Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Deshalb bitte ich Sie, ausgehend von den Herausforderungen, vor denen wir im Bereich des Strafvollzuges stehen, den Gesetzentwurf an die entsprechenden Ausschüsse zu überweisen. Ich denke, dort können wir über Detailfragen weiter diskutieren. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Gesetzentwurf in diesem Hohen Haus schnellstmöglich beschließen könnten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Kolb. Möchten Sie eine Frage von Herrn Tullner beantworten?

Ja, gern.

Bitte, Herr Tullner, fragen Sie.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Er möchte Probesitzen!)

Frau Ministerin, Sie wissen, dass ich große Hochachtung vor der Justiz im Allgemeinen und vor Ihrer vorzüglichen Politik,

(Oh! bei allen Fraktionen)

die Sie mit den Koalitionsfraktionen abstimmen, habe.

So viel Lob.

(Herr Stahlknecht, CDU: So sind wir! - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Die Decke hält noch!)

Deswegen erlaube ich mir eine Frage. Als Finanzpolitiker halte ich das für ein sehr sinnvolles Unterfangen, bei dem mir alle Argumente sofort einleuchten. Könnten Sie dennoch kurz beleuchten, warum Sie drei Tage vor der Pressekonferenz bei der Beratung des Finanzausschusses zum Einzelplan 11 noch nichts davon gewusst haben und uns nicht einmal ein Gefühl für das gegeben haben, was kommt?

(Beifall bei der FDP - Herr Miesterfeldt, SPD: Die Gefühle sind schwierig! - Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Wir wollten dem Anliegen der Koalitionsfraktionen nicht vorgreifen. Im Übrigen haben wir uns natürlich Gedanken über die finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzentwurfes gemacht. Es wird in keinem Fall zu Mehrausgaben im Hinblick auf die Ansätze bei Kapitel 11 05 kommen. Darüber, inwieweit wir dadurch, dass wir Strukturen konzentrieren, möglicherweise das eine oder andere einsparen können, berichte ich gern im Finanzausschuss.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Wunderbar!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir kommen nun zu der Debatte über den Gesetzentwurf. Jetzt spricht Herr Wolpert von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich möchte gleich daran anknüpfen. Während der Haushaltsberatung im Ausschuss für Recht und Verfassung haben wir einen Antrag gestellt bzw. darauf aufmerksam gemacht, dass man im Hinblick auf die Expertenmeinung, die die Kommission geäußert hat, im Haushaltsplanentwurf 2010/2011 durchaus Einsparungen bei den Investitionskosten zumindest für solche Anstalten realisieren könnte, die die Kommission zur Schließung vorgesehen hat. Diesen Antrag haben Sie abgelehnt. Ich glaube, diese Antwort und nicht die, die Sie Herrn Tullner gegeben haben, wäre die richtige Antwort auf die Frage gewesen.

Kommen wir zurück zu dem Gesetzentwurf. Was will man eigentlich mit einer JVA? Was soll sie leisten? - Das ist klar: Sie soll zunächst die Sicherheit der Bürger vor den Kriminellen, die dort inhaftiert sind, gewährleisten. Sie soll angemessene Arbeitsbedingungen für die Bediensteten vor Ort vorhalten. Und natürlich soll sie einen menschenwürdigen Umgang mit den Inhaftierten gewährleisten.

Das Verständnis von einem menschenwürdigen Umgang - Frau Ministerin hat das dargelegt - ändert sich im Bewusstsein der Menschen. War eine Dunkelzelle früher das Normale, kommt man nunmehr verstärkt dazu, eine Einzelunterbringung als angemessen anzusehen.

Meine Damen und Herren! Von einer Einzelunterbringung sind wir weit entfernt. Bei uns sind die Zellen teilweise mit vier Personen besetzt. Das wird nach der Aussage der Expertenkommission auch so bleiben, selbst wenn wir den Reparatur- und Investitionsstau in den vorhandenen Justizvollzugsanstalten auflösen würden. Dieser Reparatur- und Investitionsstau beläuft sich nach Schätzungen übrigens auf 130 Millionen €. Diesen Betrag müssten wir aufbringen, damit wir halbwegs den Ansprüchen genügen, die wir an uns selbst gestellt haben.

Wie ist nun die Situation in Sachsen-Anhalt? - Wir haben neun Justizvollzugsanstalten, zwei unselbständige Außenstellen und eine Jugendarrestanstalt. Die Anstalten in Burg und Raßnitz sind hochmodern und entsprechen den neuesten Standards, wobei in der JVA Burg ca. 100 Plätze nicht besetzt sind.

(Herr Stahlknecht, CDU: Zurzeit!)

- Zurzeit. Wir haben den etwas scherzhaften Begriff einer amtsärztlich bestätigten Burg-Phobie gehört. Wir hoffen, dass diese Phobie möglichst bald behoben wird. Schließlich hat Herr Brachmann auch klar gemacht, dass das der wesentliche Grund für den vorliegenden Gesetzentwurf ist.

Leider hat dieser Gesetzentwurf lediglich eine einzige Option aus den Vorschlägen der Expertenkommission aufgegriffen, nämlich die Schließung der JVA Magdeburg als geschlossene Justizvollzugsanstalt und die Verlagerung der Gefangenen nach Burg. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das der richtige Ansatz ist.

Ich denke, wir wissen, welche Entwicklung der Strafvollzug in Sachsen-Anhalt nehmen soll - das kann man klar sagen -: Mittelfristig wollen wir, dass die Anstalten in Naumburg, Halberstadt und Stendal geschlossen werden und dass die Anstalten konzentriert werden. Mittel- und langfristig wollen wir, dass in Halle eine neue Justizvollzugsanstalt entsteht. Diese Vorschläge der Kommission unterstützen wir als FDP-Fraktion.

Wenn das der richtige Weg ist, dann sollten wir das in einem Gesetzentwurf auch aufzeigen. Denn dann - darauf bezieht sich auch die Frage, die Herr Tullner gestellt hat - kann man Planungssicherheit im Haushaltsplan herstellen und daraus ableiten, an welchen Stellen wir investieren und an welchen Stellen wir Investitionen unterlassen. Wir brauchen keine Güter mit einer Abschreibungsfrist von 20 Jahren in Einrichtungen einzubauen, wenn wir wissen, dass sie nur noch fünf Jahre lang im Gebrauch sein werden.

Auch den Bediensteten geben wir Planungssicherheit. Ich meine, wenn wir unselbständige Außenstellen haben, verändern wir doch nicht die Einsatzorte, sondern

wir hängen nur ein anderes Schild daran. Und der Glaube, dass es dann einfacher sei, eine Versetzung durchzuführen - -

Ich schaue nur nach Halberstadt. In Halberstadt haben wir 19 Bedienstete und teilweise nur einen Gefangenen; es ist eine unselbständige Außenstelle. Und was ist passiert? - Die 19 Bediensteten sind immer noch in Halberstadt.

Sie glauben also, dass Sie mit diesem Gesetz unselbständige Außenstellen schaffen könnten und hätten damit das Problem gelöst? - Daran glaube ich nicht; denn sonst hätte man das Problem schon längst lösen können.

Nein, meine Damen und Herren, Sie geben den Bediensteten eine klare Perspektive, wenn Sie sagen, dass die Haftanstalt in diesem Ort nur noch soundso lange betrieben und dann geschlossen wird. Bitte achtet darauf: Du wirst versetzt werden, du brauchst dort kein Haus mehr zu bauen. Das ist eine klare, verantwortungsvolle Art, mit den Bediensteten umzugehen. - So lassen Sie sie wieder im Unklaren.

Nun noch ein Wort zu der Verordnungsermächtigung. Das Justizministerium müsste doch eigentlich auch wissen, dass eine Verordnungsermächtigung dem Bestimmtheitsgrundsatz unterliegt. Diese Verordnungsermächtigung, so wie Sie sie vorgeschlagen haben, ermöglicht Ihnen, dass Sie die Anstalt Halberstadt deshalb schließen, weil die Würstchen nicht schmecken, oder nicht schließen, weil der Standort im Wahlkreis des Rechtsausschussvorsitzenden liegt

(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

oder der Wohnort der Justizministerin ist, oder dass Sie die Anstalt Naumburg schließen, weil der Dom nicht hoch genug ist. Sie müssen schon klar sagen, was die Kriterien sind. Warum soll eine Regierung in der Lage sein, die Anstalt zu schließen? Ich halte es für eine gute Sitte, dass das im Landtag passiert.

(Zustimmung bei der FDP und von Frau Knöfler, fraktionslos)

Es ist nicht notwendig, dass das durch die Regierung erledigt wird. Ich denke, dass wir in den Ausschüssen genügend Möglichkeiten haben werden, darüber zu diskutieren. Darauf freue ich mich schon, Frau Ministerin. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP und von Frau Knöfler, fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Jetzt erteile ich Herrn Stahlknecht das Wort, um für die CDU-Fraktion zu sprechen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der, denke ich, umfassenden und guten Einbringungsrede des Kollegen Brachmann habe ich inhaltlich dem Gesetz überhaupt nichts mehr hinzuzufügen. Ich muss das nicht wiederholen, weil es vollumfänglich war.

Ich will aber, Herr Kollege Wolpert, zu dem, was Sie vorgetragen haben, gleichwohl noch ein Stück weit Stellung nehmen.

Sie haben mit der mittelfristigen Perspektive, die Sie aufgezeigt haben, völlig Recht. Bei knapp 2,4 Millionen Einwohnern und bei einer Prognose von einem Promill an Strafgefangenen können wir relativ stabil ausrechnen, wie viele Haftplätze vorzuhalten sind. Damit haben wir die Situation, dass wir zu viele Justizvollzugsanstalten haben und auf eine Konzentration hinarbeiten müssen.

Dabei ist die Frage, ob man in Halle möglicherweise - vorbehaltlich der finanziellen Situation des Landes - eine weitere Haftanstalt baut, die sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den sicherheitsrechtlichen Ansprüchen genügt. Ich glaube, das sollten wir gemeinsam im Rechtsausschuss diskutieren.

Ich gebe Ihnen auch hinsichtlich der Bestimmtheit der Verordnung Recht, dass man das konkreter fassen kann. Ich denke, dort sollten wir auch gemeinsam verabreden, eine Planungssicherheit aufzunehmen, auch durch Protokollnotizen, wie mit den Zweigstellen in Halberstadt und Naumburg weiter umgegangen wird.

Denn eines muss klar sein: Bei einer Perspektive über das Jahr 2011 hinaus werden wir die Justizvollzugslandschaft in Sachsen-Anhalt weiter verändern müssen. Aber das wollen wir dem Rechtsausschuss vorbehalten.

Da das andere sowohl von Ihnen, Herr Kollege Brachmann, als auch von Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, gesagt worden ist, bleibt mir nichts weiter übrig, als Sie zu bitten, unseren Gesetzentwurf in die entsprechenden Ausschüsse - in den Ausschuss für Recht und Verfassung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen - zu überweisen. - Herzlichen Dank.

Herr Stahlknecht, möchten Sie eine Frage von Herrn Kosmehl beantworten?

Herr Kosmehl, bitte.

Herr Kollege Stahlknecht, Sie haben gerade auf die Notwendigkeit hingewiesen. Sie haben gesagt: Wir müssen ab dem Jahr 2011 die Landschaft der Justizvollzugsanstalten noch einmal neu betrachten. Das sind ja nur noch 13 oder 14 Monate, wie auch immer man es zählen will.

Wann ist denn für Sie, wenn nicht jetzt, die Gelegenheit, ein Justizvollzugsanstaltsgesetz zu machen, das langfristig, also bis weit in die nächste, übernächste Wahlperiode des Landtages hinein - um das auch mal politisch zu machen - Früchte trägt und an dem man sich orientieren kann?

Wenn wir erst im Jahr 2011 wieder anfangen, ein Gesetz zu machen, dann machen wir jetzt ein Gesetz, mit dem kurzfristig die Burg-Phobie behoben wird, das aber nichts mit einer Landschaft der Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt für die Zukunft zu tun hat.