zu schauen, wie viele Stunden wir nachts gearbeitet haben, um die Maschinen wieder in Gang zu bringen, hier gearbeitet. Wir werden auch diese Krise gemeinsam überstehen. Wir stehen zu unserem Unternehmen; wir wollen hier beschäftigt bleiben und wir werden das mit dem Unternehmen gemeinsam auch wieder hinbekommen.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe mich mal ein bisschen umgeschaut. Ich habe mir natürlich auch die Programme der Partei DIE LINKE und die Homepage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag angesehen. Dazu muss ich sagen: Frau Rogée, Sie waren hier wirklich eine sehr moderate Verhandlerin; denn dort steht etwas ganz anderes. Ich möchte daraus Folgendes zitieren:

„Die Fraktion DIE LINKE fordert eine Ausweitung des Kündigungsschutzes. Sie fordert eine Mindestabfindung von einem Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Nicht zuletzt müssen in profitablen Unternehmen Kündigungen verboten werden.“

Wer legt eigentlich fest, wann ein Unternehmen profitabel ist?

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das Finanzamt! - Frau Rogée, DIE LINKE: Also, das erkennt man schon! - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP - Herr Gallert, DIE LINKE: Leute, die zahlen Steuern!)

Ein anderes Zitat:

„Die Fraktion DIE LINKE fordert die flächendeckende Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, der in der nächsten Wahlperiode auf 10 € pro Stunde erhöht wird und Jahr für Jahr mindestens in dem Maße wächst, wie die Lebenshaltungskosten steigen. Wenn in einer Branche der unterste Tariflohn über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, so soll dieser für allgemeinverbindlich erklärt werden.“

Jetzt kommt noch ein schöner Satz:

„Dazu ist die Allgemeinverbindlichkeitserklärung auch ohne Zustimmung der Arbeitgeberverbände zu erleichtern.“

(Herr Borgwardt, CDU, lacht)

Wenn man sich diese Forderung einmal genau vor Augen führt, stellt man fest: Der Staat legt jedes Jahr einen

neuen Mindestlohn fest, der sich nur in eine Richtung entwickeln kann, der nämlich nur steigen kann.

(Frau Rogée, DIE LINKE: Na klar!)

Die Steigerung wird möglich aufgrund der leichteren Handhabe der Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Damit wird das Gleichgewicht, das wir zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden haben, empfindlich gestört. Die FDP ist gegen die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns,

(Frau Fischer, SPD: Das überrascht uns nicht!)

weil er zur Verdrängung von Arbeitsplätzen führt, weil er insbesondere im Bereich der Geringqualifizierten Arbeitsplätze verhindert und eine Abwanderung in die Schwarzarbeit ermöglicht und erleichtert.

Frau Hampel, noch ein Wort zu Ihnen. Sie haben vorhin auf die Frage von Herrn Kosmehl nicht geantwortet. Den Beweis, dass eine Lockerung des Kündigungsschutzes zu zusätzlicher Arbeit führt, haben Sie in den Jahren 2004/2005 doch selbst erbracht. Denn durch Hartz-IVGesetze und durch die vorgenommene Anhebung der Mindestzahl der Arbeitnehmer, die für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes in einem Unternehmen maßgeblich ist, von fünf auf zehn sind in Deutschland Arbeitsplätze entstanden. Durch die Einführung und die Möglichkeiten der Leiharbeit sind zusätzlich Arbeitsplätze entstanden.

(Zuruf von Frau Rogée, DIE LINKE)

Ich komme auf die Forderung der LINKEN zurück. Es wird doch deutlich, dass sie eine Beschäftigung wollen, die staatlich reguliert wird

(Frau Rogée, DIE LINKE: Im Gegenteil!)

und bei der eine Kündigung nicht möglich ist. Der Unternehmer darf jederzeit einstellen, aber kündigen darf er nach den Forderungen im Programm der LINKEN nicht.

(Zuruf von der LINKEN: So ein Quatsch!)

- So steht es im Programm der LINKEN. - Ich möchte noch ein anderes Thema ansprechen. Es geht um das Wirtschaftsmodell der LINKEN.

Lafontaine sagte vor Kurzem in der „taz“: Wir brauchen ein neues Wirtschaftsmodell. - Nun habe ich einmal geschaut, ob ich irgendwo Aussagen zu einem linken Wirtschaftsmodell finde. Lafontaine hatte gesagt - ich zitiere -:

„Eine neue sozial kontrollierte Regulation des Kapitalismus und veränderte Eigentumsverhältnisse können und sollen den Weg öffnen für weitergehende Umgestaltungsschritte.“