Protokoll der Sitzung vom 15.09.2006

- Frau Budde, das sind sehr differenzierte Löhne. Es gibt sehr hohe Löhne in bestimmten Branchen, zum Beispiel in der Metallverarbeitung, aber es gibt auch sehr niedrige Löhne, zum Beispiel im ernährungswirtschaftlichen Bereich. Das ist eine Struktur, die würde oktroyiert auf diejenigen, die nicht organisiert sind. Das wäre - das muss ich sehr deutlich sagen - das Ende des Wettbewerbs am Arbeitsmarkt und auch in den Produktmärkten.

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Das ist der Be- ginn des Wettbewerbs!)

- Nein, Herr Thiel, das ist das Ende der Marktwirtschaft an dieser Stelle, im Übrigen das Ende der sozialen Marktwirtschaft;

(Zuruf von Frau Rogée, Linkspartei.PDS)

denn damit wird eine Grundsäule unseres Systems beseitigt.

Meine Damen und Herren! Man kann nur hoffen - ich erwarte es aber auch -, dass diese unsinnigen Vorstellungen von Herrn Müntefering nach dem kommenden Sonntag verschwinden; denn dann sind Wahlen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern vorbei. Danach kann man den allergröbsten Populismus wieder in die Schublade packen und ganz vernünftig zur Tagesordnung übergehen. Herr Müntefering hat gelegentlich auch einmal vernünftige Idee, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Professor Paqué. - Sie sind noch nicht fertig? Entschuldigung.

Ich habe noch eine Minute.

Diese will ich Ihnen auch nicht nehmen, Herr Professor Paqué.

In dieser Minute möchte ich eine Schlussbemerkung zur Frage des Kombilohns machen. Lieber Herr Minister, Sie haben mir deutlich gemacht, dass die CDU und die Landesregierung bezüglich des Kombilohns weiter nachdenken. Ich habe überhaupt nichts dagegen und finde es völlig richtig, dass man über Kombilohnmodelle nachdenkt.

Es ist aber wichtig, darauf zu achten, dass Arbeitsgeber nicht durch gezielt niedrige Angebote Kosten auf den Staat abwälzen. Das muss unterbunden werden. Nur, sehr geehrter Herr Minister, das hat mit dem Thema des Mindestlohns überhaupt nichts zu tun. Ich sage, das ist eine unorthodoxe Terminologie, die einen modischen Begriff verwendet, um eine ganz andere Sache in den Blickpunkt zu stellen.

Ich sage aber zum Schluss sehr deutlich, dass wir bei der Diskussion um die Kombilohnmodelle noch nicht sehr weit gekommen sind. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat natürlich Recht bei seinen Ausführungen: Ein Kombilohnmodell, das die ALG-II-Basis nicht deutlich senkt, wird extrem teuer für den Fiskus und es wird ungerecht. Das muss man auch so deutlich sagen. Dieser Gedanke wird oft vernachlässigt. Es wird Leute geben, die nie arbeitslos waren und dann keine Subvention bekommen, und diejenigen, die längere Zeit arbeitslos waren, bekommen diese Subvention. Das kann nur für eine vorübergehende Zeit so sein und darf in einer Marktwirtschaft nie dauerhaft so sein. Dagegen werden wir Liberale auch kämpfen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Herr Paqué, der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei.PDS Herr Gallert hat noch eine Nachfrage. Würden Sie diese noch beantworten?

Ja, mit Vergnügen.

Wer weiß, wer weiß, Herr Paqué.

Herr Paqué, interessant ist die Diskussion insofern schon, als es doch einen erheblichen Erkenntnisprozess zumindest bei den meisten in diesem Haus gibt, und der ist noch offen. Wenn Sie Herrn Haseloff schon angesprochen haben, dann muss man sagen: Für mich war am beeindruckendsten, wie er sich hier vorn gequält hat.

(Herr Gürth, CDU: Wieso?)

- Doch, er hat sich gequält, weil er weiß, dass der ordnungspolitische Rahmen, den er verteidigt, im Ergebnis nicht mehr funktioniert. Das erkenne ich Ihnen hoch an, Herr Haseloff, weil Sie das Problem wenigstens sehen. Herr Paqué sieht das Problem nicht. Deswegen meine Frage.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Widerspruch bei der FDP - Herr Kosmehl, FDP: Ach!)

Ich habe jetzt gehört, was Sie alles nicht wollen. Verstehe ich Sie richtig: Die Situation, die wir jetzt in SachsenAnhalt haben, in der Hunderttausende von Leuten mit Löhnen nach Hause gehen, die ihnen ein menschenwürdiges Leben nicht ermöglichen, führt Sie nicht dazu, dass man politisch irgendwie handeln müsste?

Herr Gallert, ich finde es völlig inakzeptabel, zu einer Frisöse zu sagen, dass der Lohn, den sie für ihre gute Arbeit verdient, menschenunwürdig ist. Das finde ich inakzeptabel. Hier arbeiten Menschen motiviert in einer Situation am Arbeitsmarkt, die mit ihren Arbeitgebern - -

(Frau Dirlich, Linkspartei.PDS: Für zu wenig Geld!)

- Liebe Freunde von der PDS, lassen Sie mich den Punkt mal machen, der ist von gewisser grundsätzlicher Bedeutung.

(Frau Dirlich, Linkspartei.PDS: Natürlich arbeiten die motiviert, aber für zu wenig Geld!)

Mit ihren Arbeitgebern haben die im Rahmen der Tarifautonomie Löhne ausgehandelt.

(Frau Rogée, Linkspartei.PDS: Im Frisörhandwerk gibt es doch gar keine Tarifverträge!)

Wir wissen alle - außer Frau Budde offensichtlich -, wenn die Löhne im Frisörhandwerk deutlich hochgehen würden, ginge zwar nicht das Frisörhandwerk nach Polen oder in die Ukraine - so einen Unsinn hat noch nie jemand gesagt -,

(Frau Dirlich, Linkspartei.PDS: Was?)

aber es würde eine Substitution in die Schwarzarbeit geben. Die würden wir geradezu subventionieren

(Frau Schmidt, SPD: Das machen die doch jetzt schon! - Frau Rogée, Linkspartei.PDS: Das gibt es doch schon!)

- so ist es - und jeder von uns würde sich bei einem Blick in seinen Geldbeutel vielleicht doch überlegen, dass er eben nicht mehr, sagen wir einmal, alle drei Wochen zum Frisör geht, sondern nur noch alle fünf Wochen - das kriegt er irgendwie schon hin; dann lässt er sich die Haare eben etwas kürzer schneiden. Das Ergebnis ist weniger Beschäftigung, Herr Gallert.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Das Ergebnis ist weniger Beschäftigung im Dienstleistungssektor, und das wollen Sie. Sie sind der Befürworter der hohen Arbeitslosigkeit.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - La- chen und Unruhe bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

Ich will und meine Freunde von der FDP wollen das auch,

(Frau Budde, SPD: Freunde?)

dass durch wirtschaftliches Wachstum in dieser Region Beschäftigung entsteht. Das ist das zentrale Ziel. Wir müssen in diesem Land in einer Situation, in der wir fast 20 % Arbeitslosigkeit haben, für eine gewisse Zeit mit Tarifverträgen leben, die wir uns alle anders wünschen würden.

(Herr Dr. Eckert, Linkspartei.PDS: Seit 15 Jahren!)

Selbstverständlich würde ich den Menschen im Frisörhandwerk oder wo auch immer, im Dienstleistungsbereich, mehr Geld gönnen, aber das ist doch eine irrelevante Frage. Das gibt die Wirtschaft in dieser Region zurzeit noch nicht her und es wäre absolut fatal, die Menschen durch überhöhte Löhne hinauszudrängen. Also Ihre Frage, Herr Gallert, was ich mir vorstelle, ist eigentlich schon falsch gestellt.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Ich sage: Ich bin nicht zufrieden mit der Situation, wie sie ist. Ich will, dass diese Region wächst, dass hier mehr Arbeitsplätze entstehen und dass die Menschen besser bezahlt werden. Aber der Weg, den Sie vorschlagen, ist völlig ungangbar. Es geht nur auf dem Weg des wirtschaftlichen Wachstums.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS - Un- ruhe)

Vielen Dank.

(Zurufe)

- Nun lassen Sie mich hier einmal führen. Es gibt noch zwei Nachfragen, von Herrn Rothe und von Frau Budde. Sie sind bereit, Herr Paqué, diese Fragen auch noch zu beantworten?

Selbstverständlich.

Herr Rothe, bitte.

Herr Professor Paqué, da Sie mich freundlicherweise angesprochen haben,

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Ein guter Jurist!)